Harter Am-Wind Kurs auf ein Riff – Glück im Unglück

Im letzten Bericht habe ich versprochen, noch etwas vertiefter zum Auflaufen auf ein Riff mitten im Meer einzugehen.

Der Vorfall ereignete sich am 12.9.2023 auf unserer Fahrt von Vanua Balavu in den nördlichen Lau Inseln von Fiji Richtung Süden nach Vulaga.
Wir fuhren einen harten Am-Wind Kurs, mussten aber einmal aufkreuzen vor der Insel Lakeba, um die Durchfahrt zwischen den Insel Lakeba und dem Riff im Osten schaffen zu können. Im Bereich des roten Kreises ist eine Unregelmässigkeit vermerkt mit Steinen/Korallen, gemäss Karte aber mindestens 46 Meter tief. Gleich weiter südlich (am unteren Rand des roten Kreises) wieder ein Riff, das blau (weniger als 20 Meter Tiefe) und grün (kommt teilweise aus dem Wasser) eingetragen ist.

Es ist dunkle Nacht kurz nach 21 Uhr. Wir haben beide Segel stark gerefft und kämpfen uns bei 20 Knoten südöstlichem Wind gegen Süden. Wir wollen so gut wie möglich die östliche Höhe halten, damit wir auch die nächste Insel, Alwa Island, sicher umrunden können. Wir machen zwischen 4.5 bis 6 Knoten Fahrt und es scheint zu klappen. Eigentlich wollen wir die mit mindestens 46 Meter Tiefe eingezeichnete Untiefe östlich umfahren. Der Wind dreht aber wieder und wir entscheiden uns, westlich daran, also auf der Leeseite, vorbei zu segeln.

Unsere Fahrt durch die Untiefe (gelb). Der Ort der Grundberührung ist mit dem Pfeil markiert. Deutlich zu erkennen: die Tiefenangaben stimmen bei Weitem nicht.

Pia und ich sind beide im Cockpit und versuchen, in der Nacht etwas zu erkennen. Nelly liegt schlafend im Lee-Bett in der Mitte des Schiffes. Ich bin am Steuer und beobachten regelmässig den Tiefenmesser. Die Tiefe ist zu gross, der Tiefenmesser zeigt «out of range an». Plötzlich springt die Zahl kurz auf 10 Meter, und steigt dann scheinbar wieder an. Sofort drehe ich ab, aber leider zu wenig resolut. Denn ich bin immer noch am überlegen, was diese Sprünge des Messgerätes bedeuten sollen, als ein Ruck durch das ganze Boot fährt, begleitet von einem hässlichen Knirschen, Kratzen und rumpeln. Ächzend und mit leichtem Beben kommt das Schiff zum Stehen. Wir sind auf Grund gelaufen!! Die schlimmsten Gedanken schiessen durch den Kopf. Pia ist kreidebleich – ich wohl auch. Ich starte sofort den Motor, Pia schnappt die Schwimmwesten. Ich lege den Rückwärtsgang ein, drehe kurz etwas hoch. Es ächzt und knirscht wieder unter dem Bauch der Lupina. Die Geräusche schmerzen mir im Herz. Langsam dreht sich das Schiff quer zum Wind. Weil die Segel immer noch gesetzt sind und wir nun quer zum Wind zu stehen kommen, beginnt sich das Schiff zu neigen. Das ist unser Glück, denn dadurch wird der Kiel etwas angehoben und das Schiff löst sich aus dem Riff. Es beginnt ein gefühlt unendlich langsames Schleifen und Kratzen des Kieles über den Untergrund. Ich rufe Pia zu, mir die Lampe zu holen, damit ich vielleicht im Wasser sehen kann, wie das Riff verläuft. In diesem Moment richtet sich die Lupina auf und das hässliche Kratzgeräusch hört auf. Sind wir frei? Nein! Nochmals ein heftiges Kratzen und ein Schlag, der mir das Steuer aus den Händen reisst – dann sind wir frei. Ich verfolge unsere Position auf dem Bildschirm, lege den Vorwärtsgang ein und gebe leichten Schub vorwärts. Das Steuer kann ich bewegen und das Boot reagiert! Was für eine Erleichterung! Das Ruder und die Steuerung scheinen noch zu funktionieren. Ich steure das Schiff senkrecht zur vorherigen Fahrtrichtung und hoffe, dass es uns in tieferes Wasser bringt. Der Tiefenmesser zeigt 3 Meter an, immer noch Gefahrenbereich. Nach und nach nimmt die Tiefe zu, und fällt dann plötzlich über 100m ab. Gleichzeitig meldet Pia, unten im Schiff sei noch alles normal. Bei mir kommt erste Erleichterung auf.

