Wir liegen in der Vuda Marina, sehr gut geschützt vor Wind und Welle. Alle Arbeiten, die wir im Wasser durchführen wollten, sind erledigt: Dinghi auf Deck festgebunden, defekter Drucksensor des Wassermachers ersetzt und System erfolgreich getestet, nicht benötigtes Tauwerk unter Deck verstaut, Backs-Kisten ausgemistet, mit Frischwasser gespült und wieder ordentlich eingeräumt. Während sich das Schiff aussen immer mehr leert, wird der Schiffsbauch immer voller. Pia holt schon früh unsere Koffer hervor und verstaut darin die Sachen, die wir nach Hause nehmen wollen. Anspruchsvoll erweist sich die Suche nach guten Handwerkern, die während unseres Aufenthaltes zum Teil schon länger anstehende Reparatur- und Wartungsarbeiten durchführen sollen: Rigger, Motormechaniker, Segelmacher, Elektriker, Schlosser, Bootsbauer – viele bezeichnen sich als solche, aber nur wenige können es wirklich. Wir verlassen uns da meist auf Mund zu Mund Propaganda oder versuchen im persönlichen Gespräch herauszufinden, ob der Mann einen kompetenten Eindruck macht, oder nicht.
In der Marina selber herrscht reges Treiben. Immer noch kehren Segler zurück zu ihrem Schiff, das sie zu Covid Zeiten in den Zyklon sicheren Gruben zurückgelassen haben. Es ist jetzt höchste Zeit, wenn man noch nach Norden oder Süden aus dem Zyklon Gebiet heraus segeln will. Während die einen ihr sicheres Plätzchen verlassen, kommen andere wie wir und nehmen die noch wenig leeren Zyklon Gruben in Anspruch. Der Lift, der die Boote ins Wasser bringt oder zu den Gruben fährt, hat jetzt viel zu tun. Die Mitarbeiter der Marina leisten tolle Arbeit. Wir können es da etwas ruhiger angehen und geniessen noch ein paar arbeitsarme Tage, bis dann die Lupina ausgewassert wird.
Lupina verbringt nun gut gesichert Ferien auf Fiji und wir werden bis Mitte Januar in der Schweiz bleiben. Danach geht’s wieder zurück in die Südsee. Zuerst werden wir rund 3 Monate Neuseeland zu Lande bereisen und fliegen dann im April zurück zur Lupina. Bis dann macht der Schreiberling auch Pause und meldet sich wieder von Neuseeland. Euch treuen Lesern wünschen wir besinnliche Festtage, eine schöne Weihnachtszeit und einen guten, energievollen Rutsch ins neue Jahr.
Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser!
Am Montag, 2. Oktober 2023, haben wir Nelly zum Flughafen von Nadi begleitet und sie verabschiedet. Jetzt ist die Pause für den Schreiberling zu Ende und ich muss wieder in die Tasten greifen. Ich beginne mit etwas, was wir bisher unterlassen haben, nämlich etwas Information über den faszinierenden Archipel von Fiji.
Fiji (auf Deutsch oft auch Fidschi geschrieben) ist ein Archipel von über 300 Inseln – angefangen von kleinen Korallen-Atollen bis hin zu grossen vulkanischen Inseln. Nur etwa 100 dieser Inseln sind bewohnt, während der Rest für Fischer als Stützpunkt dient oder für landwirtschaftliche Zwecke genutzt wird. Die beiden Hauptinseln heissen Viti Levu (meist einfach Fiji genannt) und Vanua Levu. Die internationale Datumsgrenze verläuft durch den östlichen Bereich von Vanua Levu und wer, wie wir in diesem Bereich herumsegelt, der hüpft immer wieder hin und her zwischen gestern und heute. Die Menschen hier pflegen den traditionellen Lebensstil mit Stolz und Ehre. Unbedachte Verhaltensweisen von Seglern haben in der Vergangenheit immer wieder zu Problemen und Ärgernissen geführt, weshalb es heute sehr strikte Auflagen und eine strenge Kontrolle bei der Vergabe von Cruising-Genehmigungen gibt.
Fidji wurde rund 5’000 v. Chr. zuerst von den aus Südostasien kommenden Melanesiern besiedelt, und um 1’500 v. Chr. kamen Polynesier aus dem Osten dazu. Lange war es für die Europäischen Entdecker wegen der unberechenbaren, gefährlichen Riffe ein gemiedenes Gebiet. Erst im frühen 19. Jahrhundert begannen nebst Missionaren und Spekulanten Europäische Händler auf ihrer Suche nach Sandelholz die Inseln zu besiedeln. Um dem Missbrauch durch Fremde (diese hetzten die sonst friedlichen Einwohner gegeneinander auf) Einhalt zu gebieten, entschieden sich die Chiefs der Inseln schliesslich dazu, sich unter den Schutz Grossbritanniens zu stellen. 1874 wurde Fiji britische Kronkolonie. Aufgrund mangelnder Arbeitskräfte holten die Briten in den folgenden Jahrzehnten indische Arbeiter nach Fiji, die auf den Zuckerrohrplantagen wertvolle Dienste leisteten.
Nach 2 Tagen im Norden drehen wir um und segeln wieder gegen Süden. Schon bei der Vorbeifahrt haben wir eine schöne Bucht mit einem Dorf gesehen. Malakati auf der Insel Nacula. Kaum haben wir in der breiten, flachen Bucht den Anker eingefahren, werden wir vom Schiff Sybo angefunkt. Sybille und Bo (deshalb der Schiffname) verfolgen uns schon länger im Blog und haben uns erstmals in Suva getroffen. Sie haben uns im Schiffstracking System (AIS) gesehen und teilen uns mit, dass sie auch in die Bucht von Malakati kommen. Wir freuen uns riesig, das sympathische deutsch-dänische Seglerpaar wieder zu sehen.
Am nächsten Tag heben wir frühmorgens den Anker und nehmen die rund 46 Seemeilen zurück in die Vuda Marina unter den Kiel. Der Wind ist uns gut gesinnt und auch die Sonne hilft uns, einen sicheren Weg durch die verschiedenen Riffe zu finden. Es ist der 18. Oktober, wir sind gut im Zeitplan für unsere nächste grosse Fahrt nach Neuseeland. Das Essen für unterwegs liegt bereits vorgekocht im Tiefkühler. Neuseeland ist sehr streng was die Einfuhr von Lebensmitteln anbelangt. Deshalb haben wir begonnen, unsere Vorräte aufzubrauchen. Wir wollen nichts an Bord haben, das uns beim Einklarieren Probleme machen könnte. Kopfschmerzen bereitet uns aber das Unterwasserschiff. Unser Antifouling ist schon alt und nicht mehr das Beste. Wir kriegen es kaum noch sauber. Auch in diesem Punkt ist Neuseeland sehr streng. In den Richtlinien wird verlangt, dass es absolut frei sein muss von Lebewesen und Bewuchs, so dass keine invasiven Arten eingeschleppt werden. Es wird empfohlen, das Schiff vor der Abreise nach Neuseeland auszuwassern und mit Hochdruckreiniger zu waschen.
