Letzte Vorbereitungen in São Vicente (Mindelo) und Ausflug nach Santo Antão

10-15 Knoten Wind aus Osten sind angesagt. Unser Kurs von São Nicolau führt nach Nordwest. Wäre also ein perfekter Wind von schräg hinten. Aber diesmal ist die Wetteransage sehr ungenau. Der Wind kommt fast aus Norden, und mit 20-25 Knoten. Aus der gemütlichen Überfahrt wird also nichts. Die Lupina muss sich die Seemeilen erkämpfen mit viel Schräglage und Stampfen in den Wellen. Aber sie macht es sehr gut und eilt mit fast 8 Knoten Fahrt schnurgerade in Richtung Mindelo. Bereits um 17 Uhr haben wir angelegt und können den Anlegerdrink in der Marina geniessen.

Der Naturhafen von Mindelo ist eigentlich ein eingefallener Vulkankrater, der gegen Norden offen ist. Es ist der Haupthafen der Kapverdischen Inseln. Entsprechend legen hier auch die grossen Frachter und Tanker an. Auf der ganzen Insel São Vicente leben rund 75’000 Einwohner, fast 70’000 in Mindelo
Die Marina von Mindelo, Basis für viele Segler, die den Atlantik überqueren wollen. Sehr freundliches, hilfreiches Personal und besonders für Köbi wichtig: Internet Bar (Bild) direkt in der Marina 😊
Marina Mindelo: zu dieser Jahreszeit viel Platz, nur wenige Schiffe sind da, die meisten sind schon über den Atlantik losgesegelt

Wir sind mit einer kleinen, aber wichtigen Pendenzenliste nach Mindelo gekommen: unser Generator, der beim ersten Gebrauch nach El Hierro mit einem Spannugsfehler ausgestiegen ist, soll hier repariert werden. Auch der Aussenborder braucht nach dem Taucher vor São Nicolau im Meerwasser einen Service. Es gibt eine Vertretung hier. «Gut!», dachten wir. Per E-Mail eine Woche vorher unser Problem mit dem Generator geschildert und unser Ankommen angekündigt bei Kai, dem Inhaber der Werkstatt. «Kein Problem – einfach kommen!» war die schnelle Rückantwort. Die Realität sieht dann anders aus: wir sind am Samstag früh in der Werkstatt. Kai ist nicht da, kommt erst am Montag wieder ins Büro. Kein Problem, wir haben ja nicht erwartet, dass der Generator am Samstag repariert wird. Einfach eine Arbeitsplanung hätten wir gerne gehabt. Wir entscheiden uns, für den Sonntag ein Auto zu mieten und auf eigene Faust die Insel zu erkunden.

Unser erstes Ziel, der höchste Berg der Insel: Monte Verde, 774m. Der Berggipfel ist überstellt mit Satellitenschüsseln und Funkantennen. Das Meiste ist eingezäunt und vom Militär bewacht. Wir fragen freundlich, ob wir auf den Gipfel dürfen. Kurze Diskussion unter den Militaristen, dann wird genickt und unter Begleitung eines 20 jährigen Soldaten dürfen wir ganz nach oben
Ganz oben auf dem Monte Verde werden wir mit einer schönen Aussicht auf Mindelo belohnt …
… einem freien Blick gegen Süden mit den vorgelagerten unbewohnten Inseln …
… und gegen Westen über die steinige Einöde
Tourismus gibt es ausserhalb Mindelo praktisch nicht. Es hat zwar einige tolle Strände, aber die werden nur spärlich genutzt