In der Zwischenzeit ist Nelly, total erschreckt von den brutalen Geräuschen, aus ihrer Koje gehüpft, und hat wie Pia automatisch die Schwimmweste angezogen. Beide stehen mit bleichen Gesichtern im Niedergang und erwarten das Schlimmste. Aber wir haben Glück im Unglück. Die Lupina schwimmt wieder aufrecht und geräuschfrei. Die Steuerung funktioniert. Bevor ich aber Entwarnung geben kann, müssen wir kontrollieren, ob wir nirgends Wassereinbruch haben. Pia übernimmt von mir das Steuer, und ich öffne alle Bodenbretter und suche systematisch von vorne nach hinten alle Kammern ab. Ein riesiger Stein fällt mir von den Schultern: alles dicht, nirgends eine Spur von Wassereinbruch.

Da es dunkle Nacht ist, beschliessen wir, die Fahrt wie geplant fortzusetzen, und den entstandenen Schaden dann vor Anker an unserem Zielort auf der Insel Vulaga weiter zu untersuchen. Obwohl der Rest der Fahrt ruhig und ohne weitere Ereignisse verläuft, macht niemand von uns in dieser Nacht ein Auge zu.

Ein Tauchgang bei Tageslicht zeigt das Ausmass des Schadens: deutliche Einkerbungen vom Aufprall gegen das Riff vorne am Blei-Kiel
Kratzspuren unten am Kiel vom seitlichen Schleifen über das Riff
Leichte Beschädigung am Ruder unten. Vor allem die hintere Kante ist angekratzt
Bei der vorderen Kante des Ruders ist die Farbe zwar weg, aber die Struktur ist weitestgehend unbeschädigt
Die schlagartige Drehkraft, die beim Aufsetzen des Ruders auf dem Riff entstanden ist, hat ein starkes Moment auf das Übersetzungsgetriebe der Lenkung ausgeübt. Dadurch ist eine von insgesamt 3 Fundamentlaschen gebrochen …
… und bei einer zweiten Lasche ist die Schraube ausgerissen.
Vor Anker in Vulaga gelingt es mir, das Umlenkgetriebe mit einem Bügel behelfsmässig wieder zu fixieren. Definitiv können wir das dann erst in einem guten Yard reparieren.

Nun, wo ich die Ereignisse dieser Unglücksnacht zu Papier bringe, und wir unsere unterschiedlichen Wahrnehmungen mehrmals untereinander ausgetauscht haben, ist der grösste Schock vorbei. Unmittelbar am Tag nach dem Unglück habe ich die Behörden über die nicht richtig dargestellte Gefahrenstelle informiert. Ebenso habe ich den Lieferanten meiner Karten von unserem Erlebnis berichtet und verlangt, dass diese Stell auf den Charts korrigiert wird. Mit den relativ geringen Schäden an Ruder, Kiel und Steuerung sind wir sehr glimpflich davongekommen. Es hätte viel schlimmer ausgehen können. Es ist noch nicht lange her, da haben Freunde von uns ihr Schiff an einem Riff verloren.

Wir haben unheimlich Glück gehabt.

Und was lernen wir daraus?
– Reisevorbereitung: Google Maps / Bing Maps (Satellitenbilder) wenn immer möglich lokal speichern, so dass sie offline verwendbar sind. Mit Apps wie openCPN oder Alpine Quest können kritische Gebiete unterwegs aus der Vogelperspektive auf Gefahrenstellen untersucht werden.
– In der Nacht oder bei schlechter Sicht konsequent „komische“ Gebiete weiträumig umfahren – auch wenn es Aufkreuzen und mehrere Stunden Umweg bedarf.
– Dass wir uns nicht auf Seekarten (oder in unserem Falle Navionics Charts) verlassen dürfen, das wissen wir. In der Nacht schwierig! Also: schwierige Gebiete wenn möglich nur bei Tag befahren.
Falls jemand noch weitere hilfreiche Tipps/Anregungen hat, dann warten wir gespannt darauf.

Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser!

