St. Vincent – Regenwald bis ans Meer

Am Montag, 18. März 2019, setzen wir Segel in Richtung St. Vincent, eine Insel rund 30 Seemeilen südlich von St. Lucia. St. Vincent wurde 1493 von Kolumbus entdeckt, doch die kämpferischen Ureinwohner verhinderten zunächst eine dauerhafte Besiedelung von europäischer Seite. 1675 erlitt ein niederländisches Schiff mit Siedlern und afrikanischen Sklaven vor der Insel Schiffsbruch. Die Sklaven nutzten die Gelegenheit, die ihnen das Schicksal bot, und machten kurzen Prozess mit ihren weissen Herren. In der Folge gelang es den überlebenden Sklaven, auf der Insel Fuss zu fassen und sie mischten sich unter die Kariben. Viele der heute rund 110’000 Einwohner der Insel stammen von diesen Sklaven ab.

Lange Zeit wetteiferten auch hier Franzosen und Engländer um den Besitz der Insel, bis sie 1783 im Vertrag von Versailles endgültig den Engländern zugesprochen wurde. 1902 brach im Norden der Insel der Vulkan Soufrière aus und begrub 2’000 Menschen unter sich. Er ist immer noch aktiv. Die letzte Eruption fand 1979 statt. Genau in jenem Jahr wurde St. Vincent in die Unabhängigkeit entlassen. Englisch ist die Hauptsprache, aber viele Leute reden einen kreolischen Dialekt.

Bevor wir uns von St. Lucia verabschieden, treffen wir uns noch mit Moondance und seiner herzlich sympathischen Crew Fione und André. Wir haben uns erstmals in Las Palmas getroffen, wo unsere Boote fast 3 Wochen nebeneinander lagen. Fione und André leben wie wir seit Mai 2018 auf ihrem eigenen Boot und haben das gleiche Ziel: westwärts so lange es uns gefällt und Spass macht
Pia hat es streng, fast bei jeder Fahrt muss sie eine neue Flagge hiessen. Die Flagge für St. Vincent gilt für die Insel selbst und einige der im Süden anschliessenden Grenadinen Inseln. Die aus rund 30 Inseln bestehende Inselgruppe der Grenadinen wurde einst von der Britischen Kolonialmacht willkürlich unterteilt. Die nördlichen Grenadinen werden heute von St. Vincent verwaltet, während die kleinere südliche Gruppe Grenada untersteht
Empfangskomitee an unserem ersten Ankerplatz, die Bucht von Chateaubelair. Er trägt eine Mütze von Zermatt – die Welt ist ja so klein!
In Chateaubelair wollen/müssen wir einklarieren. Aber wo ist hier wohl Zoll und Immigration?? Kein Problem: jeder im Dorf weiss Bescheid, und schnell haben wir das Gebäude gefunden. Am Montag ist aber der Zöllner jeweils auf seiner Dienstrunde und nicht im Büro. Der zuvorkommende und freundliche Immigrationsbeamte erledigt aber den Immigrations-Teil und bittet uns, einfach in der nächsten Bucht, wo es einen Zoll hat, die entsprechenden Stempel in die Papiere machen zu lassen. Machen wir!
Fischer in der Bucht von Chateaubelair. Wir haben viel Negatives über diese Bucht gelesen und viele Segler meiden sie aus Angst vor Diebstahl oder Überfällen. Diese Berichte sind aber meist älteren Datums, werden gerne aber immer wieder weitergegeben. Wir teilen diese Erfahrung nicht! Die Leute hier versuchen, Geschäfte zu machen. Würden wir ja auch an ihrer Stelle! Sie wollen nicht, dass durch ein schlechtes Image Touristen weg bleiben. Deshalb sorgen sie auch dafür, dass es keine Probleme gibt
Der Regenwald um die Bucht von Chateaubelair. Das Klima in diesem Teil der Welt ist tropisch, es regnet fast jeden Tag einmal kurz und heftig. Die Böden sind vulkanisch und daher sehr mineralhaltig und fruchtbar
Wir machen eine Wanderung zu den „Dark View“ Wasserfällen. Das Überqueren der schwankenden Bambus-Hängebrücke braucht etwas Gleichgewicht und Mut
Der Lohn für die zweistündige Wanderung: eine kühle Dusche unter dem oberen der beiden Wasserfälle
Üppige Pflanzenvegetation
Waschtag bei den Einheimischen. Meist werden die Kleider von Hand gewaschen und zum Trocknen auf Steine oder, wie hier, auf’s Blechdach an die Sonne gelegt

