Curaçao, eine Insel will erobert werden

Am Sonntag, 18. August 2019, machen wir uns auf nach Curaçao. Rund 80 Seemeilen liegen vor uns. Eigentlich keine allzu weite Strecke, wenn da nicht der Gegenwind, die steile Welle und die Strömung wären. Kurz vor 11 Uhr lichten wir den Anker in Aruba und fahren zuerst unter Motor zwischen dem vorgelagerten Riff und der Insel südwärts nach Barcadera, wo wir ausklarieren müssen. Um 12 Uhr sind alle unsere Papiere abgestempelt und wir können los. Zuerst müssen wir noch etwa 10 Seemeilen der Insel entlang südostwärts, bevor wir Kurs Richtung Curaçao setzen können. Kaum aus dem Riff raus im offenen Wasser bemerken wir eine 2-3 Knoten starke Strömung, die genau aus der Richtung kommt, in die wir müssen. Da der Motor schon länger nicht mehr lange gelaufen ist, entscheiden wir uns dafür. So wird unser «Kari» wieder mal richtig durchgeputzt. Wir brauchen fast 3 Stunden, bis wir die Südspitze von Aruba erreicht haben und nach Osten abbiegen könnten. Aber genau von da kommt jetzt der Wind. Wir setzen trotzdem unsere Segel und fahren noch rund 5 Meilen aus dem Kap Bereich von Aruba weg, bevor wir wenden und Kurs so hart am Wind wie es geht Richtung Osten nehmen können. Wir haben die Rechnung ohne Strömung und Wind gemacht. Trotz 5 Knoten Fahrt durch das Wasser werden wir von der Strömung leicht westwärts abgetrieben, fast wieder zurück nach Aruba. Also wieder eine Wende und noch einmal einen Schlag von Aruba weg, so weit wie es geht, bevor wir an die Grenzen von Venezuela stossen. Diese wollen wir nicht überqueren – ist in der aktuellen politischen Lage nicht ratsam. Nach der nächsten Wende werden wir zumindest nicht wieder westwärts gedrängt und können ziemlich genau nordwärts laufen. Noch ein Zack und endlich können wir kurz vor Einbruch der Dunkelheit einen Kurs anlegen, der uns einigermassen Richtung Westen bringt. Da Wind und Wellen aber zugenommen haben, müssen wir die Segel etwas reffen, und wir machen mit rund 3,5 Knoten viel weniger Fahrt wie sonst.

Unser Zick-Zack Kurs (blaue Linie) von Aruba nach Curaçao

Um es kurz zu machen: wir kommen viel weniger gut voran, als wir geplant hatten. Schon im Verlaufe des nächsten Morgens merken wir, dass wir unser geplantes Ziel, Spanish Waters (eine gut geschützte Bucht im südlichen Bereich von Curaçao) nicht mehr bei Tageslicht erreichen können. In der Dunkelheit wollen wir da aber nicht reinfahren, weil es viele Untiefen hat und uns das zu gefährlich scheint. Wir ändern unseren Plan und entscheiden uns, eine Ankerbucht im Nordwesten von Curaçao anzulaufen.

Die Grenze von Curaçao ist erreicht und Pia setzt wie gewohnt die Fahnen. Wir wurden übrigens schon mehrmals gefragt, woher wir die entsprechenden Landesflaggen haben. Nun, fast in jedem Land, das wir ansegeln, finden wir Marine-Läden, die von ihren Nachbarländern die Fahnen im Sortiment haben. So decken wir uns immer vor der Abfahrt mit den Flaggen ein, die wir als nächstes brauchen

Am späteren Nachmittag haben wir die Überfahrt nach Curaçao beendet und werfen unseren Anker in einer abgeschiedenen Bucht (Boca Santa Cruz) mit wunderbar klarem Wasser. Nach den Strapazen (die immer heftige Schräglage lässt jede Bewegung zu einer sportlichen Fitnessübung werden) geniessen wir den verdienten Ankertrunk umso intensiver 😊 und legen uns früh, wohlig-müde, in die Kojen.

