La Gomera – eine runzelige Dame

Nach der ruppigen Überfahrt von Mogan ganz im Südwesten von Gran Canaria sind wir in der Hauptstadt von La Gomera, San Sebastian, eingelaufen. Der Hafen ist durch eine grosse äussere Hafenmole geschützt, an der die Kreuzfahrtschiffe und Fähren anlegen, und durch eine innere, die uns vor dem Schwell schützt, den die grossen Dampfer erzeugen. Unsere Lupina liegt sehr ruhig hier

Hafen von San Sebastian de La Gomera. Strand mit dunklem Sand (wie bei den meisten Stränden hier in den Kanaren stammt der Sand vom Vulkangestein und ist deshalb teilweise fast schwarz), daneben der Yachthafen (unten links)
Wie schon oft auf unserer Reise ist wieder ein Fest im Gang. Es hat religiösen Hintergrund und dauert vom 13. September bis 8. Dezember. Jedes Wochenende wird eine kleine Maria-Statue mit Booten von einem Ort zum anderen gefahren, begleitet mit Partys und Anlässen auf Booten und an Land
Teil der Festivitäten ist eine rund anderthalb stündige Flamenco-Tanz Vorführung im öffentlichen Amphitheater des Stadtparks – kostenlos! Für uns wunderschön zum Geniessen und für die drei Tänzer eine sportliche Spitzenleistung
Ein Bild aus der Kirche Nostra Señora de la Asuncion. Die Kirche wurde um 1440 als einfaches Gebetshaus aus Bruchsteinen und Ziegeln gebaut. Will man den Chronisten glauben, soll Kolumbus und seine Mannschaft in dieser Kirche die Heilige Maria um ihren Segen für ihr Vorhaben gebeten haben, bevor sie mit letztem Proviant und frisch gefüllten Wasserfässern in unbekanntes Gewässer aufgebrochen sind. Seitdem wurde sie wieder und wieder durch die ständigen Piratenangriffe geplündert, abgefackelt, und zerstört. Auch unachtsame Verwaltung und korrupte Küster (kostbare flämische Orgelpfeifen wurden nach Gewicht an den lokalen Schmied verkauft, Chorgestühl als Brennholz verhökert). Das Bild zeigt einen Angriff der Königlichen Flotte von England im Jahre 1743 auf San Sebastian. Bis anhin fanden fremde Flotten und Piraten nur friedliebende Fischer und Bauern auf la Gomera vor, die keine Ahnung hatten vom Kämpfen. So war es immer ein Leichtes, die Dörfer zu plündern und Zeugen des Überfalles zu ermorden. Die Gomerianer hatten aus der Vergangenheit gelernt und diesmal war es anders: man hatte nun ein Warnsystem eingerichtet. Als die Flotte sich San Sebastian näherte, eilten von der ganzen Insel die starken Burschen und Männer den Einwohnern der Stadt zu Hilfe und schlugen die stolze Flotte erfolgreich in die Flucht
Steine, so weit das Auge reicht! Durch Erosion stark zerklüftete Berglandschaft. Die Sonnenhänge sehr karg, die Schattenhänge von zum Teil üppiger Vegetation bewachsen
Vor 20 Millionen Jahren begannen die vulkanischen Aktivitäten und die Insel La Gomera stieg nach und nach aus dem Meer. Zu unterschiedlichen Zeiten bei unterschiedlichen Ausbrüchen kam Schicht auf Schicht. Einige davon farblich ganz unterschiedlich. Diese rote Schicht trifft man immer wieder auf der Insel, entweder als stark erodierte Oberfläche, oder wie hier, kompakt eingepackt als ein 1-2 Meter mächtiges Band
eine fantastische Formation: die «Orgelpfeifen» ganz im Norden der Insel, nur per Schiff sichtbar
La Gomera ist ein lebendes Schaufenster, wie sich Natur und Mensch erfolgreich einem Lebensraum anpassen können, der nur aus Stein besteht. In jedem Ecken der Insel, und ist er noch so steil und verborgen, trifft man auf endlose Beispiele, wie sich der Mensch über zig Generationen in unvorstellbar mühevoller und sicher auch gefährlichen Handarbeit Wohnraum, Ställe für Tiere, Felder für Anbau von Getreide und Gemüse, Arbeitsflächen und Verbindungswege der Steinwüste abgewonnen hat. Das Bild zeig, wie dem steilen Hang mit Hilfe der weggeräumten und zu Mauern aufgeschichtete Steinen kleine, ebene Pflanzfelder abgerungen wurden
Der Zahn der Zeit nagt (das rostige Teil ist gemeint 😊): die heutigen Transportmöglichkeiten haben vieles verändert. Die importierten landwirtschaftlichen Produkte sind heute meist billiger als die lokal produzierten. Deshalb liegen heute viele Felder brach. Verarbeitungs- und Verpackungsfabriken stehen leer und zerfallen. Hafenanlagen, wo früher Kräne die Waren auf Schiffe verladen haben, werden nach und nach vom Meer zurückerobert
Es braucht viel Mut, mit dem Auto diese Strasse zu befahren
Die vulkanischen Aktivitäten haben vor rund 2 Millionen Jahre gestoppt. Seitdem wirken Sonne, Regen und Wind als Bildhauer. Die meist nordöstlichen Winde bringen viel feuchte Luft an die Nordostseite der Insel. Hier gibt es genügend Niederschlag für eine üppige Vegetation
Satt grünes Moos und Flechten lassen Bäume und Böden ganz weich aussehen
Der südliche/westliche Bereich der Insel ist trocken bis wüstenartig, da hier nur selten Regen fällt. Wir hatten das Glück, das es ein paar Tage vorher geregnet hat. Vermeintlich verdorrte Pflanzen werden wieder grün – grossartige Natur!
Im Jahr 2012 gab es das letzte grössere Feuer auf der Insel (Blitzschlag oder Menschenhand? Man weiss es nicht so genau). Einige Pflanzen haben mit ihrem Wurzelwerk das Feuer überlebt und kämpfen sich erfolgreich wieder zurück. Andere stehen im Moment noch als verdorrende, stumme Zeugen des verheerenden Grossbrandes darüber
Auf dem höchsten Berg der Insel: Alto de Garajonay, 1487m. 360° Rundumblick. Einfach zum Geniessen
Bei perfektem Wetter sieht man von hier aus alle Kanarischen Inseln. Wir hatten Glück! Im Hintergrund schwebt Teneriffa mit seinem 3718 Meter hohen Teide aus dem Dunst
Mirador de Abrante, luftige Aussichtsterrasse mit Glasboden (wegen Riss in einer Platte leider bei unserem Besuch gesperrt) schwebt mehr als 600 Meter über dem Abgrund. Unten einer der drei Ortsteile von Agulo
Unsere Lupina wartet geduldig im Hafen, bis sie endlich wieder durchs Wasser schiessen darf

