Wir erreichen die Cook Islands

Am 25. Mai 2023 lichten wir den Anker in der Lagune von Maupiha’a, durchfahren problemlos mit hohem Tempo den engen Pass (die auslaufende Strömung schiebt uns mit zusätzlichen 4 Knoten) und schwupps – schon sind wir im offenen Meer unterwegs nach dem 360 Seemeilen entfernten Aitutaki, eine von 15 Inseln der Cook Islands. Der Wind weht von hinten und wir können fast die ganze Zeit mit Schmetterlings-Besegelung fahren. Anfänglich ist der Wind noch schwach, aber es reicht gerade, um die Segel straff zu halten. Am 2. Tag nimmt der Wind zu, leider auch die Wellen, die unsere Lupina immer wieder heftig ins Rollen bringen. Aber wir kommen gut und zügig voran. Gegen Schluss der Fahrt müssen wir sogar etwas verlangsamen, damit wir nicht in der Dunkelheit der Nacht am Ziel ankommen.

Bei Sonnenaufgang passieren wir die Hoheitsgrenze der Cook Inseln, und Pia darf nach fast eineinhalb Jahren wieder eine neue Gastlandflagge und die gelbe Quarantäne Flagge setzen. Zwei Stunden später machen wir die Lupina an einer Boje vor dem Riff, das uns vom Hafen trennt, fest.

Cook Islands ist ein weit verstreuter Inselstaat mit insgesamt 15 Hauptinseln zwischen Französisch-Polynesien im Osten und Tonga sowie Samoa im Westen. Die Inseln im Süden ragen hoch aus dem Meer hinaus und ihre Vegetation ist üppig und vielfältig. Die Inseln im Norden sind flache Atolle, deren Korallengestein nur wenigen Pflanzenarten genügend reichhaltige Nahrung abgeben. Der Entdecker James Cook hat längere Zeit diese Inselgruppen erforscht und diente als ihr Namensgeber. Seit 1965 sind die Cook Islands ein selbst verwalteter, demokratischer Commonwealth Staat. Unterstützt wird dieser von Neuseeland vor allem in militärischem Bereich, in der Aussenpolitik und in der Wirtschaft. Die Einwohner besitzen den neuseeländischen Pass und können sich frei zwischen den beiden Staaten bewegen. Landessprache ist Maori, aber jeder spricht auch Englisch, mit dem typisch neuseeländischen Dialekt.

Aitutaki ist eine von 2 Inseln, auf der zurzeit auf den Cook Inseln einklariert werden darf. Die zweite ist Rarotonga, die Hauptinsel, die für uns aber zu weit südlich liegt. Bis vor kurzem wäre ein Einfahren ins Atoll von Aitutaki durch die sehr flache Einfahrt (Pfeil) für unser Schiff mit 2 Meter Tiefgang nicht möglich gewesen. Der Kanal wird gerade ausgebaggert und vertieft, so dass für uns die Passage jetzt gut möglich ist. Wir müssen allerdings dazu das Hochwasser abwarten.
Kurz vor Erreichen der Flut fahren wir durch den Kanal. Die befahrbare Rinne ist sehr eng, aber es herrscht fast keine Strömung und wir haben nur kurz mal eine flache Stelle, wo aber immer noch 20 Zentimeter Wasser unter dem Kiel bleiben. Unsere Freunde von der SY Pasito sind bereits seit 1 Woche auf Aitutaki. Sie unterstützen uns bei der Einfahrt zum Hafen und zeigen uns mit ihrem Dinghi den besten Weg.
Im Hafen drinnen beginnt nun aber das Problem. Beim Versuch im Hafenbecken zu ankern laufen wir immer wieder auf Grund, obwohl uns die Hafenbehörde mehrmals bestätigt, dass der Hafen auf mindestens 2.5 Meter ausgebaggert ist. Stimmt offenbar nicht. Schlussendlich machen wir unsere Lupina an einem Poller so fest, dass weder Kiel noch Ruder bei Ebbe Bodenberührung haben.
Als erstes werden wir vom Beamten der Gesundheitsbehörde kontrolliert. Alles verläuft freundlich und sehr zuvorkommend.
Dann kommt die Behörde der Bio-Security aufs Schiff. Zuerst verläuft auch hier alles sehr friedlich und entspannt. Dann entdeckt aber einer der Beamten eine Ameise an Deck. Das ändert alles!! Bei den Beamten kommt grosse Hektik auf. Wir kommen von Französisch-Polynesien und da gibt es «gefährliche Ameisen», meinen sie. Der Einklarierungs-Prozess wird sofort unterbrochen und die beiden Beamten holen Sackweise Ameisenfallen und Untersuchungsmaterial.

