Wie im letzten Bericht geschildert verlassen wir Port Antonio am Morgen früh und nehmen die etwas über 800 Seemeilen nach Bonaire in Angriff. Eigentlich wollten wir am Vortag ordnungsgemäss ausklarieren und haben das auch so den Behörden mitgeteilt. Der Termin wurde von diesen auf 16:30 Uhr festgelegt. Wir waren pünktlich da, aber weder Zoll- noch Immigrationsbeamter waren anwesend. Die freundliche Dame in der Marina ruft dort an und erhält die Antwort, dass sie erst um 17 Uhr kommen. Easy – no problem, wir haben Zeit. Um 17:30 Uhr ist noch immer niemand da. Das Büro der Marina ist mittlerweile geschlossen. Wir zotteln unverrichteter Dinge zum Schiff zurück, das am Anmeldesteg der Marina liegt. Wir beschliessen, am Steg zu bleiben, falls die Beamten doch noch kommen sollten. Sie kommen aber nicht mehr.
Den Rest der Fahrt müssen wir ohne unseren Kartenplotter auskommen. Normalerweise wäre das ein ziemliches Desaster, aber wir kennen die Gewässer auf unserer Strecke sehr gut und auf unserem Mobiltelefon haben wir ein Back-Up. Gut auch, dass der Autopilot unabhängig vom Plotter operiert und die Steuerung unseres Schiffes nach wie vor gewährleistet ist.
Nach zwei Tagen Fahrt unter Motor kommt nach der Passage der südlichsten Spitze der Dom Rep etwas Wind auf und wir geben Kari eine Pause. Wir setzen volle Segel und kreuzen hart am Wind weiter gegen Osten. Nach 12 Stunden unter Segel haben wir gerade mal etwas mehr als 20 Seemeilen zum Ziel hin geschafft. Zum Glück lässt der Wind dann nach und es fällt uns einfacher, die Dienste von Kari wieder zu beanspruchen. Mit ihm geht es zügig unter 6.5 bis 7 Knoten Fahrt weiter gegen Osten. Über Satellitenverbindung erhalten wir regelmässig von unserer Wetterstation in Deutschland (an dieser Stelle ganz herzlichen Dank an Hans Trapp von der Segeljacht Karl, der uns perfekt und sehr schnell ans Ziel navigierte!). Auf Grund dieser Wetterdaten entscheiden wir uns spontan, unterwegs zwei Tage Pause einzulegen und für die Fahrt nach Süden den idealen Wind abzuwarten. Als willkommener Platz für eine Pause bietet sich die Insel «Isla Catalina» im Südosten der Dom Rep an. Von dort aus können wir dann auf einer geraden Linie südwärts nach Bonaire weiter segeln.
Wir attackieren Bonaire! Es ist in der Nacht auf den Mittwoch, als wir Bonaire erreichen. Viel zu früh, um uns bei den Behörden in der Marina zu melden. Wir entscheiden, an einer der offiziellen Tauchbojen an der Westküste von Bonaire Halt zu machen, uns dort mit einem kühlenden Bad zu erfrischen und dann zu frühstücken. Erst nach Tagesanbruch wollen wir weiter in die Marina. So der Plan. Nun, es kommt anders in der noch mondlosen, rabenschwarzen Nacht: etwas verwirrt (so muss man es wohl sagen) vom ausgefallenen Plotter, geblendet vom grellen Licht der Karte im Mobiltelefon und den fehlenden Zeichen von Pia, die vorne am Bug mit der Festmacherleine hantierte, beachtet Köbi den Tiefenmesser nicht . Erst als es rumpelt und Lupina eher wie ein bockiges Pferd wie eine geschmeidige Wölfin durchs Wasser gleitet wird es dem Skipper klar: Bodenkontakt!! Mit einem Ruck bleibt das Schiff an einem Korallenkopf hängen. Zum Glück kommt der Wind vom Land und drückt uns nicht weiter auf das Riff. Unter Vollgas im Rückwärtsgang gelingt es uns, das Schiff wieder frei zu kriegen. Ausser ein paar Schrammen am Kiel aus Blei und leichten Kratzern am Ruder sind von unserem Angriff auf Bonaire zum Glück keine bleibenden gravierende Schäden geblieben.
