Bonaire ist mit seinen knapp 300 km2 fast gleich gross wie das Fricktal, wo wir unsere Wurzeln haben. Hier leben rund 18’000 Menschen, die meisten davon in und um die Hauptstadt Kralendijk. Die Amtssprache ist Niederländisch, die häufigst gesprochene Sprache aber ist Papiamentu, ein Gemisch aus Spanisch, Portugiesisch und etwas Afrikanisch. Bonaire gehört mit Aruba und Curaçao zu den ABC-Inseln. Politisch ist das Ganze, wie so oft bei diesen Überbleibseln der Kolonialzeit, etwas kompliziert. Bis 2010 gehörte Bonaire zu den Niederländischen Antillen. Während Aruba und Curaçao heute autonome Länder im Königreich der Niederlande sind, ist Bonaire seit 2010 «öffentliche Körperschaft und besondere Gemeinde» der Niederlande mit eigenen Gesetzen und Verwaltung, aber von der Krone eingesetzten Vorsitzenden.
Die Insel ist sehr karg und hat eigentlich wenig zu bieten. Der Tourismus richtet sich hauptsächlich auf Taucher und Windsurfer aus. Es hat sehr wenige Sandstrände, dafür ist eine die Insel umfassende Korallenlandschaft vorhanden, die ihresgleichen sucht. Im Jahre 1979 wurde der «Bonaire Marine Park» gegründet mit dem Ziel, die Unterwasserwelt der Gegend zu schützen. 1999 erklärte ihn die Regierung offiziell zum Nationalpark. Bonaire wurde 2007 von Forbes Traveller auf den vierten Platz der weltweit besten Tauchgebiete gewählt. Um dieses Paradies nicht zu gefährden, wurden strenge Regeln zum Schutze der Unterwasserwelt eingeführt. Die Tauchplätze der Hauptinsel sind fast allesamt vom Strand aus erreichbar. Und das ist es, was so schön ist hier, auch für uns Schnorchler!
Übrigens: «Dushi» ist ein Wort, das verschiedene Bedeutungen hat und für «Sweetheart, Babe, sexy, hello» oder für ein gutes Essen steht. Dushi Bonaire!!
Nach unserem Heimaturlaub finden wir die Lupina verstaubt, aber sonst in tadellosem Zustand an. In der Marina war sie sehr gut aufgehoben. Nun aber wollen wir raus an eine Boje, weil man dort direkt ab dem Schiff ins glasklare Wasser tauchen kann. Geht aber nicht, da anfänglich alle Bojen besetzt sind. Ankern ist aus Naturschutzgründen verboten. Über Funkkanal 77 melden wir uns bei einer selbst organisierten Seglerkommunity und melden unseren Bojenbedarf an. Es gibt offenbar auch ein paar andere Schiffe in der Marina, die an eine Boje wollen, es ist also Geduld gefordert. Macht nichts, wir haben Zeit 😊
Dushi Bonaire, bye bye, wir kommen bald wieder!! Ende August sind wir wieder zurück und freuen uns auf unseren nächsten Besuch aus der Schweiz.
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Am vergangenen Wochenende gingen unsere Ferien in der
Schweiz zu Ende und seit Montag, 1.7.2019, wohnen wir wieder auf der Lupina. In
der Schweiz haben wir eine wunderbare aber auch intensive Zeit verbracht mit
allerlei Aktivitäten. Da wir unsere eigene Wohnung vermietet haben, hausten wir
zuerst für zwei Wochen bei Freunden und dann bei Sohn Jan und seiner Familie.
War das Wetter vor unserer Ankunft noch kalt und regnerisch, kehrte es mit unserem
Eintreffen schlagartig und es wurde sonnig und warm. Kein Witz sondern wahr: am
Abend unserer Landung verkündete der Wetterfrosch am Fernsehen, dass das Hoch
«Pia» von Westen kommend stabiles schönes und warmes Wetter bringen wird. Die
Vorhersage traf ein und die Temperaturen waren zeitweise sogar höher als in
Bonaire.
In den nächsten Tagen kommen wir jetzt einfach wieder an,
werden Bonaire etwas erkunden und schmieden dann weitere Pläne. Wir halten euch
auf dem Laufenden.
