Der Weg zurück nach Bonaire

Wie im letzten Bericht geschildert verlassen wir Port Antonio am Morgen früh und nehmen die etwas über 800 Seemeilen nach Bonaire in Angriff. Eigentlich wollten wir am Vortag ordnungsgemäss ausklarieren und haben das auch so den Behörden mitgeteilt. Der Termin wurde von diesen auf 16:30 Uhr festgelegt. Wir waren pünktlich da, aber weder Zoll- noch Immigrationsbeamter waren anwesend. Die freundliche Dame in der Marina ruft dort an und erhält die Antwort, dass sie erst um 17 Uhr kommen. Easy – no problem, wir haben Zeit. Um 17:30 Uhr ist noch immer niemand da. Das Büro der Marina ist mittlerweile geschlossen. Wir zotteln unverrichteter Dinge zum Schiff zurück, das am Anmeldesteg der Marina liegt. Wir beschliessen, am Steg zu bleiben, falls die Beamten doch noch kommen sollten. Sie kommen aber nicht mehr.

9. Juni 2020 frühmorgens um 7 Uhr in der Marina Errol Flynn, Port Antonio. Wir sind bereit für die Abfahrt. Es ist immer noch keine Behörde für die Ausreise bei uns vorbeigekommen. Wir wollen nicht länger warten, um dann wieder versetzt zu werden. Da wir uns erinnern, dass in Bonaire niemand nach den Ausreisepapieren der letzten Insel fragt, entscheiden wir, ohne korrekt ausgestempelte Ausreisedokumente abzureisen
Letzter Blick in die Errol Flynn Bucht von Port Antonio mit den berühmten Blue Mountains im Hintergrund. Kurz nach 10 Uhr, wir sind schon 20 Seemeilen weiter, als die Marina uns per Telefon anruft und mitteilt, dass die Beamten nun für uns da sind. Wieder umkehren? Nein! Wir halten unseren Kurs und verlassen Jamaika in Richtung Osten gegen Hispaniola (Haiti und Dominikanische Republik)
Sonnenaufgang zwischen Jamaika und Haiti. Der Wind, der in dieser Gegend immer von Osten nach Westen, also entgegen unserer Fahrtrichtung weht, ist die ersten zwei Tagen flau und daher steht fast keine Welle an. Ideal für eine Fahrt nach Osten. Der einzige Nachteil: segeln kann man so nicht – wir brauchen die ganze Zeit unseren Motor. «Kari», wie wir unseren 75 Pferde starken Motor lieblich nennen, schnurrt 48 Stunden lang stetig und zufrieden vor sich hin. Nur ein paar Mal kommt er etwas ins Schnaufen: immer dann, wenn sich wieder zu viel Sargassum Seegras im Propeller festgehängt hat, wird der Widerstand so gross, dass die Drehzahl gedrückt wird und sich die Fahrt verlangsamt. Ein paar Wechsel zwischen Rückwärts- und Vorwärtsgang lösen das Gras vom Propeller und Kari ist wieder zufrieden
Immer spannend auf hoher See: Begegnung mit den richtig grossen Schiffen. Köbi freut sich jedes Mal und immer schaut er im AIS, wie das Schiff heisst und ob er die Reederei kennt
Nach knapp einem Tag auf hoher See flackert der Bildschirm unseres Kartenplotters im Cockpit und wird dann ganz schwarz. Der Kartenplotter ist ein elektronisches Navigationsgerät, das die detaillierte Seekarte und die aktuelle Position des Schiffes anzeigt. Beim Versuch, das Ding wieder in Gang zu bringen, bricht Köbi dann bei einem Anschlussstecker noch einen stark korrodierten Pin ab. Das war’s dann!

Den Rest der Fahrt müssen wir ohne unseren Kartenplotter auskommen. Normalerweise wäre das ein ziemliches Desaster, aber wir kennen die Gewässer auf unserer Strecke sehr gut und auf unserem Mobiltelefon haben wir ein Back-Up. Gut auch, dass der Autopilot unabhängig vom Plotter operiert und die Steuerung unseres Schiffes nach wie vor gewährleistet ist.

Nach zwei Tagen Fahrt unter Motor kommt nach der Passage der südlichsten Spitze der Dom Rep etwas Wind auf und wir geben Kari eine Pause. Wir setzen volle Segel und kreuzen hart am Wind weiter gegen Osten. Nach 12 Stunden unter Segel haben wir gerade mal etwas mehr als 20 Seemeilen zum Ziel hin geschafft. Zum Glück lässt der Wind dann nach und es fällt uns einfacher, die Dienste von Kari wieder zu beanspruchen. Mit ihm geht es zügig unter 6.5 bis 7 Knoten Fahrt weiter gegen Osten. Über Satellitenverbindung erhalten wir regelmässig von unserer Wetterstation in Deutschland (an dieser Stelle ganz herzlichen Dank an Hans Trapp von der Segeljacht Karl, der uns perfekt und sehr schnell ans Ziel navigierte!). Auf Grund dieser Wetterdaten entscheiden wir uns spontan, unterwegs zwei Tage Pause einzulegen und für die Fahrt nach Süden den idealen Wind abzuwarten. Als willkommener Platz für eine Pause bietet sich die Insel «Isla Catalina» im Südosten der Dom Rep an. Von dort aus können wir dann auf einer geraden Linie südwärts nach Bonaire weiter segeln.

