Carriacou zum Zweiten – die ungeplante Verlängerung

Eigentlich hatten wir geplant, nach Ostern Carriacou in Richtung Grenada zu verlassen. Der Zwischenfall mit dem Finger von Köbi zwingt uns nun eine kleine «Zwangspause» auf. Die Wunde muss anfänglich täglich, dann alle zwei Tage neu verbunden werden. Wir könnten das selber machen, haben alles notwendige Material dazu an Bord. Aber da es hier Kliniken und Gesundheitszentren gibt, die für solche Fälle da sind, nutzen wir lieber die lokale Infrastruktur. Noch eine kurzer Nachtrag zu den Kosten: die Notbehandlung der Wunde im Spital mit Reinigung, Desinfektion und Nähen kosteten 150 EC$ (rund 50.- CHF). Damit inbegriffen sind auch die Nachfolgebehandlungen, wie Verbandwechsel und Fäden ziehen. Allerdings wird dabei erwartet, dass der Patient das benötigte Verbandsmaterial selber in der Apotheke besorgt und mitbringt. Da über die Osterfeiertage die Apotheken geschlossen haben, greift man kurzerhand auf die im Gesundheitszentrum vorhandene Notreserve zurück: angebrochenes Material von anderen Patienten, die nicht mehr zum Verbandswechsel kommen.

Eine Woche nach Ostern findet in Carriacou ein weitherum bekanntes Kulturfestival statt: The Carriacou Maroon and String Band Music Festival. Ein kunterbuntes Programm, das einerseits so etwas wie ein Erntedankfest ist und seinen Ursprung in Afrika hat (Maroon), und andererseits gespickt ist mit Musikaufführungen aller Art
Ein wichtiger Teil des Maroon Festes ist das Teilen der Ernte in Form eines an alle Besucher gratis abgegebenen Essens, wie es die Bauern kennen. Wenn man an diesem Tag über die Insel fährt, sieht man überall Leute, die emsig das Essen vorbereiten (alles an offenen Feuerstellen draussen vor den Häusern). Auf dem Bild werden aus Maispolenta runde Kugeln gefertigt
Ab 4 Uhr am Nachmittag geht es los und dauert weit in den Abend hinein. Früher gab es Feuerstellen mit grossen Eisentöpfen drauf, aus denen die feinen Speisen geschöpft wurden. Heute ist es etwas zeitgemässer eine gut eingerichtete Fassstrasse mit grossen Aluschalen und Warmhalter, welche die hungrigen Mäuler gratis versorgt
Fassstrasse für das Maroon Essen, das aus Maispolenta, Reis, Gemüse, Fleisch (Poulet / Schwein / Beef) und Fisch besteht
Ausländische Besucher warten rücksichtsvoll, bis die Einheimischen ihre erste Ration abgeholt haben. Wir haben versucht, etwas für die feine Speise zu bezahlen, aber die Einheimischen waren fast etwas beleidigt über unsere Nachfrage nach einem Spendentopf. So haben wir es bleiben lassen und die feine Kost einfach so genossen.
Bei Einbruch der Nacht ein Fackelzug, der das nach Hause Kommen der Arbeiter vom Feld symbolisiert
Auf einer eigens dafür aufgerichteten Bühne folgt dann ein kunterbuntes Unterhaltungsprogramm, das die lokale Kultur von Carriacou widerspiegelt
Am Samstag das String Band Musik Festival in der dafür gesperrten Hauptstrasse in Hillsborough. Mit zum Teil selbst gefertigten Musikinstrumenten geht’s laut aber durchaus rhythmisch zur Sache. Diverse Bands buhlen um die Gunst des Publikums
Auf jeder Strassenseite stellt sich eine «Kuchenfrau» auf. Dazu gesellen sich dann die Musiker und ein Mann mit einer Fahne. Sie machen sich bereit für den «Fahnenkampf» und den «Kuchentanz»
Spannend, was da abläuft. Es mahnt uns etwas an das Eierlesen von Wölflinswil (unsere Heimat). Ein Zaungast will besonders genau wissen, was da abläuft
Der Kampf der Fahnen. Dabei geht es für die beiden Kämpfer darum, die Fahne möglichst geschickt und kunstvoll zu schwingen. Derjenige Kämpfer, der es als Erster schafft, den Blumenstrauss an der Spitze der Gegnerfahne auf den Boden zu bringen, gewinnt. Am Schluss sind Beide Sieger und fallen sich unter lautem Applaus des Publikums um die Arme
Und dann der Höhepunkt: der Kuchentanz. Jede Partei hat einen Kuchen. Dieser wird zuerst von einer der Frauen aus den eigenen Reihen, und dann von weiblichen Fans aus dem Publikum kunstvoll und geschickt mit den Händen in die Luft gehoben. Die Frauen schwingen dabei möglichst attraktiv und erotisch ihre Hüften zum Rhythmus der Musik. Es kann schon mal vorkommen, dass die eine Tänzerin die andere Frau mit ihrem Hinterteil aus dem Takt zu schupsen versucht. Der johlende Applaus des Publikums ist der Lohn
Fütterung der Raubtiere. Singen, Tanzen und Applaudieren geben Hunger
Auf der Fahrt im öffentlichen Bus zurück zum Schiff in der Tyrell Bay. Vor uns sitzt eine einheimische Frau. Ihre füllige Masse bedeckt gleich drei Sitzplätze!! Oberarme dicker als Köbi’s Oberschenkel (die nun auch nicht gerade dünn sind). Während der Fahrt ruft sie dem Fahrer irgendetwas zu. Dieser nickt. Kurz darauf stoppt er bei einer Ladenbude an der Strasse, schickt seinen Busbegleiter (der die Türe öffnet und Geld einzieht) hinein. Kurz darauf kommt er mit einer Kartonschachtel zurück und reicht diese der fülligen Frau. Diese greift hinein und verteil an alle Passagiere, auch uns (aber ohne sich umzudrehen, das schafft sie nämlich nicht) eine kleine, kalte Plastiktüte: hausgemachtes Eis. Wir schauen uns etwas verdutzt an, beobachten, was die anderen machen und tun es ihnen dann gleich: Tüte an einer Ecke aufbeissen und dann das Eis langsam heraussaugen. Ein köstliches Vanilleeis, das uns vorzüglich schmeckt. Beim Aussteigen bedanken wir uns bei der unbekannten Frau, die sich dafür mit einem herzigen Lächeln revanchiert und noch wissen will, wie Pia heisst. Eine schöne Begegnung!
Am Sonntag meldet sich über WhatsApp die SY Invia an. Diese hat mit ihrer Crew Dorothee und Stefan gerade Grenada in Richtung Carriacou verlassen. Sie fragen uns, ob wir immer noch in der Tyrell Bay sind. Spontan kommen sie vorbei. Gegen drei Uhr mittags rauscht der 51 Fuss grosse, schnittige Katamaran in die Bay und legt Anker. Wir hatten die Invia erstmals auf den Kanarischen Inseln (La Palma) getroffen, und stehen seitdem in regelmässigem Kontakt. Nach fünf Monaten treffen wir uns nun erstmals wieder. Bei einem Ankertrunk auf der Invia und dann beim Nachtessen an Land haben wir uns viel zu erzählen. Danke Dorothee und Stefan für euren spontanen Besuch in der Tyrell Bay!
Am Montag, 29. April, sind nun die Fäden gezogen worden und uns zieht es wieder weiter. Pia auf dem Weg zum Dinghi, das an einem fast leeren Pier in der Tyrell Bay Marina auf uns wartet und zur Lupina bringt