Über 2 Stunden wird jede Ecke unseres Bootes durchsucht. Die speziell präparierten Ameisenfallen bleiben leer, aber es kommt noch eine Spinne zu Tage, die schon fast am Verhungern ist. Trotzdem ist sie für die Beamten ein Beweis, dass wir offenbar Ameisen an Bord haben müssen. Anfänglich gelingt es mir, ruhig zu bleiben. Als sie aber verlangen, dass wir unsere Leinen vom Poller lösen, damit wir keinen Landkontakt mehr haben (über die Leinen könnte ja unsere Armee von Ameisen ihr Land befallen!), muss ich kurz für ein Stossgebet nach vorne zum Anker. Nun, das kurze und heftige Gebet nützt nichts. Es bleibt uns die Wahl zwischen täglich wiederkehrender, mehrstündiger Kontrolle (mit entsprechender Kostenfolge im 4-stelligen (!!) Dollarbetrag) oder sofort die Leinen zu lösen. Mit einem riesigen Frust im Bauch entscheiden wir uns für das Lösen der Leinen.

Nach rund einer Stunde vorsichtigem Abtasten des Hafenbeckens (die Sicht im Wasser beträgt maximal einen halben Meter, den Grund sieht man nicht), fällt der Anker endlich an einer Stelle, wo er hält und nur unser Kiel bei Ebbe auf Grund kommt. Mit einem Heckanker fixieren wir das Boot so, dass es sich nicht allzu weit bewegen kann. Wir (links) liegen direkt neben der SY Pasito (rechts), die mit ihren 1.7 Meter Tiefgang etwas weniger Ankerprobleme hat wie wir.
Bei unserem ersten Landgang fallen uns gleich ein paar Dinge auf: es hat keine Hunde (auf der ganzen Insel nicht!), noch mehr verschiedene Kirchen als in Französisch-Polynesien, die Grundstücke sind nicht umzäunt (wie etwa in ganz Französisch-Polynesien), es hat viele verlassene Häuser (oder was davon übrig blieb), und überall ist das Gras wie in einem Park kurz gemäht (typisch Britischer Einfluss – die Cook Islands orientieren sich stark nach Neuseeland)
In den bewohnten Gebieten wirkt die ganze Insel wie ein Park.
Der Umfang der Hauptinsel beträgt ungefähr 20 Kilometer. Da ist ein Roller gerade das richtige Fortbewegungsmittel für eine ausgiebige Erkundungstour.
Mit den geteerten Strassen sind wir schnell durch – wir wählen auch Abenteuer Strecken (grins)
Aussicht vom rund 80 Meter hohen Aussichtspunkt «Piraki Lookout» über die östliche Lagune.
Sanfter Tourismus ist die grösste Einnahmequelle. Hier besuchen wir einen wunderschönen, aber kleinen Resort, direkt am Meer, «Pacific Resort Aitutaki». Pool und Meer verschmelzen gänzlich aus dieser Perspektive.
Auch einen feinen Drink finden wir hier – muss natürlich probiert werden!
Letzter Sonnenuntergang im Hafen von Aitutaki.
Am nächsten Morgen bei Flut verlassen wir zusammen mit der SY Pasito Aitutaki und nehmen gemeinsam Kurs auf zur weiter nordwestlich liegenden Insel Palmerston. Der Wind weht wieder von hinten und auch jetzt setzen wir die Segel in der Schmetterlings Stellung (ein Segel links, das andere rechts)
Mit zunehmender Distanz von Aitutaki nehmen Wind und Welle zu. Auch auf dieser Fahrt ist der Pazifik alles andere als still und ruhig. Es wird eine rollige Berg- und Talfahrt. Die zu bewältigende Distanz beträgt etwas mehr als 200 Seemeilen. Bei gutem Wind leicht machbar in eineinhalb Tagen. Aber vor allem am Anfang sind wir nur langsam unterwegs. Weil wir nicht riskieren wollen, in der Nacht am Ziel anzukommen, kontrollieren wir unsere Fahrt so, dass wir erst am Morgen des zweiten Tages auf See in Palmerston ankommen.
Als wir das Hoheitsgebiet von Palmerston erreichen, funken wir die Behörde an, und erfahren zu unserem Schreck, dass es seit Covid keine Bojen mehr gibt. Das war nirgends zu lesen – in keiner der vielen Online Plattformen. Wir wussten, dass man ausserhalb des Riffes im offenen Meer bleiben muss. Es gibt keine Durchfahrt für grosse Schiffe. Nun sind wir gezwungen zu ankern – auf Korallen und steil abfallendem Meeresgrund. Die Moral auf unseren beiden Booten ist kurz auf dem Tiefpunkt. Was machen? Direkt weiter? Da kommt über Funk die Information, dass ein Boot unterwegs sei zu uns. Es werde uns die guten Ankerpositionen zuweisen. Kurz danach schiesst Bob (Funk Name: Alpha-Golf) mit seinem Alu-Boot über das Riff und zeigt uns mit klaren Handzeichen, wo wir den Anker setzen sollen. Der Anker fällt, es ruckelt 2–3-mal, dann hakt sich der Anker im Korallenboden fest..
Welcome to Palmerston!