Am Montag morgen ist Kai auch nicht da. Er sitzt in der Marina-Bar beim Kaffee. Köbi spricht ihn auf das Mail und den Auftrag an. Ach ja, da war doch was! So vage mag er sich erinnern. Er verspricht, dass am Nachmittag jemand vorbei kommt. Das von mir geschilderte Problem sei ihm völlig unbekannt. Ups – nicht die Antwort, die wir gerne gehabt hätten. Am späten Nachmittag dann klopft es am Schiff und zwei Angestellte stehen da. Sie lassen sich von mir das Problem schildern, nehmen die Betriebsanleitung mit. Keine Messungen, keine eigenen Untersuchungen, einfach nichts. Zumindest gibt es eine Zeitansage: am nächsten Tag wollen sie wieder kommen. Köbi’s Vertrauen in die Kompetenz der Firma ist unter dem Nullpunkt. Er durchforscht das Internet nach Informationen und Troubleshooting, wird auch schnell fündig. Es gibt ganze Fehlersuchbäume für unser Problem. Vermutlich ist ein oder beide Kondensatoren ausgefallen. Am nächsten Nachmittag kommt eine neue Crew der Firma – da sie Werkzeug dabei haben steigt unsere Stimmung. Mit einer Mischung aus Portugiesisch und Englisch können wir uns mit ihnen verständigen.

Köbi bespricht mit «Dee» das Problem, schildert den Verdacht, dass es die Kondensatoren sein könnten. Endlich ein kompetenter Mann, der etwas vom Elektrischen versteht
Dann geht es an die Strombox des Generators. Der Zugang ist eng, aber die Kondensatoren sind schnell ausgebaut. Der eine von unten …
… der lange Dünne von oben – gemeinsam wird gearbeitet und innerhalb weniger als einer Stunde läuft der Generator wieder einwandfrei. Unsere Befürchtungen, dass Ersatzteile aus Europa bestellt werden müssen mit entsprechend langen Lieferfristen sind zum Glück nun gegenstandslos. Freude herrscht 🙂

Es war tatsächlich einer der Kondensatoren ausgefallen. Zu unserem Erstaunen hat die Firma sogar Ersatz im Workshop. Wir verbauen zwar die Ersatzkondensatoren, die wir noch in England beschafft haben, und legen aber wieder zwei Neue an Lager. Da auch der Aussenborder am selben Tag überholt wieder an Bord geliefert wird, ist unsere Pendenzenliste schlussendlich schneller als erwartet erledigt. Wir entschliessen uns, mit der Fähre nach Santo Antão zu fahren. Diese Insel, zirka 9 Seemeilen nördlich von Mindelo gelegen, wird als sehr gebirgig beschrieben. Da es infolge der meist sehr steil abfallenden Uferzonen fast keine sicheren Ankerplätze gibt, lassen wir unsere Lupina in der sicheren Marina von Mindeo.