Auf die Lupina zu Pia und Köbi – einmal um die halbe Welt nach Fiji

(Autor: Nelly Viret)

Sonntag, 27. August 2023, 11 Uhr, die Reise beginnt am Bahnhof in Vevey. Mich erwarten über 40 Stunden Flug- und Wartestunden: Genf-London-Hongkong-Nadi-Labasa. Etwas mulmig ist mir schon zumute. Zu meiner Überraschung geht die lange Reise um die halbe Erdkugel gefühlsmässig schnell.
Im kleinen Flieger von Nadi nach Labasa, 45 Minuten, offenbart sich mir ein erster Eindruck von Fiji. Vorgelagerte Koralleninseln, das erste Korallenriff und eine grüne Insel.
Nach der Landung halte ich aufgeregt Ausschau nach Pia und Köbi. Da steht schon Pia und winkt. Auch Köbi wartet in der Halle. Vor lauter Freude, Erleichterung und Müdigkeit kommen mir die Tränen.
Aber die Reise geht weiter. Mit dem Mietauto fahren wir noch 90 Minuten quer über die Insel, zur Ostseite nach Savusavu, wo die Lupina liegt. Die Landschaft ist wunderbar grün, mehrheitlich dicht bewaldet. Die Strasse ist etwas holprig und der höchste Punkt liegt bei etwa 650 Metern. Fast schon eine Passstrasse.
Zu meiner Freude gibt es einen kurzen Halt, um frischen Kokossaft zu geniessen.

Nach meiner Registrierung bei den Behörden und der Aufnahme auf die Crewliste geht es endlich mit der Fähre zur Lupina in der sehr schönen Nawi-Marina. Nach einem Begrüssungsdrink und einer feinen Pizza darf ich endlich ins Bett.

Noch im Bau, teilweise aber schon in Betrieb: die neue Marina Nawi Island in Savusavu
Mein Heim für die nächsten 5 Wochen: SY Lupina
In den nächsten Tagen kaufen Pia und ich frisches Gemüse und Früchte auf dem kleinen lokalen Markt, schlendern durch die Stadt, wo ich auch schon die ersten Geschenke für meine drei Töchter und Grosskinder finde. Abends geniessen wir Drei ein gutes Essen in verschiedenen Restaurants.

Am Donnerstag war sogar ein Arztbesuch für Pia nötig. Die Beiden haben sich einen Ring tätowieren lassen mit dem Resultat einer schlimmen Infektion, vor allem für Pia. Trotz einer gut ausgestatteten Schiffsapotheke und meinen täglichen Verbänden mit Antibiotikasalbe sah Pia’s Finger immer schlimmer aus, und eine orale Antibiotikabehandlung war unumgänglich. Nach 48 Stunden sehen wir schon eine deutliche Verbesserung.

Wir beschliessen, am Samstag zur Naidi Bay im Süden der Insel zu segeln. Dort verbringen wir eine leicht rollige Nacht.
Dafür ist der Sonnenuntergang einfach herrlich.

Sonntag, 3. September, es geht weiter nach Taveuni, wo wir eine ruhige Nacht verbringen und Kräfte sammeln für die Überfahrt in die Lau Inseln zum Vanua Balavu Archipel. Es wird eine Am-Wind Fahrt mit Aufkreuzen und meine erste Nachtfahrt überhaupt. Zum Glück weiss ich noch nicht, was mich erwartet. Gewöhnungsbedürftig diese Schräglage, auch wenn der Skipper und Pia mir einreden, dass es ein «angenehmer» Am-Wind Kurs sei. Alles geht gut bis die Bettzeit kommt. Nach zwei Stunden in der Bugkabine bekomme ich Platz- und Luftangst. Ich muss raus und kämpfe mich zu Pia durch, die Wache hält. Sie beschliesst, für mich das Lee-Bett im Salon mittschiffs zu richten. Tatsächlich schlafe ich dort etwa 4-5 Stunden. Ich möchte den Sonnenaufgang sehen, aber wie komme ich da bei der Schräglage wieder raus, ich fühle mich steif wie ein Brett, hänge im Netz und warte bis Köbi endlich runterkommt. Galant hilft er mir, aus dem Leebett heraus zu kriechen, während Pia einen Lachanfall bekommt. Ja, sage ich mir, ich bin definitiv zu alt für solche Fitnessprogramme morgens früh vor dem Kaffee!