Palmerston wurde 1774 durch James Cook entdeckt und von ihm nach einem Englischen Admiral «Palmerston» benannt. In der Frühzeit europäischen Kontakte kam die Insel in Besitz eines britischen Kaufmanns. Dieser entsandte Anfang der 1860er Jahre den Schiffszimmermann William Marsters nach Palmerston, um dort Copra für die Kokosölproduktion zu ernten. 1863 landete Marsters in Begleitung von 3 polynesischen Frauen auf der Insel. Er teilte die Insel in 3 Teile auf und übergab jeder seiner Frauen einen davon. In den folgenden Jahren zeugte er 21 Kinder mit seinen Frauen. Damit war der Grundstein gelegt für die heutige Bevölkerung. Die Unterteilung der Insel besteht bis heute. Die Namen der 3 Frauen von damals dienen heute zur Unterscheidung der Familienclans. 1954 wurde die Insel offiziell der Familie als volles Eigentum übergeben. 2016 gab es noch offiziell 57 Einwohner. Bei unserem Besuch sind es heute noch 28. Sie leben hauptsächlich vom Verkauf von Papageifisch, die sie hier mit Netzen fangen, filetieren, vor Ort einfrieren und überwiegend nach Rarotonga (Hauptinsel der Cook Islands) verkaufen.

