Am 1. April verlassen wir die Friendship Bay auf Bequia bereits wieder und segeln südwärts Richtung Mustique. Da in den letzten Buchten, in denen wir geankert haben, das Meerwasser meist etwas trüb war (durch vom Wind und Wellen aufgewirbelter Sand) wollten wir unseren Wassermacher nicht in Betrieb nehmen . Unser Wassertank ist nur noch zu 10% gefüllt. Wir benutzen die Überfahrt nach Mustique, um diesen wieder ordentlich zu füllen. Mit der frischen Briese aus Osten wären wir in etwas mehr als einer Stunde an unserem nächsten Ziel, die Britannia Bay auf Mustique. Wir brauchen aber mindestens zwei Stunden für den Wassermacher. Also setzen wir nur das Grosssegel und schaukeln gemütlich mit 4-5 Knoten Fahrt nach Mustique.
Wenn man Mustique betritt, fällt einem sofort auf, dass diese Insel sich von den anderen bisher von uns gesehenen Karibikinseln stark unterscheidet. Auf den Berghügeln thronen prunkvolle Villen, alle mit feinem Rasen umgeben und einem protzigen Swimmingpool an bester Lage. Die sonst überall vorhandenen Blechhütten fehlen hier gänzlich. Die Strassen sind gepflegt und der Abfall liegt getrennt gesammelt in den dafür vorgesehenen Behältern. Boatboys, die uns bei der Einfahrt in eine Bay mit ihren schwimmbaren Untersätzen üblicherweise umschwirren oder gar bedrängen, gibt es nicht. Hier werden wir von einem Marinero mit einem ordentlichen Boot, das auch gut sichtbar beschriftet ist, an eine Boje eingewiesen. Ankern darf man nämlich nicht, oder nur auf spezielle Anweisung des Marineros, falls mal alle Bojen besetzt sein sollten. Ist bei uns aber nicht der Fall.
Mustique war bis Mitte des letzten Jahrhunderts praktisch unbekannt und nur von ein paar Fischern besiedelt. Das hat sich schlagartig geändert, als ein reicher Investor aus England die rund fünf Quadratkilometer grosse Insel als Renditeobjekt entdeckte: Colin Tennant, Britisch von der Scheitel bis zur Sohle und mit sehr guten Verbindungen in den Aristokratenkreisen. Dank seinen guten Beziehungen zum Königshaus gelang es ihm, das Interesse von Prinzessin Margaret für sein Projekt zu gewinnen. Sie kaufte eine der ersten Luxusvillen, die Tennant auf der Insel ab den 1960-er Jahren zu bauen begann. Auf ihrer Suche nach Abgeschiedenheit in einer fantastisch schönen Landschaft tief in der Karibik folgten bald weitere berühmte Persönlichkeiten des internationalen Jetsets. So haben etwa Künstler aus der Musik und Showbranche wie Mick Jagger, David Bowie oder Brian Adams ein Anwesen auf dieser Insel. Heute verwaltet die Mustigue Company, welche allen Hausbesitzern gehört, das Geschehen auf der Insel. Unter anderem sorgt diese Verwaltung aber auch dafür, dass diese Superreichen nicht überborden. So zum Beispiel gibt es zwar einen kleinen Flughafen (mit ganz spezieller Landepiste – beide Enden steigen an, so ähnlich wie ein Surfboard), aber es sind keine Privatjets oder Helikopter erlaubt. Nur offizielle Verbindungsflieger dürfen starten und landen. Auch gibt es keine Luxusautos zu sehen. Das Einheitsfahrzeug für alle sind Golf-Carts.
Am 4. April verlassen wir diese künstliche aber sehr schöne Welt von Mustique und fahren weiter südwärts. Unser nächstes Ziel ist Charlestown Bay von Canouan.
Hinweis: wir werden immer wieder gefragt, wo genau wir sind. Auf dieser Home-Page gibt es das Menu „Aktuelle Position“. Da könnt ihre jeweils unseren aktuellen Schiffsstandort sehen sowie die bereits zurückgelegte Strecke.
Wir sind nun in den Grenadinen angelangt. Dies sind die vielen kleinen Inseln zwischen Grenada und St. Vincent. Die Erste, die wir ansteuern, ist mit ihren nur 18 Quadratkilometern gleich die Grösste von allen. 5’000 Einwohner leben hier. Ihr Ursprung ist vulkanisch und sie besteht im Grunde aus einem langen, schon stark erodierten Bergzug, der von Nordost nach Südwest läuft. Die Bevölkerung ist eine interessante Mischung aus vorwiegend ehemaligen Afrikanischen Sklaven, alten Europäischen Kolonialisten (Franzosen und Engländer) und Walfischern aus New Bedford (USA), welche im 19. Jahrhundert zum Walfischen hierher kamen und den einheimischen Fischern das Handwerk des Walfischens beibrachten. Dieses Handwerk ist bis heute überliefert worden, da es durch einen IWC Beschluss immer noch erlaubt ist, hier Walfische zu fangen. Bedingung ist jedoch, dass der Fang aus reiner Muskelkraft (keine Motorboote, Harpune muss von Hand geschleudert werden) stattfindet. Fast jede Fischerfamilie hat irgendwo eines dieser charakteristischen Walfischboote (Segelboot aus Holz mit spitzem Bug und Heck, sehr bunt bemalt) am Strand stehen, immer startklar und jederzeit bereit, falls in der Küstennähe ein Wal gesichtet wird. So lange wir in Bequia Gewässern sind, sehen wir zum Glück keinen dieser Meeressäuger. Auch eine Rückfrage bei den Fischern erleichtert uns: es ist schon einige Zeit her, seit der letzte Fang gelungen ist. Damit die Männer trotzdem motiviert und in Übung bleiben, findet jedes Jahr an Ostern die weit herum bekannte Oster-Regatta statt.
Man merkt gut, dass die Leute hier mit dem Meer und alles
was damit zu tun hat, verbunden sind. Die Bootsbaukunst mit lokalen Materialien
wird immer noch gepflegt, wenn auch mehr und mehr Modellschiffe die richtigen
Schiffe ablösen. Gegenüber fremden Besuchern sind die Leute sehr aufgeschlossen
und im Vergleich zu anderen Inseln haben sie erkannt, dass es für sie eine
Chance bedeutet, gute Ankerbuchten für Segelboote zu haben. Mit der Admiralty
Bay haben sie eine der schönsten und best geschützten Buchten der Grenadinen.
Bei unserer Ankunft am Sonntag, 24.3.2019, liegen sicher über 100 Boote in
dieser sehr grossen und flachen Bucht, die gegen Westen offen und gegen alle
anderen Richtungen (der Wind bläst hier meist aus Osten) sehr gut abgedeckt
ist.
Beim Setzen des Ankers in der Bucht hilft Köbi am Ruder wie ab und zu mit dem Bugstrahlruder nach, um das Wegkippen des Buges im Wind zu verhindern. Plötzlich ein komischer Ton! Pia meint, es stimme was mit der Ankerwinde nicht – aber die läuft ganz normal weiter und die Kette rauscht in die Tiefe, so wie sie soll. Aber der Bug zeigt keine Reaktion auf die Bedienung des Bugstrahlruders. Es summt zwar etwas da vorne, aber keine Reaktion des Schiffes. Was ist da los?? Ein schrecklicher Verdacht kommt auf. Nachdem das Ankermanöver abgeschlossen ist, greift Köbi noch vor dem Ankertrunk sofort zu Flossen und Taucherbrille, springt ins Wasser, schwimmt zum Bug des Schiffes …
Wir ankern in nur etwa 5 Meter Wassertiefe, aber das Wasser
ist durch den starken Wind, der die Wellen am nahen Strand den Sand aufwirbeln
lässt, sehr trüb. Ein Blick mit der Taucherbrille nach unten lässt gerade den
Boden schwach erkennen. Köbi schwimmt die Umgebung des Schiffes ab und sucht
nach dem verlorenen Rad. Keine Chance! Er will es heute nochmals versuchen, in
der Hoffnung, das Wasser wird etwas klarer, und sonst halt mit der
Taucherausrüstung.