Am 21. Mai um 4 Uhr nachmittags ziehen wir unseren Anker hoch, setzen Schmetterlings-Besegelung (Grosssegel auf Backbord mit Bullentaille gesichert, Genua auf Steuerbord mit Spi-Baum gesichert) und rauschen von Grenada ab in Richtung Bonaire. Zwei Dinge sind diesmal etwas anders wie sonst: einerseits ist Köbi’s Finger noch nicht einsatzfähig und Arbeiten, zu denen es beide Hände braucht, müssen mit Pia’s Unterstützung erledigt werden. Andererseits hört und liest man von Piraterie entlang der Venezuelanischen Nordküste. Dies ist eine Folge der politischen Unruhen in Venezuela, die einher geht mit Verwahrlosung, grosser Armut und Anarchie. Eigentlich wollten wir uns entlang der wunderschönen Venezuelanischen Inseln bis nach Bonaire westwärts hangeln. Es gibt auch Segler, die das jetzt noch tun. Wir aber wollen das Schicksal nicht herausfordern, machen einen grossen Bogen um das Risikogebiet herum und halten mindestens 35 Seemeilen Abstand. In diesem Abstand werden wir auf dem Radar nicht gesehen. Zudem schalten wir bei der Vorbeifahrt unser AIS Sender aus. Einzig das Positions-Licht behalten wir nachts an. Da dies aber nur etwa maximal 10 Seemeilen weit sichtbar ist, sehen wir darin keine Gefahr.
Bei der Überfahrt haben wir einen guten achterlichen Wind, manchmal zwar fast etwas wenig, was uns aber lieber ist als zu viel. Wir können die ganze Zeit unsere Segelstellung belassen und immer unter vollen Tüchern fahren. Erst als wir gegen Bonaire kommen und südwärts abdrehen, verstellen wir unsere Segel zum ersten Mal wieder. In unserer letzten Nacht auf See bringt ein Fischerboot unsern Puls (genau genommen Pia’s Puls, da sie gerade Wache schiebt) doch noch ein wenig auf Trab. Das Fischerboot hält von vorne fast genau auf uns zu. Wir sehen ihn zum ersten Mal auf dem Radar in etwa acht Meilen Distanz. Als er in vier Meilen Distanz zu uns immer noch in unsere Richtung fährt, denken wir schon an Piraten und legen uns Abwehrstrategien zurecht. Die ersten beiden Massnahmen, Lichter löschen und 20 Grad Kursänderung nach Norden, leiten wir auch gleich ein. Zu unserer weiteren Beunruhigung stoppt das Fischerboot in etwa zwei Meilen Distanz zu uns, bleibt ein paar Minuten stehen, und fährt dann einen Kreis. Wir sind nur noch 1,5 Meilen von ihm weg, als er beginnt, seinen alten Kurs, der rund eine Seemeile südlich an uns vorbeizieht, wieder aufzunehmen. Wir beobachten sein Verhalten genau und stellen erleichtert fest, dass er seinen Kurs fortsetzt, als er uns passiert hat. Immer noch etwas vorsichtig nehmen wir den alten Kurs wieder auf, und Köbi, der zur Sicherheit geweckt wurde, legt sich wieder schlafen. Je näher wir an Bonaire kommen und je mehr kommerzielle Schiffe um uns herum sind, umso entspannter wird für uns die Fahrt.
In Bonaire ist das Ankern zum Schutz der Korallenbänke strikte verboten. Wir finden das gut und respektieren diese Anordnung. Entlang der Westküste hat es viele vom Staat gesetzte Bojen, an denen man gegen eine kleine Gebühr von 10 US$ pro Tag festmachen kann. Wir legen unsere Lupina direkt vor die Hauptstadt, Kralendijk. Kaum sind wir an der Boje fixiert, werden wir schon von Annette und Michael von der Segelyacht Limelight, die wir in Grenada erstmals getroffen haben, begrüsst. Sie sind einen Tag vor uns nach Bonaire gesegelt. Auch das Schweizer Schiff SY Yum Yum mit dem Basler Skipper Mirko und seiner Begleiterin Anja sehen wir an einer Boje nicht weit von uns. Wir freuen uns, dass beiden Schiffen die Überfahrt ebenfalls ohne Probleme gelungen ist. Am meisten aber freuen wir uns am Wasser hier. So klares Wasser wie jetzt auf Bonaire haben wir auf unserer ganzen Reise bisher nie angetroffen. Schnorcheln macht richtig Spass. Direkt unter unserem Schiff fällt der Meeresboden steil von rund 5 Meter auf 10-15 Meter ab. Entlang dieser Riffstufe schwimmen tausende von herrlich bunten Fischen. Ab und zu zieht ein grösserer (= mehr als ein Meter langer) Raubfisch seine Kreise dem Riff entlang und man kann die Verteidigungstaktik der möglichen Beutefische beobachten. Wir geniessen es, direkt vom Schiff aus tauchen und schnorcheln zu können.