Noch am gleichen Tag lichten wir den Anker und setzen Segel Richtung Grenada. Rund zwei Stunden später erreichen wir nach elf Seemeilen eine kleine Insel, Ronde Island, kurz vor Grenada. Die Insel ist unbewohnt und die grosse, weite Ankerbucht bietet guten Schutz gegen Wind und Welle. Spontan beschliessen wir, hier die Nacht zu verbringen. Es ist wunderschön, eine rabenschwarze Nacht, ohne jegliche Lichtverschmutzung. Die Sterne funkeln um die Wette. Am nächsten Morgen nimmt Pia ein ausgedehntes Bad im glasklaren Wasser. Köbi kann sich an der Heckleiter festhaltend auch etwas vom erfrischenden Nass geniessen – sein Finger darf vorläufig noch nicht ins Salzwasser!

Wir sind nach dem langen Aufenthalt in Carriacou voller Tatendrang und beschliessen, Grenada auf der windigen Ostseite zu umrunden. Heftig geschüttelt und gerüttelt (die Wellen auf der Luvseite der Insel sind kurz und gut und gerne 3-4 Meter hoch) laufen wir als unser erstes Ziel Grenville an, die zweitgrösste Stadt der Insel. Die Einfahrt in die von Korallenbänken gut geschützte Bay ist sehr gefährlich und man muss sich genau an die Navigationshilfen halten, will man nicht auf einer der spitzen Korallen hängen bleiben und das Boot aufreissen. Trotz GPS, das die Sache heute doch wesentlich erleichtert und einfacher macht, eine spannende Herausforderung. Als wir fast durch sind kommt uns ein Fischer entgegen und will uns den Weg durch das Riff zeigen. Wir sind aber schon beim letzten Kurswechsel angelangt und bedanken uns für sein Hilfeangebot. Nun liegen wir hier auf der Luvseite der Insel bei rund 15-20 Knoten Wind aber flachem Wasser vor Anker. Grenville wäre ein guter Ausgangspunkt, um die Ostseite von Grenada zu erkunden. Aber morgen ist der 1. Mai und da fahren keine Busse. Mal schauen – wenn wir hier gut liegen, bleiben wir ein paar Tage, sonst fahren wir weiter zur Südküste mit ihren unzähligen gut geschützten Buchten.

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