Am nächsten Morgen machen wir uns dann auf zu unserem eigentlichen Ziel: Spanish Waters. Die Fahrt führt uns vorbei an der Hauptstadt von Curaçao, Willemstad, mit ihrer imposanten Hochbrücke, die auch von den grössten Meeresschiffen passiert werden kann. Als wir unser Ziel, Spanish Waters, erreichen, haben wir seit Aruba insgesamt 155 Seemeilen zurückgelegt für eine Strecke, die eigentlich nur rund 80 Meilen sind, wenn man sie direkt bewältigen würde
Die Hauptstadt Willemstad besteht aus zwei Stadtteilen, die durch die Einfahrt in die dahinterliegende fjordartige Bucht getrennt sind. Blick Richtung Punda, dem östlichen Stadtteil mit seinen farbenfrohen Häusern
Willemstad: die beiden Stadtteile Punda (Osten) und Otrobanda (Westen) sind für Fussgänger über einer Brücke verbunden, die schwimmend auf Pontons gelagert ist. Auf der Westseite ist die Brücke drehbar fixiert. Auf der Ostseite ist ein Motor mit Propeller angebracht, der die Brücke im Bedarfsfall auf oder zu schwenken kann
Hier ist die Schwenkbrücke geöffnet. Gut sichtbar die schwimmenden, pontonartigen Stützen
Nicht nur an den Häusern überrascht uns Willemstad mit viel Farbe, überall treffen wir auf farbige Kunst
Kunst an Fenstern und Türen schaffen auch bei einem brach stehenden Haus eine freundlich sympathische Atmosphäre
Dieser Hausbesitzer hatte über 30 Jahre lang als Autowäscher gearbeitet. Nach seinem Tod stand das Haus leer und ist nun am Zerfallen. Kurzerhand wurde es kürzlich von einer Kunstschule, die sich zum Ziel genommen hat, die Stadt zu verschönern, verziert. So lebt der Geist des ehemaligen Bewohners in Bild und Skulpturen weiter
«Alle Vögel sind schon da…» im Curaçao Style – oder man könnte auch schreiben: die Willemstad Stadt Musikanten
Schön prominent und farbig das Zollhaus in Willemstad. Leider ist hier schon länger kein Zollbüro mehr und wir machen locker unsere 10’000 Tagesschritte, um uns korrekt bei Zoll, Immigration und Hafenmeister einzuklarieren
Blick über die Caracas Bay und Spanish Waters (wo wir ankern) im Hintergrund. Der Hauptgrund, warum Curaçao in Seglerkreisen so beliebt ist, sind die vielen, tief ins Land hineinreichenden und weit verzweigten Buchten. Hier ist man bei allen Windrichtungen gut geschützt vor Wellen. Sogar bei einem Hurrikan wäre man hier einigermassen gut geschützt
Die Einfahrten in die Buchten sind meist von beiden Seiten mit Wehrtürmen gesichert. Früher wurden feindliche Schiffe mit schweren Ketten, die zwischen den Befestigungen hochgezogen wurden, an der Einfahrt gehindert
Der einzige Einstieg zum Turm, sehr eng und einfach von oben zu verteidigen. Pia hat aber nichts zu befürchten 😊
Wieder einmal packt uns die Lust, den höchsten Berg des Landes zu erklimmen. Dieser heisst Christoffelberg, ist 372 Meter hoch und liegt im Christoffel Nationalpark im Norden von Curaçao (höchster Berg im Bild)
Frühmorgens um 6 Uhr machen wir uns vom Schiff aus auf den Weg und fahren mit einem Mietwagen in den Nationalpark. Kurz vor 7:30 Uhr starten wir mit der Wanderung. Bis 10 Uhr wird man zum Aufstieg zugelassen, danach ist der Zugang wegen der grossen Tageshitze (kann weit über 30 Grad Celsius werden und das bei einer Luftfeuchtigkeit von über 75%) gesperrt. Der erste Teil der Strecke ist guter Wanderweg, beim zweiten Teil ist guter Tritt und Gleichgewicht gefragt
Geschafft – wir sind oben und geniessen einen wunderbaren 360 Grad Rundblick 😊😊
Abstieg vom Christoffelberg. Pia ist nicht etwa müde, aber sie hat so die Fähigkeit, dauern Steine in die Schuhe zu kriegen. Zu beachten: für einmal sind wir nicht mit Flip-Flop unterwegs, sondern richtigen (Turn)schuhen 😉
Was bei uns Spatzen, sind es hier gelbfarbige, kleine Vögel, die immer da sind, wenn die Menschen etwas Essbares hinterlassen
Curaçao überrascht uns leider nicht nur positiv. Sind zum Beispiel in Bonaire und Aruba sämtliche Strände und Ufer des Meeres öffentlich zugänglich, sind hier die meisten Strände total privat verbaut und nicht zugänglich. Oder hält in Bonaire und Aruba jedes Auto an, wenn ein Fussgänger in die Nähe der Fahrbahn tritt, wird in Curaçao erst recht Gas gegeben. Und jemanden aus einer Seitenstrasse freundlich auf die Strasse winken, das kommt erst recht nicht in Frage. Kleine Distanzen – und doch so grosse Unterschiede im Verhalten der Menschen. Für uns am Unglaublichsten ist der Umgang mit der Umwelt in Curaçao. Auch heute noch wird ungeniert jeglicher Abfall entlang der Strasse entsorgt. Dieses Bild ist leider der Standard und nicht die Ausnahme. Schlimm, sehr schlimm – und eine Schande für Curaçao!
Aber es gibt sie auch: einsame Buchten mit Sandstränden und glasklarem Wasser, das einem mit einer wunderbar bunten Unterwasserwelt verwöhnt