Ab 28. Mai haben wir einen Liegeplatz in der Harbour Village
Marina gebucht, wo wir das Schiff für die Zeit, in der wir unserer Heimat einen
Besuch abstatten, festmachen können. Bevor wir das machen, wollen wir Angi aber
noch die Gelegenheit geben, unsere Lupina in Aktion zu erleben.
Den ganzen Monat Juni werden wir in der Schweiz verbringen
um Familien, Freunde und Bekannte zu besuchen. Ab 1. Juli geht es dann hier wieder
weiter. Was uns dann erwartet, wissen wir schon recht genau:
Grenada ist die südlichste Insel der Kleinen Antillen. Sie
wurde bei der 3. Entdeckungsfahrt 1498 von Columbus entdeckt und erhielt zuerst
den Namen «Concepcion». Später gaben ihr dann Spanische Seeleute den heutigen
Namen, weil ihre üppig grüne Landschaft und die hügelige Kontur sie stark an
Granada in Andalusien (Spanien) erinnerte. Die Engländer beliessen den Namen,
als sie die Insel 1609 zu ihren Kolonien hinzufügten. Danach gab es das
klassische Szenario: die einheimische Bevölkerung ermordeten und kochten ein
paar der Eindringlinge, den Rest warfen sie ins Meer zurück. Erst 1650 gelang
es den listigen Franzosen, sich mit ein paar Gelagen und viel Alkohol bei den
Einheimischen einzuschmeicheln. Als diese es merkten, war es schon zu spät und
sie fanden sich von der Französischen Armee im Norden der Insel auf eine Klippe
zurückgedrängt. Gemäss Geschichtsaufzeichnungen warfen sich damals viele
Insulaner lieber stolz ins Meer, als sich den Franzosen zu ergeben.
Nachdem die einheimische Bevölkerung praktisch vernichtet war, stritten sich auch hier die Franzosen und Engländer über 100 Jahre lang um die Vorherrschaft. Erst im Vertrag von Versailles fiel Grenada 1783 definitiv an die Engländer. Dank der nährstoffreichen, fruchtbaren Vulkanerde und regelmässigen Regenschauern wuchs hier fast alles, was von den Sklaven damals für die Plantagenbesitzer anpflanzt wurde. Nachdem die Sklaverei abgeschafft war und sich die Grossgrundbesitzer aus dem Staub gemacht hatten, wurde das Land an die Einheimischen, meist ehemalige Sklaven, verteilt. In der Folge entwickelte sich eine rege, vielseitige Landwirtschaft mit diversen Früchten wie Bananen, Mango, Papaya und vielen Anderen, daneben Kokosnuss, Zuckerrohr, alle Arten von Gemüsen und Gewürzen, darunter die berühmte Muskatnuss. Anlehnend an die Letztere wird Grenada heute auch liebevoll «die Gewürzinsel» genannt. 1974 wurde Grenada ein eigenständiger Commonwealth Staat. Nach anfänglichen innenpolitischen Streitigkeiten, der Einmischung von Russland (via Kuba) und der USA und einer grossen Rezession, geht es seit Ende der 90er Jahre wieder steil bergauf, und Grenada zeigt sich heute als eine der fortschrittlichsten Inseln im ganzen Antillenbogen. Uns ist gerade dies im Vergleich zu den anderen Inseln aufgefallen. Zeigten sich andere Inseln auf unserem Weg doch eher ärmlich und spärlich entwickelt, überrascht uns Grenada mit ihrem Wohlstand, guter Versorgung und funktionierender Infrastruktur. Auf den meist ordentlich ausgebauten Strassen fahren viele, zum Teil auch modernere Autos, dementsprechend ist es auch laut und irgendwie hektisch. Nach vier Monaten «Ruhe» für uns sehr gewöhnungsbedürftig.
Köbi’s Finger hält uns nicht davon ab, diverse Ausflüge auf
der Insel zu unternehmen. Nachdem wir die Ostseite schon ergiebig von Land und
Meer aus besucht haben (siehe letzter Bericht), waren nun die Westseite, der
Süden und das Zentrum der Insel unsere Ziele.