Jetzt sind wir bereit für Neuseeland. Es fehlt nur noch das günstige Wetterfenster. Über Vanuatu zieht gerade der erste Zyklon auf, und bei Neuseeland dominieren starke Winde und hohe Wellen. Es vergeht ein Tag nach dem anderen. Obwohl wir intensiv die Wetterkarten konsultieren – es wird nicht besser. Im Gegenteil! Das Wetter um Neuseeland wird immer schlechter und es zeichnet sich ab, dass sich dort ein Tief festsetzen wird. Langsam läuft uns die Zeit davon. Wir möchten gegen Mitte November in die Schweiz reisen und die Festtage mit unseren Familien verbringen. Unter Zeitdruck nach Neuseeland zu segeln, das müssen wir vermeiden. Irgendeinmal meint Pia, wir könnten ja mal die Marina fragen, ob sie noch einen «Pit» (Zyklon-Grube) hätten für unser Schiff. Machen wir – und haben Glück: es hat genau noch 2 Plätze frei! Wir überlegen nicht lange und packen die Gelegenheit beim Schopf: wir segeln NICHT nach Neuseeland – wassern das Schiff hier auf Fiji aus und fliegen von hier in die Schweiz.
Jetzt heisst es: umplanen. Wir wollten einige Unterhaltsarbeiten in Neuseeland erledigen lassen. Ich habe mich schon auf erfahrene Facharbeiter gefreut. Nun heisst es, die Arbeiten, die anstehen, hier zu organisieren oder selber zu machen. Zum Glück können uns die Marina und andere Segler gute Tipps geben. Einer der Tipps betrifft den Schutz des Schiffes vor der brutalen Sonne. Am Anker bewegt sich das Schiff dauernd, an Land aber nicht. Die Sonne brennt da gnadenlos immer auf dieselben Stellen. Es braucht einen zusätzlichen Sonnenschutz um das Teak-Deck und heikle Schiffsaufbauten einigermassen zu schützen.
Am 3. November wird die Lupina ausgewassert und in eine Zyklon Grube gestellt. Bis dahin gibt es noch einiges zu tun: Flüge reservieren, Service an Wassermacher und Motor, Generator wieder zum Laufen bringen, Segel runternehmen und inspizieren, und, und, und …
Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser!
Gerne wären wir noch länger geblieben, aber Pia und Köbi wollen mir noch mehr zeigen, die Weiterreise ruft. Also heisst es am 18. September: Anker hoch! Bei Ebbe schlüpfen wir durch den engen Pass ins offene Meer. Wir sind unterwegs zur Insel Matuku, etwa 120 Seemeilen, bei gutem, achterlichem Wind. Meine zweite Nachtfahrt steht an. Die Wellen werden immer höher, über drei Meter, und die Lupina rollt mit im Mittel fünf Knoten durch die Nacht. Das Rollen begeistert mich gar nicht, Schräglage ist mir sympathischer. Der Anker fällt nach 21 Stunden in einer sehr windigen Bucht mit vielen Korallenköpfen. Beim Navigieren ist grosse Vorsicht angesagt. Ob der Anker hält mit Fall Böen bis zu 35 Knoten? Er hält….
Wieder ist eine Sevusevu Zeremonie fällig. Diesmal ist sie kurz und bündig: der Dorf Chief ist abwesend, sein Sohn und ein Sprecher übernehmen diese Rolle und erlauben uns, die Insel zu erkunden. Viele Blumen und kleine Gärten schmücken dieses am Hang liegende Dorf. Auf einem betonierten Weg steigen wir zur Schule auf, da können wir für 40 Rappen eine Stunde lang vom Internet profitieren. Die Schüler sitzen in verschiedenen Klassenzimmern und schauen neugierig, wer da vorbeizieht. Ein Junge bringt uns auf Geheiss seiner Lehrerin freundlicherweise drei Stühle. Um 12 Uhr ertönen zwölf Schläge, von einem Knaben auf der Holztrommel geschlagen. Ruhig und diszipliniert strömen die Schüler aus den Klassenräumen. Einige gehen nach Hause, andere geniessen den Lunch vor Ort.
Nach einem Spaziergang über einen kleinen, holprigen Waldweg zum nächsten Dorf, geht es dem Strand entlang zurück zum Dinghi und dann auf die Lupina.
Trotz klarem Wasser und farbigen Korallenbänken in der Nähe schaffe ich es nicht, ins Wasser zu hüpfen. Der Wind bläst mir zu stark. «Beim nächsten Ankerplatz», sage ich mir. Aber es soll anders kommen. Die Wetterdaten zeigen für die nächsten Tage stark zunehmenden Wind. Die gemeinsame Entscheidung fällt, bereits am nächsten Tag zur Insel Kadavu aufzubrechen.
Der Abschied am nächsten Tag fällt uns leicht. Noch mehr Wind und schlechtes Wetter drohen. Jetzt noch ist die Lage günstig und wir haben Glück, die Sicht ist noch gut. Köbi manövriert uns sicher durch den Pass.
Die zunehmend schlechtere Sicht macht eine Durchfahrt durch einen der Pässe auf Kadavu zu gefährlich. Noch in der Nacht entscheiden wir uns, nach Norden abzudrehen und bis Suva, dem Hauptort von Fiji, zu segeln. Nach 24 Stunden ruppiger Fahrt fällt der Anker in der weiten, offenen, aber gut geschützten Bucht von Suva. Welch ein Unterschied, jetzt zwischen Fracht- und Fischerflotten zu ankern.
Der Himmel bleibt den ganzen Tag grau und verhangen. Immer wieder zieht Regen über uns durch. In den nächsten Tagen bleibt das Wetter wechselhaft. Unsere Landgänge bleiben kurz, immer aber führt der Rückweg durch die Bar des Royal Suva Yacht Clubs, wo Köbi ein Mitglied werden muss, damit wir den Dinghi Steg nutzen dürfen.
Zwischen zwei Regengüssen flüchten wir ins Mac Donalds nebenan. Wir besichtigen noch eine katholische Kirche (wo gerade wunderschöne Gesänge von einer jungen Musiker Crew auf Tonband gebracht werden), dann ist unsere Motivation durchgenässt und wir kehren zur Lupina zurück. Natürlich will Köbi auf dem Weg dorthin in seine Royal Suva Yacht Club Bar.