Den letzten Abend auf La Gomera verbringen wir ganz anders als geplant. Wir sitzen in einer Cervezaria (Biergarten) direkt am Hafen, wo es ein gutes WiFi hat und bearbeiten unsere Mails. Pia hat kalt und geht kurz auf’s Schiff, um sich eine Jacke zu holen. Kurz darauf kommt sie aufgeregt zurück. Neben unserem Schiff hat ein Charterschiff festgemacht mit einer Schweizer Crew an Bord. Diese haben Pia gleich angesprochen, als sie unsere Schweizer Flagge gesehen haben und spontan zu einem Drink eingeladen. Also schliesse ich zügig meinen Computer, zahle die Rechnung und wir gehen zurück auf’s Schiff. Aus dem Drink bei unseren Nachbarn wird ein feines Nachtessen mit interessanten, kurzweiligen Gesprächen. Es ist eine lustig zusammengesetzte Crew aus dem Seeland und Lenzburg: Skipper Erich, Master Ueli und seine Frau Ursula, Co-Skipper Dieter und Monika und der wichtigste Mann an Bord, der Koch Christoph. Sie haben das Boot in Teneriffa vor einer Woche gemietet und sind noch eine Woche unterwegs. Wir erinnern uns an unsere ersten Segeltörns auf dem Meer, als wir noch Meilen sammeln mussten für den Hochseeschein. Nach einem feinen Gemüseragout auf Couscous (oder war es Hirse – Pia weiss es nicht mehr und für Köbi war schlicht und einfach lecker), einer göttlichen Creme brulée, und ein paar Flaschen Rotwein intus verabschieden wir uns von den sympathischen Leuten, nachdem sie noch kurz unsere Lupina besichtigt haben (was Ueli zu der mutigen Aussage hinriss: in 10 Jahren übernehme ich das Schiff von euch! Schauen wir mal 😊). Vielen Dank und Happy Sailing!

Am 22. Oktober sind wir wieder ins Meer gestochen mit Ziel La Palma, wo wir nun die nächsten Tage verbringen werden. Gerne wären wir länger auf La Gomera geblieben, aber wir mussten uns nach dem Wind richten, der gestern ideal war (in dieser Jahreszeit kommt er sonst meist aus der anderen, für uns falschen Richtung) und in den nächsten Tagen fast völlig zusammenbricht.

3 Antworten auf „La Gomera – eine runzelige Dame“

  1. Ich verfolge eure Reise seit dem Start.Es ist immer so interessant ,eure Berichte zu lesen,und die schoenen Bilder zu bestaunen.Eine Traumwelt.Ich bin ehemalige Wittnauerin,aber ich wohne schon vierzig Jahre in Canada mit meiner Familie.Alles Gute,viel Glueck und happy sailing!

    1. Ciao Anna,
      es freut uns, dass du unsere Reise aus der Ferne so interessiert verfolgst.
      Ehemalige Wittnauerein? Einmal Wittnauerin – immer Wittnauerin! (lach)
      Wir wissen noch nicht, ob es uns der Wind jemals in Richtung Kanada trägt. Wenn ja, dann müssen wir Fricktaler uns mal treffen.
      Lieber Gruss nach Kanada
      Köbi und Pia

  2. Ja eine wunderschöne Insel mit einer tollen Vegetation. Auch La Palma mit der Caldera und sehenswerten alten Städten ich habe es auch immer genossen es wird euch gefallen
    Viel Spaß

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