In Porto Novo, dem Haupthafen von Santo Antão angekommen, mieten wir uns für 20 Franken ein «Aluguer» (Taxi) und lassen uns auf einen Berggipfel der Insel fahren, den Cova do Paul, 1170m
Cova do Paul: ein fast kreisrunder Einsturzkrater mit schroff gezacktem Kraterrand und flacher Caldera von fast 1 Kilometer Durchmesser, die Dank ihrem sehr fruchtbaren Boden intensiv bewirtschaftet wird. Hier schnüren wir unsere Wanderschuhe, umkreisen den Krater bis zum Nordrand und steigen dann ins Tal Ribeira do Paul. Gut ersichtlich auf dem Bild die Nebelschwaden, die fast immer an den nördlichen Bergflanken hängen bleiben und vom Wind über den Kraterrand gedrückt werden
Santo Antão, eine Insel, die scheinbar nur aus Bergen besteht. Entweder geht es steil rauf, oder steil runter. Hier geht es steil vom nördlichen Kraterrand zuerst durch eine dicke Nebelschicht bergab. Bevor es Strassen gab, waren dies die einzigen Verbindungspfade über die Berge, auf denen die Bergbauern mit ihren Eseln und Maultieren ihre Produkte zum Hafen bringen konnten
Unter der Nebelschicht eröffnet sich ein grünes Schlaraffenland
Jede einigermassen flache Stelle, und sei sie noch so klein, wird angepflanzt mit Gemüse oder vor allem Zuckerrohr (oben im Bild). Zuckerrohranbau ist die Haupterwerbsquelle für die Bauern auf Santo Antão. Aus Zuckerrohr wird der berühmte «Grogue» – der beste Zuckerrohrschnapps des Archipels – wie man sagt, gebrannt. Ein leckeres aber wegen seiner Prozente ein gefährliches Gesöff 😊
Blick auf einen Bauernhof mit dem typischen Blätterdach und dem Wasserreservoir (rechts in der Bildmitte). Auf dieser Insel treffen wir zum ersten Mal seit Madeira wieder fliessendes Wasser in den Bergflüssen an. Die Berge sind hier mit deutlich über 1000 Meter Höhe so hoch, dass sie dem konstant blasenden Passatwind im Norden dauernd Feuchtigkeit entlocken können. Hier wächst fast alles, was angepflanzt wird. Und es ist wunderbar grün
Entlang des Abstieges: Direktverkauf ab Bauernhof – das unterstützen wir gerne!
Wir machen Rast und lassen uns Tee und selber kultivierten Kaffee anbieten. In der Open-Air Küche wird das Wasser dazu abgekocht
Im Gegensatz zu den Kanaren, wo die meisten derartigen Terrassen mehrheitlich nicht mehr landwirtschaftlich genutzt werden, wird hier wirklich noch intensive Landwirtschaft betrieben. Irgendwelche chemischen Dünger oder Pflanzenschutzmittel haben wir nirgends gesehen
Der Saumpfad führt uns mitten durch Gärten und Wohnsiedlungen der einheimischen Bevölkerung
Die Bevölkerung begegnet uns sehr freundlich und offen. Gebettelt wird hier nicht. Die Kinder kommen neugierig auf uns zu bestaunen uns komischen Wandervögel 😊
Irgendwelche landwirtschaftlichen Maschinen gibt es keine. Hier wird noch alles von Hand gemacht. Man fühlt sich um mehrere Jahrzehnte zurückversetzt
Und immer wieder: angepflanzte Terrassenfelder
Nach mehrstündigem, steilem Abstieg, durch das spektakuläre Ribeira do Paul Tal erreichen wir mit müden Beinen und schlotternden Knien bei Cidade das Pombas die Mündung ins Meer. Weil Pia heute ihren Geburtstag feiert, entscheiden wir spontan, die Nacht hier in einem Hotel zu verbringen und finden ein idyllisches B&B. Als die Frau an der Reception erfährt, dass Pia Geburtstag hat, offeriert sie spontan das Nachtessen auf Kosten des Hauses. Spätestens seit diesem Moment sind wir total verliebt in die Kapverden und begeistert von der Gastfreundschaft der Leute
Am nächsten Tag wollen wir eine Küstenwanderung im Nordwesten der Insel von Cruzinha nach Ponta do Sol machen. Normalerweise erwartet man bei einer Küstenwanderung eine relativ flache Strecke mit kurzweiligem Auf und Ab. Hier ist es ganz anders!! Flach gibt es fast nicht. Steil rauf und wieder steil runter. Wir haben es geahnt, wollen uns den spektakulären Saumpfad aber trotzdem antun – und werden auch belohnt für die Strapazen
Einfach eine unheimlich schöne Wanderung! Manchmal muss man sogar etwas schwindelfrei sein
Und wieder einmal steil bergan. Die Schulkinder machen das übrigens jeden Tag hin und zurück, bis zu 2 Stunden ein Weg zur nächsten Schule – keine Eltern die mit dem Auto fast ins Schulhaus hinein fahren 😉
Rast für die müden Beine vor spezieller Gesteinsformation
Die Saumpfade werden hier immer noch intensiv benutzt – und auch entsprechend gut unterhalten
Soeben noch führte uns der Weg auf der anderen Hangseite runter ins Seitental, um uns dann gleich wieder steil nach oben zu bringen auf der anderen Seite
Und ist der Hang noch so steil – immer findet sich ein flacher Platz, der als Gemeinschaftsplatz von allen genutzt wird. Hier haben Kinder ein Fussballtor gebastelt (der Hund daneben dient als Grössenvergleich)
Wie Schwalbennester kleben die Siedlungen an den steilsten Hängen. Wir fragen uns, wie sie das bautechnisch schaffen
Hier die Antwort: Handarbeit!! Die Frauen tragen das Baumaterial herbei, die Männer verarbeiten es und schichten Stein um Stein. Fertigbeton gibt es nicht. Von Hand wird Zement, Sand und Kies gemischt. Wasser wird in Kübeln von den Frauen herbeigetragen. Ein Gemeinschaftswerk von ganzen Familienclans oder sogar Dörfern
Wieder zurück in Mindelo machen wir Einkäufe für die Weiterreise. Wir haben immer wieder gelesen, man findet hier fast kein Gemüse und Frischware. Wir haben es ganz anders erlebt. Es gibt hier einen Gemüsemarkt mit einer für uns durchaus akzeptablen Auswahl
Und auch auf der Strasse wird frisches Gemüse gehandelt. Es macht richtig Freude, hier bei den Marktfrauen einzukaufen …
… und diese bedanken sich mit einem sympathischen und freudigen Lachen