Schon sind die fünf Wochen vorbei, es heisst Abschied nehmen von Pia, Köbi und Lupina. Es war eine sehr schöne und ereignisreiche Zeit. Einsame Buchten, Naturwunder, hübsche Dörfer und sehr freundliche Bewohner haben mein Herz und Auge erfreut. Wind und Wellen, Schräglage und rollige Fahrten tagsüber mag ich ganz gern. Nachtfahrten hingegen sind definitiv nicht mein Ding.
Von Herzen DANKE für diese schöne Zeit mit euch. Es war eine einmalige Gelegenheit, diese entfernte Gegend zu erkunden. Geduldig habt ihr immer meine Fragen beantwortet, ins Dinghi rein und raus geholfen und vieles mehr.
Wie immer werde ich euch im Kielwasser folgen und kann mir jetzt auch besser vorstellen, wie es sich in gewissen Situationen anfühlt.
Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser!
Im letzten Bericht habe ich versprochen, noch etwas vertiefter zum Auflaufen auf ein Riff mitten im Meer einzugehen.
Es ist dunkle Nacht kurz nach 21 Uhr. Wir haben beide Segel stark gerefft und kämpfen uns bei 20 Knoten südöstlichem Wind gegen Süden. Wir wollen so gut wie möglich die östliche Höhe halten, damit wir auch die nächste Insel, Alwa Island, sicher umrunden können. Wir machen zwischen 4.5 bis 6 Knoten Fahrt und es scheint zu klappen. Eigentlich wollen wir die mit mindestens 46 Meter Tiefe eingezeichnete Untiefe östlich umfahren. Der Wind dreht aber wieder und wir entscheiden uns, westlich daran, also auf der Leeseite, vorbei zu segeln.
Pia und ich sind beide im Cockpit und versuchen, in der Nacht etwas zu erkennen. Nelly liegt schlafend im Lee-Bett in der Mitte des Schiffes. Ich bin am Steuer und beobachten regelmässig den Tiefenmesser. Die Tiefe ist zu gross, der Tiefenmesser zeigt «out of range an». Plötzlich springt die Zahl kurz auf 10 Meter, und steigt dann scheinbar wieder an. Sofort drehe ich ab, aber leider zu wenig resolut. Denn ich bin immer noch am überlegen, was diese Sprünge des Messgerätes bedeuten sollen, als ein Ruck durch das ganze Boot fährt, begleitet von einem hässlichen Knirschen, Kratzen und rumpeln. Ächzend und mit leichtem Beben kommt das Schiff zum Stehen. Wir sind auf Grund gelaufen!! Die schlimmsten Gedanken schiessen durch den Kopf. Pia ist kreidebleich – ich wohl auch. Ich starte sofort den Motor, Pia schnappt die Schwimmwesten. Ich lege den Rückwärtsgang ein, drehe kurz etwas hoch. Es ächzt und knirscht wieder unter dem Bauch der Lupina. Die Geräusche schmerzen mir im Herz. Langsam dreht sich das Schiff quer zum Wind. Weil die Segel immer noch gesetzt sind und wir nun quer zum Wind zu stehen kommen, beginnt sich das Schiff zu neigen. Das ist unser Glück, denn dadurch wird der Kiel etwas angehoben und das Schiff löst sich aus dem Riff. Es beginnt ein gefühlt unendlich langsames Schleifen und Kratzen des Kieles über den Untergrund. Ich rufe Pia zu, mir die Lampe zu holen, damit ich vielleicht im Wasser sehen kann, wie das Riff verläuft. In diesem Moment richtet sich die Lupina auf und das hässliche Kratzgeräusch hört auf. Sind wir frei? Nein! Nochmals ein heftiges Kratzen und ein Schlag, der mir das Steuer aus den Händen reisst – dann sind wir frei. Ich verfolge unsere Position auf dem Bildschirm, lege den Vorwärtsgang ein und gebe leichten Schub vorwärts. Das Steuer kann ich bewegen und das Boot reagiert! Was für eine Erleichterung! Das Ruder und die Steuerung scheinen noch zu funktionieren. Ich steure das Schiff senkrecht zur vorherigen Fahrtrichtung und hoffe, dass es uns in tieferes Wasser bringt. Der Tiefenmesser zeigt 3 Meter an, immer noch Gefahrenbereich. Nach und nach nimmt die Tiefe zu, und fällt dann plötzlich über 100m ab. Gleichzeitig meldet Pia, unten im Schiff sei noch alles normal. Bei mir kommt erste Erleichterung auf.
In der Zwischenzeit ist Nelly, total erschreckt von den brutalen Geräuschen, aus ihrer Koje gehüpft, und hat wie Pia automatisch die Schwimmweste angezogen. Beide stehen mit bleichen Gesichtern im Niedergang und erwarten das Schlimmste. Aber wir haben Glück im Unglück. Die Lupina schwimmt wieder aufrecht und geräuschfrei. Die Steuerung funktioniert. Bevor ich aber Entwarnung geben kann, müssen wir kontrollieren, ob wir nirgends Wassereinbruch haben. Pia übernimmt von mir das Steuer, und ich öffne alle Bodenbretter und suche systematisch von vorne nach hinten alle Kammern ab. Ein riesiger Stein fällt mir von den Schultern: alles dicht, nirgends eine Spur von Wassereinbruch.
Da es dunkle Nacht ist, beschliessen wir, die Fahrt wie geplant fortzusetzen, und den entstandenen Schaden dann vor Anker an unserem Zielort auf der Insel Vulaga weiter zu untersuchen. Obwohl der Rest der Fahrt ruhig und ohne weitere Ereignisse verläuft, macht niemand von uns in dieser Nacht ein Auge zu.
Nun, wo ich die Ereignisse dieser Unglücksnacht zu Papier bringe, und wir unsere unterschiedlichen Wahrnehmungen mehrmals untereinander ausgetauscht haben, ist der grösste Schock vorbei. Unmittelbar am Tag nach dem Unglück habe ich die Behörden über die nicht richtig dargestellte Gefahrenstelle informiert. Ebenso habe ich den Lieferanten meiner Karten von unserem Erlebnis berichtet und verlangt, dass diese Stell auf den Charts korrigiert wird. Mit den relativ geringen Schäden an Ruder, Kiel und Steuerung sind wir sehr glimpflich davongekommen. Es hätte viel schlimmer ausgehen können. Es ist noch nicht lange her, da haben Freunde von uns ihr Schiff an einem Riff verloren.
Wir haben unheimlich Glück gehabt.