Die Ankunft in der Marina Harbour Village ist dann sehr entspannt und einfach. Der Marinero weist uns den Platz zu, hilft uns beim Festmachen und macht uns mit den speziellen Regeln für die 14 Tage obligatorische Quarantäne bekannt. Diese sind sehr einfach: wir müssen immer auf dem Schiff bleiben. Zum Glück haben wir aber Freunde hier! Es dauert keine Stunde, begrüsst uns David vom Segelschiff Mischief, den wir vor einem Jahr hier getroffen haben. Kaum etwas später rufen uns Wendy und Sylvester vom Steg ein freudiges Willkommen zu. Die Beiden sind auch Segler, wohnen aber im Moment wieder in Bonaire. Und dann kommen noch die beiden Schweizer Nelly und Allan (SY Meerla) mit ihrem Dinghi zu Besuch. Wir kennen uns nur über Facebook und Internet und sehen uns zum ersten Mal real. Alle diese Menschen bieten uns spontan ihre Hilfe an, falls wir etwas brauchen sollten. Einfach schön! Wir fühlen uns sofort wohl in der Quarantäne.
Wie überleben wir die Quarantäne? Können wir den Plotter reparieren? Es bleibt spannend – bleib der Lupina im Kielwasser!
Wir sind mittlerweile in einem richtig tiefenentspannten Zustand. Da wir immer noch nicht im Besitz einer Einreiseerlaubnis von Bonaire sind, haben wir uns darauf eingestellt, dass wir sicher noch etwa 10 Tage hier sein werden. Dann kommt am Freitag Mittag unerwartet ein Mail aus Bonaire und die Ereignisse überschlagen sich. Das Mail teilt uns mit, dass wir ab sofort in Bonaire einreisen dürfen. Wow!! Lange haben wir nach einem Datum gefragt, nun ist es Tatsache. Schnell packen wir unsere Unterlagen und fahren mit dem Dinghi an Land, um noch vor Feierabend einen Passierschein für die Überfahrt nach Port Antonio zu erhalten. Es klapp perfekt. Wieder zurück beginnen wir mit den Vorbereitungen für die Losfahrt am Sonntag.
Dann die nächste Überraschung. Diesmal keine so freudige. Der Generator beginnt zu husten und das Kühlwasser fliesst nur noch langsam. Service ist noch nicht fällig, Impeller-Lebensdauer ist auch noch nicht abgelaufen. Was könnte es sein?
Am Sonntag dem 7. Juni, nach 79 Tagen vor Anker in Ocho Rios, brechen wir auf nach Port Antonio, wo wir noch Treibstoff auffüllen und dann aus Jamaika ausklarieren. Die Distanz von 45 Seemeilen wird ein erster Prüfstein für Mensch und Material, denn wir haben im zweiten Teil der Reise mehr als 25 Knoten Wind auf die Nase. Wir erreichen Port Antonio sicher aber müde.
Die Marina ist wie ausgestorben, alle Schiffe sind bereits weg. Also auch Zeit für uns, aus dieser Hurrikan-Gegend wegzukommen.
Wir haben in den fast drei Monaten Ocho Rios viele nette Menschen getroffen, die uns sehr ans Herz gewachsen sind. Das Abschied Nehmen fällt uns nicht leicht. Die Leute kennen uns mittlerweile. Rufen uns zu, haben etwas zu erzählen oder winken einfach freundlich und schenken uns ein Lächeln. Viele haben uns davor gewarnt, passt ja auf, Jamaika soll sehr gefährlich sein. Während unserem ganzen Aufenthalt hier in Jamaika, haben wir kein einziges Mal das Gefühl von Gefahr oder Bedrohung erlebt. Wir haben uns immer und überall sehr wohl gefühlt. Wir können es allen nur empfehlen, diese wunderbare Insel mit den etwas eigenwilligen und stolzen Menschen zu besuchen.
Da der Wind fast immer von Osten oder Südosten her bläst, und es noch eine bis zwei Knoten starke Strömung in Richtung Norden gibt, können wir Bonaire von hier nicht direkt ansegeln. Morgen soll es gemäss Wettervorhersagen die nächsten 2-3 Tage windarm sein. Somit können wir einigermassen direkt ostwärts nach Haiti fahren und weiter nach der Dom Rep, um der Strömung auszuweichen und einen besseren Winkel am Wind gegen Bonaire zu bekommen. Wenig oder kein Wind bedeutet aber: kein Segeln, also muss unser Motor zumindest die ersten zwei Tage den nötigen Vorschub liefern. Etwa ab Boca Chica können wir dann den Kurs südwärts direkt nach Bonaire setzen. Wir erwarten dann Querab-Wind und ab da sollte dieser Segeltörn wieder etwas gemütlicher werden. Diesen etwas mühsamen Umweg haben wir Covid 19 zu verdanken und er kostet uns rund 800 Seemeilen (1’500km). Während der 8-9 tägigen Überfahrt werden wir keine Internetverbindung haben. Und dort müssen wir direkt für 14 Tage in Quarantäne, die wir aber auf dem Boot absitzen dürfen. Wie schnell wir wieder Internet haben, wissen wir noch nicht. Egal, wir melden uns nächstes Mal dann wieder von Bonaire aus.