Tiefkühler und Kühlschrank sind gefüllt und unser Boot ist bereit für die grosse Fahrt. Unsere Stimmung ist gut und wir freuen uns auf die Weiterfahrt, die wir für gestern Freitag geplant hatten. Ich schreibe in der Vergangenheit, weil wir momentan immer noch in Mindelo sind. Der Grund ist aber ein sehr schöner. Als wir gestern so mit der Schiffsbeladung beschäftigt waren, kam ein ehemaliger Marinamitarbeiter auf uns zu. „Peixe“ (so sein Name, heisst auf Portugiesisch Fisch) hat gemerkt, dass er selber geschäften kann, indem er nach den Schiffen schaut, die für längere Zeit ohne Crew hier bleiben sollen. Uns bot er eine Kontrolle des Unterwasserschiffes an. So kamen wir ins Gespräch. Um es kurz zu machen: wir änderten unseren Törnplan spontan und am Abend sassen wir bei ihm zu Hause und durften Einblick nehmen in das einheimische Leben. Ein wunderbares Erlebnis!

Bei Peixe (links im Bild) zu Hause. Hier wurden wir von seiner Familie (zwei Kinder, und eine Mutter – von der Frau lebt er, wie viele Kapverder, getrennt) sehr herzlich willkommen geheissen. Einfach aber sehr zweckmässig ausgestattet. Eine Wohnung hat meistens ein oder 1-2 Räume. Es hat immer ein Fernseher und Kühlschrank. Peixe hat sogar noch Tiefkühler und Waschmaschine
Heute gibt es „Cachupa“, ein sehr traditioneller Gemüseeintopf – sehr lecker, und nahrhaft,wie wir feststellen dürfen. Er wird aus dem, was auf der Insel wächst zubereitet und wahlweise mit Hühnerfleisch oder Schweinefleisch angereichert. Da es viel zum Zubereiten gibt, wird kurzerhand der Boden als Rüsttisch genommen, und es helfen alle mit beim Rüsten und Mischen
Bald ist alles im Topf, der nach alter Tradition über dem offenen Feuer heiss gemacht wird
Während unser Cachupa kocht (dauert etwa 2-3 Stunden) nutzt Köbi beim Nachbarn die Gelegenheit zu einem Haarschnitt
Zurück bei Peixe in der Wohnung beobachten wir die Kinder beim Spielen. Als Bettstatt dienen alte Paletten
Ein Kugelschreiber als Geschenk, und schon hat Köbi einen neuen Freund gewonnen, der ihm gleich eine Zeichnung macht damit
Und dann ist die Cachupa fertig. Jeder schöpft sich selber einen grossen Teller davon. Der Rest wandert nach dem Abkalten in den Kühlschrank und dient dann die nächsten Tage als schmackhafte Nahrung für die Familie und Freunde
Cachupa Essen ist auch immer ein sozialer Event, wo viele Freunde dazu eingeladen werden

Gesättigt und mit vielen positiven Eindrücken sind wir spätabends auf unsere Lupina zurück. Nun wollen wir heute Samstag definitiv weiter. Bevor es aber über den Atlantik geht, fahren wir noch nach Fogo, eine kleine Insel im Süden, die vor allem vulkanisch sehr spektakulär sein soll.

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