Ordentlich Schräglage auf dem Weg zum Archipel von Vanua Balavu.
Es hat sich gelohnt, wir kommen nach 28 Stunden in der wunderschönen Bucht vor dem schmucken Dörflein Daliconi an.
Lupina ganz alleine vor Anker bei Daliconi, Vanua Balavu

Das Ankerbier schmeckt heute besonders gut. Und ich sehe meine erste Schildkröte direkt neben der Lupina. Wir beschliessen, erst am nächsten Morgen beim Dorfoberhaupt vorzusprechen. Das Sevusevu steht an, eine traditionelle Zeremonie, bei welcher der Besucher mit einem Geschenk (ein Bündel getrocknete Kava Wurzeln) den Chief bittet, in sein Dorf kommen zu dürfen.

Nach einer sehr ruhigen Nacht sind wir fit und gehen an Land. Köbi im Sulu.

Zwei Kinder führen uns zum Headman, dem Sprecher des Chiefs. Dieser zieht sich schnell den traditionellen Sulu Rock (wie Köbi) an und wir gehen gemeinsam zum Chief. Wir setzen uns im Kreis um diese zwei Männer und übergeben das Sevusevu (Kava). Nach der Begrüssung und Vorstellung murmelt der Sprecher etwas, was sich wie Gebete oder Lobreden für das Dorfoberhaupt anhört. Dieser antwortet mit «Vinaka», was «Danke» heisst. Wir sind nun als Dorfbewohner aufgenommen und bekommen die Erlaubnis, uns im Dorf frei zu bewegen.

Sevusevu Zeremonie beim Chief. Von rechts: Köbi, Headman, Chief mit 2 Grosskindern, Frau des Chiefs, Pia.
Der Sprecher begleitet uns bis zur Schule, die verlassen daliegt, es sind gerade Ferien. Zum Abschied schenkt er uns zwei Papayas.
Wir wandern bergauf, bergab, mit Ziel zum kleinen Flughafen. Nur Köbi schafft es dorthin. Pia und ich kehren nach einer Stunde zum Dorf zurück.
Zu unserer Freude kommt Köbi mit einer wunderbaren, riesigen Bananenstaude zurück. Er muss sie nicht mal selber tragen. Die Freundlichkeit und Grosszügigkeit dieser Bewohner rühren uns sehr.

Das nächste Ziel ist die Bay of Islands. Köbi steuert uns sicher durch eine eindrückliche Insellandschaft. Hut ab! Untiefen und pilzartige, mit Bäumen bewachsene Vulkansteine verlangen äusserste Vorsicht und Geschick. Traumhafte, fast unrealistische Welt. Überall ragen Vulkanbrocken aus dem Wasser. Ein richtiges Labyrinth. Wir ankern in einer Bucht, umringt von bewaldeten Vulkanfelsen.

Einfahrt in die Bay of Islands, die irgendwo hinter der grünen Barriere liegt. Aber wo ist der Durchgang?
Genauer Ausguck ist wichtig
Gemeinsam beobachten wir das Wasser auf Untiefen oder Korallen-Bommies
Wie ein Wunder öffnet sich hinter der Inselfront eine grosse, stark durchklüftete Bucht: die Bay of Islands

Wir begrüssen vier Yachten, die in anderen Buchten ankern und bekommen sogar einen eben aus dem Wasser gezogenen Fisch. Ein schmackhaftes Abendessen ist in Aussicht. Wir verbringen hier zwei ruhige Tage und erkunden die Umgebung mit dem Dinghi und Schnorcheln.

Erkundungstour im Dinghi
Inseln ragen wie Pilze aus dem Wasser
Schroffer Lava-Brocken. Deutlich sichtbar, die roten, eisenhaltigen Einschlüsse im Felsen
Köbi erkundet schnorchelnd eine der vielen Höhlen in der Bay of Islands (hier: Limestone Cave)
Am 9. September verlegen wir auf die andere Seite der Insel. Endlich darf ich wieder mal ans Steuer!

Nach drei Stunden Champagnersegeln fällt der Anker in der Bucht von Bavatu Harbour. Die einsame Bucht ist umgeben von hohem Vulkangebirge. Ein Yachtclub liegt verlassen da, der australische Besitzer kommt erst in zwei Wochen wieder. Ein Anlegesteg mit Holzboot dient einer Plantage (Farm) als Transport- und Versorgungsweg.

