Am 11. Juli 2021 erreichen wir nach einer entspannten Überfahrt das San Blas Archipel. Wir entscheiden uns, von der Hauptstadt Porvenir fern zu bleiben, weil da der Congreso, die «Regierung», sitzt. Der Congreso hatte angekündigt, dass per 1. Juli eine neue Cruising-Gebühr eingeführt werde. Diese ist so exorbitant hoch (für unser Schiff wären es 2’500 USD), dass wir gleich wieder umkehren müssten. Wir laufen als erstes die Insel Chichime an. Wir werden dort und auch später im Verlaufe der Reise nie nach dieser Gebühr gefragt.
San Blas, von den Ureinwohnern in ihrer Sprache Gunayala (oder auch Kuna Yala) genannt, ist ein Archipel an 365 Inseln an der nordöstlichen Atlantikküste von Panama. Hier lebt das Volk der Kunas. Ein Indiovolk, ursprünglich aus Kolumbien, welches hier noch sehr ursprünglich und einfach lebt und versucht, seine über Generationen überlieferte Kultur zu bewahren. So einiges ist bei den Kunas anders und es ist unglaublich spannend, in die Welt dieser Menschen einzutauchen. Einmal mehr merkt man, dass man gar nicht so viel braucht, um glücklich zu sein…
Die Kuna-Indianer leben mit ihren ganz eigenen Regeln, Bräuchen und Traditionen, sprechen ihre eigene Sprache (Kuna) und alle 52 Dorfgemeinschaften sind weitgehend autonom vom Staat Panama. Nach einem Aufstand gegen die Zentralregierung Panamas, einer kleinen Revolution 1925 sowie der Gründung der Republik 1930, erhielt das Gebiet 1953 schlussendlich ein Gesetz, welches ihnen diesen Sonderstatus auch offiziell einräumt. Dies ist in Lateinamerika so einzigartig.
Die Motive auf den Molas kommen oft aus der umgebenden Natur. Es können Korallenriffe sein, Palmen oder Blumen, auch Tiere wie Krebse, Fische oder Schildkröten. Inzwischen gibt es auch Alltagsgegenstände wie Teetassen oder Ventilatoren, sogar Parteilogos und Comicfiguren. Die meisten Molas werden in Handarbeit hergestellt, man findet auch maschinell gefertigte, die natürlich viel billiger sind. Abhängig vom Design kann ihre Herstellung zwischen zwei Wochen und sechs Monaten dauern.
Man geht davon aus, dass sich die Muster der Molas aus den früheren Tätowierungen der Kuna entwickelt haben, mit denen sie sich traditionell geschmückt hatten. Kleidung aus Stoff war eigentlich nicht im Programm. Nach der Kolonialisierung durch die Spanier wurde den Kunas das Nacktsein verboten, und so fingen sie an, ihre Muster auf Textilien zu bringen.
Bei den Kuna haben Frauen das Sagen und es herrscht das Matriarchat. Ihre Frauen sind das Oberhaupt der Familie. Sie wählen sich ihren Partner, nach der Hochzeit zieht der Mann zur Familie der Frau und nimmt ihren Namen an.
Es ist also nicht verwunderlich, dass sich die meisten Feste der Kuna um die Frauen drehen. Da gibt es zum Beispiel das „Inna-suit“, das Fest, an dem die Mädchen mit vier bis fünf Jahren ihren Namen erhalten und den ersten Haarschnitt bekommen. Dann gibt es das Fest „Ico-Inna“, das Fest der Nadel, an dem ein junges Mädchen nach ihrer ersten Menstruation einen Goldring durch die Nase bekommt, als ein Zeichen für ihre Reife und Weiblichkeit. Und dann ist da noch die Hochzeit „Inna-Mutiki“, an der das ganze Dorf teilnimmt und die über mehrere Tage gefeiert wird. Erst danach darf eine Frau die komplette Tracht tragen, deren wichtigster Teil die bestickten Molas sind. Sie bestimmen den sozialen Status ihrer Trägerin – je aufwendiger sie sind, desto besser.
Wer sich im San Blas Archipel ein schönes Plätzchen mit einem Bungalow sichern möchte, hat (zum Glück) Pech gehabt. In Kuna Yala, dem Land der Kunas, darf durch Fremde kein Land gekauft oder gepachtet werden, der Verkauf an eine Nicht-Kuna Person ist untersagt. Zudem sind die 365 Inseln des Archipels allesamt im Besitz der Frauen. Land ist und bleibt somit Familien- und Frauenbesitz.
Jetzt kommt vielleicht die Frage auf, was passiert, wenn eine Familie kein Mädchen bekommt, sondern nur Jungs. An wen wird der Besitz der Mutter vererbt? Und nun wird es interessant: werden nur Jungs geboren, wird der jüngste Knabe wie ein Mädchen behandelt und erzogen. Spaziert man durch ein Kuna Dorf, kann man diese Männer manchmal gut erkennen. Die Kleidung ist femininer und teilweise sind Augen und Wangen leicht geschminkt. Diese Männer werden geehrt und sind höchst respektiert.
Kaum eine Kultur konnte ihre ursprünglichen Traditionen noch so wahren wie die Kunas. Und so erstaunt es nicht, dass eine Heirat mit Nicht-Kunas in Kuna Yala bis vor kurzem strengstens untersagt war.
Die Bräuche der Kunas sind für uns teilweise erstaunlich, teilweise unvorstellbar aber allesamt sehr faszinierend. Es ist ein für uns einzigartiges Erlebnis, für eine kurze Zeit in diese Kultur eintauchen zu dürfen. Wir wünschen den Menschen, die hier in und mit der Natur leben, viel Ausdauer und Mut, sich den Versuchungen der modernen Welt zu widersetzen.
Wir müssen nach knapp 4 Wochen leider schweren Herzens wieder Abschied nehmen von Gunayala und segeln zurück nach Colon in die Shelter Bay Marina. Die Crew der Anixi entscheidet sich, die rund 70 Seemeilen in einem Nachtschlag zu absolvieren, wir, die Lupina Crew, entscheiden uns für zwei Tagesetappen: zuerst bis zur Linton Bay, und dann in die Shelter Bay. Dort treffen wir nach einem schönen Segel Tag und einer zweiten Etappe unter Motor am 2. August ein.
Morgen Montag, 9. August, fliegen wir nun für knapp 5 Wochen in die Schweiz. Die Lupina hat einen guten Liegeplatz und ist in den letzten Tagen für die lange Standzeit von uns vorbereitet worden. Alles, was nicht an Deck gebraucht wird, haben wir zum Schutz gegen das aggressive Sonnenlicht zugedeckt oder unter Deck verstaut.
Wir melden uns nach unserer Rückkehr nach Panama wieder. Zuerst wollen wir dann Panama auf dem Landweg bereisen. Danach wird die Lupina aus dem Wasser geholt und sie kriegt einen neuen Anstrich des Unterwasserschiffes – tja, und dann geht es endlich durch den Panamakanal in den Pazifik.
Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser! P.S.: am kommenden Mittwoch schalten wir unser nächstes Video, diesmal über Gunayala, frei