Im Karibikraum beginnt nun bald die Hurrikan Zeit, die bis
Anfang November dauert. Einige Segler nehmen ihr Boot aus dem Wasser und lassen
es an Land fest mit dem Boden verankern. Die meisten weichen aber aus der
kritischen Zone aus in Gebiete mit wenig oder null Risiko. Dies ist grob gesagt
entweder nördlich von Florida oder südlich von Grenada, also die Südamerikanische
Nordküste. Wir haben entschieden, die Hurrikan Zeit auf den ABC Inseln zu
verbringen (A: Aruba / B: Bonaire / C: Curaçao)
Wir freuen uns riesig auf Bonaire, wo wir Angela, Pia’s
Tochter, endlich wieder mal sehen. Auf dem Weg dorthin müssen wir aber zuerst einen
kleinen Bogen um die nördlichen Inseln von Venezuela machen, da es dort momentan
nicht sicher ist und es in letzter Zeit mehrere Übergriffe auf Segelschiffe
gegeben hat. Daher umrunden wir die Inseln nördlich mit einem guten
Sicherheitsabstand. Ab heute Nachmittag sind wir unterwegs und wer uns live
verfolgen möchte, kann das über das Menü «Aktuelle Position» gerne tun.
Mittlerweile sind wir ganz im Süden der Insel Grenada angekommen und liegen zurzeit in der Bucht von Prickly Bay, vor Anker. Ankern wäre hier super einfach, wenn nicht überall diese oft von Privaten platzierten Bojen wären. Wenn immer möglich wollen wir ankern, denn dann wissen wir, was wir haben. Bei den Bojen ist der Zustand von Seilen und Ketten oft fraglich und immer wieder liest man, dass sich eine Boje losgerissen hat, und die daran hängende Yacht irgendwo auf einem Riff gestrandet ist. Allerdings ist Ankern inmitten eines Bojen Feldes auch nicht gerade ratsam, denn an der Boje bewegt sich ein Schiff viel weniger als wir an der Kette. Deshalb haben wir auch hier einen freien Platz gerade ausserhalb des Bojen Feldes für unseren Anker gewählt und liegen nun halt rund einen halben Kilometer weg vom Steg, wo wir mit unserem Dinghi anlanden können. Ist aber weiter kein Problem, denn das Wasser in der Bucht ist relativ flach und die Wellen gering.
Aber nun der Reihe nach: als wir letztes Mal berichtet
haben, lagen wir auf der Ostseite der Insel in Grenville vor Anker. Unser Plan
war, da ein paar Tage zu bleiben und die Ostseite und den Norden von Grenada
von dort aus zu erkunden. Wir mussten da aber feststellen, dass die
Anlegemöglichkeiten für das Dinghi sehr schlecht waren. Wir wollten nichts
riskieren mit Köbi’s Finger. Zudem war für die folgenden Tage eine starke Brise
Richtung Land angesagt. Der Anker hielt zwar sehr gut und die Wellen wurden von
den vorgelagerten Riffen weitgehend aufgehalten, trotzdem entschieden wir bereits
nach einer Nacht, uns von Grenville ohne direkten Landgang zu verabschieden, um
weiter südlich in einer der tief einlaufenden und nach Süden ausgerichteten
Buchten Schutz vor Wind und Welle zu suchen. In der Bucht von St Davids
Harbour, rund 10 Seemeilen südlich, fanden wir eine sehr schöne, idyllische
Bucht, wo es uns gefiel und wir mit unserer Lupina ankerten.
Über
die Mount Hartman Bay, wo wir die zwei letzten Nächte vor Anker lagen, haben wir
nun heute eine der berühmteren Buchten in der Karibik, die Prickly Bay,
angesteuert. Hier liegen wir nun zwischen vielen anderen Schiffen vor Anker, in
sicherem Abstand zu den Bojen Feldern. Morgen wollen wir dann von hier aus
weitere Teile der Insel erkunden, bevor wir dann an die Westküste verlagern.
Eigentlich hatten wir geplant, nach Ostern Carriacou in Richtung Grenada zu verlassen. Der Zwischenfall mit dem Finger von Köbi zwingt uns nun eine kleine «Zwangspause» auf. Die Wunde muss anfänglich täglich, dann alle zwei Tage neu verbunden werden. Wir könnten das selber machen, haben alles notwendige Material dazu an Bord. Aber da es hier Kliniken und Gesundheitszentren gibt, die für solche Fälle da sind, nutzen wir lieber die lokale Infrastruktur. Noch eine kurzer Nachtrag zu den Kosten: die Notbehandlung der Wunde im Spital mit Reinigung, Desinfektion und Nähen kosteten 150 EC$ (rund 50.- CHF). Damit inbegriffen sind auch die Nachfolgebehandlungen, wie Verbandwechsel und Fäden ziehen. Allerdings wird dabei erwartet, dass der Patient das benötigte Verbandsmaterial selber in der Apotheke besorgt und mitbringt. Da über die Osterfeiertage die Apotheken geschlossen haben, greift man kurzerhand auf die im Gesundheitszentrum vorhandene Notreserve zurück: angebrochenes Material von anderen Patienten, die nicht mehr zum Verbandswechsel kommen.
Noch am gleichen Tag lichten wir den Anker und setzen Segel Richtung Grenada. Rund zwei Stunden später erreichen wir nach elf Seemeilen eine kleine Insel, Ronde Island, kurz vor Grenada. Die Insel ist unbewohnt und die grosse, weite Ankerbucht bietet guten Schutz gegen Wind und Welle. Spontan beschliessen wir, hier die Nacht zu verbringen. Es ist wunderschön, eine rabenschwarze Nacht, ohne jegliche Lichtverschmutzung. Die Sterne funkeln um die Wette. Am nächsten Morgen nimmt Pia ein ausgedehntes Bad im glasklaren Wasser. Köbi kann sich an der Heckleiter festhaltend auch etwas vom erfrischenden Nass geniessen – sein Finger darf vorläufig noch nicht ins Salzwasser!
Wir sind nach dem langen Aufenthalt in Carriacou voller Tatendrang und beschliessen, Grenada auf der windigen Ostseite zu umrunden. Heftig geschüttelt und gerüttelt (die Wellen auf der Luvseite der Insel sind kurz und gut und gerne 3-4 Meter hoch) laufen wir als unser erstes Ziel Grenville an, die zweitgrösste Stadt der Insel. Die Einfahrt in die von Korallenbänken gut geschützte Bay ist sehr gefährlich und man muss sich genau an die Navigationshilfen halten, will man nicht auf einer der spitzen Korallen hängen bleiben und das Boot aufreissen. Trotz GPS, das die Sache heute doch wesentlich erleichtert und einfacher macht, eine spannende Herausforderung. Als wir fast durch sind kommt uns ein Fischer entgegen und will uns den Weg durch das Riff zeigen. Wir sind aber schon beim letzten Kurswechsel angelangt und bedanken uns für sein Hilfeangebot. Nun liegen wir hier auf der Luvseite der Insel bei rund 15-20 Knoten Wind aber flachem Wasser vor Anker. Grenville wäre ein guter Ausgangspunkt, um die Ostseite von Grenada zu erkunden. Aber morgen ist der 1. Mai und da fahren keine Busse. Mal schauen – wenn wir hier gut liegen, bleiben wir ein paar Tage, sonst fahren wir weiter zur Südküste mit ihren unzähligen gut geschützten Buchten.
Am 16. April 2019 machen wir uns von Petit Saint Vincent auf
in ein neues Land: Grenadan Grenadines. Dieses Land setzt sich aus diversen
Inseln zusammen, die von Grenada aus verwaltet werden. Es besteht aus drei
grösseren Inseln (Grenada, Carriacou und Petit Martinique) und vielen kleineren
Inselgruppen. Wir steuern die Östlichste davon, Petit Martinique, an.
Am nächsten Tag segeln wir weiter nach Carriacou, hinter
Grenada die grösste Insel des Landes. Rund 7000 Einwohner leben auf der rund 30
Quadratkilometer grossen Insel. Gemäss unserem Reiseführer gibt es in der
Hauptstadt Hillsborough Immigration und Zollbehörde, wo wir einklarieren
können. Bevor wir dort an Land gehen verbringen wir eine Nacht in einer kleinen
einsamen Bucht (Anse La Roche im Norden der Insel, wunderbares
Schnorchelgebiet) und können dort unter anderem dutzende von Leguanen
beobachten, wie sie am menschenleeren Sandstrand am helllichten Tag Löcher
buddeln und ihre Eier hinein legen.
An
Land finden wir zwar ein Immigrationsbüro, aber keinen Zoll. Die freundliche
Immigrations-Dame, die gerade vom Mittagessen zurückkommt und die letzten Bissen
genüsslich fertig kaut, erklärt uns, dass der Zoll kürzlich in die Tyrell Bay
im Süden der Insel verlegt wurde. Nun ist uns auch klar, dass es keine Schiffe mehr
in Hillsborough vor Anker hat. Alle, die ein- oder ausklarieren wollen, müssen
in die Tyrell Bay, eine Bucht, die von fast allen Winden und Wellen gut
geschützt ist. Was machen? Da bisher noch nie jemand das Boot sehen wollte,
schnappen wir uns den nächsten Bus und fahren in die rund fünf Kilometer
entfernt gelegene Tyrell Bay. Dort in der Marina finden wir denn auch
tatsächlich Immigration und Zoll schön vereint in einem kleinen Büro. Langsam
sind wir mit der Prozedur vertraut, und schnell haben wir das
Einklarierungsdokument von Hand ausgefüllt und die nötigen Stempel in unserem
Pass. Der Mann lächelt sogar verständnisvoll, als Pia ihn bittet, den Stempel
doch bitte auf die nächste leere Seite im Pass und nicht irgendwo zu
platzieren. Das ausgefüllte Formular landet auf dem grossen Stapel auf dem
Beistelltisch. Und schon sind wir auch hier legal im Land.
Tja, und nun kommt der Finger-Mann! Von Hillsborough wollen wir am Ostersonntag weniger als eine Meile zur Sandy Island verlegen. Diese Insel ist in einem Naturschutzgebiet und verspricht herrliches Baden und Schnorcheln. Zur Schonung der Korallen sind Bojen ausgelegt, an denen man festmachen muss, ankern darf man nicht, oder nur auf spezielle Anordnung des Ranchers. Es weht eine kräftige Briese, gut 20 Knoten Wind. Mehrmals sind wir sehr nahe an der Boje, an der wir festmachen wollen, kriegen aber die Schlaufe, die unten an der Boje im Wasser hängt, nicht zu fassen. Pia versucht es mit dem Bootshaken, dieser verfängt sich und wird ihr bei einer der kräftigen Wellen aus der Hand gerissen. Als wir wieder nahe an der Boje sind, springt Köbi beherzt ins Wasser, greift die Festmacheröse der Boje, und zieht die Festmachertrosse durch. In diesem Moment wirft eine starke Welle das Schiff kräftig hoch. Es gibt plötzlichen Zug auf die Trosse und Köbi verklemmt seine Hand zwischen Bojenöse und Trosse. Resultat: zwei Finger ausgerenkt, zwei Finger gequetscht und am Mittelfinger die Fingerkuppe abgerissen. Übung Abbruch!
Mit stark blutender Hand an Bord, Notverband, unter Motor volle Fahrt in die Tyrell Bay, Anker runter und über Funk ein Wassertaxi angefordert für den Transport an Land. Es ist Ostern- niemand arbeitet. Es findet sich aber doch einer, der uns an Land bringt. Als er unsere Notlage sieht, will er nichts für den Transport. Wir geben ihm trotzdem was. Dann mit Privatfahrzeug ins Spital der Insel (liegt auf einem Hügel mit phantastischer Aussicht). Dieser Fahrer ist weniger kulant und nützt die Gelegenheit: er verlangt ungeniert das doppelte, was ein Taxi kosten würde. Sehr ungewöhnlich für einen Einheimischen, aber wir diskutieren nicht. Der Empfang im Spital ist sehr speziell (vornehm ausgedrückt). Köbi zeigt den Finger mit dem blutigen Verband. Unbeeindruckt und offenbar leicht verärgert, weil sie in ihrem Nichtstun gestört wurde, steht die Dame am Empfang nach einer Weile auf. Streckt Arm mit Zeigefinger am Ende aus und verweist Köbi an einen Eingang am anderen Ende des Spitals. Ein Wartesaal mit etwa 10 Personen drin. Keiner davon mit offensichtlicher Verletzung oder Gesundheitsproblemen. Nach einer halben Stunde geht Pia zurück und will erklären, dass die Wunde so schnell wie möglich versorgt werden sollte. Ergebnislos kommt sie zurück. Also: warten! Bald einmal öffnet sich die Türe und eine Schwester schaut sich im Warteraum um. Sie winkt eine Patientin zu sich, schaut aber gebannt auf Köbi’s blutigen Verband. Vermutlich hat es darauf in der Notaufnahme eine kurze Aussprache gegeben, denn bald darauf kommt die Schwester wieder und winkt Köbi in die Notaufnahme. Check und Diagnose verlaufen dann speditiv, mit sehr einfachen Mitteln zwar, aber sehr zweckmässig. Die junge diensthabende Ärztin macht einen hervorragenden Job und näht zusammen, was noch zu nähen ist. Sie scheint sich solche Arbeiten gewohnt zu sein.
Dieser kleine Zwischenfall sorgt nun dafür, dass wir noch
etwas länger auf Carriacou verweilen werden. Wir wollen erst weiter, wenn die
Wunde sich geschlossen hat und kein Infektionsrisiko mehr besteht.
Es ist irgendwie lustig, aber auch sehr schön, die Reaktion
der Leute zu beobachten. Jeder spricht Köbi sofort auf den Finger an und fragt sorgenvoll
und interessiert, was passiert ist. Wohl schon fast die halbe Insel kennt
unsere Geschichte und sehr oft wird Köbi mit einem lustigen «Hi Finger-Man»
begrüsst
Auflösung zu Bild 11: werden sonst bei Neubauten hier immer zuerst die Eingangstreppen betoniert und erst dann Fundament-Stützen und Haus gebaut, fehlt hier eine Treppe
Unser Tagesziel ist die Chatham Bay auf Union Island, als wir am 9. April 2019 von der Salt Whistle Bay in Mayreau losfahren. Die Distanz beträgt nur gerade rund fünf Seemeilen. Wir nehmen uns Zeit, segeln gemütlich unter halber Kraft (nur die Genua ist halb gesetzt) und nutzen die Gelegenheit, um Wasser zu machen und unseren Tank wieder zu füllen. Nach einem kleinen Umweg über die Nordküste zum Sightseeing setzen wir nach etwas mehr als zwei Stunden den Anker in der Chatham Bay, einer riesigen Bucht mit fast keinen Schiffen, aber super gutem Ankergrund. Von hier aus wollen wir den nördlichen und östlichen Teil der Insel erkunden. Aber zuerst bewaffnen wir uns mit Schnorchel und Flossen und geniessen ausgiebig das wunderbare Schauspiel unter uns im glasklaren Wasser. Besonders entlang des felsigen Nordufers hat es riesige Fischschwärme. Wie dunkle Wolken bewegen sie sich synchron im Wasser. Manchmal haben wir den Eindruck, sie suchen unsere Nähe. Sie schwimmen mit und um uns, als ob sie sich von uns «grossen Fischen» Schutz vor ihren Feinden, den Barracudas und dergleichen, erhoffen.
In der Chatham Bay sehen wir einen Katamaran mit einer Schweizer Flagge im Mast. Spontan fahren wir mit unserem Dinghi vorbei, um «grüezi» zu sagen und machen Bekanntschaft mit Gervaise und Didier (aus Vevey) mit ihrem behinderten Sohn Damien. Die beiden sind pensioniert und erfüllen sich nun einen fast 20-jährigen Lebenstraum, indem sie für vier Monate zusammen mit ihrem Sohn die Karibik besegeln. Wir erleben mit ihnen zusammen einen sehr beeindruckenden und lustigen Nachmittag in einer der wenigen Strandbars. Didier hat für seinen Sohn über die Jahre viele Lieder komponiert und diese in fetzige Blues, Rock oder Country Musik verpackt. Die Einheimischen erlauben ihm, seine Musik über die grossen Lautsprecher abzuspielen. Es ist rührend zu beobachten, wie Damien sofort auf «seine» Musik reagiert und uns alle zum Tanzen mitreisst, auch die Einheimischen. Sehr, sehr eindrücklich zu erleben, wie diese Eltern für ihr behindertes Kind und mit ihm leben. Das Kind ist in diesem Moment total glücklich. Die Einheimischen erzählen uns bewundernd und fast ein wenig beschämt, dass hier der Umgang mit Behinderten ganz anders ist, und dass behinderte Kinder versteckt und weggesperrt werden. Wir freuen uns alle, dass es hier in diesem Moment anders ist. Chapeau à nos amis de Vevey! Beim nachhause Weg gibt uns Didier noch zwei CDs von ihm mit, die wir zurück auf der Lupina auch sofort in unseren CD Player stecken, und jedes Lied Wort für Wort aufsaugen.
Am 4. April verlassen wir die Welt der Prominenten und tauchen wieder ab ins Reich der Irdischen, oder kurz: wir segeln weiter zur nächsten Insel, die Canouan heisst.
Auf Canouan ankern wir in der Charlestown Bay. Die Insel sieht fast aus wie ein «J» und lässt sich grob in drei Teile unterteilen. Der Norden der Insel gehört einem privaten Unternehmen, das hier ein luxuriöses Boutique-Hotel mit 18-Loch Golfplatz errichtet hat. Dieser ganze Bereich ist privat und man braucht eine Zutrittsberechtigung, wenn man auf diesen Teil der Insel will. Wollen wir nicht. Der mittlere und südliche Teil der Insel ist frei zugänglich und wir erkunden diesen Bereich ausgiebig zu Fuss. Im mittleren Bereich wohnen die Einheimischen, rund etwa 1’500 Einwohner. Hier befindet sich auch die grosse Bucht mit seinen guten Ankerplätzen. Der dritte Bereich ist dann das ganze Südufer der Insel. Hier ist vor kurzem eine grosse, topmoderne Marina errichtet worden die Yachten bis zu 110 Meter Länge Platz bietet. Gleich parallel zu dieser Marina verläuft der Flughafen der Insel, dessen Piste lange genug ist, so dass auch Düsenjets darauf landen können.
In
der Coconut Bar treffen wir einen Mann in unserem Alter mit seiner nicht ganz
20-jährigen Tochter an. Ihn und seine Familie hatten wir kurz vorher schon in
der neuen Marina gesehen. Spontan kommen wir ins Gespräch und erfahren, dass
eine der beiden grossen Motoryachten in der Marina ihm gehört und dass er
gerade mit seiner Familie zwei Wochen Ferien darauf verbringt. Insgesamt
benutzt er seine Yacht, die er aber nicht selber fahren kann, nur etwa zwei
Monate im Jahr. Den Rest der Zeit überlässt er sie mit der ganzen Crew an Freunde
und Kollegen. Er kenne die Schweiz, erwähnt er, alle drei Monate fliege er nach
Zürich zur Stammzellen Auffrischung. Offenbar mit gutem Erfolg, denn für sein Alter
sieht er wirklich sehr gut aus! Seine Frau fährt ein Bentley, sein Sohn besitzt
zwei Porsches, seine Tochter einen Mercedes 500SL Cabrio und er zur Zeit einen
Lamborghini. Simon, wie er sich uns vorstellt, ist Engländer und hat sein
Vermögen durch Organisieren und Durchführen von grossen Musikkonzerten und
Musicals gemacht. Heute gehören ihm mehrere eigene Firmen, vorwiegend in der
Catering Branche. Wir haben ein kurzweiliges und lockeres Gespräch und erfahren
in kurzer Zeit viel über eine interessante Person. Wir werden in Zukunft nach seiner
Yacht Ausschau halten 😊
Die Inseln in dieser Gegend der Karibik sind gut
überschaubar und klein, und die Distanzen dazwischen relativ kurz. Ein ideales
Gebiet für Segelferien von 2-3 Wochen. Es ist daher verständlich, dass man hier
auch mehrheitlich Charteryachten sieht, Yachten also, die von Freunden oder
Familien gemietet werden. Es gibt auch Yachten, vor allem die grösseren, die
werden mit einer Crew zusammen vermietet. Erstaunlicherweise sind die meisten
der Charteryachten heute Katamarane. Einrumpfboote, wie die Lupina eines ist,
sieht man nur noch selten als Charteryacht. Beim Ankern muss man da gut
aufpassen. Die beiden Schiffstypen verhalten sich sehr unterschiedlich beim
Schwojen um ihren Anker. Weil ein Katamaran eine grosse Angriffsfläche für den
Wind hat und nur flach im Wasser liegt, reagiert dieser viel schneller auf sich
ändernden Wind am Ankerplatz. Ein Schiff wie unseres mit einem Kiel, der tief
ins Wasser reicht, und das relativ wenig Angriffsfläche für den Wind bietet,
reagiert viel träger. Zum Glück sind die Ankerplätze meist gross und wir haben
genügend Platz. Wenn es einmal etwas enger ist, bleiben wir meist hinten im
Feld in sicherer Distanz. Das hat den Nachteil, dass es weiter draussen eher
etwas mehr rollt, was uns aber überhaupt nicht stört.
Am 6. April verlassen wir die Charlestown Bay und ziehen
weiter südwärts. Ziel sind die Tobago Cays, eine Inselgruppe von fünf winzig
kleinen Inseln, die umgeben sind von einem riesigen Korallengürtel. Gut
geschützt gegen die Atlantikwellen, aber offen dem Wind ausgesetzt. Die Tobago
Cays bieten wunderschöne Sandstrände, glasklares und angenehm warmes Wasser und
immer noch massenhaft bunte Fische, mit denen man stundenlang mitschwimmen
kann. Diese Inseln sind längst kein Geheimtipp mehr und deshalb Ziel eines
jeden Chartertörns. Dies hat die Konsequenz, dass die Ankerplätze, die alle in
einem gut regulierten Schutzpark liegen, meist sehr dicht belegt sind.
Die Insel Mayreau liegt direkt westlich der Tobago Cays und
profitiert stark vom Tourismus, welche die Cays anlocken. Die Insel selber ist
nur gerade drei Quadratkilometer gross und ist locker zu Fuss in einem Tag
umrundet. No stress! Wir geben uns zwei Tage dafür 😊
Viele Yachten legen auf Mayreau in einer der drei gut
geschützten Buchten einen Zwischenstopp ein und nutzen die Gelegenheit für
einen Landgang. Die schönste, weil spektakulärste, Bucht ist die «Salt Whistle
Bay». Hier trennt eine dünne Landzunge Ost
(= Wind und Wellen) und West (wenig Wind, keine Wellen) der Insel.
Mit diesem feinen Nachtessen verabschieden wir uns am nächsten Morgen von Mayreau und segeln weiter zur nächsten Insel: Union Island. In rund einer Stunde Fahrt Richtung Süden sollten wir dort sein.