Schiff Ahoi!! Auf Wiedersehen Jamaika – Bonaire wir kommen Es bleibt spannend – bleib der Lupina im Kielwasser! Schau, wo wir gerade sind: share.garmin.com/EPXFV
Unser Besuchervisum läuft am 30. Mai ab. Weil wir sicher noch ein paar Tage (oder Wochen) hier sein werden, müssen wir das Visum verlängern. Also fahren wir am 29. Mai per Sammeltaxi in das 10 km weiter der Küste entlang gelegene St. Ann’s Bay, wo sich das Immigrationsbüro befindet. Im Warteraum füllen wird die uns ausgehändigten Papiere aus und übergeben sie wieder der Dame, die sie uns gegeben hat. Nach einer halben Stunde kommt sie zurück mit den Rechnungen für die Administrationsgebühr. 70 USD pro Person, stolz, aber ok. Wir bezahlen die Gebühr umgehend am uns zugewiesenen Schalter und überreichen der Dame die Quittung. Wieder dürfen wir im Warteraum Platz nehmen, bis die Chefin der Dame, die Immigrationsbeamtin, bereit ist für ein Interview. Nach 20 Minuten ist es soweit. Eine korpulente, stämmige Dame, mit der man(n) keinen Streit haben will, empfängt uns. Freundlich erklärt sie uns, dass wir als Schweizer Bürger für eine Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung einen Visa Waiver brauchen. Ok, wir nicken. Als wir den nächsten Satz der Dame hören, fallen wir fast vom Stuhl. «Das kostet 50’000 Jamaika Doller (350 USD) pro Person». Was?? 700 USD damit wir ein paar Tage länger hier bleiben können. Pia beginnt mit weinerlicher Stimme auf die Beamtin einzureden. Köbi versucht es mit anderen Argumenten. Aber die Frau, mit der man(n) keinen Streit haben will, bleibt dabei. Ok, wir müssen kurz besprechen, was wir nun tun wollen. Köbi fragt nach, ob wir vielleicht mit dem Schweizer Konsulat in Kingston kurz telefonieren dürfen. Ja, ja, kein Problem, aber nicht hier sondern im Warteraum. Also wir wieder ins Wartezimmer. Köbi versucht, das Konsulat in Kingston anzurufen, und schreibt dann dem Konsul ein WhatsApp, als niemand das Telefon beantwortet. Da auch diese Kontaktaufnahme so schnell nicht klappt entscheiden wir gemeinsam, am nächsten Tag abzureisen. Aber wohin? Egal, wir entscheiden uns für die Abreise. Wieder im Büro der Immigrationsbeamtin teilen wir ihr unseren Entscheid mit, und bitten sie, statt einer Verlängerung die Ausreisedokumente zu erstellen. Erstaunt blickt sie uns an, schluckt einmal leer. Irgendwie scheint sie nicht mit diesem Entscheid gerechnet zu haben. «Dann wollt ihr also morgen abreisen?» vergewissert sie sich. Köbi murmelt achselzuckend und resigniert: «wollen nicht, aber wir müssen!». Mit einem kurzen Seitensatz, dass sie ihren Supervisor informieren wolle, bittet uns die stämmige Dame wieder ins Wartezimmer. Eine halbe Stunde später kommt sie mit einem breiten Lächeln und unseren Pässen – mit Verlängerung von drei Monaten!! Wir sind perplex und die Beamtin strahlt. Koch’sche Schauspielkunst und Brem’sches Verhandlungsgeschick machen es möglich. Wir jubeln und bedanken uns überschwänglich bei ihr. Dann schlüpfen wir beschwingt und fröhlich durch die Türe des Gebäudes, das wir vor drei Stunden betreten haben.