Der Grabstein von William Marsters, dem Urvater der heutigen Bevölkerung, die bereits in die 8. Generation geht. Hinten links im Hintergrund sein sehr stabil gebautes Haus. Errichtet hat er es mit dicken Holzplanken, die er aus einem aufs Riff gelaufenen Holzfrachter geborgen hatte.
Auch hier gibt es eine Kirche, aber nur eine (Augenzwinker), welche direkt neben William Masters Haus gebaut wurde
Innen ist sie mit wunderschön verarbeitetem Mahagoni Holz ausgestattet
Die 3 Familien Marsters auf der Insel sind den Seglern gegenüber sehr wohlwollen eingestellt. Sind sie doch immer eine willkommene Abwechslung. Untereinander stimmen sie jeweils ab, wer den ankommenden Segler begrüssen und empfangen darf. Unser Gastgeber ist die Familie von Bob, der uns mit seinem Boot den Ankerplatz gezeigt hat. Bei jedem Landgang werden wir zum Mittagessen eingeladen. Bob ist für Grill und BBQ zuständig. Ich fühl mich wie zu Hause!
Pia geht Bob’s Frau, Tubo, gerne zur Hand.
Bob und Tubo beschenken uns mit ihrer Zeit und ihrem Essen. Sie erzählen uns viel und gerne aus ihrem Erfahrungsschatz. Wir lernen viel über das Leben hier auf der Insel kennen. Zum Beispiel, dass immer die älteste Person des Familienclans das Oberhaupt ist. Die zweitälteste Person ist der Beirat. Stirbt jemand, rückt automatisch die nächst ältere Person nach. Von den 3 Familien-Oberhäuptern ist immer eines der Mayor (Bürgermeister). Im Rotationsprinzip wird alle 4 Jahre gewechselt. Wer für den Staat arbeitet, darf nicht Mayor sein. Lehrer, Krankenschwester, Zollbeamter, Gesundheitsbeauftragte und Gemeindearbeiter sind Staatsangestellte und erhalten einen guten Lohn. Zurzeit leben noch 28 Menschen auf der Insel, davon 9 Kinder.
Auf der Insel gilt das Motto: jeder hilft hier jedem – auch die Besucher helfen mit. Aber Achtung, dies ist ein «Fake» Bild! ….
… denn abgewaschen haben diese Zwei – unter strenger Aufsicht von Bob
Seit ein paar Wochen verfügt die Insel über ein 4G Internet. Hier die Satellitenanlage mit der eigenen Stromversorgung mittels Solarpaneelen. 2015 wurde auf der Insel mit Hilfe Neuseeländischer Finanzen eine moderne Power-Station, ebenfalls mit Sonnenenergie, errichtet. Die vorhandene Infrastruktur erreicht auf Palmerston einen deutlich höheren Standard, als etwa in Französisch-Polynesien.
Die «Palmerston Lucky School» macht ihrem Namen alle Ehre. Wir treffen tatsächlich ausschliesslich fröhliche Menschen darin an.
Der offene Schulraum. Hier werden die Kinder altersdurchmischt unterrichtet. Der Hauptlehrer wird von 2 Hilfslehrerinnen unterstützt. Das Schulprogramm kommt aus Neuseeland. Wer nach der obligatorischen Primarschule eine höhere Schule besuchen will, muss nach Rarotonga.
Auf unsere Frage, ob wir etwas für die Schule tun können, erzählt uns die eine Hilfslehrerin von einem Anlass, an dem die Kinder nachher durch kleine Geschenke belohnt werden. Super! Der Bauch der Lupina ist gross, da findet sich sicher etwas. Und wir werden fündig! Zum Dank für unseren Beitrag posieren alle zu einem Gruppenbild hinter dem Geschenketisch. Der Mann rechts neben Pia ist der Hauptlehrer.
«Spital» mit Krankenschwester auf Palmerston. Einfache Sachen werden lokal behandelt, für Schwierigeres kann die Krankenschwester via moderne Kommunikationsmittel einen Arzt beiziehen.
Natürlich besuchen wir auch den amtierenden Bürgermeister: Bill. Ein Mann mit funkelnden Augen, der schon viel gereist ist und in seinem Leben einiges erlebt hat. Der Zufall will es: er hat mit mir Geburtstag! Hier hat er an seinem Strand das «Palmerston Operah House» gebaut. Ab und zu kommt mal ein grösseres Passagierschiff vorbei und macht auf Palmerston Halt. Da wird die ganze Insel für ein paar Stunden zum Abenteuerland, mit Tanz, BBQ, Inselführungen, Musik und Bars. Dafür dürfte das Operah House gedacht sein.
Bill verfügt über eine riesige Küchenanlage, mit Hilfe derer die Passagiere eines Kreuzfahrtschiffes verpflegt werden können. Meist wird dabei das Essen vom Schiff an Land gebracht und dann an Land zubereitet.
Am «Palmerston Country Club», einer Bar, müsse er noch etwas arbeiten, meint Bill. Aber Covid hätte ihn etwas eingebremst. Aber jetzt, wo Touristen nach 3 Jahren wieder kommen dürfen, wird er wohl bald wieder daran weiter bauen.
Die Regierung von Cook Islands hat beschlossen, alle Schulen, die auf entlegenen Inseln geführt werden, mit kleinen Jollen zu beschenken. Jeden Freitagnachmittag wird hier auf Palmerston fleissig damit geübt.
Die Kinder sind sehr stolz, dass wir, die Weltensegler, sie bei ihrem Training beobachten. Auch Bill kommt immer zum Training und bringt den Kindern Süssigkeiten mit.
Und erneut heisst es wieder, Abschied nehmen von wunderbaren und unheimlich freundlichen Menschen. Zum Dank für seinen täglichen Transportdienst können wir Bob mit einem Stück unserer alten, rostfreien Stahlkette aushelfen.

Morgen Sonntag, 11.6.2023, wollen wir Anker auf und die rund 300 Seemeilen zu einem verrückten Ort in Angriff nehmen: das Beveridge Reef. Das Beveridge Reef ist eine «Raststätte» mitten im Ozean. Nur bei Ebbe ragt das Riff teilweise über die Wasseroberfläche, sonst ist es immer bedeckt. Stell dir vor: innerhalb von 15 Kilometern steigt aus 5’000 Meter Meerestiefe eine Felsnadel bis an die Wasseroberfläche empor. Ich kenne keinen Berg, der so steil und hoch nach oben ragt! An der Wasseroberfläche misst das leicht nierenförmige Riff rund 3 Kilometer im Durchmesser. Die Einfahrt ins Atoll scheint breit und genügend tiefe zu sein, und gemäss früheren Besuchern soll der Ankergrund im Atoll drinnen auf Sand bei 5-10 Metern perfekt sein. Da wollen wir hin!!

Passt der Wind? Finden wir das Atoll, das fast immer unter Wasser liegt?  Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser!

Maupiha’a – die fast vergessene Insel in Französisch-Polynesien

Maupiha’a liegt rund 105 Seemeilen westlich von Maupiti. Ein Zwischenhalt hier verkürzt die Segelstrecke zu den Cook Inseln (unser nächstes Ziel) und macht es ein wenig leichter, ein dafür passendes Wetterfenster zu finden. Es ist die am westlichsten gelegene Insel in Französisch-Polynesien, welche mit unserem Schiff angelaufen werden kann.

Das Atoll Maupiha’a wurde 1998 durch Zyklon Martin komplett zerstört. 75% der Bäume und anderen Vegetation sowie alle Häuser bis auf eines wurden von den Flutwellen weggerissen. Alle Leute konnten rechtzeitig durch das Militär evakuiert werden und zum Glück gab es keine Opfer zu beklagen. Ein Teil der über Jahrhunderte von Wind und Meer angehäuften Insel wurde weggespült, so dass heute nur noch etwa die Hälfte des Riffes von Motus umsäumt ist. Im Nordwesten gibt es eine Einfahrt, die unter Seefahrern als sehr gefährlich eingestuft wird. Der Pass, der «Boys zu Männern macht»!
So präsentiert sich die Passdurchfahrt auf unserer Seekarte. Die mit einem roten Punkt und weissem Kreuz versehenen Seezeichen wurden beim Zyklon weggefegt und sind nicht mehr vorhanden. Links und rechts vom Pass lauern scharfe Korallenbänke (grün eingezeichnet), die bis knapp unter die Wasseroberfläche ragen. Der Pass verläuft zwar ziemlich gerade, ist aber sehr eng (rund 20 Meter breit). Wer die Durchfahrt begonnen hat, muss durch. Ein Wendemanöver wäre fast ein sicherer Crash. Es braucht einen zuverlässigen Motor, viel Mut und gute Nerven.
Wir wagen es! So präsentiert sich die Einfahrt in Realität. Die weissen Schaumkronen links und rechts signalisieren das Aussenriff. Der Einfahrtsbereich im offenen Meer ist sehr turbulent. Es gibt viele Verwirbelungen, Unter- und Überströme und es ist unmöglich, hier das Boot auf geradem Kurs zu halten. In solchen Verhältnissen ein Schiff in die nur 20 Meter breite Fahrrinne des Passes (Bildmitte) zu manövrieren ist nicht ganz einfach, aber machbar. Einmal im Pass drin wird die Strömung regelmässig. Mit rund etwa 4-5 Knoten auslaufend ist sie zwar stark, aber unser Motor schafft das. Im Schneckentempo (1-2 Knoten Fahrt über Grund) schiebt er unsere Lupina langsam aber sicher durch die engste Stelle. Nach knapp 500 Metern sind wir durch.
Drinnen am Ankerplatz (es sind noch 3 andere Boote da), zufrieden und auch etwas stolz auf die sichere Ankunft, feiern wir unseren Erfolg mit einem Ankertrunk und lassen den Tag bei einem herrlichen Sonnenuntergang zu Ende gehen.

