Spanien fesselt uns an sich – ein kleiner Zwischenfall

Im letzten Bericht habe ich einen Zwischenfall erwähnt, den ich nun hier beschreiben will.

Wir sind also recht flott über die Biskaya rüber geblasen worden und haben am Sonntag Morgen die Küste gesichtet.  Weil wir so früh dran waren in unserer Planung, entschieden wir kurzerhand, nicht direkt bis La Coruña durchzusegeln, sonder in einer der ersten schönen Buchten den Anker zu werfen und uns dort von Strapazen zu erholen. Also liefen wir eine grosse, ruhige Bucht an, an der ein kleines Fischerdorf  lag. Wir nahmen ein Bad (Wasser 20°C), frühstückten ausgiebig, machten dann das Dinghi für einen Landgang bereit. Das Dörfchen animierte uns zu eine ausgedehnten Spaziergang und Besichtigung des Fischereihafens, der hier zu unserem Erstaunen recht industrialisiert aussah: gepflegte Fischerboote, grosses modernes Kühlhaus direkt am Hafen, und sogar Arbeiterwohnungen direkt am Meer. Gegen Abend dann zurück aufs Boot, gut gegessen, guten Wein getrunken und dann früh ins Bett.

Unser Ankerplatz in der Bucht von Cedeira, 25 Meilen nordöstlich von La Coruña

Am nächsten Morgen, das Wetter war zuerst stark neblig, aber bald brach die Sonne durch, machten wir das Schiff klar für die Fahrt nach La Coruña. Heute war Pia wieder daran, nach vorne zu gehen um den Anker hochzuziehen. Ich war am Steuer und fuhr der Ankerkette nach. Pia gibt mir dazu Handzeichen , die wir abgemacht haben. So läuft alles wortlos und schon sehr gut eingespielt. Aber halt! Diesmal war es anders. Es kam von ihr kein Zeichen „Anker frei“. Hat sie es vergessen? Ich will sie fragen (dazu müsste ich laut schreien, damit sie es vorne am Bug hört) als ich merke, dass das Schiff einen kleinen Ruck macht und vom Anker gestoppt wurde. Der Anker sitzt offenbar fest! Kein Problem, denke ich. In unserem Buch und in der Karte steht ja, dass  der Ankergrund gut hält. Also was macht der Skipper bei einem gut haltenden Anker? Anker losbrechen, indem mit dem Schiff rund um den festsitzenden Anker gefahren wird und gegen die Richtung, wie er festgefahren wurde, gezogen wird. Genau das mach ich, aber wieder nur ein Ruck. Der Anker hält wie in einem Schraubstock. Langsam werde ich nervös. Das ist mir erst einmal passiert, am Bodensee, als der Anker sich an einer Abwasserleitung festgehängt hatte. Das war auf 3 Meter Tiefe und ein Sprung ins Wasser, kurzes Tauchen und ich hatte ihn lose. Aber hier war die Wassertiefe etwa 6-8 Meter – keine Chance ohne Tauchgerät.

Nun, Tauchgerät haben wir an Bord, neu von unserem Vorgänger, aber noch nie gebraucht und absolut unkundig, wie das überhaupt geht (ich werde so schnell wie möglich eine Taucherausbildung machen!!). Also was machen? Wir funken den Hafen an. Wir können schlecht Spanisch, die Dame dort schlecht Englisch. Irgendwie schaffen wir es, von ihre eine Telefon Nummer zu erhalten. Rufen dort an.  Der Mann am anderen Ende legt aber sofort wieder auf, hat offenbar keine Lust, uns zu helfen. Nach dem 3. Versuch geben wir es auf, rufen die Dame im Hafen nochmals an. Sie verspricht, selber anzurufen und den Mann zu motivieren, uns sofort zurückzurufen. Nichts passiert. Da hat Pia nach einem Blick über die Schiffe, die um uns herum auch geankert haben, die gute Idee, dass vielleicht einer von denen ein geübter Taucher ist. Und es hat tatsächlich Boote in unserer Nähe, die fast überquellen von diesem charakteristischen Ausrüstung, welche Langfahrten-Schiffe als solche erkenntlich machen. Wir machen unser Dinghi wieder fahrbereit und steuern das nächstgelegene Schiff an – und sind auf Anhieb erfolgreich. Zwei Italiener, die wir gerade beim Essen stören. Sie wollen das zuerst beenden, dann die Tauchflasche füllen und in etwa 2 Stunden bei uns sein. Wir haben keine Eile und sind froh, dass uns jemand helfen will und fahren zurück zu unsrem Schiff. Auch die 100 Euro, die die beiden für ihre Hilfe haben wollen ist fair in Anbetracht des Wertes von Anker und Kette in Edelstahl, die schnell einmal ein paar 1000 Euro kosten können.

Es vergeht knapp 1 Stunde als wir das Knattern eines Aussenborders hören. Die beiden Italiener sind schon da – aber ohne Taucherausrüstung? Der Englisch Sprechende der beiden Männer kommt an Bord und erklärt uns, dass sein Kollege, ein erfahrenen Seemann, eine andere Idee habe und das zuerst probieren will. Uns soll’s recht sein, egal wie, der Anker muss einfach loskommen. Wir geben das OK. Der andere Mann fährt mit seinem Dinghi zu unserem Bug und legt eine kurze Kette wie einen Ring um unsere Kette. Seine Kette befestigt er an einem starken Tau und lässt dann den Kettenring an unserer gestreckten Kette in die Tiefe gleiten bis zum Anker.

Um unsere Ankerkette wird eine kurze, starke Kette gelegt, und diese dann an einem Seil in die Tiefe gelassen

Dann fährt er mit seinem Boot ca. 20-30 Meter weg, zieht und rüttelt dabei mit voller Kraft am Seil. Gleichzeit lösen wir unsere Kette ein paar Meter, so dass kein Zug auf dem Anker ist. Nach ein paar Minuten gibt der Mann auf, schüttelt den Kopf und meint, es habe sich nichts gelöst. Ein letzter Versuch, noch einmal ziehen wir den Anker hoch und – oh Wunder! Wie von Zauberhand gelöst, kommt der Anker raus.

Nur etwas Algen hängen am Anker, sonst absolut sauber
Durch unser Ziehen und Rucken mit dem Schiff haben sehr grosse Kräfte auf das Ankergeschirr gewirkt, Das Verbindungsteil Kette – Anker ist verbogen und muss ersetzt werden

Wir wissen bis heute nicht, was den Anker unten blockiert hatte. Steine gibt es laut Karte und Berichten dort keine. Der erfahrene Italiener meint, dass es in der Nähe von Fischerhafen immer alte Netze am Boden haben kann, die jemand einfach dort entsorgt hat. Wenn diese dann über mehrere Jahre gut eingespült sind, halten diese wie Stahlseile.

Wir sind erleichter! Die beiden Italiener konnten uns helfen, und wir sind um eine Erfahrung reicher. Über die Verweigerung von Hilfe durch den Hafen wollen wir uns nicht mehr länger wundern 🙂

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