Und was lernen wir daraus? – Reisevorbereitung: Google Maps / Bing Maps (Satellitenbilder) wenn immer möglich lokal speichern, so dass sie offline verwendbar sind. Mit Apps wie openCPN oder Alpine Quest können kritische Gebiete unterwegs aus der Vogelperspektive auf Gefahrenstellen untersucht werden. – In der Nacht oder bei schlechter Sicht konsequent „komische“ Gebiete weiträumig umfahren – auch wenn es Aufkreuzen und mehrere Stunden Umweg bedarf. – Dass wir uns nicht auf Seekarten (oder in unserem Falle Navionics Charts) verlassen dürfen, das wissen wir. In der Nacht schwierig! Also: schwierige Gebiete wenn möglich nur bei Tag befahren. Falls jemand noch weitere hilfreiche Tipps/Anregungen hat, dann warten wir gespannt darauf.
Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser!
Nach meiner Registrierung bei den Behörden und der Aufnahme auf die Crewliste geht es endlich mit der Fähre zur Lupina in der sehr schönen Nawi-Marina. Nach einem Begrüssungsdrink und einer feinen Pizza darf ich endlich ins Bett.
Am Donnerstag war sogar ein Arztbesuch für Pia nötig. Die Beiden haben sich einen Ring tätowieren lassen mit dem Resultat einer schlimmen Infektion, vor allem für Pia. Trotz einer gut ausgestatteten Schiffsapotheke und meinen täglichen Verbänden mit Antibiotikasalbe sah Pia’s Finger immer schlimmer aus, und eine orale Antibiotikabehandlung war unumgänglich. Nach 48 Stunden sehen wir schon eine deutliche Verbesserung.
Sonntag, 3. September, es geht weiter nach Taveuni, wo wir eine ruhige Nacht verbringen und Kräfte sammeln für die Überfahrt in die Lau Inseln zum Vanua Balavu Archipel. Es wird eine Am-Wind Fahrt mit Aufkreuzen und meine erste Nachtfahrt überhaupt. Zum Glück weiss ich noch nicht, was mich erwartet. Gewöhnungsbedürftig diese Schräglage, auch wenn der Skipper und Pia mir einreden, dass es ein «angenehmer» Am-Wind Kurs sei. Alles geht gut bis die Bettzeit kommt. Nach zwei Stunden in der Bugkabine bekomme ich Platz- und Luftangst. Ich muss raus und kämpfe mich zu Pia durch, die Wache hält. Sie beschliesst, für mich das Lee-Bett im Salon mittschiffs zu richten. Tatsächlich schlafe ich dort etwa 4-5 Stunden. Ich möchte den Sonnenaufgang sehen, aber wie komme ich da bei der Schräglage wieder raus, ich fühle mich steif wie ein Brett, hänge im Netz und warte bis Köbi endlich runterkommt. Galant hilft er mir, aus dem Leebett heraus zu kriechen, während Pia einen Lachanfall bekommt. Ja, sage ich mir, ich bin definitiv zu alt für solche Fitnessprogramme morgens früh vor dem Kaffee!
Das Ankerbier schmeckt heute besonders gut. Und ich sehe meine erste Schildkröte direkt neben der Lupina. Wir beschliessen, erst am nächsten Morgen beim Dorfoberhaupt vorzusprechen. Das Sevusevu steht an, eine traditionelle Zeremonie, bei welcher der Besucher mit einem Geschenk (ein Bündel getrocknete Kava Wurzeln) den Chief bittet, in sein Dorf kommen zu dürfen.
Zwei Kinder führen uns zum Headman, dem Sprecher des Chiefs. Dieser zieht sich schnell den traditionellen Sulu Rock (wie Köbi) an und wir gehen gemeinsam zum Chief. Wir setzen uns im Kreis um diese zwei Männer und übergeben das Sevusevu (Kava). Nach der Begrüssung und Vorstellung murmelt der Sprecher etwas, was sich wie Gebete oder Lobreden für das Dorfoberhaupt anhört. Dieser antwortet mit «Vinaka», was «Danke» heisst. Wir sind nun als Dorfbewohner aufgenommen und bekommen die Erlaubnis, uns im Dorf frei zu bewegen.
Das nächste Ziel ist die Bay of Islands. Köbi steuert uns sicher durch eine eindrückliche Insellandschaft. Hut ab! Untiefen und pilzartige, mit Bäumen bewachsene Vulkansteine verlangen äusserste Vorsicht und Geschick. Traumhafte, fast unrealistische Welt. Überall ragen Vulkanbrocken aus dem Wasser. Ein richtiges Labyrinth. Wir ankern in einer Bucht, umringt von bewaldeten Vulkanfelsen.
Wir begrüssen vier Yachten, die in anderen Buchten ankern und bekommen sogar einen eben aus dem Wasser gezogenen Fisch. Ein schmackhaftes Abendessen ist in Aussicht. Wir verbringen hier zwei ruhige Tage und erkunden die Umgebung mit dem Dinghi und Schnorcheln.
Nach drei Stunden Champagnersegeln fällt der Anker in der Bucht von Bavatu Harbour. Die einsame Bucht ist umgeben von hohem Vulkangebirge. Ein Yachtclub liegt verlassen da, der australische Besitzer kommt erst in zwei Wochen wieder. Ein Anlegesteg mit Holzboot dient einer Plantage (Farm) als Transport- und Versorgungsweg.
Wir treffen eine Familie, die auf der ebenfalls dem Australier gehörenden Plantage arbeitet. Nebst der Pflege von Kühen und Schafen ist sie für den Unterhalt der Weiden und des Weges zu einem wunderschönen Aussichtspunkt zuständig. Der Besitzer ist auch der Inhaber der Copra Shed Marina und besonders seglerfreundlich. Grossmütig gewährt er uns Seglern gerne Zugang zu seinem Grundstück. Wir marschieren los, zunächst über Weidewiesen, dann durch tropischen Wald auf einem schönen Weg. Köbi führt uns etwas im Kreis herum, aber schlussendlich sind wir da. Umwerfend diese Aussicht auf die Bay of Islands und das Riff. Der Spaziergang hat sich gelohnt.
Pia sitzt leider immer noch auf dem Trockenen, der Finger ist noch nicht ganz abgeheilt. Bei der Schleichfahrt durch die Mangroven begrüsst uns ein grosser Ammen Hai. Eindrücklich!!
Bei einem Poulet Yassa und dem traditionellen Brändi Dog, geht wieder ein wunderbarer Tag zu Ende.
Der Chief persönlich führt uns durch das Dorf von etwa 200 Einwohnern. Drei kleine Dorfläden bieten Konserven und diverse Lebensmittel an. Erst beim Letzten werden wir fündig. Frische Bohnen und einen Chinakohl, wir sind glücklich.
12. September, 8h25 Anker auf für die Überfahrt nach Fulaga im Süden. 136 Seemeilen Am-Wind bei bis zu 23 Knoten Wind aus OSO und zwei Meter hohen Wellen. Wir machen gute Fahrt bis etwa 21 Uhr. Vor uns eine heikle Passage zwischen zwei Inseln und in der Mitte eine Untiefe, die aber laut Karte mindestens 46 Meter tief ist.
