410 Seemeilen weiter und wir sind in Bonaire

Am 21. Mai um 4 Uhr nachmittags ziehen wir unseren Anker hoch, setzen Schmetterlings-Besegelung (Grosssegel auf Backbord mit Bullentaille gesichert, Genua auf Steuerbord mit Spi-Baum gesichert) und rauschen von Grenada ab in Richtung Bonaire. Zwei Dinge sind diesmal etwas anders wie sonst: einerseits ist Köbi’s Finger noch nicht einsatzfähig und Arbeiten, zu denen es beide Hände braucht, müssen mit Pia’s Unterstützung erledigt werden. Andererseits hört und liest man von Piraterie entlang der Venezuelanischen Nordküste. Dies ist eine Folge der politischen Unruhen in Venezuela, die einher geht mit Verwahrlosung, grosser Armut und Anarchie. Eigentlich wollten wir uns entlang der wunderschönen Venezuelanischen Inseln bis nach Bonaire westwärts hangeln. Es gibt auch Segler, die das jetzt noch tun. Wir aber wollen das Schicksal nicht herausfordern, machen einen grossen Bogen um das Risikogebiet herum und halten mindestens 35 Seemeilen Abstand. In diesem Abstand werden wir auf dem Radar nicht gesehen. Zudem schalten wir bei der Vorbeifahrt unser AIS Sender aus. Einzig das Positions-Licht behalten wir nachts an. Da dies aber nur etwa maximal 10 Seemeilen weit sichtbar ist, sehen wir darin keine Gefahr.

Für einmal muss Pia die Kontrollgänge an Deck machen. Dazu braucht es beide Hände, vor allem wenn der Wellengang wie zu Anfang der Reise etwas hoch ist

Bei der Überfahrt haben wir einen guten achterlichen Wind, manchmal zwar fast etwas wenig, was uns aber lieber ist als zu viel. Wir können die ganze Zeit unsere Segelstellung belassen und immer unter vollen Tüchern fahren. Erst als wir gegen Bonaire kommen und südwärts abdrehen, verstellen wir unsere Segel zum ersten Mal wieder. In unserer letzten Nacht auf See bringt ein Fischerboot unsern Puls (genau genommen Pia’s Puls, da sie gerade Wache schiebt) doch noch ein wenig auf Trab. Das Fischerboot hält von vorne fast genau auf uns zu. Wir sehen ihn zum ersten Mal auf dem Radar in etwa acht Meilen Distanz. Als er in vier Meilen Distanz zu uns immer noch in unsere Richtung fährt, denken wir schon an Piraten und legen uns Abwehrstrategien zurecht. Die ersten beiden Massnahmen, Lichter löschen und 20 Grad Kursänderung nach Norden, leiten wir auch gleich ein. Zu unserer weiteren Beunruhigung stoppt das Fischerboot in etwa zwei Meilen Distanz zu uns, bleibt ein paar Minuten stehen, und fährt dann einen Kreis. Wir sind nur noch 1,5 Meilen von ihm weg, als er beginnt, seinen alten Kurs, der rund eine Seemeile südlich an uns vorbeizieht, wieder aufzunehmen. Wir beobachten sein Verhalten genau und stellen erleichtert fest, dass er seinen Kurs fortsetzt, als er uns passiert hat. Immer noch etwas vorsichtig nehmen wir den alten Kurs wieder auf, und Köbi, der zur Sicherheit geweckt wurde, legt sich wieder schlafen. Je näher wir an Bonaire kommen und je mehr kommerzielle Schiffe um uns herum sind, umso entspannter wird für uns die Fahrt.

Überquerung der Hoheitsgrenze von Bonaire. Wie immer setzt Pia zu Ehren des Gastlandes die neue Hoheitsflagge unter den steuerbordseitigen Saling (= Querverstrebung am Mast)
Und dann sind wir da! Schon vor dem Einklarieren fällt uns Angi, Pia’s Tochter, die in Bonaire lebt, um den Hals – welcome to Bonaire!!
Angi arbeitet auf der windsicheren Ostseite von Bonaire in einem in der Surferszene hoch gehandelten Surfspot