Anfahrt zur Isla Catalina, Dom Rep
Ein wunderschöner Ankerplatz, um sich zwei Tage auszuruhen. Hier waren wir bereits, als wir von der Dom Rep in Richtung Haiti losgesegelt sind. Erstaunlich für uns: obwohl die Grenzen eigentlich geschlossen sind, werden wir nicht von der Küstenwache oder der Navy kontaktiert und befragt. Köbi hat extra eine defekte Wasserpumpe bereit gelegt, hätte dieses Teil gezeigt und mit Motorproblemen argumentiert. War zum Glück alles nicht nötig
Wir verbringen zwei herrliche Tage, viel Zeit davon im herrlich klaren Wasser. Es erübrigt sich zu sagen, dass wir Mutter Seelen alleine sind! 😊
Am Sonntag, 14.6.2020 ziehen wir nach dem Abendessen den Anker ein und nehmen die 380 Seemeilen (670km) lange Fahrt nach Bonaire in Angriff. Die ganze Zeit weht der Wind mit 18 bis 22 Knoten auf das Schiff und wir haben nie volles Tuch draussen
Kaum sind wir aus der Windabdeckung von der Dominikanischen Republik draussen im offenen Meer, werden die Wellen sehr ruppig und ungemütlich. Die etwas mehr als zwei Tage zwischen der Dom Rep und Bonaire werden für Mensch und Schiff zur Belastungsprobe, die Beide schlussendlich sehr gut bestehen 😊

Wir attackieren Bonaire! Es ist in der Nacht auf den Mittwoch, als wir Bonaire erreichen. Viel zu früh, um uns bei den Behörden in der Marina zu melden. Wir entscheiden, an einer der offiziellen Tauchbojen an der Westküste von Bonaire Halt zu machen, uns dort mit einem kühlenden Bad zu erfrischen und dann zu frühstücken. Erst nach Tagesanbruch wollen wir weiter in die Marina. So der Plan. Nun, es kommt anders in der noch mondlosen, rabenschwarzen Nacht: etwas verwirrt (so muss man es wohl sagen) vom ausgefallenen Plotter, geblendet vom grellen Licht der Karte im Mobiltelefon und den fehlenden Zeichen von Pia, die vorne am Bug mit der Festmacherleine hantierte, beachtet Köbi den Tiefenmesser nicht . Erst als es rumpelt und Lupina eher wie ein bockiges Pferd wie eine geschmeidige Wölfin durchs Wasser gleitet wird es dem Skipper klar: Bodenkontakt!! Mit einem Ruck bleibt das Schiff an einem Korallenkopf hängen. Zum Glück kommt der Wind vom Land und drückt uns nicht weiter auf das Riff. Unter Vollgas im Rückwärtsgang gelingt es uns, das Schiff wieder frei zu kriegen. Ausser ein paar Schrammen am Kiel aus Blei und leichten Kratzern am Ruder sind von unserem Angriff auf Bonaire zum Glück keine bleibenden gravierende Schäden geblieben.

In der Morgendämmerung (hier um ungefähr fünf Uhr lokale Zeit) klappt es doch noch: vor der Insel Klein Bonaire schnappen wir uns (dann vorsichtiger aber erfolgreich) eine Boje. Wir sind in Bonaire angekommen! Ordnungsgemäss wird auch die Gastland-Flagge wieder gesetzt. Wer genau hinschaut, stellt fest, dass diese schon recht ramponiert daher kommt. Nun, Bonaire war ja eigentlich nicht mehr auf unserem Streckenplan, eigentlich wären wir nach unserer ursprünglichen Planung nun auf dem Weg nach Kolumbien. Man könnte also schlussfolgern: COVID19 ist schuld, dass unser neues Gastland mit einer zerfransten Gastland-Flagge Vorlieb nehmen muss😉

Die Ankunft in der Marina Harbour Village ist dann sehr entspannt und einfach. Der Marinero weist uns den Platz zu, hilft uns beim Festmachen und macht uns mit den speziellen Regeln für die 14 Tage obligatorische Quarantäne bekannt. Diese sind sehr einfach: wir müssen immer auf dem Schiff bleiben. Zum Glück haben wir aber Freunde hier! Es dauert keine Stunde, begrüsst uns David vom Segelschiff Mischief, den wir vor einem Jahr hier getroffen haben. Kaum etwas später rufen uns Wendy und Sylvester vom Steg ein freudiges Willkommen zu. Die Beiden sind auch Segler, wohnen aber im Moment wieder in Bonaire. Und dann kommen noch die beiden Schweizer Nelly und Allan (SY Meerla) mit ihrem Dinghi zu Besuch. Wir kennen uns nur über Facebook und Internet und sehen uns zum ersten Mal real. Alle diese Menschen bieten uns spontan ihre Hilfe an, falls wir etwas brauchen sollten. Einfach schön! Wir fühlen uns sofort wohl in der Quarantäne.

So lässt sich eine Quarantäne gut aushalten: hübsche, kleine Marina, schöner Ausblick aufs Meer, frischer, kühlender Wind, nette Steg-Nachbarn und jeden Abend einen Sundowner 😊

Wie überleben wir die Quarantäne? Können wir den Plotter reparieren?
Es bleibt spannend – bleib der Lupina im Kielwasser!

Schau, wo wir gerade sind: share.garmin.com/EPXFV

Eine Antwort auf „Der Weg zurück nach Bonaire“

  1. Hallo Pia und Köbi! Gross ist die Freude zu lesen, dass ihr wohlbehalten auf Bonaire angekommen seid. Ganz herzliche Glückwünsche. Glücklicherweise ging der Korallenkopfkontakt glimpflich aus, Euch steckte wohl der Schreck ganz gehörig in den Gliedern. Seid herzlich gegrüsst von der Quarantäne aus Aruba, Martina und Daniel

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