Am nächsten Tag steigen wir die 271 Treppen hoch auf das Hochplateau.
Der Hang ist steil zerklüftet und dicht bewaldet. Oben überrascht uns eine riesige Weidefläche und eine kleine Siedlung von 6 Häusern.
Sogar einen Laden hat es! Der Name sinnigerweise «The Sometime Store» (= «der manchmal Laden»)
Weidende Rinder – ein Bild wie bei uns in den Voralpen oder auf dem Jura

Wir treffen eine Familie, die auf der ebenfalls dem Australier gehörenden Plantage arbeitet. Nebst der Pflege von Kühen und Schafen ist sie für den Unterhalt der Weiden und des Weges zu einem wunderschönen Aussichtspunkt zuständig. Der Besitzer ist auch der Inhaber der Copra Shed Marina und besonders seglerfreundlich. Grossmütig gewährt er uns Seglern gerne Zugang zu seinem Grundstück. Wir marschieren los, zunächst über Weidewiesen, dann durch tropischen Wald auf einem schönen Weg. Köbi führt uns etwas im Kreis herum, aber schlussendlich sind wir da. Umwerfend diese Aussicht auf die Bay of Islands und das Riff. Der Spaziergang hat sich gelohnt.

Blick vom Plantage Outlook über die Bay of Islands
Zur Erholung fährt uns Köbi danach mit dem Dinghi in den Buchten umher bis zu einem Sandstrand. Zwei kleine Schildkröten flüchten und farbige Fische und Korallen erfreuen mein Auge beim ersten Schnorcheln.

Pia sitzt leider immer noch auf dem Trockenen, der Finger ist noch nicht ganz abgeheilt. Bei der Schleichfahrt durch die Mangroven begrüsst uns ein grosser Ammen Hai. Eindrücklich!!

Bei einem Poulet Yassa und dem traditionellen Brändi Dog, geht wieder ein wunderbarer Tag zu Ende.

Am 11. September segeln wir bei 15-18 Knoten am Wind nach Lomaloma. Auch hier besuchen wir das Dorfoberhaupt (Bild Mitte, ein Riese) für die Sevusevu Zeremonie.

Der Chief persönlich führt uns durch das Dorf von etwa 200 Einwohnern. Drei kleine Dorfläden bieten Konserven und diverse Lebensmittel an. Erst beim Letzten werden wir fündig. Frische Bohnen und einen Chinakohl, wir sind glücklich.

12. September, 8h25 Anker auf für die Überfahrt nach Fulaga im Süden. 136 Seemeilen Am-Wind bei bis zu 23 Knoten Wind aus OSO und zwei Meter hohen Wellen. Wir machen gute Fahrt bis etwa 21 Uhr. Vor uns eine heikle Passage zwischen zwei Inseln und in der Mitte eine Untiefe, die aber laut Karte mindestens 46 Meter tief ist.

Dem ist aber nicht so! Ein plötzliches, ohrenbetäubendes Kratzen, Knarren und Knirschen, als ob der Lupina der Bauch aufgerissen würde. Wir sitzen auf einem Riff! Mein erster Gedanke: Rettungsweste anziehen. Der Gedanke bei schwarzer Nacht und aufgewühltem Meer im Wasser zu landen jagt mir Angst ein. Köbi und Pia bleiben ruhig und konzentriert. Um uns herum herrscht rabenschwarze Nacht, ich verliere komplett die Orientierung. Nach weiteren zwei schrecklichen Kratzgeräuschen kann Köbi die Lupina aus den Korallen herausmanövrieren. Glück gehabt – es dringt kein Wasser ins Schiff, der Rumpf bleibt unbeschädigt!! Hoffen wir, dass Ruder und Kiel nicht allzu stark beschädigt sind. Die Steuerung funktioniert etwas knarrend, aber wir können weiter fahren. Das Adrenalin hält uns noch einige Zeit auf Trab.

Nach dem Zwischenfall am Riff versuchen Pia und ich lange vergeblich, im Salon bei immer noch ordentlicher Schräglage, Schlaf zu finden. Irgendwann gelingt es uns und wir schlafen tief und fest.

Um 7 Uhr früh drehen wir bei und geniessen ein köstliches Frühstück. Fulaga liegt vor uns, die Einfahrt in den Pass ist vor 12 Uhr 30 nicht möglich, also lassen wir die Lupina treiben.

Bei ansteigender Flut und nur noch schwachem Gegenstrom im Pass gelingt die Einfahrt ins Atoll von Fulaga ohne Probleme, obwohl der befahrbare Bereich im Kanal nach innen immer enger wird.
Fulaga – wir erreichen ein atemberaubendes Atoll, umringt von einer niedrigen Hügelkette und zahlreichen Vulkanbrocken, die überall pilzartig aus dem Wasser ragen.