Wenn wir mit dem Schiff an einen neuen Ankerplatz kommen, sind wir immer sehr gespannt, ob Schiffe vor Anker sind, die wir schon irgendwo getroffen haben. In der Spanish Waters Bay treffen wir die „Hierbabuena“ mit Paul Pfammatter und Hund Luca. Paul ist vor vielen Jahren aus der Schweiz nach Kanada ausgewandert und bereist nun nach seiner Pensionierung die Welt mit dem Boot. Wir haben seine Reise schon länger im Internet verfolgt und ihn zum ersten Mal in Grenada persönlich getroffen. Wir freuen uns sehr, ihn wieder zu sehen. Hier in der Bucht lernen wir auch Yana und Tobias mit ihrem Schiff „Maya“ kennen. Sie liegen direkt neben uns und kommen gleich nach unserer Ankunft mit ihrem Dinghi vorbei, um uns willkommen zu heissen. Eine schöne und sympathische Geste! Im Verlaufe der Woche, in der wir vor Anker liegen, treffen wir uns mehrmals spontan zu einem Schwatz, zum Sundowner oder zum Dinghi Taufen auf der Maya (begossen haben wir das neue Boot von Yana und Tobias, das Taufen aber haben wir vergessen 😊).

Als wir am Dienstag, 27.8.2019, frühmorgens bei Tagesanbruch den Anker lichten, und uns auf den Weg nach Bonaire machen wollen, bringt uns Yana dieses selbst gemalte Bild von der Lupina vorbei. Wunderschön! Vielen, vielen Dank Yana!

Mittlerweile sind wir wieder zurück in Bonaire an einer Boje, die uns von Amerikanischen Seglerfreunden (Bob und Etta von der „Taku“, many thanks!) frei gehalten wurde. Für die nächsten Wochen und Monate erwarten wir diverse Besuche aus der Schweiz. Bonaire wird bis Dezember unsere Basis sein. Mal sehen, wie seetauglich unsere temporären Crewmitglieder sind 😉, vielleicht machen wir den einen oder anderen Kurztrip nach Curaçao und wieder zurück. Den Beginn der Besuche macht Morena, die nun am Sonntag anreist. Wir freuen uns sehr darauf!

2 Antworten auf „Curaçao, eine Insel will erobert werden“

  1. Hallo ihr beiden!

    Es hat uns viel Spaß gemacht euch kennenzulernen! Es freut uns sehr, dass euch das Bild gefallen hat. Wir hoffen, dass sich unser Kielwasser bald mal wieder kreuzt und wir vielleicht noch das ein oder andere Dingi taufen können :))

    Viele Grüße aus Puerto Velero in Kolumbien
    Yana und Tobias

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