Um die Einklarierungsformalitäten abzuschliessen, verlegen wir uns der Küste entlang südlich in die nächste Bucht mit einem Zollbüro, Wallilabou. Schon vor der Einfahrt in die Bucht kommt uns ein Ruderboot entgegen und der Mann darin bietet uns seine Hilfe an. Kamen in St. Lucia die Helfer noch mit starken Motorbooten auf uns zugerast, brauchen die Leute hier meist noch ihre Muskelkraft. Sehr sympathisch, finden wir. Die Bucht ist eng und die Schiffe am Anker müssen zusätzlich mit einer Landleine am Schwojen (= freies Drehen um den Anker) gehindert werden. Gerne nehmen wir seine Hilfe an und geben ihm ein entsprechendes Entgelt (aus Berichten haben wir gelesen, dass 20 EC$, rund 6 CHF, hier die Norm ist). Noch nicht mal ganz festgemacht, werden wir von mindestens vier anderen Ruderbooten «umzingelt», das jedes irgendetwas, meist Früchte, Schmuck oder Fisch, feil zu bieten hat. Da wir noch am Festmachen sind, schicken wir sie energisch wieder weg, sie sollen später kommen. Kurz darauf kommt ein anderes Segelboot rein – und schon sind wir vergessen 😊

Unser Nachbarschiff in der Wallilabou Bay: noch nicht fest gemacht wird es, wie wir kurz vorher, von «Geschäftsleuten» geentert
Alles, was irgendwie noch schwimmt, dient als Geschäftsfahrzeug
Die angebotene Wahre ist einwandfrei! Garantiert biologisch, tagesfrisch, unheimlich schmackhaft und aromatisch. Preis ist Verhandlungssache. Um sicher keine ungebetenen Insekten oder deren Eier auf das Schiff zu importieren, wird alles von Pia umgehend gründlich gewaschen
So werden wir bei unserem ersten Landgang begrüsst! Uih – wo sind wir hier gelandet?? Ein mulmiges Gefühl kommt auf …
… aber hier kommt schon die Antwort! Die Bucht von Wallilabou hat als Drehort für «Pirates of the Caribbean» gedient. Die Gebäude rund um den Landesteg wurden für die Dreharbeiten entsprechend dekoriert. Die Dekoration hat man bis heute belassen, denn die Leute haben schnell gemerkt, dass es Touristen anlockt
Wallilabou, Drehort von «Pirates of the Caribbean. Im Bild der kleine Landesteg mit der im Film vorkommenden Hafenkulisse. Das Zollbüro, und den Beamten, haben wir übrigens in einem der kleinen, grauen Gebäude links angetroffen und unsere Einreise formal erledigt
Was von den Drehkulissen übrig geblieben ist (Pia gehört aber nicht dazu 😉)
Wallilabou: Einkaufsläden gibt es hier keine. Eingekauft wird direkt von den Schiffen, oder von sich durch lautes Hupen bemerkbar machenden Verkaufswagen. Hier kauft Köbi Brot vom Bäcker, der seine Wahre ofenfrisch in den Dörfern verteilt
In der Wallilabou Bay treffen wir ein anderes Schweizer Boot an: «Jolly Jumper» und seine Crew. Alina und Christoph haben ihre Zelte in der Schweiz abgebrochen und sind mit ihren beiden kleinen Mädchen, Dalia und Alexa, ebenfalls daran, die Weltmeere zu besegeln. Spontan kommen sie mit ihrem Dinghi auf einen Besuch vorbei. Dalia geniesst dann ihren persönlichen Privatchauffeur zurück auf den «Jolly Jumper»
Unterwegs auf dem Leeward-Highway – Personentransport auf St. Vincent …
… und nochmals: Personentransport auf St. Vincent
Unterwegs nach Süden von St. Vincent. Wir machen einen Bade- und Schnorchelhalt in der kleinen aber sehr schönen Petit Byahaut Bay (vielen Dank an die Invia für diesen Tipp!)
Die «Blue Lagoon», ganz im Süden von St. Vincent, gilt als einer der sichersten Liegepatze der Insel. Die Lagune ist gegen das Meer hin durch Korallenbänke abgedeckt. Es gibt aber nur zwei kleine, enge Passagen, die hineinführen. Die gut markierte Einfahrt im Westen ist für unser Boot zu seicht. Wir müssen die gefährliche Einfahrt im Süden nehmen, diese ist etwas tiefer. In unserem Reisebuch steht dazu: «this is definitely only recommended for very experienced sailors and in calm seas, otherwise at your own risk». Mit Hilfe von Pia auf der Bugspitze und GPS Navigation schaffen wir es ohne Bodenberührung heil in die Blaue Lagune
«Gut gemacht!» meinen auch die beiden Jungs, die uns eine Boje verkaufen wollen. Eine Quittung gibt es keine. Wir machen ein Bild von ihnen, damit wir allenfalls beweisen können, dass schon jemand da war und Geld eingezogen hat. Das machen wir immer so, ist fast so gut wie eine Quittung und schützt uns vor Betrug
Blick durch die einstigen Wohnzimmerfenster auf die Blaue Lagune. Unsere Lupina ist im linken Fenster
Ausflug in den ältesten Botanischen Garten der westlichen Hemisphäre: Kingstown Botanic Garden, eröffnet 1765. Andere Segler haben uns empfohlen, einen Führer zu nehmen. Das machen wir und es war ein guter Entscheid. Wir erfahren viel Neues und Interessantes. So erklärt er uns zum Beispiel, dass der Brotfruchtbaum durch den bekannten Captain Bligh (berühmt geworden von der Meuterei auf der Bounty) auf Befehl des Englischen Königs aus der Südsee in die Karibik gebracht wurde. Die Früchte des Baumes sollten der hungernden Bevölkerung als wertvolle Nahrung dienen. 1793 brachte Captain Bligh 500 junge Pflanzen nach Kingstown, wo sie im Botanischen Garten hochgezogen, und schlussendlich in der ganzen Region verteilt wurden. Im Bild zeigt uns der Führer eine kleine Blüte, die aussieht wie ein Clowngesicht
Diese Blume ist eine Schmarotzerpflanze. Sie wächst auf anderen Pflanzen und nutzt deren Versorgungssystem. Sie macht jeden Tag neue Blüten, die wunderbar riechen, aber nach einem Tag bereits wieder abfallen
Ein «Wurstbaum». Die Früchte dieses Baumes sehen aus wie unsere Rauchwürste. Die Frucht ist innen glasig und hart. Die Kinder brechen sie auf und benutzen sie wegen ihrem süssen Geschmack gerne als Schleckstengel
Am Tage vor unserem Besuch hat Prinz Charles diese neue Pflanze im Park gesetzt. Etwas mickrig, finden wir, aber vielleicht gedeiht ja doch einmal etwas Gutes aus dem königlichen Haus 😉😉
Der St. Vincent Papagei gilt seit der Unabhängigkeit von 1979 als das Nationaltier von St. Vincent und den Grenadinen. Seine bunten Federfarben haben als Vorgabe für die Staatsflagge gedient
Auf dieses Bild sind wir stolz: bei sengender Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit sind wir in rund 1.5 Stunden von Kingstown zum Fort Charlotte hochgelaufen. Eine schweisstreibende und durstmachende Angelegenheit!
Regewolken im Anzug über einer sattgrünen Vegetation
Letzter Kurz-Ausflug, bevor es weiter südwärts geht: mit der Fähre vom Villa Beach direkt neben unserer Bucht auf die Privatinsel Young Island. Die Insel gehört einem Hotelresort. Die Fahrt ist kostenlos, wenn man in der Beach-Bar etwas konsumiert. Da mussten wir halt etwas trinken 😊😊
Essen tun wir oft in lokalen, einheimischen Restaurants mit wunderbar feiner, sehr reichhaltigen, lokalen Kost. Diverse Gemüse und gekochte Früchte, von denen wir kaum eine Ahnung haben, wie das alles heisst. Getränke sind selber zubereitet aus Ingwer und Zitrusfrüchten – sehr erfrischend und gesund!