Wir ankern mitten in einer Bucht. Gegenüber ist eine Fischerhütte, von wo aus ein Weg über den Berg zum Dorf führt. Da müssen wir hin mit unserem Kavabündel. Aber erst morgen. Heute haben wir keinen Bock darauf. Köbi taucht nach dem Ankerbier den Kiel und das Ruder ab. Zum Glück keine ernsthaften Schäden nach unserem nächtlichen Abenteuer. Kiel und Ruder sind angekratzt und das Blei am Kiel leicht verbogen. Nach all den Emotionen geniessen wir den Abend und schlafen alle Drei wie Murmeltiere die ganze Nacht durch.

Nachtrag von Köbi: wir werden über den Grundkontakt mit dem Riff im nächsten Bericht noch etwas ausführlicher berichten.

Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser!
(Wir sind Mitglied auf: noforeignland.com)

Fiji – erster Stopp: Savusavu

Am Morgen des 18. August 2023 heben wir hinter dem östlichsten Motu von Wallis den Anker und fahren unter Gross-Segel bei auslaufender Strömung durch den Pass.

Der angesagte Wind stellt sich tatsächlich ein. Wir haben über einen Grossteil der rund 360 Seemeilen langen Segelstrecke nach Fiji fast perfekte Verhältnisse: Wind mit 10-15 Knoten querab aufs Schiff und eine nicht allzu grosse Welle schräg von hinten. Wir machen gute Fahrt und zur Abwechslung verschonen uns die Squalls (Regengewitter) auf der ganzen Fahrt.

Wie immer setzt Pia beim Erreichen der Hoheitsgewässer eines neuen Landes, in diesem Fall von Fiji, die Gastlandflagge und die gelbe Quarantäne Flagge
Etwa 50 Seemeilen vor unserem Zielhafen Savusavu auf der Insel Vanua Levu dann ein besonderer Moment auf unserer nun schon über 5 Jahre dauernden Segelreise: am Sonntagabend, 20.8.2023, genau um 18:32 Uhr lokale Zeit überqueren wir den 180. Längengrad. Wir hatten 2018 unsere Fahrt in Brighton, also im Süden von London, beim 0. Längengrad begonnen. Damit haben wir jetzt mit unserer Lupina die Erdkugel genau zur Hälfte umrundet. Das Bild zeigt die Weltkugel einmal vom Nordpol gesehen, und einmal vom Südpol. Die rote Linie zeigt Längengrad 0, die grüne Linie Längengrad 180. Gelb die Segelstrecke von Lupina. Zwischen Panama und den Galapagos Inseln haben wir den Äquator überquert und segeln seither auf der Südhalbkugel.
Ganz unüblich: wir feiern diesen Moment der halben Weltumsegelung mit einem winzig kleinen Schluck Tahitischen Rum. Einen grösseren Schluck erhalten die Götter des Meeres, die uns bisher grösstenteils gut gesinnt waren. Ein Moment der inneren Freude und auch des Stolzes, den wir bei einem herrlichen Sonnenuntergang geniessen können.

Wir haben unsere Fahrt so geplant, dass wir am Montagmorgen in Savusavu eintreffen, um den Beamten der Einklarierungsbehörden das Wochenende nicht zu verderben und gleichzeitig teure Überzeitzuschläge einsparen zu können. Gegen Sonntagabend sind es bloss noch etwa 40 Seemeilen, die uns vom Ziel trennen. Wir können verlangsamen. Es stört uns daher auch wenig, dass kurz nach der Umschiffung der Insel Taveuni der Wind stark nachlässt. Bis Mitternacht schaukeln wir immer noch mit 3-4 Knoten Fahrt unserem Ziel entgegen. Als dann gegen 2 Uhr in der Früh der Wind komplett einschläft, darf endlich unser Kari (der Motor) wieder mal ran. Zufrieden brummend schiebt er unsere Lupina durch das Wasser. Kurz nach 8 Uhr erreichen wir die Copra Shed Marina in Savusavu: wir sind am Ziel