Nach der vollständigen Zerstörung des Atolls 1998 hat sich die Vegetation in den vergangenen 25 Jahren erstaunlich gut erholt. Von den damaligen Bewohnern wollte niemand mehr zurück. Deshalb wurde von der Regierung ein Programm gestartet, das einige wenige neue Familien motiviert hat, ein Abenteuer zu starten und sich der Copra Ernte zu verpflichten. Für ihren mutigen Entscheid erhalten sie pro Jahr einen fixen Geldbetrag. Die Familien arbeiten in einer Kooperation zusammen. Dabei arbeitet zwar jeder für sich, aber der Transport aufs Schiff, das nur kommt, wenn 40 Tonnen Copra geerntet sind, wird gemeinsam erledigt. Es gibt ein Satelliten-Telefon (früher ein Funkgerät) auf der Insel, damit wird die Kommunikation mit der Aussenwelt aufrecht erhalten. Ansonsten sind die Einwohner komplett auf sich selber gestellt. Heute leben 9 Personen auf dem rund 7km langen Motu. Sie versorgen sich von Maupiti aus und sind dabei auf die Unterstützung von Fischern und Seglern angewiesen. Ein Versorgungsschiff gibt es keines.

Bei unserem ersten Landgang besuchen wir Marcelo und seine Familie (Frau und 1 Tochter). Er ist der Leiter der Kooperation. Er teilt den Familien den Bereich der Insel zu, für den sie verantwortlich sind und wo sie ihre Hütte aufstellen können. Seine Frau verwaltet das Satellitentelefon. Wir bitten ihn um Erlaubnis, vor seinem Teil des Motus vor Anker liegen zu dürfen. Gütig lächelnd willigt er sofort ein. Er ist sehr positiv auf Segler eingestellt. Erst kürzlich wurde er von einem Segler von Maupiti, wo er wegen einer Krankheit einige Wochen medizinische Hilfe benötigt hat, nach Maupiha’a zurück gebracht.
Auf Erkundungsfahrt mit dem Dinghi
Am südöstlichen Ende der Hauptinsel.
Auf unserem Landgang am Südostende der Insel begegnen wir Pièrre. Er hat unsere Ankunft mit dem Dinghi schon von weitem gesehen und ist uns gefolgt, um uns auf traditionelle Weise zu begrüssen: mit einer Kokosnuss. Er erklärt uns viel über die Vegetation der Insel und lädt uns für die nächsten Tage zu seinem Haus, das sich etwa in der Mitte der langgezogenen Insel befindet, ein.
Am nächsten Tag landen wir unser Dinghi etwa in der Mitte der Hauptinsel und machen uns zu Fuss auf die Suche nach Pièrre. Erstaunlicherweise verläuft über die ganze Länge der Insel ein etwas über 5km langer Weg. Dieser würde nach der Verwüstung 1998 wieder erstellt und dient dazu, die einzelnen Familien miteinander zu verbinden und die Copra Ernte zentral zu sammeln.
Auf unserem Weg kommen wir an einigen verlassenen, leeren Hütten vorbei. Aber dort, wo jemand wohnt, da sieht es immer sehr ordentlich und herausgeputzt aus. Bei der Hütte von Isabela sieht es besonders aufgeräumt aus. Sogar die Kokosnussschalen sind fein säuberlich zum Vortrocknen aufgehäuft.
Nach gut einer halben Stunde sehr kurzweiligem Fussmarsch gelangen wir zur Hütte von Pièrre. Er hatte uns am Tag vorher versprochen, er wolle uns einen Fisch zubereiten. Mit hängenden Ohren gesteht er uns nun, dass er mit dem Fischen nicht erfolgreich war. Gleichzeitig kehrt ein Strahlen zurück auf sein Gesicht: «ich habe etwas viel Besseres für euch!», meint er. Er greift in einen alten Jutesack und zieht zwei riesige Kokoskrabben hervor.
Auch Pia will sich das Tier aus der Nähe anschauen. Die beiden Zangen sind immer unterschiedlich stark ausgebaut. Mit der Kleineren hält die Krabbe eine Kokosnuss fest, mit der Anderen, der Stärkeren, bricht sie die Schalen auf. Kommt ein unachtsamer Menschenfinger in diese starke Zange, wird dieser unweigerlich zerquetscht und zermalmt. Also aufpassen!
Nach einem gezielten Messerstich zwischen die Augen mitten ins Herz wandern die beiden Krabben ins heisse Wasser (Meerwasser).
An einem anderen Tag besuchen wir Norma und Harry. Beide sind in Maupiti aufgewachsen. Da sei es ihnen nun «zu lärmig und hektisch» geworden.
Schaut euch den Sandboden an! Da liegt kein Blatt, rein gar nichts herum.
Auch hinter dem Haus sieht es bei den beiden Auswanderern gut aufgeräumt aus.
Auf der Insel gibt es 3 Motorfahrzeuge: einen funktionierenden Traktor der Kooperative und 2 Autos, die schon längst nicht mehr benutzt werde. Dieser Land-Rover gehört Harry. Er hat ihn von Maupiti mitgenommen. Nach einiger Zeit sei aber bei der Kupplung etwas kaputt gegangen, wie er uns erklärt, und seither steht er. Falls also ein geschickter Land-Rover Spezialist mitliest – hier ist der perfekte Arbeitsplatz!
Toilette mit wunderschöner Aussicht
Harry sammelt Mützen, die er von Seglern erhält. Darunter sehen wir eine von einem Schiff, das wir auch gut kennen. Wir machen ein Foto und schicken es später, sobald wir wieder Internet haben, an die Crew des Schweizer Schiffes Tanai III
Natürlich werden wir auch von Norma und ihren wunderbaren Kochkünsten verwöhnt. Pia tauscht intensiv Rezepte aus mit ihr.

Wir sind nun fast eineinhalb Jahre in Französisch-Polynesien unterwegs. Unheimlich wie die Zeit vergeht. Französisch-Polynesien erstreckt sich über eine Fläche von 5,5 Millionen km2, die gleiche Grösse wie Westeuropa. Die vier Archipele, die wir besucht haben, sind weit voneinander entfernt und von der Natur her sehr unterschiedlich: die Marquesas mit ihren wilden Bergen und engen Tälern, die flachen Atolle der Tuamotus, die Gesellschaftsinseln mit ihren üppigen, aber oft steilen Hängen und ganz am Anfang Gambier, eine spezielle Mischung zwischen den Marquesas und den Tuamotus.

Überall, wo wir uns bewegt haben, sind wir auf nette, fröhliche und ausserordentlich gastfreundliche Menschen gestossen. Instinktiv haben wir gefühlt: hier bist du sicher. Seit wir in Französisch-Polynesien angekommen sind, war unser Boot nie mehr abgeschlossen. Einzige Ausnahme: Tahiti. Veranlassung dazu waren hier aber eher die vielen anderen Segler (von denen schon mal einer etwas von unserem Schiff brauchen könnte) als die Einheimischen. Maupiha’a ist nun definitiv der letzte Stopp in Französisch-Polynesien. Nun treibt uns der Wind weiter westwärts. Wir dürfen schöne Erinnerungen an wunderbare Menschen mitnehmen.

Die Menschen machen den Unterschied aus. Schon eine geschenkte Zigarre reicht, um jemanden glücklich zu machen.
Viel Zeit für Gespräche
«Nana!» – «au revoire» – «auf Wiedersehen»

Am 25. Mai 2023, sobald wir gutes Sonnenlicht haben, um die Hindernisse bei der Ausfahrt gut sehen zu können, lichten wir den Anker, winken unseren neuen Freunden ein letztes Mal zu und nehmen Kurs auf Richtung Cook Islands. Wie gelingt und die Ausfahrt durch den Pass, diesmal mit der Strömung? Was erwartet uns am Ziel – können wir da anlegen? Mehr davon im nächsten Bericht. Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser!

Absprung aus Französisch-Polynesien