In Bonaire ist das Ankern zum Schutz der Korallenbänke strikte verboten. Wir finden das gut und respektieren diese Anordnung. Entlang der Westküste hat es viele vom Staat gesetzte Bojen, an denen man gegen eine kleine Gebühr von 10 US$ pro Tag festmachen kann. Wir legen unsere Lupina direkt vor die Hauptstadt, Kralendijk. Kaum sind wir an der Boje fixiert, werden wir schon von Annette und Michael von der Segelyacht Limelight, die wir in Grenada erstmals getroffen haben, begrüsst. Sie sind einen Tag vor uns nach Bonaire gesegelt. Auch das Schweizer Schiff SY Yum Yum mit dem Basler Skipper Mirko und seiner Begleiterin Anja sehen wir an einer Boje nicht weit von uns. Wir freuen uns, dass beiden Schiffen die Überfahrt ebenfalls ohne Probleme gelungen ist. Am meisten aber freuen wir uns am Wasser hier. So klares Wasser wie jetzt auf Bonaire haben wir auf unserer ganzen Reise bisher nie angetroffen. Schnorcheln macht richtig Spass. Direkt unter unserem Schiff fällt der Meeresboden steil von rund 5 Meter auf 10-15 Meter ab. Entlang dieser Riffstufe schwimmen tausende von herrlich bunten Fischen. Ab und zu zieht ein grösserer (= mehr als ein Meter langer) Raubfisch seine Kreise dem Riff entlang und man kann die Verteidigungstaktik der möglichen Beutefische beobachten. Wir geniessen es, direkt vom Schiff aus tauchen und schnorcheln zu können.

Auch mit verletztem Finger, der bis jetzt gut am Heilen ist, gibt es die geeignete Schnorcheltechnik

Ab 28. Mai haben wir einen Liegeplatz in der Harbour Village Marina gebucht, wo wir das Schiff für die Zeit, in der wir unserer Heimat einen Besuch abstatten, festmachen können. Bevor wir das machen, wollen wir Angi aber noch die Gelegenheit geben, unsere Lupina in Aktion zu erleben.

Köbi holt Angi und ihren Surf-Kollegen Ralf, der auch mal gerne auf einem Segelschiff mitfahren möchte, am Morgen mit dem Dinghi von einem nahe gelegenen Steg ab und bringt die neuen Matrosen an Bord
Mutter, Tochter und Skipper freuen sich mächtig über den Besuch auf der Lupina
Dann lösen wir die Lupina von der Boje los, setzen Ralf ans Steuer, und los geht es für ein paar Stunden um eine kleine, vorgelagerte Insel (mit dem sinnigen Namen «Klein Bonaire»)
Pia hat sichtlich Spass an der jungen Seemannschaft
Nach einem wunderschönen Segeltag heisst es «ab in den Stall» – oder wohl besser «ab in die Marina», wo wir unsere Lupina sicher an dem uns zugewiesenen Pier festmachen
Die letzten Tage vor unserer Abreise geniessen wir mit unseren Seglerbekanntschaften, und Pia stellt ihre Back- und Kochkünste unter Beweis. Hier geniessen wir gerade mit Annette und Michael von der SY Limelight eine göttliche Mousse au Chocolat und nehmen gleichzeitig Abschied von der sympathischen Crew. Sie ziehen nun bald weiter und sind wohl schon in Kolumbien, bis wir aus der Schweiz zurückkommen
Immer wieder werden wir nach Köbi’s Finger gefragt: die Wunde ist nun seit vier Tagen trocken und die Gefahr einer Infektion ist somit gebannt. Ab jetzt gilt es, die Narbe mit einer geeigneten Salbe geschmeidig zu halten, so dass möglichst viel der Fingerkuppe nachwachsen kann. Köbi bei seiner täglichen Prozedur …
… währenddem Pia bereits am Packen ist für die Heimatferien

Den ganzen Monat Juni werden wir in der Schweiz verbringen um Familien, Freunde und Bekannte zu besuchen. Ab 1. Juli geht es dann hier wieder weiter. Was uns dann erwartet, wissen wir schon recht genau:

Viel Zeit im wunderbar klaren Wasser verbringen (übrigens: wer hat die Schildkröte unten im Bild gesehen? 😉)
Und dann hat Angi noch vor, uns Surfen beizubringen. Hier zeigt sie uns, wie es geht! Uns ist jetzt schon etwas mulmig davor 😊😊

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