Die berühmte Copra Shed Marina von Savusavu auf der Insel Vanua Levu, Fiji
Wir vertäuen unsere Lupina an einer Boje der Copra Shed Marina, direkt vor Savusavu, und warten auf die Behörden für die Einklarierung. Savusavu ist eine Kleinstadt mit rund 7’000 Einwohnern. Seit dem 19. Jahrhundert ist Savusavu eine für Vanua Levu wichtige Hafenstadt. Bekannt ist Savusavu durch seine Thermalquellen, als Yachthafen und als Tauchgebiet.
Gegen 10 Uhr kommt die Gesundheitsinspektorin an Bord. Seit der Covid Zeit ist dieses Amt fast überall aufgewertet worden. Erst wenn Schiff und Crew vom gesundheitlichen Standunkt als gut befundet sind, darf die gelbe Quarantäne Flagge entfernt werden. Dies gilt für die anderen Beamten als Zeichen, dass sie jetzt ungefährdet an Bord kommen können, um ihr Amt auszuüben. Im Bild (von links) der Mann von der Biosecurity (Agrarbehörde, kontrolliert ob wir irgendetwas an Bord mitführen, das die Natur der Insel gefährden könnte, wie zum Beispiel ungewollte Pflanzen, Parasiten, Mäuse, Ameisen, etc.), die sehr kompetente Beamtin vom Zoll, die nette Lady und ihr Begleiter von der Immigration.
Die Beamten kommen rund 2 Stunden nach der Gesundheitskontrolle an Bord und knapp 45 Minuten später sind wir provisorisch einklariert. Provisorisch? Ja, die Gesundheitskontrolle und die Überprüfung unseres Schiffes auf nicht gewollte Parasiten und Pflanzen sind gebührenpflichtig – in bar. Zum Entrichten dieser Gebühr muss man zuerst an Land, lokale Währung besorgen, dann zum Spital laufen (1.5 Kilometer, die Gebühr ist mit rund CHF 75 hoch und wahrscheinlich ein Überbleibsel von der Covid-Kontrolle) und danach bei der Agrarbehörde ebenfalls den Obolus entrichten. Erst jetzt, mit den entsprechenden Belegen in der Hand, geht’s abschliessend wieder zum Zoll, wo wir nun den definitiven Einklarierungsstempel erhalten. Somit haben wir innerhalb eines halben Tages schon die ganze Kleinstadt abgelaufen. Die Bewilligung, Fiji besegeln zu dürfen und andere Inseln anzulaufen erhalten wir erst 2 Tage später von der Zollbehörde.
Ob diese Frauen wohl über die Herkunft unserer Lupina (Bildmitte) diskutieren oder über das noch schwimmende, aber stark vernachlässigte Schiff mit seinem gebrochenen Mast?
In Stadtnähe ist das Gelände nur am Ufer entlang flach. Die restliche Gegend um Savusavu herum zeigt sich stark zerfurcht und hügelig. Die Häuser sind meist mit Blechdächern versehen, entweder als Flachdach ausgebildet oder, wie hier im Bild, mit traditionellen Steildächern. Zwischendrin: viel intensives Grün in allen Variationen.
Oftmals sind auch die Wände der Häuser aus Wellblech gefertigt. Eine Isolation gegen Kälte braucht es natürlich nicht.
Blick über die Bucht von Savusavu und die vorgelagerte Insel Nawi, wo vor kurzem eine neue Marina aus dem Korallen- und Vulkangestein gebaggert wurde und nun bereits teilweise in Betrieb genommen ist.
Wie die meisten Inseln von Fiji ist auch Vanua Levu vulkanischen Ursprungs. Die Vulkane sind mittlerweile erloschen, aber immer wieder trifft man auf Hinweise bezüglich des heissen Untergrundes, über dem die Inseln lagern. Wie hier: heisse Quellen, die Nakama Hot Springs. Aus dem Boden tritt kochendes Wasser (98°C warm) an die Oberfläche. Auch heute noch werden diese Quellen zum Kochen benutzt. Beim Strandwandern entlang der Bucht von Savusavu ist es ratsam, vorsichtig zu sein: auch hier gibt es immer wieder Stellen, wo heisses Wasser aus dem Sand sichert.
Arbeit auf der Lupina und Erinnerung an den fürchterlichen Ankerplatz im Hafen von Aitutaki (Cook Islands). Da hatte sich ein auf dem Hafengrund liegender Draht in der Kette verfangen. Beim Einholen der Kette hat er sich ins Kettenrad verdreht und die Kette mitgezogen. Dabei wurde ein Kunststoffteil (Kettenteiler), welches dafür sorgt, dass die Kette vom Rad abgestreift und in den Ankerkasten geschoben wird, abgebrochen. Zum Glück haben wir ein neues Kettenrad mit neuem Kettenteiler aus Metall an Bord. Wir können die Reparatur in Angriff nehmen.
Beim Einklemmen der Kette wurde eine Schraube abgebrochen. Von einem anderen Schiff kann ich Werkzeug auftreiben, um den Schraubenrest aus dem Gewinde zu holen und das Gewinde von M5 auf M6 zu erweitern (die alten M5 Schrauben sind beschädigt, die neu mitgelieferten Schrauben sind aber M6. Neue M5 Schrauben kriegen wir trotz langem Suchen in Savusavu leider nicht)
Das alte Kettenrad wäre noch brauchbar, ich ersetze es aber mit dem Neuen.