Dem ist aber nicht so! Ein plötzliches, ohrenbetäubendes Kratzen, Knarren und Knirschen, als ob der Lupina der Bauch aufgerissen würde. Wir sitzen auf einem Riff! Mein erster Gedanke: Rettungsweste anziehen. Der Gedanke bei schwarzer Nacht und aufgewühltem Meer im Wasser zu landen jagt mir Angst ein. Köbi und Pia bleiben ruhig und konzentriert. Um uns herum herrscht rabenschwarze Nacht, ich verliere komplett die Orientierung. Nach weiteren zwei schrecklichen Kratzgeräuschen kann Köbi die Lupina aus den Korallen herausmanövrieren. Glück gehabt – es dringt kein Wasser ins Schiff, der Rumpf bleibt unbeschädigt!! Hoffen wir, dass Ruder und Kiel nicht allzu stark beschädigt sind. Die Steuerung funktioniert etwas knarrend, aber wir können weiter fahren. Das Adrenalin hält uns noch einige Zeit auf Trab.
Um 7 Uhr früh drehen wir bei und geniessen ein köstliches Frühstück. Fulaga liegt vor uns, die Einfahrt in den Pass ist vor 12 Uhr 30 nicht möglich, also lassen wir die Lupina treiben.
Wir ankern mitten in einer Bucht. Gegenüber ist eine Fischerhütte, von wo aus ein Weg über den Berg zum Dorf führt. Da müssen wir hin mit unserem Kavabündel. Aber erst morgen. Heute haben wir keinen Bock darauf. Köbi taucht nach dem Ankerbier den Kiel und das Ruder ab. Zum Glück keine ernsthaften Schäden nach unserem nächtlichen Abenteuer. Kiel und Ruder sind angekratzt und das Blei am Kiel leicht verbogen. Nach all den Emotionen geniessen wir den Abend und schlafen alle Drei wie Murmeltiere die ganze Nacht durch.
Nachtrag von Köbi: wir werden über den Grundkontakt mit dem Riff im nächsten Bericht noch etwas ausführlicher berichten.
Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser! (Wir sind Mitglied auf: noforeignland.com)
Der angesagte Wind stellt sich tatsächlich ein. Wir haben über einen Grossteil der rund 360 Seemeilen langen Segelstrecke nach Fiji fast perfekte Verhältnisse: Wind mit 10-15 Knoten querab aufs Schiff und eine nicht allzu grosse Welle schräg von hinten. Wir machen gute Fahrt und zur Abwechslung verschonen uns die Squalls (Regengewitter) auf der ganzen Fahrt.
Wir haben unsere Fahrt so geplant, dass wir am Montagmorgen in Savusavu eintreffen, um den Beamten der Einklarierungsbehörden das Wochenende nicht zu verderben und gleichzeitig teure Überzeitzuschläge einsparen zu können. Gegen Sonntagabend sind es bloss noch etwa 40 Seemeilen, die uns vom Ziel trennen. Wir können verlangsamen. Es stört uns daher auch wenig, dass kurz nach der Umschiffung der Insel Taveuni der Wind stark nachlässt. Bis Mitternacht schaukeln wir immer noch mit 3-4 Knoten Fahrt unserem Ziel entgegen. Als dann gegen 2 Uhr in der Früh der Wind komplett einschläft, darf endlich unser Kari (der Motor) wieder mal ran. Zufrieden brummend schiebt er unsere Lupina durch das Wasser. Kurz nach 8 Uhr erreichen wir die Copra Shed Marina in Savusavu: wir sind am Ziel
Nicht bebildert, weil ich mich in dem Moment, wo es passiert, fürchterlich ärgere: beim Schneiden des letzten von 3 Gewinden bricht der Gewindebohrer ab. Unmöglich für mich, den im Sackloch steckenden Rest des Gewindebohrers wieder herauszudrehen. Das würde ja noch gehen, der Deckel hält auch mit einer Schraube weniger. Was mich aber am meisten ärgert ist die Tatsache, dass ich ein Werkzeug beschädigt habe, das nicht mir gehört. Mit hängenden Ohren und innerlich vorbereitet auf rügende Worte des Eigentümers bringe ich das Werkzeug am Abend zurück. Schön seine Reaktion: «Oh! Gewindebohrer sind Verbrauchsware, die gehen gerne mal kaputt», meint er lachend und ist mit meiner Einladung zum Sundowner in der Marina Bar mehr als zufrieden.
Nach einer Woche an der Boje vor der Copra Shed Marina verlegen wir in die neue Nawi Island Marina an den Steg. Dort wird auf der Lupina geputzt, gewaschen, umgepackt und Platz geschaffen: wir erwarten Nelly, unsere Teilzeitmatrosin, die schon zum 3. Mal auf der Lupina anheuert. Wir wollen sie an einem Steg empfangen, so dass das Einleben für sie auf dem Schiff etwas angenehmer ist.
Am 28.7.2023 frühstücken wir gemütlich noch am Anker in Apia und dann geht’s los ins Ungewisse. Die Wettervorhersagen sind uneinheitlich wie nie. Von viel Wind bis kein Wind, von Gegenwind bis Rückenwind ist alles dabei. Wir benutzen 6 verschiedene Quellen für das Segelwetter, und jede prognostiziert etwas Anderes. Zumindest ist nichts Gefährliches vorausgesagt und wir nehmen die Weiterreise gegen Westen in Angriff. Unser Ziel: das Archipel Wallis, rund 250 Seemeilen liegen vor uns. Der erste Tag Segeln ist herrlich: schönes, sonniges Wetter und starker, achterlicher Wind, der uns schnell vorwärts bringt. Zuerst entlang der Nordküste von Upolu und dann entlang der Südküste von Savai’i, (beides Samoa) gewinnen wir schnell Distanz auf unserer Fahrt. Ganz anders der nächste Tag!
Was uns mehr zu schaffen macht sind die immer höher werdenden Wellen, welche die Lupina kräftig hin und her rollen lassen. Es scheppert und knackt in ihrem Bauch. Pia hat zum Glück alles gut verstaut und gepolstert. Zur Überraschung des Skippers (der Schreiberling) geht auf der Fahrt nichts zu Bruch.
In der letzten Nacht dreht der Wind dann noch für eine gute Stunde heftig auf, aber immer noch machen wir gute Fahrt. Erst ein paar Stunden vor dem Ziel lassen die Wellen nach, der Himmel hellt sich etwas auf und bei uns setzt sich die Gewissheit fest: ja, bei diesen Bedingungen können wir die Einfahrt in den nicht ungefährlichen Pass von Wallis wagen.
Heisst es «im» Wallis oder «in» Wallis? Kommt drauf an, wo du bist! Bist du in der Schweiz und reist in das südwestliche Gebiet der Schweiz, dann bist du «im» Wallis. Landest du mit einem Segelschiff auf einem gleichnamigen Inselatoll mitten im Südpazifik, dann bist du «in» Wallis. Obwohl den gleichen Namen – zu tun haben sie nichts miteinander. Einzig, die Landesflagge ähneln sich: weisses Kreuz auf rotem Grund, wobei das Kreuz hier auf der Insel aus 4 Dreiecken geformt ist.
Uns fällt auf, dass die Einheimischen sehr oft abends oder übers Wochenende mit eigenem Boot oder Taxi-Boot auf eine der zahlreichen Inseln im Atoll fahren und dort ein Leben in der einfachen Natur geniessen. Eindeutig die meiste Zeit verbringen sie sitzend oder liegend im klaren Meerwasser. Natürlich wird auch viel gegessen und im kühlenden Schatten unter dem Laub der Bäume gedöst.
Im Dorf werden wir immer wieder auf ein «Festival» angesprochen, das jedes Jahr am 15. August, zu Maria Himmelfahrt, stattfinden soll. Irgendein Plakat oder öffentliche Information dazu finden wir nicht. Wir beschliessen kurzerhand, unsere Weiterfahrt um ein paar Tage zu verschieben und selber herauszufinden, was es mit diesem «Festival» auf sich hat.
Bis alle Mitglieder der königlichen Familie, alle Kleriker, die Ehrenmänner und alle Ehrengäste ihr Kava getrunken haben verstreicht viel Zeit. Geduldig sitzen die Besucher am Boden und verfolgen das Geschehen. Stehen darf man nicht, einen Hut tragen auch nicht. Inzwischen haben wir erfahren, dass die Schweine auf dem Platz von Leuten aus den umliegenden Gemeinden gespendet sind. Der König verschenkt diese nun, auch wieder über seinen Sprecher (der König redet nie direkt zu seinen Untertanen), an die Bevölkerung. Dazu schreitet eben dieser Sprecher mit einem Mikrofon bewaffnet die Reihen der Schweine ab und liest den Namen des Beschenkten von einem Zettel ab, der dem Schwein angeheftet wurde.
Der Umweg über das Archipel Wallis hat sich mehr als gelohnt. Wir könnten problemlos noch einige andere Ankerplätze in der Lagune ausprobieren. Aber nach knapp 3 Wochen auf Wallis ruft das offene Meer (oder genauer gesagt Nelly, unsere bewährte Matrosin! Sie wartet am 29. August auf uns). Wir sind bereit für die Weiterreise. Unser nächstes Ziel, Fidschi (auch Fiji geschrieben), liegt rund 370 Seemeilen südwestlich von Wallis. Wir brauchen also ein Wetterfenster, das uns für 3 Tage guten, stabilen Wind aus östlicher Richtung verspricht. Ab Freitag scheint ein guter Zeitpunkt zu sein.
Stimmt diesmal die Wettervorhersage? Die Strecke ist berüchtigt für Störungen und Wellen, dazu lauern vorgelagert diverse Korallenriffe und Untiefen. Zum Glück konnte ich unser Tracking-Gerät in der Zwischenzeit wieder zum Funktionieren bringen, so dass du unsere Fahrt wieder online mitverfolgen kannst. Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser!
Samoa’s Geschichte Kurzversion: Um Samoa, das aus 3 grossen und ein paar kleinen Inseln besteht, haben sich ab dem 18. Jahrhundert ein paar Kolonialmächte gezankt. Heute ist der östliche Teil von Samoa noch unter dem Joch (Amerikanisch Samoa), während der westliche Teil seit 1962 unabhängig ist.
Samoa’s Geschichte Normalversion: Samoa wurde im Jahre 1722 erstmals offiziell von Europäern entdeckt und entwickelte sich in der Folge bald zu einem wichtigen Stützpunkt auf dem Handelsweg von Panama nach China und Australien. Ab dem frühen 19. Jahrhundert setzte ein regelrechtes Seilziehen um die Vorherrschaft über Samoa ein. Nebst den Vereinigten Staaten von Amerika buhlten vor allem Grossbritannien, Australien und Deutschland um die Macht. Während die Engländer versuchten, sich die Gunst der Bevölkerung durch das Entsenden von Missionaren zu sichern, setzten die Amerikaner und vor allem Deutschland auf Handel. Ab 1850 hatten tüchtige Hamburger Kaufleute ihre Konkurrenz aus Australien und Amerika überflügelt. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts griffen die an Samoa interessierten Mächte (USA, Grossbritannien, Deutschland) in Konflikte zwischen den Samoanern ein und sorgten dafür, dass der von ihnen bevorzugte Anwärter auf den Königsthron im Streit um die Macht die Oberhand behielt. Gleichzeitig ernannten sie Apia und das umliegende Gebiet zur neutralen Zone unter gleichberechtigter Aufsicht dieser drei Mächte. 1899, nachdem Grossbritanniens Interesse an Samoa nachgelassen hatte, wurden die westlichen Inseln von Samoa den Deutschen und die östlichen Inseln den Amerikanern zugeteilt. Bei Ausbruch des ersten Weltkrieges 1914 nutzten die Neuseeländer die Gelegenheit, warfen Deutschland, das nun anderweitig beschäftigt war, aus Samoa raus und übernahmen dessen Rolle. Hatten die Deutschen es geschafft, mit der lokalen Bevölkerung ein gutes Verhältnis aufrecht zu erhalten, gab es schon bald Konflikte zwischen der neuen Macht und den Samoanern. Der Ruf nach Unabhängigkeit wurde schnell lauter. Fast 50 Jahre später, 1962, erreichte West Samoa (seit 1997 offiziell einfach Samoa genannt) die Unabhängigkeit, ist aber Mitglied im Commonwealth of Nations, während die östlichen Inseln, das heutige Amerikanisch Samoa, ein Aussengebiet der Vereinigten Staaten geblieben sind.
Samoa Geschichte Langversion: Erspare ich dir – wer es wissen will: siehe Wikipedia
Sich tätowieren zu lassen ist in Samoa eine Ehrensache. Man kann sich entscheiden, dass man keines will. Das wird in der Gesellschaft akzeptiert. Aber wehe, jemand bricht ein Tattoo ab, weil ihm die Schmerzen zu gross sind. Nicht nur gilt er für den Rest seines Lebens als Feigling, nein, auch seine ganze Familie verliert ihre Ehre. Das vollständige Tattoo eines Mannes reicht vom Rumpf bis zu den Knien und wird in 12 verschiedenen Sessionen aufgetragen. Die Frauen sind nur im Bereich der Hüften tätowiert. Es werden noch die gleichen Werkzeuge (Nadelkamm aus kurzen scharfen Haifischzähnen oder angespitzten Knochen) verwendet, wie schon seit vielen Generationen. Die Kunst des Tätowierens wird vom Vater auf den Sohn übergeben und bleibt auf die berechtigten Familien begrenzt. Wir durften an einer Tattoo Zeremonie teilnehmen unter strengen Auflagen: keine Kopfbedeckung, Beinkleidung bis über die Knie, keine Schuhe, nicht stehen, keine Fotos.
Samoa hinterlässt gemischte Eindrücke bei uns. Man fühlt, dass sich die Menschen hier an ihren alten Traditionen festklammern, diese pflegen und leben. Diese alten Traditionen sind im Grunde auch wunderschön und beruhen auf Ehrlichkeit, Respekt, Vertrauen und Hingabe. Aber die moderne Welt stülpt sich wie ein Krake über das Einod im Pazifischen Ozean. Fast Food ersetzt die Speise aus dem Erdofen, die Smart Phones verdrängen das gemütliche Gespräch in den «Fales». Wir glauben nicht, dass Samoa sich noch lange gegen diese Entwicklungen anstemmen kann. Wir sind glücklich und froh, dürfen wir Samoa noch so erleben, wie wir es jetzt angetroffen haben.
Heute Donnerstag, 27.7.2023, haben wir nun ausklariert. Morgen Vormittag heben wir den Anker und setzen Segel in Richtung Wallis (nein, nicht das in der Schweiz – es gibt hier tatsächlich eine Insel, die so heisst!), rund 250 Seemeilen gegen Westen. Was der Wind uns bescheren wird – noch keine Ahnung. Von 6 Wetterprogrammen künden deren drei viel Wind und deren drei wenig Wind an. Wir könnten warten, aber die nächsten 10 Tage gibt es keine Stabilisierung der unsicheren Wetterlage.
Wir versuchen es einfach mal. Wenn du Lust hast, kannst du auf dem Tracker online mitverfolgen, wie unsere Reise verläuft. Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser!
Für die rund 250 Seemeilen nach Vava’u (Inselgruppe im Königreich Tonga) brauchen wir rund 48 Stunden, aber 3 Tage. Bitte was?? Ja, wir verlassen Niue am 18.6. vormittags und erreichen Neiafu auf Vava’u am Vormittag des 21.6. – also nach genau 3 Kalendertagen. Aber da war noch die Datumsgrenze! Die Datumsgrenze verläuft theoretisch entlang des 180. Längengrades. Um nicht innerhalb eines Landes unterschiedliche Daten zu haben, entschieden sich die Länder entlang dieser Zone, entweder nach dem Datum im Westen oder nach dem im Osten zu leben. Tonga hat beschlossen, das Datum vom Westen (Neuseeland) zu verwenden und die Datumsgrenze wurde im Bereich von Tonga auf 172.5° westliche Länge verlegt. Somit haben wir also unterwegs einen Tag übersprungen. Bei uns war es genau am 19.6. um 14:30 Uhr lokale Zeit soweit. Da hatten wir plötzlich den 20.6. und Heute wurde zu Gestern und Morgen zu Heute – alles klar?
Wir merken rasch: Tonga ist irgendwie anders als die bisherigen Inseln, die wir besucht haben. Das Königreich ist eines der einzigen Gebiete im Pazifik, das nie unter fremder Herrschaft gestanden hat. Das äussert sich in vielen Aspekten: Sprache, Kleidung, Traditionen, Lebensweise. Es ist kein Einfluss von einer Kolonialmacht erkennbar. Der einzige Einfluss in der Vergangenheit gab es durch die Missionare (erkennbar an den zahlreichen Kirchen mit den unterschiedlichsten Glaubensrichtungen) und in jüngster Vergangenheit die modernen Kommunikationsmittel wie Telefon, Fernsehen und Internet. Das Letztere hat vor allem die Verhaltensweise der jüngeren Generation stark beeinflusst. Sitzen die älteren Leute noch gemütlich im Schatten und suchen die innere Ruhe durch ein Beobachten ihrer Umwelt, hängen die Jungen an ihren Mobilgeräten und vergessen, was um sie herum passiert.
Nach einigen Tagen Ankerhüpfen auf Vava’u setzen wir am 5. Juli 2023 frühmorgens die Segel und nehmen Kurs auf zur nördlichsten Inselgruppe in Tonga: den Niuas. Die Gruppe besteht aus 3 Vulkaninseln, von denen aber nur eine mit einem Segelschiff angelaufen werden kann: Niuatoputapu (ja, man kann das aussprechen! Aber sogar die Einheimischen , es leben rund 700 Personen hier, kürzen es oft ab zu: Niua). Es wird eine schwierige Reise. Schon von Anfang an kämpfen wir mit hohen Wellen, die 2-3 Meter hoch genau seitlich auf uns treffen. Zudem bläst der Wind mit 20-25 Knoten deutlich stärker als angekündigt. Wir halten die Segel gerefft und versuchen einen Kurs zu wählen, der einigermassen Material und Menschen schonend ist. Trotzdem meldet sich seit langem wieder einmal die Seekrankheit bei Pia, und auch der Schreiberling ist froh, dass er nicht im Motorraum arbeiten muss.
Nach einer Tag- und einer Nachtfahrt erreichen wir am nächsten Morgen die Einfahrt von Niuatoputapu. Der Crew geht’s wieder gut.
Hier auf Niuatoputapu dürfen wir ein Tonga in seiner ursprünglichsten und natürlichsten Form erleben. Hier werden die überlieferten Traditionen noch gelebt und nicht nur für Touristen zelebriert. Die Familie ist das höchste Gut im Leben der Tonganesen. Die Gesellschaft wird durch 4 Grundwerte bestimmt: gegenseitiger Respekt, verlässlicher Umgang miteinander, Freigiebigkeit, Loyalität und Hilfsbereitschaft. Worte wie Habgier, Neid, Missgunst oder aber auch Strebsamkeit kennt diese Kultur nicht. Das ganze Leben dreht sich um die Familie, das ist wichtig, alles andere nicht. Für uns unglaublich schön zu erleben, wie schnell man als Fremder Zugang zu den Leuten hier findet – wie man, ohne es anzustreben, sogar unvermittelt in eine Familie aufgenommen wird.
Vielen Dank, Tiueti, für die wunderschöne Zeit bei dir und deinen Familien!!
Im kleinen Laden, wo wir kleinere Dinge einkaufen, erfahren wir, dass es der Mutter nicht gut geht und dass sie schwer erkrankt sei. Als wir am letzten Tag unseres Aufenthaltes in Niuatoputapu das Büro der Zollbeamtin verlassen, sehen wir, dass auf dem naheliegenden Friedhof ein Grab geöffnet wird. Zwei Männer sind noch da, einer sitzt neben dem Grab, der andere steht im Grab drin. Wir erkennen, dass das Grab, das geöffnet wurde, ein ausgemauerte Grube ist, und dass darin noch ein Skelett liegt. Der Mann im Grab nimmt vorsichtig einen Knochen nach dem anderen, reibt ihn mit einer wässerigen Flüssigkeit ab und legt ihn dann neben dem Grab auf einen Haufen. Wir sprechen den sitzenden Mann an und erkundigen uns. Ein sehr ergreifender Moment!! Der Mann erzählt uns, dass hier sein Vater vor knapp 30 Jahren beigesetzt wurde. Heute Morgen früh sei seine Mutter verstorben und sie werde nun zu ihrem Mann ins selbe Grab gelegt. Es ist die Frau vom Laden. Wir drücken unsere Anteilnahme aus und fragen, ob es ihn störe, wenn wir der Bestattung beiwohnen würden. Plötzlich leuchten seine Augen und er strahlt uns an: «Ja natürlich! Gerne sogar dürft ihr kommen!». Wir merken ihm seine aufrichtige Freude an.
Am späteren Nachmittag des gleichen Tages (wohlgemerkt nur rund etwa 12 Stunden nach dem Ableben der Frau) findet die Beisetzungszeremonie statt. Hier gibt es keine Kühlmöglichkeiten und deshalb muss alles schnell ablaufen. Zuerst findet die Abdankung in der Kirche statt, danach die Beisetzung auf dem 3 Kilometer entfernten Friedhof.
Ein wunderschönes, sehr emotionales und tiefst eindrückliches Erlebnis zum Abschluss unseres Aufenthaltes in Tonga.
Am zweiten Tag nach der Beerdigung lichten wir unseren Anker und setzen Segel Richtung Nordosten: Samoa. Rund 170 Seemeilen bis zur Insel und nochmals 20 Seemeilen bis zum Hafen. Wir haben anfänglich Glück und der Wind kommt etwas südlicher als angesagt. Wir können den Kurs gut halten. Dann aber plagt uns ein Squall (Gewitter/Regenschauer) und danach weht der Wind aus Osten oder sogar leicht nördlich: unmöglich, das Ziel direkt anzusteuern. Schnell verlieren wir die vorher gewonnene Höhe. Zudem wirft uns jede hohe Welle noch etwas weiter zurück. Trotz der etwas garstigen Umstände nähern wir uns Samoa in zügiger Fahrt, können es aber nicht vermeiden, dass wir noch einen Schlag aufkreuzen müssen. Erst kurz vor der Dämmerung erreichen wir die Küste und steuern einen auf der Karte geeigneten Ankerplatz an. Der Anker fällt gerade rechtzeitig vor dem Einbruch der Nacht und bevor ein heftiger Regenschauer uns auf Samoa willkommen heisst.
Was auf der Karte vor den Wellen vielversprechend als gut geschützter Ankerplatz ausgesehen hat, entpuppt sich nach einer kleinen Winddrehung in der Nacht als richtiger Schüttelbecher. Lupina rollt und schaukelt fürchterlich hin und her. Die Crew schläft schlecht diese Nacht. Beim ersten Morgengrauen (5:30 Uhr) lichten wir den Anker und nehmen unter Motor die letzten 20 Seemeilen, gegen Wind und Welle, nach Apia, dem Einklarierungsort in Samoa, in Angriff, wo wir am Freitag, 14.7.2021 um die Mittagszeit eintreffen. Über Funk melden wir uns bei der Hafenbehörde an, was umgehend den ganzen Einklarierungsprozess in Gang setzt. Wir sind überrascht. Von unseren vorher per E-Mail eingeschickten Unterlagen ist nichts vorhanden. Hafenbehörde und Gesundheitsinspektor verlangen als erstes etwas zu Trinken. Der Typ von der Immigration ist die Arroganz in Person. Unter anderem beschimpft er uns, weil wir keine Papierkopie unserer Pässe haben und will uns diese abnehmen. Der Mann von der Bio-Security kann ihn zum Glück etwas einbremsen. Die Zöllner wollen einfach ein Foto von der Lupina machen. Viel Geduld ist gefordert – nach 2 Stunden sind wir einklariert und dürfen 90 Tage bleiben. Jetzt sind wir einklariert und wir suchen ein WiFi oder eine SIM-Karte, um diesen Bericht hochzuladen. Wenn du ihn jetzt lesen kannst, dann sind wir bei der Suche erfolgreich gewesen (grins).
Samoa – im nächsten Bericht werden wir dich mit auf die Erkundungsreise einer neuen, uns noch völlig unbekannten Insel nehmen. Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser!
Direkt nach dem Frühstück heben wir am Samstag, 11.6.2023, den Anker und nehmen Kurs auf Richtung Beveridge Reef.
Niue wurde erstmals 1774 von Europäern entdeckt. James Cook fand die Insel auf seiner 2. Entdeckungsfahrt. Als er zu landen versuchte, wurde er von den Eingeborenen mit Speeren bewaffnet und, wie Cook glaubte, mit Blut bemalt angegriffen und vertrieben. Ohne in der garstigen Uferzone gross Gegenwehr leisten zu können, flüchtete er zurück aufs Schiff, und er gab der Insel den Namen «die Insel der Wilden». Später stellte sich heraus, dass die rote Farbe nicht Blut, sondern «hulahula» war, eine einheimische rote Banane. Der Name der Insel hielt sich aber bis ins 20. Jahrhundert, ehe sich der ursprüngliche Name, Niue, sich wieder auf den Seekarten durchsetzen konnte.
Niue bedeutet: «gib Acht auf die Kokosnuss». In Überlieferungen wird berichtet, dass die ersten Menschen, die auf der Insel Fuss fassten, nichts Essbares ausser Fisch vorfanden. Auf der Suche nach Nahrung gelangten 2 Insulaner mit ihren Kanus nach Samoa. Dort gaben ihnen Einheimische Kokosnüsse (in der lokalen Sprache «niu») mit aufs Boot, die sie nach Niue transportierten und dort pflanzten. Seitdem gibt es auf der Insel Kokospalmen und so bekam sie ihren Namen «gib Acht auf die Kokosnuss», Niue.
Die Wettervorhersage begeistert uns nicht wirklich. Es ist zwar Sonnenschein angesagt, aber der Wind wird über Westen nach Süden drehen und sich abschwächen. Für uns bedeutet dies, dass wir zuerst gegenan kämpfen und später dann den Wind suchen müssen. Egal, wir haben viel Zeit und das ist immer noch besser, als an der Boje hin und her gerollt zu werden. Vielleicht haben wir ja auch mal wieder Glück und es kommt besser als angesagt.
Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser!