Von Gambier zurück in die Marquesas

Es ist Montag, der 16. Januar 2023. Wir laden noch ein letztes Mal Wetterdaten herunter, kaufen noch 1 Kiste Bier ein (nicht für unterwegs! Da gibt’s keinen Alkohol! Aber fürs Ankerbier beim Ankommen 😉), und verabschieden uns von Mangareva Yacht Service (Tituan und Juliette, die uns immer sehr zuvorkommend unterstütz haben). Zurück auf der Lupina kommt die Limelight Crew noch kurz zu uns, um uns auf Wiedersehen zu sagen. Dann geht’s los. Ich am Anker, Pia am Steuer. Ehrenrunde um die Limelight, dann zirkeln wir die Lupina durch die Korallenbänke vor Rikitea. In tieferem Wasser werden sofort die Segel gesetzt. Wir sind anfänglich zwar sehr langsam, aber wir haben Wind und der schiebt uns von hinten gemächlich aus Gambier hinaus. Auch ausserhalb des Atolls sind die Wellen flach, und wir machen bei auffrischendem Wind gute Fahrt.

Der Wind ist zwar schwach (5-8 Knoten), aber er weht etwa aus 60 Grad von Steuerbord aufs Schiff. Zusammen mit der Fahrtgeschwindigkeit von 5-6 Knoten, beträgt der Wind, der schlussendlich auf die Segel wirkt, rund 10-12 Knoten. Ein schöner Segeltag! Wir versuchen mal etwas Neues, setzen vorne neben der Genua parallel auch das Kuttersegel (kleines Segel in der Bildmitte). Wir haben das noch nie gemacht, sind eigentlich gar nicht so sicher, ob das etwas bringt. Tatsächlich! Wenn wir die Segel schön parallel ausrichten, dann machen wir gut 0.5 bis 1 Knoten mehr Fahrt! 😊
Die Überfahrt zur rund 800 Seemeilen entfernten Insel Hiva Oa auf den Marquesas verläuft sehr ruhig und fast erholsam. Je weiter wir nach Norden vorstossen, umso mehr dreht der Wind nach Osten, also mehr seitlich aufs Schiff, was auch von der Schräglage angenehmer ist.
Etwa auf halber Strecke ein wunderschöner Sonnenuntergang. Noch ahnen wir nichts vom Wetterwechsel, der uns nach Mitternacht bei meiner Schicht überrascht.

Etwa um 2 Uhr in der Nacht nimmt der Wind deutlich zu, in Böen sogar bis fast 30kn. Da es mittlerweile rings um uns herum blitzt am Himmel und Gewitter drohen, rollen wir die Genua ein und setzen die Fock. Kurz darauf dreht der Wind nach nordnordost (also wieder mehr von vorne) und flaut ab. Schlussendlich schläft er ganz ein und kommt fast aus der Richtung, wo wir hin wollen. Für ein paar Stunden muss der Motor ran, bis wir wieder genügend Wind zum Segeln haben. Im Verlaufe des 2. Segeltages setzt konstanter Ostwind ein, und ab da tragen uns die wieder kräftig gefüllten Segel zügig über das Meer in Richtung Marquesas.

Nach rund fünfeinhalb Tagen fällt das Eisen frühmorgens in der Bucht von Hanavave auf der Insel Fatu Hiva. Es liegen bereits 2 andere Boote vor Anker in dieser schmalen und windigen Bucht, aber wir haben genügend Platz (Lupina ganz links). Das Ankerbier vor dem Frühstück schmeckt herrlich 😉
Für uns ist es ein Wiedersehen mit den spektakulären Felsen und den skurrilen Formen, welche die Natur geformt hat.
Den Wanderpfad zum Wasserfall Vaieenui haben wir schon bei unserem ersten Besuch unter die Füsse genommen. Diesmal entscheiden wir uns für die anstrengendere Tour zum Aussichtspunkt über der Bucht. Die Wanderung verläuft etwa 5 Kilometer steil bergan auf der Strasse Richtung Omoa (die Füsse sind auf dem Bild abgeschnitten, stecken aber tatsächlich in Wanderschuhen! 😉)
Fast 400 Höhenmeter über unserem Ankerplatz und dem kleinen Hafen von Hanavave – ein fantastischer Ausblick, für den sich die Mühe definitiv gelohnt hat
Es ist die Saison der Pampelmusen (in der Schweiz auch Grapefruit genannt). Waren die Früchte in Gambier eher kleiner und noch nicht ganz reif, sind sie hier voll im Saft und laden ein, gegessen zu werden.
Spontan spricht der Besitzer der Bäume (Jacques) uns an und schenkt uns ein paar dieser leckeren Früchte. Er erwartet keine Gegenleistung! Etwas dafür zu bezahlen wäre eine Beleidigung, denn in der Polynesischen Sichtweise würde das bedeuten, dass man Gastfreundschaft mit Geld abwimmelt.
Als wir im März 2022 hier waren, war alles sehr trocken und braun. Die Bevölkerung erwartete sehnlichst Regen. Dieser ist in der Zwischenzeit eingetroffen und alles ist saftig grün, wie zum Beispiel der Pausenplatz der Schule von Hanavave …
… oder die Hänge entlang des tief eingeschnittenen Talkessels
Ein einheimischer Fischer und Bauer hat einem anderen Segler am Ankerplatz angeboten, einmal für uns alle ein Abendessen zuzubereiten. Schlussendlich sind wir die Crews von 4 Schiffen, welche die Einladung annehmen und ein typisches Marquesianisches Abendessen serviert bekommen.
Es gibt Schweinefleisch in 2 Varianten, Hähnchen, Brotfrucht, Reis und Gemüse. Zum Nachtisch Pampelmusen und leckeren, selbstgebackenen Schokoladekuchen.

Anders als damals im März 2022 herrscht jetzt über Fatu Hiva die ganze Zeit kräftiger Wind und das Meer ist stark aufgewühlt. Immer wieder peitschen kurze, sehr heftige Böen das Tal hinunter und lassen die Lupina heftig am Anker zerren. Wir sind froh, haben wir die neue Kette und müssen keine Bedenken haben, dass diese vielleicht überlastet werden könnte. An das Rollen am Ankerplatz haben wir uns schnell gewohnt. Pia meint gar, so sei sie gut auf die nächste Etappe eingeschaukelt. Nach 3 Tagen lichten wir den Anker und machen uns auf zur rund 45 Seemeilen entfernten Insel Tahuata

Bei der Wegfahrt von Fatu Hiva läuft zuerst alles wie gewünscht. Etwa eine halbe Meile von der Insel weg setzen wir zuerst das Grosssegel, dann die Genua. Beim Festhalten des Manövers im Logbuch kommt plötzlich eine sehr starke Böe (Pia liest 30-35kn vom Wind-Anzeigegerät). Diese Böe lässt unsere Lupina nach vorne in den Wind schiessen und legt das Schiff hart auf die Backbordseite. Die Reeling ist tief im Wasser und das dort befestigte SUP wird von der überströmenden Flut angehoben. Ich eile zum Steuer, reisse es herum und vieren die Genua. Die Böe lässt schon wieder nach – Glück gehabt, vermeintlich. Ein Rundumblick zeigt dann: die Solar-Paneele ist abgerissen (das Bild zeigt den Rest davon). Ich ärgere mich sehr, denn hätte ich mich nicht durch das Logbuch abgelenkt, hätten wir die Böe besser abfangen können! Wieder etwas gelernt ☹! Der Rest der Fahrt nach Vaitahu auf der Insel Tahuata verläuft dann sehr zügig und ohne weitere unangenehme Vorkommnisse.

Auch über Tahuata bläst während der ganzen Dauer unseres Aufenthaltes ein kräftiger Wind (ca. 20 Knoten). Sogar auf der Leeseite der Insel ist der Schwell, den das Meer bei diesen Bedingungen ans Ufer zurückwirft, ungewöhnlich hoch. Das Anlanden mit dem Dinghi an der Hafenmauer von Vaitahu ist sehr ungemütlich, ja sogar gefährlich. Daher beschränken wir uns auf nur wenige Landgänge. Zum Glück treffen wir hier wieder auf Katrin und Hans (SY Esmeralda). Deren Dinghi ist um einiges leichter als unseres und wir können es auf die Hafenmauer ziehen. Da liegt es geschützt und ungefährdet von dem starken Sog, der um die Quai-Mauern herrscht.

Nach 2 Tagen in Vaitahu verlegen wir 3 Seemeilen weiter in die idyllische Bucht von Iva Iva Iti. Hier können wir zwar ausgiebig schnorcheln, aber an das Anlanden mit dem Dinghi ist wegen der sich überschlagenden Wellen im Uferbereich nicht zu denken. Der Einheimische, der am Strand in einer Hütte wohnt, lässt sich jeweils ein paar Meter draussen abladen und schwimmt durch die Brandung ans Ufer.
Trotz starkem Wind und Schwell erleben wir einige wunderschöne Sonnenuntergänge. Dieses schöne Bild von der Lupina hat Katrin von der SY Esmeralda aus geknipst.
Am 2. Februar 2023, einen Tag früher als geplant, kommt Spannung auf: die Lupina kommt aus dem Wasser. Wir sind am Tag vorher von Tahuata nach Hiva Oa gefahren und haben mit dem Personal vom Yard den Ablauf besprochen. Weil das Wasser bei der Rampe nicht allzu tief ist, wird das Auswassern bei Hochwasser geplant. Hier sind wir bereits in Position und warten auf den Lift.
Mit dieser Vorrichtung, eine Art fahrbare Hebebühne, und dem kräftigen Allrad-Zugfahrzeug wird unser Schiff aus dem Wasser gezogen und an Land geschoben. Die Hebebühne ist in der Höhe hydraulisch steuerbar, so dass unsere Lupina während des ganzen Prozesses immer schön in der Waagerechte steht.
Die folgenden 2 Tage sind arbeitsintensiv. Alles, was nicht an Deck bleiben muss, wird vor dem gnadenlosen Sonnenlicht, das in diesen Breitengraden herrscht, unter Deck verstaut. Pia repariert das Bimini, dessen Stoff (an der Auflage bei den Eisenrohren) beim Aufenthalt im Spätsommer 2022 in der Marina von Papeete durch die Sonne an 2 Stellen fast durchgebrannt worden ist.
Ich inspiziere gründlich alle Winschen, Rollen und Klampen. Bei der backbordseitigen Niederhole-Rolle für das Genua-Schot stelle ich einen gravierenden Defekt fest, der als gefährlich eingestuft werden muss: der Bolzen, der die Rolle fixiert, ist nicht mehr gesichert. Die nietenartige Verstemmung des Materiales ist abgebrochen, vermutlich durch Vibrationen. Der Stift kann sich so axial verschieben und die Rolle könnte sich lösen.
Der Yard von Hiva Oa ist momentan randvoll. Viele Segler haben jetzt ihr Boot für die Zyklon-Zeit ausgewassert und sind nach Hause geflogen. Wir sind sehr glücklich, dass wir noch einen Platz bekommen haben.

Die Arbeiten, die wir dringend machen wollten, erledigen sich schnell und ohne negative Überraschungen: Unterwasserschiff abdampfen, Zustand des Antifoulings checken, Anoden am Bugstrahlruder und an Welle sowie Propeller ersetzen, Spiel von Ruder und Verstellmechanismus des Propellers prüfen, Seeventile überprüfen und gängig machen. Zudem gibt es hier einen Segelmacher mit gutem Ruf. Ihm übergeben wir unser Genua-Segel, damit er das ausgerissene Schot-Horn wieder einnähen kann. Es verläuft alles wie am Schnürchen. Wir sind froh, müssen wir nicht stressen mit der Arbeit, denn auf der an Land stehenden Lupina wird es tagsüber sehr heiss. Es weht kaum ein Wind und von unten kühlt kein Meerwasser.

Am Sonntagabend verabschieden uns Katrin und Hans (SY Esmeralda) noch mit einem feinen Nachtessen auf ihrem Schiff (vielen Dank euch Beiden für die vorzügliche Gastfreundschaft) und schon am Montag früh beginnt dann unsere lange Reise in die Schweiz.

Montag, 6.2.2023, die lange Reise in die Schweiz beginnt. Zuerst mit einem dreieinhalb stündigen Flug von Hiva Oa nach Papeete (Tahiti). Der Flughafen auf der Insel ist wohltuend klein und wunderschön eingebettet auf einem Hochplateau zwischen den steilen Bergen
Der Flug führt uns über die Atolle der Tuamotus. Einige davon haben wir schon besegelt, andere, wie das Atoll Apataki (Bild) werden wir dann auf unserer Weiterfahrt ansegeln.
In Papeete müssen/dürfen wir 2 Tage auf den Anschlussflug nach Europa warten. Das ist, wie man sieht, offenbar nicht weiter schlimm: Pia lässt es sich an ihrem 66. Geburtstag gut gehen.

Am 8. Februar geht dann die Reise weiter und einen Tag später kommen wir sicher aber etwas müde in der Schweiz an. Wir wollen nun wieder einmal den Winter geniessen. Zudem wollen die Grosskinder wissen, ob sie bereits schneller sind beim Skifahren als ihr Opi. Ich werde mir alle Mühe geben 😉 Mitte März geht’s dann wieder zurück auf die Lupina. Bis dann macht auch der Schreiberling Pause.

Aber danach wird es wieder spannend – folge der Lupina im Kielwasser!