Am 24. Februar, kurz nach Sonnenaufgang, nehmen wir die 65 Seemeilen lange Distanz von Boca Chica nach Las Salinas in Angriff. Der Wind weht gleich nach der Ausfahrt aus der Marina genügend stark, um unsere Lupina in Fahrt zu bringen. Im Verlaufe des Tages nimmt er kontinuierlich zu, und wir können die Distanz in etwas mehr als acht Stunden bewältigen und gegen vier Uhr nachmittags in die Bucht von Las Salinas einfahren und Anker setzen. Die Bucht von Las Salinas ist von allen Seiten perfekt geschützt. Auch hier hat es nur wenige Boote vor Anker. Da es schon gegen 5 Uhr abends geht, bis wir das Schiff gesichert und aufgeräumt haben, müssen wir das Anmelden und den üblichen Papierkram auf den folgenden Tag verschieben. Hier wollen wir auch gleich formell aus der Dom Rep ausklarieren, weil dies die letzte Station ist, wo dies möglich ist.
Die Frau vom Zoll und der Drogenfahnder ziehen unverrichteter Dinge wieder ab, als sie erfahren, dass wir nicht ins Land einreisen, sondern ausreisen wollen. Der Immigrationsbeamte drückt uns wortlos seinen Stempel in den Pass, obwohl wir die 30 tägige Aufenthaltsdauer überschritten haben. Wir wollten diese in Boca Chica verlängern, aber der Beamte dort hatte uns beruhigt und versichert: «Ihr seid Touristen, wir schätzen Touristen in unserem Land, macht euch keine Sorgen!» Und genau so ist es auch – wir können uns die je 50 Dollar Verlängerungsgebühr pro Person sparen 😊. Einzig der freundliche Mann der Navy tut etwas kompliziert: er will uns das Despacho (Passierschein) für die Ausreise erst am Abend um 5 Uhr ausstellen. Macht nichts, so haben wir die Gelegenheit den ganzen Tag an Land zu verbringen und dann gegen Abend das Papier bei ihm im Hauptquartier der Navy (er zeigt mit dem Finger in die Ferne an der anderen Küstenseite, da steht ein kleines Gebäude mit drei Räumen und zwei Fahnen vorne dran) abzuholen.
Kurz vor 5 Uhr abends holen wir dann wie mit dem Navy Kommandanten abgemacht unser Despacho ab. Natürlich muss er das erst noch ausfüllen, und die Pässe will er auch noch einmal sehen. Aber sonst ist er ein lieber 😊. Offiziell ausklariert begeben wir uns zurück auf die Lupina und geniessen dort beim Nachtessen einen wunderschönen Sonnenuntergang. Am nächsten Morgen ist früh Tagwache, denn unser nächstes Ziel ist die Isla Beata, der südlichste Punkt der Dom Rep, etwa 70 Seemeilen entfernt. Ein herrliches Segeln mit Wind von schräg hinten und wenig Welle. Da wir ausklariert sind, dürften wir eigentlich nicht mehr im Hoheitsgebiet der Dom Rep anlegen. Da es ganz im Westen des Landes aber keine Möglichkeit zum Ausklarieren mehr gibt, drückt die Navy meist ein Auge zu uns lässt Segler wie uns gewähren. Falls aber trotzdem eine Kontrolle kommt muss man halt eine Ausrede bereit haben: müde, krank, technisches Problem, etc.
Dank einer lokalen SIM Karte können wir unterwegs noch unsere Mails verarbeiten und uns auf das nächste Land, das wir nach der Dom Rep anlaufen wollen, einlesen. Auch die neuesten Wetterdaten rufen wir ab und vergleichen sie mit unserem weiteren Reiseplan. Wir wollen noch bis am Freitag in der Dom Rep bleiben und dann direkt nach Jamaica weitersegeln. Als wie aber die neuesten Wetterdaten anschauen, sind wir gezwungen, unseren Plan zu ändern. Weil genau dann, wenn wir segeln wollen, kein Wind weht, davor und danach aber prima Windverhältnisse angesagt sind, entschliessen wir, direkt weiter zu segeln bis auf die Insel «Ile à Vache» auf Haiti. Dort wollen wir die Schwachwindphase abwarten und dann nach Jamaica weiter segeln, wenn der Wind wieder günstig ist. Diese Entscheidung fällt uns nicht leicht, denn die Dom Rep ist uns mit ihren freundlichen Leuten ans Herz gewachsen. Im Westen verpassen wir 2-3 wunderbare, einsame Ankerplätze, auf die wir uns schon lange gefreut haben, und wo wir in aller Ruhe von der Dom Rep Abschied nehmen wollten. Nun verlassen wir das Land fast «fluchtartig». Schade, aber so ist halt das Seglerleben: der Wind entscheidet, wann und wohin es geht 😉
Einem der Jungen übergeben wir unser gebrochenes Dinghi Ruder zur Reparatur. Wir erklären, wie wir es machen würden. Er macht es anders und bringt es uns mit Leim zusammengeklebt zurück. Später beim Gebrauch bricht dann die geleimte Stelle schnell wieder – Pech gehabt ☹
Ein anderer Mann besorgt für uns auf dem Markt Gemüse und Früchte. Das klappt gut, aber beim Preis müssen wir dann tüchtig nachverhandeln. Wir zahlen gerne etwas mehr als die Einheimischen aber sicher nicht das Vierfache!
Auf dem Bild oben ist eine breite Strasse zu sehen. Dazu eine Bemerkung: diese Strasse verbindet Port Morgan mit einem anderen Ort, Madame Bernard. Madame Bernard ist der grösste Ort auf der Insel. Bis vor ein paar Monaten gab es nur Fusswege zwischen Port Morgan und Madame Bernard. Dann kam (gemäss Angaben der lokalen Bevölkerung) ein ausländisches Konsortium mit Baumaschinen und hat einfach quer durchs Land eine Strasse gebaut. Die Leute wussten nichts davon. Es wird uns bei Gesprächen (die lokale Sprache ist Kreolisch, aber fast alle können gut Französisch und einige auch Englisch) nicht klar, wer dahinter steckt. Da es aber einige wunderschöne Sandstrände und bereits ein kleines Hotel mit internationalen Touristen gibt, würde es uns nicht erstaunen, dass der Auftraggeber in dieser Branche zu suchen ist.
Ungeplant sind wir hier auf der Ile à Vache in der Vergangenheit gelandet. Wir sind glücklich, dass wir es gewagt haben, hier einen Zwischenstopp einzuschalten. In Gesprächen mit anderen Seglern wurde uns davor abgeraten wegen der allgemein schwierigen Situation in Haiti. Während unseres Aufenthaltes hat es denn auch in Port au Prince (Hauptstadt von Haiti) Schiessereien und Strassenschlachten zwischen Polizei und Militär gegeben mit den begleitenden Unruhen in der Strasse. Hier merkt man davon gar nichts, hier ist eine andere Welt. Jeder hier hat seine eigenen Sorgen und Probleme und kann sich nicht um Anderes kümmern. Zum Glück haben wir auf Segler gehört, die selbst kürzlich auf der Insel waren und uns einen Zwischenstopp wärmstens empfohlen haben. Die Armut, die wir auf Schritt und Tritt antreffen, ist einerseits beelendend und erdrückend, andererseits ist es aber auch ermutigend und erfreulich zu sehen, wie die Leute damit umgehen. Ile à Vache, wir wünschen dir eine gute Zukunft!
Am Sonntag Morgen lichten wir den Anker und segeln nach Port Antonio in Jamaica, unserer nächsten Destination. Der Wind frischt wie vorangemeldet auf. Aber nach zwei Tagen Flaute in dieser Gegend ist das Meer immer noch angenehm ruhig und wir geniessen ein schönes gemütliches Segeln vor dem Wind. Die Vorhersage verspricht zwar 15 Knoten von Nord/Ost, der Wind bläst aber zur Zeit mit 15 Knoten Süd/Ost. Uns ist das egal, beide Windrichtungen treiben uns nach Westen. Nach rund 45 Seemeilen fahren wir aus der Landabdeckung von Haiti ins offene Meer. Der Wind fällt innerhalb nur zwei Minuten komplett zusammen, baut sich neu auf und bläst dann, wie die Vorhersage angekündigt hat, von Nord/Ost. Mit voller Besegelung rauschen wir dem Sonnenuntergang entgegen. Es ist noch nicht Nacht, bedeckt sich der Himmel vom Norden her mit dicken, schwarzen Wolken, der Wind nimmt stark zu und bevor es zu regnen beginnt, haben wir beide Segel auf 60% gerefft (verkleinert). Die See wird sehr unruhig und kabbelig. Innerhalb kurzer Zeit nimmt der Wind noch mehr zu, so dass wir uns nach Mitternacht entschliessen, die Genua ganz einzuziehen und nur noch mit kleiner Gross zu segeln. Bei Windstärke von 30 Knoten und Böen bis 35 Konten wollen wir unser Material schonen. Die Nacht ist sehr unruhig, aber wir kommen zügig voran.
Gestern Montag Nachmittag um 13 Uhr liefen wir in den schützenden Hafen von Port Antonio ein (164 Seemeilen in 28 Stunden). Uff, das war seit langem wieder mal ein hartes Segel, ein richtiger Rodeo Ritt. Wir sind nun tüchtig durchgeschüttelt, aber alles ist heil geblieben, nichts dem Neptun geopfert – wir haben es geschafft!! Nun liegen wir in einer luxuriösen Marina (Errol Flynn Marina) und lassen uns ein wenig verwöhnen.
Bleib der Lupina im Kielwasser