Warum kann sich die Schraube lösen? Finden wir den Propeller? Es bleibt spannend auf der Lupina!
Am Montag, 18. März 2019, setzen wir Segel in Richtung St. Vincent, eine Insel rund 30 Seemeilen südlich von St. Lucia. St. Vincent wurde 1493 von Kolumbus entdeckt, doch die kämpferischen Ureinwohner verhinderten zunächst eine dauerhafte Besiedelung von europäischer Seite. 1675 erlitt ein niederländisches Schiff mit Siedlern und afrikanischen Sklaven vor der Insel Schiffsbruch. Die Sklaven nutzten die Gelegenheit, die ihnen das Schicksal bot, und machten kurzen Prozess mit ihren weissen Herren. In der Folge gelang es den überlebenden Sklaven, auf der Insel Fuss zu fassen und sie mischten sich unter die Kariben. Viele der heute rund 110’000 Einwohner der Insel stammen von diesen Sklaven ab.
Lange Zeit wetteiferten auch hier Franzosen und Engländer um den Besitz der Insel, bis sie 1783 im Vertrag von Versailles endgültig den Engländern zugesprochen wurde. 1902 brach im Norden der Insel der Vulkan Soufrière aus und begrub 2’000 Menschen unter sich. Er ist immer noch aktiv. Die letzte Eruption fand 1979 statt. Genau in jenem Jahr wurde St. Vincent in die Unabhängigkeit entlassen. Englisch ist die Hauptsprache, aber viele Leute reden einen kreolischen Dialekt.
Um die Einklarierungsformalitäten abzuschliessen, verlegen wir uns der Küste entlang südlich in die nächste Bucht mit einem Zollbüro, Wallilabou. Schon vor der Einfahrt in die Bucht kommt uns ein Ruderboot entgegen und der Mann darin bietet uns seine Hilfe an. Kamen in St. Lucia die Helfer noch mit starken Motorbooten auf uns zugerast, brauchen die Leute hier meist noch ihre Muskelkraft. Sehr sympathisch, finden wir. Die Bucht ist eng und die Schiffe am Anker müssen zusätzlich mit einer Landleine am Schwojen (= freies Drehen um den Anker) gehindert werden. Gerne nehmen wir seine Hilfe an und geben ihm ein entsprechendes Entgelt (aus Berichten haben wir gelesen, dass 20 EC$, rund 6 CHF, hier die Norm ist). Noch nicht mal ganz festgemacht, werden wir von mindestens vier anderen Ruderbooten «umzingelt», das jedes irgendetwas, meist Früchte, Schmuck oder Fisch, feil zu bieten hat. Da wir noch am Festmachen sind, schicken wir sie energisch wieder weg, sie sollen später kommen. Kurz darauf kommt ein anderes Segelboot rein – und schon sind wir vergessen 😊
Auf St. Vinzent haben wir für einmal kein Auto gemietet. Die Insel hat im Grunde nur zwei Strassen: den Leeward Highway, welcher die Westküste erschliesst, und den Windward Highway auf der Ostseite. Auf beiden Highways verkehren lokale Vans, die wir rege benutzen, um die Insel zu erkunden. Diesmal also mit Chauffeur – einige davon würde man wohl besser mit «Raser» bezeichnen, so schnell und mit quietschenden Rädern gings um die Kurven! Die Musik im Van ist meist so laut wie in einer Disco. Die Fahrgäste reden/schreien dann auch entsprechend laut. Für uns, die eine sehr lange Strecke mitfahren, eine zum Teil ermüdende Angelegenheit.
Nächstes Ziel auf unserer Reise ist nun die grösste der Grenadinen Inseln, die nur einen kurzen Hupf (rund 8 Seemeilen) südlich von St. Vincent liegt. Heute Nachmittag haben wir wieder die gefährliche Ausfahrt aus der Blue Lagoon passiert und liegen nun in der Admiralty Bay von Bequia vor Anker. Definitiv ab jetzt machen wir Bade-Segeln, also bitte nicht traurig sein, wenn uns die Zeit zum Schreiben fehlt 😉
Um es gleich vorweg zu nehmen: Saint Lucia hat unseren
ersten Eindruck, den wir in Barbados über die Karibik gewonnen haben, deutlich
verbessert. Die Einheimischen hier begrüssen Besucher regelmässig mit «welcome
to paradise», und das ist gar nicht so viel daneben. Aber der Reihe nach:
Am Montag, 4. März, abends kurz vor dem Sonnenuntergang, setzen wir in Barbados Segel in Richtung Saint Lucia. Es sind rund 100 Seemeilen bis zu unserem Ziel. Diese Distanz schaffen wir nicht in einem Tagestörn, und deshalb haben wir entschieden, bei Tageslicht zu starten und alles perfekt zu trimmen, in der Nacht durch zu segeln um dann am Vormittag in Saint Lucia anzulegen. Geht alles perfekt auf, wir müssen sogar etwas «bremsen» (= Segel reffen) um nicht zu früh in der Rodney Bay Marina einzulaufen. Rodney Bay ist eines der Zentren für Yachtsport in der Karibik und liegt am nördlichen Ende der Insel. Hier wurde in den frühen 1980-er Jahren durch einen Amerikanischen Investor die seichte Lagune zu einer Full-Service-Marina ausgebaggert. Seit 1990 ist diese Marina auch der Zielhafen der jährlich stattfindenden ARC (Atlantic Rally for Cruisers)
In dieser Jahreszeit hat es genügend Platz in der Marina und auch das Einklarieren bei Immigration und Zoll, die beide direkt neben dem Marina Office ihre Büros haben, verläuft sehr speditiv, freundlich und entspannt. Noch vor dem Mittag sind alle Formalitäten erledigt und wir können die nähere Umgebung zu Fuss erkunden.
Wie immer bleiben wir während der ersten Tage auf einer neuen Insel mit unserem Schiff im gleichen Hafen und erkundigen das Hinterland zu Fuss und mit einem Mietauto. Diesmal stand bei der Autoübernahme nicht das bestellte Kleinauto bereit, sondern ein 7 plätziger Minivan. Die Erklärung: am Auto, das für uns vorgesehen war, waren die Bremsen defekt! Gut haben sie es vorher bemerkt, die Strassen hier sind zum Teil sehr steil und kurvenreich!
Die vulkanische Insel Saint Lucia wird geprägt durch eine
wunderschöne Landschaft, sie trägt nicht umsonst den Beinamen «Helena der
Karibik». Das spektakuläre Inselinnere ist bedeckt von dichten Regenwäldern.
Verstreut ragen aus dem saftig grünen Teppich vulkanische Zuckerhutkegel steil
zwischen 500-700 Meter in den Himmel empor.
Es leben rund 160’000 Leute auf Saint Lucia. Die meisten von ihnen stammen von afrikanischen Sklaven ab, die einst hierher gebracht wurden, um auf Zuckerrohrplantagen zu arbeiten. Die Amtssprache ist Englisch, aber viele Menschen sprechen einen französischen Dialekt. Ob die Insel tatsächlich im 15./16. Jahrhundert durch Europäische Seefahrer entdeckt wurde, bleibt bis heute ungeklärt. Sicher jedoch ist, dass sich Franzosen und Engländer gegenseitig die Insel strittig machten, und diese rund 14 Mal die Hand änderte, bevor es ab 1814 Britische Kolonie wurde. 1967 wurde die Insel autonom und seit 1979 ist sie ein eigener, unabhängiger Staat.
Sehr oft fühlen wir uns angezogen vom Unbekannten und Neuem. So ist es hier der Regenwald, von dem wir fasziniert sind. Es gibt verschiedene Hiking-Trails, die der Staat speziell für Touristen und Besucher von Saint Lucia hergerichtet hat und unterhält. Wir suchen uns einen aus, der nicht so am Durchgangsverkehr liegt und etwas abenteuerlich zu finden ist. Ohne GPS und Navigationshilfen hätten wir den Trail bei Forestiere um den Piton Flore nicht gefunden. Aber wir sind erfolgreich! Die Strasse wird immer enger und schmaler und endet an einem kleinen Wendeplatz mitten im dichten Regenwald. Kaum sind wir aus dem Auto gestiegen, kommt ein muskulöser Einheimischer mit einer langen, furchteinflössender Machete in der Hand aus dem Dickicht heraus auf uns zu. Seine Hautfarbe ist so dunkel, man kann die Gesichtszüge gar nicht erkennen. «High – welcome to paradise – how are you doing today? What can I do good for you?», ruft er uns entgegen. Unsere vorsichtige Skeptik ist schlagartig verschwunden, und wir verbringen mit Adam, wie er sich uns vorstellt, eine der interessantesten uns spannendsten Urwaldführung, die wir bisher erleben durften.
Die Tour mit Adam hätte noch viel länger dauern dürfen, aber
die Zeit war wie im Flug vorbei. Es ist unheimlich, wie viele Wunder sich in
der Natur verstecken, die früher bekannt und genutzt wurden, und heute in
Vergessenheit geraten. So gibt es hochgiftige Pflanzen (zum Beispiel den
Wunderbaum (engl. Castor Oil Tree), dessen aus Samen gewonnenes Pulver früher
von Militär und Geheimdiensten gerne als Mordwaffe verwendet wurde. Einmal will
Köbi eine Schale vom Boden aufheben, die aussieht wie eine Kastanienschale.
Adam stoppt ihn mit lautem Ruf, ergreift die Schale vorsichtig mit zwei Fingern
und erklärt, das das Regenwasser darin zu einer aggressiven Säure geworden ist,
die Verbrennungen auf der Haut erzeugen kann. Spannend – unheimlich spannend
war dieser Hike!!
Bei Soufrière machen wir (unwissend) an einer Boje an, die einem Fischer gehört und von diesem vermarktet wird. Da er gleich viel verlangt, wie die Behörde an den offiziellen Bojen, bleiben wir bei ihm. Seine Boje ist sehr nahe am Steg für die Dinghys und deshalb für uns sehr angenehm und praktisch. Wir hatten eigentlich beabsichtigt, auf einen der beiden Pitons zu steigen. Als wir dann aber erfahren, dass man auf beide Berge einen Führer haben muss und zudem noch happige «Eintrittspreise» winken, vergeht uns die Lust. Unser Plan B, auf eigene Faust einen Aussichtspunkt zwischen den beiden Pitons zu erklimmen, erweist sich als ein mindestens ebenbürtiges Erlebnis. Mit öffentlichem Verkehr (Van, 2.25 EC$ Pro Person = ca. 0.80 CHF) fahren wir zum Ausgangspunkt der Wanderung und gelangen von da, in rund einer Stunde zuerst der Strasse entlang, zu Fuss zum Ted Paul Nature Trail.
Hier in der Bucht Anse Petit Piton bleiben wir bis und mit
Montag. Am Dienstag 17.3. segeln wir weiter auf die nächste Insel, Saint
Vincent. Für heute späteren Nachmittag erwarten wir Moondance, eine Yacht, die
wir in Las Palmas angetroffen haben. Fione und André, die Crew der Yacht, haben
ähnliche Reisepläne wie wir und wir freuen uns, sie wiederzusehen und
Erfahrungen und Pläne miteinander zu tauschen.
Nachtrag zur Kuchenbude: im letzten Bericht habe ich mich gefragt, warum die Kuchenbude so heisst: Es hat tatsächlich mit dem Gebäck zu tun! Hier die Erklärung, die ich gleich von zwei voneinander unabhängigen Seemännern mit Hamburger Wurzeln erhalten habe (an dieser Stelle vielen Dank an Thomas und Holger): Der Begriff Kuchenbude ist durch Bootseigner geprägt, die ihr Boot hauptsächlich im Hafen nutzen und dann mit der Familie zum Kaffeetrinken an Bord gehen. Damit dann alle auch bei Wind und Regen gut unterkommen und Hafenkino beobachten können, setzt man sich in die Kuchenbude. Nun sind wir gespannt, warum die linke Seite des Schiffes Backbord heisst 😉
Bevor wir uns aber nach der fast 12 tägigen Überfahrt im angenehm warmen Wasser erfrischen können, müssen wir zuerst einklarieren und alle Formalitäten erledigen. Erst dann dürfen wir die gelbe «Q» Flagge entfernen und können uns frei bewegen. Wir werden vom Hafenmeister an den Zoll Pier beordert, wo wir seit der Abfahrt von Fogo erstmals wieder Landkontakt haben. Innerhalb von rund 2 Stunden hat Köbi (dies muss immer der Skipper erledigen) den ganzen Einklarierungsprozess erledigt und dabei nacheinander Gesundheitsbüro, Immigration, Zoll und nochmals Immigration durchlaufen. Alles läuft ruhig, gelassen, freundlich und sehr zuvorkommende ab.
Barbados ist als östlichste Insel der kleinen Antillen der erste mögliche Landfall nach einer Atlantiküberquerung. Die Infrastruktur für Segelschiffe ist sehr rudimentär, da ausser den paar Atlantiküberfahrern nur wenige Segelschiffe den mühsamen Weg gegen den Wind von den kleinen Antillen ostwärts nach Barbados auf sich nehmen. Barbados war über drei Jahrhunderte lang eine Britische Kolonie, bis es 1966 die Unabhängigkeit erlangte. Land und Leute sind aber auch heute noch «very Britisch». Heute leben rund 290’000 Einwohner hier. Die Bevölkerung setzt sich hauptsächlich aus Leuten afrikanischer (95%) und europäischer Herkunft (5%) zusammen.
Der erste Eindruck für uns, die wir von den Kapverden kommen, ist ein kleiner Kulturschock: mit Autos überfüllte Strassen, heruntergewirtschaftete Häuser und Umgebung, überall Abfall und Schmutz. Die ersten beiden Tage in Bridgetown, immerhin Hauptstadt der Insel, haben dieses Bild nicht verbessern können. Immerhin einige alte Kolonialgebäude versucht die heutige Regierung zu erhalten und diese touristisch zu nutzen. Ein eigentliches Stadtzentrum mit Park oder Einkaufsmeile, gemütliche Strassenbeizen oder Ähnliches, das zum Flanieren einlädt, haben wir nicht gefunden.
Entlang der schönen Strände hat es viele Hotelanlagen und Clubs. «Perfekt!» würde man denken. Nicht so für uns. Da wir keine «all inclusive» Hotelgäste sind und auch keinerlei Club-Mitgliedschaft vorweisen können, bleibt uns der Zutritt oder die Bedienung in den zum Teil wunderschön gelegenen Bars oder Restaurants verwehrt. Schade, aber macht nichts. So sind wir motiviert, uns vom Strand zu lösen, und uns mehr für Land und Leute zu interessieren.
Wir erleben die Leute von Barbados als sehr offen, freundlich und hilfsbereit. Pia empfindet ihre Offenheit anfänglich als ein wenig zu aufdringlich. Als sie aber merkt, dass ein «Nein» von einem Strassenverkäufer positiv quittiert wird und er nicht mehr nachdoppelt, kann auch sie das Bad in der Menschenmenge geniessen und sich auf ein spontanes Gespräch einlassen. Immer wieder erleben wir, dass Leute von sich aus auf uns zukommen, wenn sie sehen, dass wir auf der Suche sind. Oder als wir einmal, um unsere Strassenkarte zu studieren, mit einem Mietwagen am Strassenrand stehen, macht uns ein Fussgänger von sich aus darauf aufmerksam, dass wir gerade auf der falschen Strassenseite stehen (hier herrscht Linksverkehr wie in England) und bei der Weiterfahrt aufpassen sollen.
Obwohl die Strassen gerade in und um Bridgetown sehr überlastet
sind, ist Autofahren hier ein Vergnügen. Es wird sehr ruhig und zuvorkommend
gefahren. Man hat Zeit und schaut füreinander. Wenn man das Auto mal nicht ganz
regelkonform parkiert hat, wird man sofort darauf aufmerksam gemacht mit dem
freundlich gemeinten Hinweis, dass die Polizei hier sehr streng sei. Es wird generell
grosszügig Rücksicht genommen aufeinander. Diese Rücksichtnahme aufeinander
stellen wir in vielen Lebenssituationen fest und wir haben ein sehr positives
Bild von den Bajanern, den Einwohnern hier, erhalten.
Während der Küstenbereich im Westen und Süden sehr dicht überbaut und bevölkert ist, gibt es im Osten und im Zentrum der Insel Landwirtschaft und viel urwaldähnliche Vegetation.
Heute Montag haben wir uns bei den Behörden von Barbados abgemeldet (in der Fachsprache: wir haben ausklariert), lichten den Anker und fahren am späten Nachmittag los in Richtung Saint Lucia, wo wir am Dienstagvormittag nach einer hoffentlich gemütlichen Nachtfahrt in der Rodney Bay ankommen sollten. Hier in Barbados haben wir uns absolut sicher gefühlt und wir haben auch nie von Diebstählen und Überfällen auf Yachten gelesen. Dies wird sich nun vermutlich ändern. Laut Internet und einschlägiger Fachliteratur gibt es gerade auf den nächsten Inseln, die wir anfahren werden, eine sehr hohe Rate an krimineller Aktivität. Das heisst für uns dann: immer alles unter Verschluss halten. Schade eigentlich!
Um den Text besser lesen zu können, Bild einfach vergrössern. Wie geht das? Einfach „ctrl“-Taste gedrückt halten und das Rad an der Maus drehen. Viel Spass beim Lesen.
Bevor wir loslegen wollen wir mit unsere
Entsalzungsanlage noch Wasser machen und den Tank füllen. Für den Strombedarf
des Wassermachers brauchen wir den Generator. Der Start ist gut, aber nach
einer knappen halben Stunde steigt der Generator unvermittelt aus und zeigt denselben
Fehler an, den wir in Mindelo reparieren liessen. Grrr – unsere Moral ist am
Tiefpunkt. Ohne Generator wollen wir nicht über den Atlantik. Zurück nach
Mindelo? 130 SM gegen den Wind? Nein, machen wir nicht! Alles Fluchen und
Schimpfen über die lausigen Mechaniker nützt nichts. Köbi darf/muss in den
Motorraum! Es hilft, dass er den Mechanikern gut zugeschaut hat, und er kann
die Kondensatoren selber ersetzen. Zum Glück haben wir welche in Reserve
gekauft und Köbi hat auch deren Montage verbessert, so dass sie nicht mehr so
stark geschüttelt werden, wenn der Generator läuft. Nach zwei Stunden brummt
der Generator wieder und der Wassermacher kann endlich seine Arbeit aufnehmen. Uff,
wir sind total erleichtert! Wäsche wird noch gewaschen, das Dinghi sauber
geschrubbt und nach dem Trocknen zusammengefaltet in das Vorschiff verstaut.
Die Homepage erhält ihr neustes Update (die letzte Datenmenge auf der
Kapverdischen SIM Karte hat gerade noch gereicht dafür). Die letzte Abkühlung
im Wasser (wir wollen ja die Atlantiküberquerung frisch und sauber beginnen) nutzen
wir noch, um das Unterschiff von kleinen Muscheln und Bewuchs zu befreien. Kurz
vor der Abfahrt dann essen wir noch eine kräftige, warme Mahlzeit.
Genau wie vorgenommen um 17:00 Uhr hiessen
wir den Anker und stechen geradewegs Richtung Barbados in See. Zuerst mit
kräftigem Wind wegen der Inselumlenkung. Weiter von der Küste weg, nach dem
Eindunkeln, lässt der Wind etwas nach, wir können die Segel wieder ausreffen
und segeln gemütlich mit 6,5 Knoten Fahrt in die Nach hinein. Bei einer
Atlantiküberquerung in Ost- West-Richtung, also auf der Passatroute, wird man
von Wind, Wellen und Strömung in die Karibik geblasen und getrieben. Da die
Temperaturen von Luft und Meer in diesem Bereich warm sind, wird dieses Route
auch «Barfussroute» genannt.
1. Tag Donnerstag
Der Nachtschichtwechsel ist diesmal erst
um 01:30 Uhr. Köbi war sehr müde. Da Pia noch fit war, liess sie ihn etwas
länger schlafen. Klare Nacht, ruhige Fahrt. Im Laufe des Mittags bewölkt sich
der Himmel und mit dem Sonnenuntergang schwimmt eine ganze Delfinschule (mehr
als 30 Tiere) über eine halbe Stunde mit unserem Schiff in die zwischenzeitlich
wieder aufgeklarte Nacht hinein.
Unser Etmal: (= zurückgelegte Distanz in 24 Stunden, also um 17 Uhr) 163 SM (Seemeilen)
2. Tag Freitag
Der zunehmende Mond verdirbt etwas die Sicht in den sternenklaren Nachthimmel. Köbi lernt auch diese Nacht ein neues Sternenbild. Mit dem zunehmenden Wind werden die Wellen höher bis 3 Meter, welche die Lupina immer wieder ins Tanzen und Schleudern bringen. Unten im Schiffsbauch kracht und schlägt es kräftig, man könnte meinen, das Schiff zerschellt in den Wellen. Es fühlt sich so an, als ob ein Bagger in eine Hauswand schlägt. Ein mulmiges Gefühl kommt auf. Aber wir wissen, Lupina ist ein sehr robustes Schiff und wird das alles aushalten können. Wir fallen 10 Grad ab um mehr vor den Wellen zu segeln, somit hört auch das Rollen und Schlingern in der aufgewühlten See auf. Am Abend ist der Wind nach wie vor stark (18-20 Knoten) und wir reffen für die Nacht die Segel etwas (Segelfläche verkleinern), damit die Fahrt für die Nacht ruhiger wird.
Unser Etmal: 194 SM
3. Tag Samstag
Die ersten beiden Nächte konnten wir nur
bedingt schlafen, die Ohrenstöpsel haben uns dabei geholfen, die vielen
verschiedenen Geräusche etwas ein zu dämmen. Aber der richtig tiefe Schlaf
stellt sich erst jetzt ein. Die gerefften Segel und der andere Winkel zu den
Wellen hat die Fahrt ruhiger gemacht. Das Vertrauen zum Schiff ist nun
vollkommen da. Wir fühlen uns sehr wohl.
Wind, Wellen und Segelstellung sind
unverändert. Auch heute Morgen liegen wieder fliegende Fische auf dem Boot.
Diese währen gute Köder zum Angeln von Hochseefischen. Da Fische aber angeblich
nur bei schwacher Fahrt (bis zirka 3 Knoten) anbeissen, müssten wir abbremsen.
Wollen wir aber nicht. Also ab zurück ins Wasser mit unserer «Beute». Um die
Mittagszeit kreuzt uns ein Schiff in einer Distanz von drei Meilen. Erst die zweite
Schiffsbegegnung seit unserer Abfahrt.
Unser Etmal: 188 SM
4. Tag Sonntag
Der Wind bläst jetzt noch mehr von hinten,
also von Ost-Nordost, aufs Schiff. Das heisst, wir setzen die Genua mit dem Spi-Baum
auf die Gegenseite des Grosssegels und fahren somit einen «Schmetterling». Wir haben
uns nun komplett an den Wellengang und das Schaukeln gewöhnt und nehmen diese
Bewegungen gar nicht mehr wahr. Pia braucht meistens drei Tage bis ihr Körper
soweit ist. Für diese Überfahrt wollte sie aber von Anfang an fit sein und hat die
ersten drei Tage ein Medikament gegen Seekrankheit genommen. Das hat ihr geholfen,
sich schon von Beginn an wohl zu fühlen. In der Nacht erleben wir seit vier
Monaten wieder Regen. Die letzten Tropfen gab es auf La Gomera. Ganz fein
rieselt es vom Himmel. Oh… es dürfte auch etwas mehr sein! Lupina ist komplett
eingedeckt mit Saharasand und Salz. Eine tüchtige Schiffsdusche wäre sehr
willkommen.
Unser Etmal: 179 SM
5. Tag Montag
Ein schöner Sonnenaufgang begrüsst uns
in den neuen Tag. Seit wir auf dem Atlantik sind, ist unser Tagesablauf immer
gleich. Er ist eigentlich nicht wesentlich unterschiedlich wie an Land, jedoch
benötigen wir für alles viel, viel länger. Das Schiff wird durch den Wellengang
hin und her geschaukelt. Es fühlt sich an, als ob wir in einer Waschmaschine
drinsitzen oder auf einer Achterbahn. Mit einer Hand müssen wir uns immer festhalten,
wenn eine grosse Welle kommt brauchen wir sogar beide Hände, um nicht durchs
Schiff geschleudert zu werden. Man stelle sich nun vor, man möchte Zwiebeln
oder Gemüse kleinschneiden, Wasser auf dem Herd kochen und dieses dann auch
noch in die Thermosflasche abfüllen – und all dies bei einer sich stets verändernden
Schräglage von bis zu 30 Grad! Ganz einfache Dinge, wie zum Beispiel die
Zahnpasta auf die Zahnbürste bringen, werden plötzlich zu einem
Geschicklichkeitsspiel. Sich An- und Abziehen ist auch immer eine lustige
Angelegenheit! Aber zum Glück haben wir Zeit – viel Zeit um alles langsam, geschickt
und vor allem sicher angehen zu können.
Wir erleben eine wunderbare
Vollmondnacht. Die weissen Schaumkronen auf den Wellen glitzern im Mondlicht.
Wir sehen das weite Meer ringsum bis zum Horizont. Wir mitten drin auf dem
Atlantik, über uns das Sternenzelt. Wir sind sehr glücklich, hier zu sein und
die so kraftvolle, schöne Natur so nah und intensiv spüren zu dürfen.
Unser Etmal: 162 SM
6. Tag Dienstag
Heute Mittag um 12:00 Uhr (unsere Bord Uhr bleibt für die ganze Überfahrt auf Kapverden Zeit eingestellt) haben wir den Bergpreis bei 1’025 SM erreicht. Wir befinden uns somit mitten auf dem Atlantik. Ab jetzt ist die Distanz zu unserem Ziel näher, als die Distanz zurück auf die Kapverden. Glückseligkeit kommt auf. Barbados, wir kommen!
Die Temperaturen steigen nun täglich. Wir tragen nur noch Shorts und Shirts. Die Temperatur in der Nacht sinkt nicht mehr unter 23 Grad. Wind und Wellen sind uns immer noch treu und schieben uns kraftvoll dem Ziel entgegen.
Unser Etmal: 178 SM
7. Tag Mittwoch
Diese Nacht hatten wir flaches Wasser mit etwas weniger Wind. Genug aber für ein gemütliches Nachtsegeln bei 6 Knoten Fahrt, dafür weniger hohe Wellen und ein entsprechend tieferer Schlaf. Uns geht es physisch und moralisch sehr gut.
Was machen wir den ganzen Tag? Wellen
und Wind beobachten, 2x Schiffskontrolle (morgens und abends), kochen, essen, lesen,
schreiben und viiiiel schlafen. Mehr gibt es «leider» nicht zu tun. Pia fällt
das schon etwas schwer. Nur sitzen oder liegen ist ihr fast zu wenig. Der
Auslauf auf der Lupina ist eingeschränkt. Solange wir hohe Wellen haben, gehen
wir aus Sicherheitsgründen nicht grundlos aus dem Cockpit raus, ausser mit der
Schwimmweste und eingepiekt an der Rettungsleine, um die tägliche
Schiffskontrolle vorzunehmen.
Unser Etmal: 152 SM
8. Tag Donnerstag
Der Himmel ist vollkommen bedeckt. Der
Wind hat noch etwas mehr nachgelassen. Wenn es auch nur ein halber Knoten
weniger Fahrt ist, verkürzt sich das Etmal doch um viele Seemeilen. Macht
nichts, wir sind immer noch zügig unterwegs.
Überall hat es viele dicke Regenwolken. Böige Winde künden den Regenfall an. Rings um uns strömt es aus den schwarzen Wolken. Wir mittendrin bleiben leider verschont. Lupina will einfach nicht geduscht werden 😊
Bis zum Abend klart der Himmel auf. Der abnehmende Mond geht nun jeden Abend eine Stunde später in unserem Rücken auf. Somit erleben wir bei Nachteinbruch einen dunklen Nachthimmel. Der Übergang vom Himmel zum Meer ist fast schwarz und kaum auszumachen. Am Himmel sind Millionen von Sternen zu sehen. Keine einzige Lichtverschmutzung stört dieses wunderbare Bild. Um 23:12 steigt der Mond als eine rote Kugel aus der Dunkelheit auf. Und kurze Zeit später beleuchtet er das ganze Meer bis zum Horizont. Wir fühlen uns sehr geborgen in diesem Universum
Unser Etmal: 167 SM
9. Tag Freitag
Nachdem Köbi die Schicht um 01:30
übernommen hat, ziehen Wolken von überall her auf. Der Wind frischt auf und
lässt die Lupina sehr zügig über die noch flachen Wellen gleiten. Gerade bevor
wir frühstücken wollen, lässt dann eine dicke, schwarze Wolke den Regen auf
Lupina prasseln. Wir montieren in 2 Minuten unsere Kuchenbude (Vorzelt) damit
wir beim Regen im Cockpit im Trockenen gemütlich Frühstücken können. Auf den
meisten Schiffen gibt es kein Vorzelt, wir sind aber sehr froh, dass die Lupina
ein solches hat und möchten diesen «Luxus» nicht missen. Das Cockpit ist der
Platz, wo wir uns am meisten aufhalten und am liebsten sind. Mit diesem Regen
wird Lupina nun tüchtig geduscht und sieht danach ordentlich sauberer aus!!
Unser Etmal: 172 SM
10. Tag Samstag
Während der Nachtschicht von Köbi setzt
sich ein schwalbenartiger Vogel auf eine unserer Antennen. Er macht mit Gurren
und Pfeiflauten auf sich aufmerksam, bis er gesehen wird (wollte wohl «guten
Tag» sagen) und reitet dann bis kurz vor Tagesanbruch auf unserer Lupina mit.
Nach seinem Abflug flattert er noch zweimal ums Boot, um uns auf Wiedersehen zu
sagen, erwischt dann die falsche Kurve und direkt in den Windgenerator. Der
Letztere hat’s überstanden, der Vogel leider nicht: Flügel gebrochen – das
Todesurteil für den Meeresvogel, schade ☹
Nach einer sternenklaren Nacht fahren
wir heute in einen sonnenklaren Tag hinein. Pia nutzt die Gelegenheit und bäckt
ein feines Brot.
Unser Etmal: 154 SM
11. Tag Sonntag
Endlich sehen wir wieder einmal ein Schiff auf dem AIS System. Es ist ein Segelschiff, nur 12 Seemeilen voraus!! Der Jagd Instinkt von Lupina ist geweckt. Fünf Stunden später, gerade nach Sonnenaufgang, zieht unsere kleine Wölfin mit vollen Segeln stolz vorbei. Per Funk wünschen wir der ODA II einen guten Morgen.
Beim Frühstück Bereitstellen ist eine
kleine Havarie passiert. Die Müeslimischung sollte ins Schüsseli gekippt werden.
Vorgängig wird natürlich alles bestens eingeklemmt, auch Pia fixiert sich
zwischen Herd und Rückwand. Gerade hat sie eine Hand losgelassen, da stösst
eine kräftige Welle Lupina von der einen Seite auf die andere und lässt sie
gleichzeitig nach vorne schnellen. Pia fliegt samt Haferflockenpäckli (war noch
ganz voll) quer durch den Salon. Da liegt sie am Boden, übersäht mit
Haferflocken. Ihr ist zum grossen Glück nichts passiert, einfach nur einen
blauen Fleck mehr!! Und natürlich eine Menge Arbeit, alles aufzuwischen. (Köbi
meint: «schade habe ich kein Foto gemacht!»)
Unser Etmal: 185 SM
12. Tag Montag
Kurz nach Mitternacht meldet unser AIS
System, dass wieder ein Segelschiff ein paar Meilen vor uns liegt. Auch dieses
wird noch kurz vor dem Ziel von Lupina übersprintet und stehen gelassen.
Zwischendurch immer wieder die «Squalls»: schwarze, wassergetränkte Wolken,
welche sich sintflutartige über dem Meer entleeren. Diese Nacht und am Morgen
werden wir mindestens von 5 erwischt. Lupina ist nun definitiv sauber
gewaschen. Und dann, kurz nach dem Morgengrauen, heisst es:
Laaaaand in Siiiiicht!!!
Mit jubelndem Herzen und fast
ehrfürchtig, den grossen Törn geschafft zu haben, umrunden wir die Südspitze von
Barbados und segeln der Westküste entlang nördlich nach Bridgetown zum Einklarieren
und dann zum Ankern. Um 10 Uhr lokale Zeit legen wir im grossen Hafen am
Customs Dock an. Diese Anlegestelle ist ein fürchterliches Ding! Der Anleger
ist ausgelegt für grosse Kreuzfahrtschiffe, aber für kleine Segelschiffe sind
die Poller und die Anpralldämpfer viel zu weit auseinander. Da Pia an Bord
bleiben muss, bis die Einklarierung abgeschlossen ist, nehmen wir es für kurze
Zeit in Kauf. Wir haben unser Ziel nach genau 11 Tagen und 20 Stunden erreicht.
Wir sind überwältigt, wie 96 m2
Segelfläche Dank dem Wind ein 13 Tonnen schweres Schiff scheinbar mühelos durch
die Wellen über den Atlantik von 2’050 Seemeilen (knapp 3’800 KM) schieben können.
Ein sicherer und guter Autopilot (automatische Steuerung) übernimmt das Ruder
und wir Segler können uns ruhig zurücklehnen und einfach nur geniessen.
Wir sind sehr dankbar, dass wir eine so
sorgenlose Überfahrt erleben durften. Alles hat perfekt gepasst. Wind und
Wetter, unsere körperliche Verfassung und gute Stimmung haben dazu beigetragen,
dass wir um ein sehr schönes Erlebnis in unserem Leben reicher geworden sind.
Auch unserer Lupina scheint es gefallen zu haben, über den Atlantik zu
rauschen: kein einziges Problem, keine einzige Reparatur, die auf unsere
Pendenzenliste gekommen ist. Einfach traumhaft!
Unser Etmal: gibt es nicht mehr, wir
sind angekommen bevor wieder 24 Stunden rum waren
Eckdaten unserer Atlantiküberquerung:
Distanz: 2’050 Seemeilen (Fogo – Barbados)
Fahrzeit: 11 Tage 20 Stunden
Anteil Segel: 99.5% / Anteil Motor: 0.5% (nur zum Auslaufen und zur Hafeneinfahrt)
Anteil Autopilot: 99% / Anteil Handsteuerung 1%
Ungewollte Halse (Patenthalse): 1x (allerdings gerefft und von Bullentaille gesichert)
Defekte: 0
Verluste: 1 elastischer Band (das eine Leine vom Scheuern schützte)
Gefangene Fische: aktiv 0 – / selber bei uns gelandet: viele!!
Nun haben wir seit unserem Start in Brighton 1/6 der Erde umrundet
Unsere Empfindung: Stolz, es geschafft zu haben – aber fast auch etwas wehmütig, dass dieses grossartige Abenteuer einer Atlantiküberquerung schon vorbei ist
Die etwas mehr als 120 Seemeilen nach Fogo ganz im Süden der Kapverden starten wir am Samstag Nachmittag, 9.2.2019, kurz nach 16 Uhr, so dass wir gemäss unserem Plan am Sonntag kurz nach Mittag ankommen. Die Törnplanung geht einmal mehr perfekt auf, obwohl der Wind nicht ganz so konstant bläst, wie angesagt. Einmal sind wir etwas langsamer, aber vor allem in der 2. Hälfte der Strecke eher schneller als erwartet. Pia hat wie immer die erste Hälfte der Nacht Wache geschoben, Köbi in der zweiten. So wie wir das immer machen und bisher sehr gut gefahren sind damit. Lupina pflügt mit durchschnittlich 6.5 Knoten durch die Weite des offenen Atlantiks. Der Ozean ist jetzt mehrere tausend Meter tief, kein Schiff kreuzt unseren Kurs, der Mond geht schon früh unter und überlässt uns die Sterne am dunklen Nachthimmel.
Um die Mittagszeit pellt sich Fogo aus dem Dunst, eine Insel wie ein Vulkan, fast 3’000 Meter hoch. Der Pico do Fogo, ein aktiver Vulkan, ist die höchste Erhebung der Kapverden, der Vulkankegel Ziel der meisten Inselausflüge. Die Küsten der Insel stürzen steil und tief ins Meer, nur auf der Westseite gibt es hinter einer Hafenmole einen geschützten Ankerplatz. Bei der Anfahrt ist der Wind mit 10 Knoten noch sanft. Bei der Ansteuerung pfeift er aber mit bis zu 25 Knoten aus Nordosten um die eindrucksvolle Inselküste und lässt die Wellen nochmal anschwellen. Kaum hinter der Hafenmole des Fährhafens von Vale de Cavaleiros angelegt, sind auch die Wellen verschwunden. Hier gibt es auf der inneren Hafenseite einen kleinen Sandstand. Direkt davor setzen wir unseren Anker.
Fazit zu unserer Zeit auf den Kapverden: Die archaischen Landschaften, die gemütlichen Orte, die entspannten Menschen, der immer vorhandene Wind und das stets warme Klima stellen ideale Voraussetzungen für einen exotisches Segeln dar. Die fehlenden Häfen, die bisweilen prekären Ankerplatz-Situationen, mit heftigen Düsen- und Fallwinden sowie die weiten Entfernungen zwischen den Inselgruppen können das Revier aber zu einer echten Herausforderung werden lassen. Uns hat es gefallen! Wir haben wieder viel gelernt und würden es allen empfehlen, ob Segler, Wanderer oder Strandgeniesser, dieses Archipel zu besuchen.
Viele Leser fragen uns: «Was! seid ihr immer noch nicht drüben?» Tatsächlich hatten wir ursprünglich geplant, von Lissabon via Gran Canaria in die Karibik zu segeln. Aber je näher wir uns mit der Karte und dem Fahrtenweg auseinander gesetzt haben, umso mehr haben wir uns entschieden, möglichst viele Inseln, die auf diesem Wege liegen, anzulanden. Und somit gab es eine spontane Planänderung. Unser Motto «wir sind ja nicht auf der Flucht!» bestätigte sich. Es hat sich gelohnt, uns Zeit zu nehmen und all die schönen Inseln mit den wunderbaren Menschen zu besuchen. Zeit ist etwas das wir haben – also nutzen wir sie! 😊
Aber nun sind wir bereit für den «grossen Schlag». 2’050 Seemeilen liegen vor uns. Heute am späten Nachmittag, Mittwoch den 13. Februar, heben wir den Anker und steuern unser nächstes Ziel Barbados an. In 12 bis 15 Tagen sollten wir es geschafft haben. Dann könnt ihr wieder von uns lesen!!!!
10-15 Knoten Wind aus Osten sind angesagt. Unser Kurs von São Nicolau führt nach Nordwest. Wäre also ein perfekter Wind von schräg hinten. Aber diesmal ist die Wetteransage sehr ungenau. Der Wind kommt fast aus Norden, und mit 20-25 Knoten. Aus der gemütlichen Überfahrt wird also nichts. Die Lupina muss sich die Seemeilen erkämpfen mit viel Schräglage und Stampfen in den Wellen. Aber sie macht es sehr gut und eilt mit fast 8 Knoten Fahrt schnurgerade in Richtung Mindelo. Bereits um 17 Uhr haben wir angelegt und können den Anlegerdrink in der Marina geniessen.
Wir sind mit einer kleinen, aber wichtigen Pendenzenliste nach Mindelo gekommen: unser Generator, der beim ersten Gebrauch nach El Hierro mit einem Spannugsfehler ausgestiegen ist, soll hier repariert werden. Auch der Aussenborder braucht nach dem Taucher vor São Nicolau im Meerwasser einen Service. Es gibt eine Vertretung hier. «Gut!», dachten wir. Per E-Mail eine Woche vorher unser Problem mit dem Generator geschildert und unser Ankommen angekündigt bei Kai, dem Inhaber der Werkstatt. «Kein Problem – einfach kommen!» war die schnelle Rückantwort. Die Realität sieht dann anders aus: wir sind am Samstag früh in der Werkstatt. Kai ist nicht da, kommt erst am Montag wieder ins Büro. Kein Problem, wir haben ja nicht erwartet, dass der Generator am Samstag repariert wird. Einfach eine Arbeitsplanung hätten wir gerne gehabt. Wir entscheiden uns, für den Sonntag ein Auto zu mieten und auf eigene Faust die Insel zu erkunden.
Am Montag morgen ist Kai auch nicht da. Er sitzt in der Marina-Bar beim Kaffee. Köbi spricht ihn auf das Mail und den Auftrag an. Ach ja, da war doch was! So vage mag er sich erinnern. Er verspricht, dass am Nachmittag jemand vorbei kommt. Das von mir geschilderte Problem sei ihm völlig unbekannt. Ups – nicht die Antwort, die wir gerne gehabt hätten. Am späten Nachmittag dann klopft es am Schiff und zwei Angestellte stehen da. Sie lassen sich von mir das Problem schildern, nehmen die Betriebsanleitung mit. Keine Messungen, keine eigenen Untersuchungen, einfach nichts. Zumindest gibt es eine Zeitansage: am nächsten Tag wollen sie wieder kommen. Köbi’s Vertrauen in die Kompetenz der Firma ist unter dem Nullpunkt. Er durchforscht das Internet nach Informationen und Troubleshooting, wird auch schnell fündig. Es gibt ganze Fehlersuchbäume für unser Problem. Vermutlich ist ein oder beide Kondensatoren ausgefallen. Am nächsten Nachmittag kommt eine neue Crew der Firma – da sie Werkzeug dabei haben steigt unsere Stimmung. Mit einer Mischung aus Portugiesisch und Englisch können wir uns mit ihnen verständigen.
Es
war tatsächlich einer der Kondensatoren ausgefallen. Zu unserem Erstaunen hat
die Firma sogar Ersatz im Workshop. Wir verbauen zwar die Ersatzkondensatoren,
die wir noch in England beschafft haben, und legen aber wieder zwei Neue an
Lager. Da auch der Aussenborder am selben Tag überholt wieder an Bord geliefert
wird, ist unsere Pendenzenliste schlussendlich schneller als erwartet erledigt.
Wir entschliessen uns, mit der Fähre nach Santo Antão zu fahren. Diese Insel,
zirka 9 Seemeilen nördlich von Mindelo gelegen, wird als sehr gebirgig
beschrieben. Da es infolge der meist sehr steil abfallenden Uferzonen fast
keine sicheren Ankerplätze gibt, lassen wir unsere Lupina in der sicheren
Marina von Mindeo.
Tiefkühler und Kühlschrank sind gefüllt und unser Boot ist bereit für die grosse Fahrt. Unsere Stimmung ist gut und wir freuen uns auf die Weiterfahrt, die wir für gestern Freitag geplant hatten. Ich schreibe in der Vergangenheit, weil wir momentan immer noch in Mindelo sind. Der Grund ist aber ein sehr schöner. Als wir gestern so mit der Schiffsbeladung beschäftigt waren, kam ein ehemaliger Marinamitarbeiter auf uns zu. „Peixe“ (so sein Name, heisst auf Portugiesisch Fisch) hat gemerkt, dass er selber geschäften kann, indem er nach den Schiffen schaut, die für längere Zeit ohne Crew hier bleiben sollen. Uns bot er eine Kontrolle des Unterwasserschiffes an. So kamen wir ins Gespräch. Um es kurz zu machen: wir änderten unseren Törnplan spontan und am Abend sassen wir bei ihm zu Hause und durften Einblick nehmen in das einheimische Leben. Ein wunderbares Erlebnis!
Gesättigt und mit vielen positiven Eindrücken sind wir spätabends auf unsere Lupina zurück. Nun wollen wir heute Samstag definitiv weiter. Bevor es aber über den Atlantik geht, fahren wir noch nach Fogo, eine kleine Insel im Süden, die vor allem vulkanisch sehr spektakulär sein soll.
Nach einer reichhaltigen, warmen Mahlzeit heben wir den Anker am Freitag Abend um 18:00 Uhr vor Sonnenuntergang zur Weiterfahrt nach Sâo Nicolau. Wir möchten die Segel noch vor Dunkelheit setzen, um dann gemütlich die Nachtfahrt zu geniessen. Leider bringt uns der Wind für einmal nicht das, was angesagt war. So müssen wir die ersten vier Stunden unser eisernes Segel (= Motor) benutzen. Köbi gönnt sich während der ersten Nachtstunden seinen erholsamen Schlaf. Wie immer übernimmt er dann ab Mitternacht die Wache und Pia legt sich schlafen. Der Wind kommt auf und die Segel können endlich gesetzt werden. Obwohl geplant ist, dass wir jeweils nach sechs Stunden die Schicht wechseln, lässt Köbi Pia ein weiteres Mal bis acht Uhr schlafen. Sie ist dankbar und schätzt es, dass er ein ausgesprochener Nachtmensch ist 😊. Die Segel können wir bis zum Kurswechsel bei der Insel in gleicher Stellung belassen. Kurz nach Tagesanbruch erreichen wir das Südkap von São Nicolau und drehen von da nordwärts zu unserem Ziel Tarrafal.
Das Ankermanöver in Tarrafal wird uns in Erinnerung bleiben. Als unser Anker auch beim zweiten Versuch nicht richtig halten will, nähert sich uns ein Französischer Segler mit seinem Dinghi; wir sollen weiter draussen in rund 10 Meter Tiefe ankern, weil der Grund dort besser sei. Auch warnt er uns vor heftigen Fallböen (bis 45 Knoten hat er gemessen). Dankbar für diesen Tipp machen wir uns daran, weiter raus zu fahren, als es uns plötzlich das Heck herum wirft und es zu quietschen beginnt. Ein Seil in der Schraube! Geistesgegenwärtig reisst Köbi den Ganghebel auf neutral, und verhindert so einen möglichen Schaden an der Welle. Anker runter, kurze Beratung, dann steht Köbi mit Schnorchel, Flossen und scharfem Messer bewaffnet am Heck und springt ins Wasser. 5 Minuten später ist er wieder an Bord. Eine Bojenleine, an der keine Boje mehr war, hatte sich um den Propeller gewickelt, konnte aber wieder abgedreht werden. Nun hängt eine leere Plastikflasche von uns dran und warnt so andere Schiffe vor der versteckten Gefahr. Kurz mit Frischwasser abgeduscht, dann wird weiter draussen zum dritten Mal Anker gesetzt. Diesmal hält er. Da in den nächsten Tagen der Wind zunimmt (und die Warnung des Französischen Seglers wegen den Fallböen im Hinterkopf) setzen wir einen 2. Anker und stecken jeweils 50 Meter Kette. Das hält 😊 und lässt uns gut schlafen.
Die Insel São Nicolau ist nicht sehr gross (346km2,, 13’000 Einwohner) und touristisch praktisch noch unbekannt. Hotels gibt es keine. Im Fischerhafen Tarrafal (3’700 Einwohner) und in der Hauptstadt Ribeira Brava (2’000 Einwohner) findet man in kleinen Pensionen einige wenige Gästezimmer. Dabei wäre São Nicolau mit seiner imposanten Bergwelt interessant für Wander- und Entdeckungsreisende und hat im Südwesten kilometerlange Strände. Diese Kombination gibt es auf keiner Insel. Im Süden dominiert trockenes, verbranntes Land das Bild. Die Wolken bleiben auf der Nordseite des Monte Gordo (mit 1’312m der höchste Berg) und an der umliegenden Bergkette hängen; deren nördliche Ausläufer sind grün und fruchtbar und hier gibt es auch reichlich Wasser. Auf São Nicolau findet noch Selbstversorgung und Tauschhandel statt. Am Strassenrand bieten die Bauern frisches Gemüse an. Alles ungekühlt und somit für uns länger haltbar auf dem Schiff. Für unseren Eindruck leben diese Bewohner noch bescheidener als auf den anderen Inseln, aber sie sind ebenso fröhlich und freundlich. Beim Vorbeigehen lächeln sie, man begrüsst sich mit einem «Bom diã» oder hebt den Daumen zum Gruss.
Natürlich wollen wir auch hier etwas von dieser Insel sehen. Mit dem Dinghi fahren wir an Land. Es kommen sofort Jungs angerannt, wollen uns helfen, das Boot an Land zu ziehen und vor allem gibt es ein Gerangel, wer während unserer Abwesenheit auf das Boot aufpassen darf und somit auch einen Batzen verdienen kann. Köbi zeigt mit dem Finger auf den Hilfsbereitesten aus der Schar, und mit dem Daumen nach oben signalisieren beide, dass es gilt.
Es ist Sonntag, fast keine Leute im Dorf zu sehen, weder Läden noch Restaurants offen. Wo ist die Bushaltestelle, wo ist ein Tourist-Office? Die Alltagssprache hier ist Kreol, bestehend aus 10% afrikanischen -und 90% portugiesischen Wörtern. Die offizielle Sprache auf den Kapverden ist aber Portugiesisch. Zum Glück kann Köbi sich in dieser Sprache einigermassen verständigen und wir erfahren, dass wir morgen Montag wieder kommen sollen.
Mehr oder weniger unverrichteter Dinge begeben wir uns wieder zum Dinghi, geben dem Junge eine Cap (Mütze) und 50 Escudos (0.5 Fr.), fahren zurück zur Lupina und gönnen uns einen entspannten Sonntag Nachmittag. Am Montag ist dann viel mehr Betrieb im Dorf. Kleinbusse oder Pick-ups mit Bänken auf der Ladefläche und der Aufschrift «Aluguer» hupen beim Vorbeifahren, halten an und wir steigen ein. Das ist hier der öffentliche Verkehr. Losgefahren wird erst, wenn der Bus genügend besetzt ist; das kann bis zu einer Stunde dauern. Diese «Aluguer» fahren dann quer durch die Insel. Zum Mitfahren stellt man sich an den Strassenrand und hebt die Hand. Zum Aussteigen wird gepfiffen, gerufen oder an die Scheibe geklopft. Der Fahrer hält dann sofort an. Bezahlt wird nach dem Aussteigen. Kurze Strecken ca, 50 Escudos, lange Strecken 100-200 (1-2 Fr.).
Wir möchten wie immer die Insel quer und längs, rauf und runter erkunden, aber mit dem ÖV hier wird das schwierig. Autovermietung gibt es keine. Doch wir werden trotzdem fündig, ein geschäftstüchtiger Einheimischer vermietet sein privates Auto an uns. Er hat sogar eine Visitenkarte mit der Aufschrift «Car-Rental». Köbi hätte für diese Insel auch gerne einen 4×4 Wagen gehabt, muss nun aber mit konventionellem Antrieb Vorlieb nehmen. Pia ist glücklich, endlich kein Offroad (= Gerumpel ☹) Fahren mehr. Aber sie hat die Rechnung ohne Köbi gemacht. Er hat eine Strasse gefunden, die knapp mit einem normalen Auto befahrbar ist, aber mit Kopfsteinpflaster besetzt (rumpelt ebenso stark wie Schotterpiste) und so steil ist, dass diese ohne Allradfahrzeug nur abwärts befahren werden kann. Zudem sind die Kurven so eng, dass wir fast in jeder Kurve zurücksetzen müssen. Köbi hat’s gefreut, Pia weniger; aber sie vertraut ja Köbi’s Fahrkunst 100% und übersteht dann solche Eskapaden (auch wenn mal der Kotflügel weit über den Abgrund ragt)!! Wie schon auf den anderen Inseln haben wir auch hier Autostöppler mitgenommen. Funktioniert gleich wie bei den «Aluguer»: am Strassenrand stehen, mit Handzeichen Auto anhalten, einsteigen und dort, wo man aussteigen will, sich bemerkbar machen.
Die Kapverdier sind eher zurückhaltend, nicht aufdringlich und genügsam. Uns wurde erzählt, dass sie nicht so geschäftstüchtig sind, die Preise halten sie tief, oft werden dadurch nicht mal die eigenen Unkosten gedeckt. Da erstaunt es uns nicht, dass auch hier, wie auf den Kanaren, viele Kleingeschäfte von den Chinesen (ein ausgesprochen geschäftstüchtiges Volk) aufgekauft werden und diese hier die Wirtschaft immer mehr im Griff haben.
Die
Wellen in unserem Ankerplatz waren trotz der starken Winde sehr mild.
Allerdings hatte der Franzose mit seiner Warnung «starke Fallwinde mit heftigen
Böen!» recht. Ein Windstoss war sogar so stark, dass er unser mit einer Leine
am Schiff festgemachtes Dinghi samt Motor wie ein Drachen aus dem Wasser in die
Luft hob und auf den Kopf stellte. Das Resultat war ein Aussenbordmotor unter
Wasser mit Salzwasser im Vergaser und im Öl. Nun, wir haben ja sonst nichts
anderes zu tun 😉
Wir erinnern uns an einen Bericht vom Segelschiff Shiva (vielen Dank für den Tipp, Hanspeter) von einer wunderschönen Wanderung zum höchsten Berg der Insel und von da nordwärts über die Berge und dann durch eine tiefe Schlucht hinunter fast bis zum Meer. Sie wird als sehr spektakulär beschrieben. Am letzten Tag unseres Aufenthaltes wollen wir uns auf den selben Trail begeben. Und was wir vorfinden ist wirklich spektakulär!
Heute Freitag geht’s weiter nach Mindelo (rund 45 Seemeilen). Dort wollen wir den Alternator unseres Generators reparieren lassen und uns so langsam auf die lange Reise über den Atlantik vorbereiten