Heute ist der 1. Juni 2020. Seit mehr als 2 Monaten liegen wir nun in Ocho Rios vor Anker und hoffen, dass einige der Restriktionen, die bis zum 31. Mai angeordnet waren, aufgehoben werden. Bis gestern waren wir und mit uns fast alle Jamaikaner im Glauben, die meisten Geschäfte, Restaurants, Pärke, Strände und dergleichen können ihren Betrieb wieder aufnehmen, weil von offizieller Seite keine anders lautende Information kommuniziert wurde. Heute Morgen aber haben wir per WhatsApp vom Schweizer Konsul Ueli Bangerter aus Kingston die offizielle Nachricht erhalten, dass praktisch alle Massnahmen bis 30. Juni weiter Gültigkeit haben. Nur die Grenzen werden per 15. Juni geöffnet. Unsere Stimmung ist für einen kurzen Moment im Keller. Wir hatten uns darauf gefreut, doch noch einige der Sehenswürdigkeiten hier in Jamaika besuchen zu können und unsere Rundreise mit dem Schiff um Jamaika herum fortzusetzen. Zerschlagen! Aber die Niedergeschlagenheit dauert nur kurz: nun wissen wir endgültig, dass wir von hier direkt, eventuell mit einem Tankstopp in Port Antonio (falls das erlaubt wird) in Richtung Süden aus der Hurrikan Zone abrauschen werden.
Wir sind seit dem 22. März hier am Anker. Ausser ein paar von der Marine Polizei bewilligten, ja sogar angeordneten Ausfahrten auf das offene Meer hinaus, um die Fäkalientanks zu leeren, müssen wir mit dem Schiff in der Bucht bleiben. Ansonsten befinden wir uns in einem tiefen Entspannungsmodus und geniessen einfach das Sein und das Jetzt. Etwas Routine hat sich auch breit gemacht: jeden Morgen nach dem Aufstehen (einfach dann, wenn wir beide wach werden) und dem erfrischenden Bad im klaren Meerwasser folgt ein gemütliches Frühstück.
Wir haben eine lokale SIM-Karte mit unlimitierter Datenmenge. Vor allem zur heissen Tageszeit, wenn die Sonne maximal auf Deck brennt, ist es im Schiffsbauch sehr angenehm kühl. Da sind wir dann stundenlang an unseren Computern: beantworten E-Mails, tummeln uns im Facebook (unsere Freunde wundern sich wohl, wieso wir in letzter Zeit so aktiv sind 😉), lesen Reiseberichte von anderen Seglern, planen unsere Weiterreise. Und vor allem, und darauf sind wir sehr stolz: wir lernen mit einem Online-Programm täglich mindestens zwei Stunden Spanisch! Die Fortschritte sind schon recht beachtlich und wir freuen uns auf die spanisch sprechenden Länder von Zentral- und Südamerika.
Wie geht es nun weiter? Die ersten beiden tropischen Stürme sind bereits über den nördlichen Bereich der Karibik hinweggezogen. Ab heute gilt in der Karibik offiziell die Hurrikan Zeit. Jamaika liegt in der Hurrikan Zone. Erfahrungsgemäss bleibt es aber bis Anfangs Juli in unserem Bereich ruhig, Die Sturmaktivitäten nehmen ab Mitte Juli aber stark zu und ab dann muss man mit den gefürchteten Wirbelstürmen rechnen. Es ist klar, wir müssen weg hier. Aber wohin?? Wir haben im letzten Bericht geschrieben, dass wir am liebsten wieder auf die ABC Inseln gehen würden, falls bis dann die Grenzen offen sind. Das ist nun tatsächlich geschehen. Mit einer 14-tägigen Quarantäne können alle drei Inseln (Aruba, Bonaire, Curaçao) angesegelt werden. Wir haben uns für Bonaire entschieden und uns dort in die Liste von Einreisewilligen eingeschrieben. Zwei Schiffe pro Woche werden in die Quarantäne aufgenommen. Als wir das lesen, sinkt bei uns die Zuversicht, denn es wollen doch viel mehr Schiffe dorthin. Aber wir haben Glück: diese Woche haben wir nun endlich die Bestätigung erhalten, dass wir kommen können. Einzig der Termin bleibt noch offen. Von der Marina in Bonaire wurde uns mitgeteilt, dass die Behörden die Quarantäne plane und wir von dort einige Tage vorher informiert werden, wann wir in Bonaire eintreffen sollen. Für uns kein Problem – wir haben Zeit. Falls sich doch wider Erwarten ein Sturm ankündigen sollte, werden wir einfach unseren Anker heben und nach Süden flüchten. Pia wird noch einige Striche mehr machen können 😉
Es bleibt spannend – bleib der Lupina im Kielwasser!