Auf St. Vinzent haben wir für einmal kein Auto gemietet. Die Insel hat im Grunde nur zwei Strassen: den Leeward Highway, welcher die Westküste erschliesst, und den Windward Highway auf der Ostseite. Auf beiden Highways verkehren lokale Vans, die wir rege benutzen, um die Insel zu erkunden. Diesmal also mit Chauffeur – einige davon würde man wohl besser mit «Raser» bezeichnen, so schnell und mit quietschenden Rädern gings um die Kurven! Die Musik im Van ist meist so laut wie in einer Disco. Die Fahrgäste reden/schreien dann auch entsprechend laut. Für uns, die eine sehr lange Strecke mitfahren, eine zum Teil ermüdende Angelegenheit.

Nächstes Ziel auf unserer Reise ist nun die grösste der Grenadinen Inseln, die nur einen kurzen Hupf (rund 8 Seemeilen) südlich von St. Vincent liegt. Heute Nachmittag haben wir wieder die gefährliche Ausfahrt aus der Blue Lagoon passiert und liegen nun in der Admiralty Bay von Bequia vor Anker. Definitiv ab jetzt machen wir Bade-Segeln, also bitte nicht traurig sein, wenn uns die Zeit zum Schreiben fehlt 😉

Eine Antwort auf „St. Vincent – Regenwald bis ans Meer“

  1. Hallo ihr zwei, es ist immer wieder spannend zu lesen, wie ihr die Inselwelt empfindet. Hoffentlich treffen wir uns noch, bevor ihr auf die ABCinseln geht. Wir werden von Union Island weiter südwärts tingeln und jeweils berichten. Definitiv sind wir in der 3. Aprilwoche auf Grenada, da kommen unsere Kinder zu Besuch. Vielleicht treffen wir uns dort? Bis dahin wünschen wir euch eine genussvolle Zeit, euren derzeitigen Liegeplatz in Bequia haben wir sehr genossen!

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