Nicht bebildert, weil ich mich in dem Moment, wo es passiert, fürchterlich ärgere: beim Schneiden des letzten von 3 Gewinden bricht der Gewindebohrer ab. Unmöglich für mich, den im Sackloch steckenden Rest des Gewindebohrers wieder herauszudrehen. Das würde ja noch gehen, der Deckel hält auch mit einer Schraube weniger. Was mich aber am meisten ärgert ist die Tatsache, dass ich ein Werkzeug beschädigt habe, das nicht mir gehört. Mit hängenden Ohren und innerlich vorbereitet auf rügende Worte des Eigentümers bringe ich das Werkzeug am Abend zurück. Schön seine Reaktion: «Oh! Gewindebohrer sind Verbrauchsware, die gehen gerne mal kaputt», meint er lachend und ist mit meiner Einladung zum Sundowner in der Marina Bar mehr als zufrieden.

Wir wollen in den nächsten Wochen Fiji besegeln. Es gibt 332 Inseln!! Auf den meisten dieser Inseln, die zwar nicht alle bewohnt sind, werden noch die ursprünglichen Traditionen gepflegt. Dazu zählt, dass ein Besucher den «Chief» um Erlaubnis fragen muss, im Gebiet seines Dorfes ankern und das Land betreten zu dürfen. Dies geschieht mit einer speziellen Zeremonie, zu der auch Kava Trinken gehört. Es herrschen strenge Regeln, was die Bekleidung betrifft: keine Sonnenbrille, keine Kopfbedeckung, Knie und Schultern müssen bedeckt sein. Ich könnte mir ein paar lange Hosen aus dem Bauch der Lupina graben, entscheide mich aber, die lokale Tradition zu respektieren: Männer tragen Sulu!
Wir wagen uns auch an eine weitere Tradition. Wie in allen polynesischen Ländern ist auch hier das Tätowieren eine alte Tradition. Wir möchten schon länger einen Fingerring tätowieren lassen (die Verletzungsgefahr mit einem Metallring am Finger auf dem Schiff wäre zu hoch). Wir nutzen nun die Gelegenheit in Savusavu. Pia’s Gesichtsausdruck sagt alles: diesmal kommt das Tattoo nicht gut. Wir fangen uns beide eine tüchtige Entzündung ein – auch 5 Tage danach ist die Wunde noch offen. Schlechte Arbeit, ungenügende Hygiene, zu tief gestochen oder unverträgliche Tinte – wir wissen es nicht.

Nach einer Woche an der Boje vor der Copra Shed Marina verlegen wir in die neue Nawi Island Marina an den Steg. Dort wird auf der Lupina geputzt, gewaschen, umgepackt und Platz geschaffen: wir erwarten Nelly, unsere Teilzeitmatrosin, die schon zum 3. Mal auf der Lupina anheuert. Wir wollen sie an einem Steg empfangen, so dass das Einleben für sie auf dem Schiff etwas angenehmer ist.

Jeden Abend sitzen die Angestellten der Nawi Island Marina zusammen und geniessen eine Runde Kava.
Jetzt sind wir bereit, Nelly kann kommen! Mit ihr zusammen wollen wir die nächsten 5 Wochen den östlichen Teil von Fiji, die Lau Inseln besegeln und dann mit Zwischenstopps über die Inseln im Zentrum an die Nordküste von Viti Levu, der Hauptinsel von Fiji, gelangen.
Am Dienstag, 29.8.2023, ist sie eingetroffen: Nelly, die Seglerin, die bisher mit uns etwas Pech hatte. Nie viel Wind, eher langsame Passagen, viele davon auch unter Motor (Las Perlas in Panama). Das Gebiet hier verspricht definitiv mehr Action. Ist sie so seetauglich, wie wir meinen? Gelingt uns auch mal eine Fahrt bei Starkwind? Wie schläft sie an einem rolligen Ankerplatz oder während einer Nachtfahrt? Sie wird es euch selber erzählen – im nächsten Bericht. Den Schreiberling freut’s: er geniesst die Pause :))
Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser!