Fiji – erster Stopp: Savusavu

Am Morgen des 18. August 2023 heben wir hinter dem östlichsten Motu von Wallis den Anker und fahren unter Gross-Segel bei auslaufender Strömung durch den Pass.

Der angesagte Wind stellt sich tatsächlich ein. Wir haben über einen Grossteil der rund 360 Seemeilen langen Segelstrecke nach Fiji fast perfekte Verhältnisse: Wind mit 10-15 Knoten querab aufs Schiff und eine nicht allzu grosse Welle schräg von hinten. Wir machen gute Fahrt und zur Abwechslung verschonen uns die Squalls (Regengewitter) auf der ganzen Fahrt.

Wie immer setzt Pia beim Erreichen der Hoheitsgewässer eines neuen Landes, in diesem Fall von Fiji, die Gastlandflagge und die gelbe Quarantäne Flagge
Etwa 50 Seemeilen vor unserem Zielhafen Savusavu auf der Insel Vanua Levu dann ein besonderer Moment auf unserer nun schon über 5 Jahre dauernden Segelreise: am Sonntagabend, 20.8.2023, genau um 18:32 Uhr lokale Zeit überqueren wir den 180. Längengrad. Wir hatten 2018 unsere Fahrt in Brighton, also im Süden von London, beim 0. Längengrad begonnen. Damit haben wir jetzt mit unserer Lupina die Erdkugel genau zur Hälfte umrundet. Das Bild zeigt die Weltkugel einmal vom Nordpol gesehen, und einmal vom Südpol. Die rote Linie zeigt Längengrad 0, die grüne Linie Längengrad 180. Gelb die Segelstrecke von Lupina. Zwischen Panama und den Galapagos Inseln haben wir den Äquator überquert und segeln seither auf der Südhalbkugel.
Ganz unüblich: wir feiern diesen Moment der halben Weltumsegelung mit einem winzig kleinen Schluck Tahitischen Rum. Einen grösseren Schluck erhalten die Götter des Meeres, die uns bisher grösstenteils gut gesinnt waren. Ein Moment der inneren Freude und auch des Stolzes, den wir bei einem herrlichen Sonnenuntergang geniessen können.

Wir haben unsere Fahrt so geplant, dass wir am Montagmorgen in Savusavu eintreffen, um den Beamten der Einklarierungsbehörden das Wochenende nicht zu verderben und gleichzeitig teure Überzeitzuschläge einsparen zu können. Gegen Sonntagabend sind es bloss noch etwa 40 Seemeilen, die uns vom Ziel trennen. Wir können verlangsamen. Es stört uns daher auch wenig, dass kurz nach der Umschiffung der Insel Taveuni der Wind stark nachlässt. Bis Mitternacht schaukeln wir immer noch mit 3-4 Knoten Fahrt unserem Ziel entgegen. Als dann gegen 2 Uhr in der Früh der Wind komplett einschläft, darf endlich unser Kari (der Motor) wieder mal ran. Zufrieden brummend schiebt er unsere Lupina durch das Wasser. Kurz nach 8 Uhr erreichen wir die Copra Shed Marina in Savusavu: wir sind am Ziel

Die berühmte Copra Shed Marina von Savusavu auf der Insel Vanua Levu, Fiji
Wir vertäuen unsere Lupina an einer Boje der Copra Shed Marina, direkt vor Savusavu, und warten auf die Behörden für die Einklarierung. Savusavu ist eine Kleinstadt mit rund 7’000 Einwohnern. Seit dem 19. Jahrhundert ist Savusavu eine für Vanua Levu wichtige Hafenstadt. Bekannt ist Savusavu durch seine Thermalquellen, als Yachthafen und als Tauchgebiet.
Gegen 10 Uhr kommt die Gesundheitsinspektorin an Bord. Seit der Covid Zeit ist dieses Amt fast überall aufgewertet worden. Erst wenn Schiff und Crew vom gesundheitlichen Standunkt als gut befundet sind, darf die gelbe Quarantäne Flagge entfernt werden. Dies gilt für die anderen Beamten als Zeichen, dass sie jetzt ungefährdet an Bord kommen können, um ihr Amt auszuüben. Im Bild (von links) der Mann von der Biosecurity (Agrarbehörde, kontrolliert ob wir irgendetwas an Bord mitführen, das die Natur der Insel gefährden könnte, wie zum Beispiel ungewollte Pflanzen, Parasiten, Mäuse, Ameisen, etc.), die sehr kompetente Beamtin vom Zoll, die nette Lady und ihr Begleiter von der Immigration.
Die Beamten kommen rund 2 Stunden nach der Gesundheitskontrolle an Bord und knapp 45 Minuten später sind wir provisorisch einklariert. Provisorisch? Ja, die Gesundheitskontrolle und die Überprüfung unseres Schiffes auf nicht gewollte Parasiten und Pflanzen sind gebührenpflichtig – in bar. Zum Entrichten dieser Gebühr muss man zuerst an Land, lokale Währung besorgen, dann zum Spital laufen (1.5 Kilometer, die Gebühr ist mit rund CHF 75 hoch und wahrscheinlich ein Überbleibsel von der Covid-Kontrolle) und danach bei der Agrarbehörde ebenfalls den Obolus entrichten. Erst jetzt, mit den entsprechenden Belegen in der Hand, geht’s abschliessend wieder zum Zoll, wo wir nun den definitiven Einklarierungsstempel erhalten. Somit haben wir innerhalb eines halben Tages schon die ganze Kleinstadt abgelaufen. Die Bewilligung, Fiji besegeln zu dürfen und andere Inseln anzulaufen erhalten wir erst 2 Tage später von der Zollbehörde.
Ob diese Frauen wohl über die Herkunft unserer Lupina (Bildmitte) diskutieren oder über das noch schwimmende, aber stark vernachlässigte Schiff mit seinem gebrochenen Mast?
In Stadtnähe ist das Gelände nur am Ufer entlang flach. Die restliche Gegend um Savusavu herum zeigt sich stark zerfurcht und hügelig. Die Häuser sind meist mit Blechdächern versehen, entweder als Flachdach ausgebildet oder, wie hier im Bild, mit traditionellen Steildächern. Zwischendrin: viel intensives Grün in allen Variationen.
Oftmals sind auch die Wände der Häuser aus Wellblech gefertigt. Eine Isolation gegen Kälte braucht es natürlich nicht.
Blick über die Bucht von Savusavu und die vorgelagerte Insel Nawi, wo vor kurzem eine neue Marina aus dem Korallen- und Vulkangestein gebaggert wurde und nun bereits teilweise in Betrieb genommen ist.
Wie die meisten Inseln von Fiji ist auch Vanua Levu vulkanischen Ursprungs. Die Vulkane sind mittlerweile erloschen, aber immer wieder trifft man auf Hinweise bezüglich des heissen Untergrundes, über dem die Inseln lagern. Wie hier: heisse Quellen, die Nakama Hot Springs. Aus dem Boden tritt kochendes Wasser (98°C warm) an die Oberfläche. Auch heute noch werden diese Quellen zum Kochen benutzt. Beim Strandwandern entlang der Bucht von Savusavu ist es ratsam, vorsichtig zu sein: auch hier gibt es immer wieder Stellen, wo heisses Wasser aus dem Sand sichert.
Arbeit auf der Lupina und Erinnerung an den fürchterlichen Ankerplatz im Hafen von Aitutaki (Cook Islands). Da hatte sich ein auf dem Hafengrund liegender Draht in der Kette verfangen. Beim Einholen der Kette hat er sich ins Kettenrad verdreht und die Kette mitgezogen. Dabei wurde ein Kunststoffteil (Kettenteiler), welches dafür sorgt, dass die Kette vom Rad abgestreift und in den Ankerkasten geschoben wird, abgebrochen. Zum Glück haben wir ein neues Kettenrad mit neuem Kettenteiler aus Metall an Bord. Wir können die Reparatur in Angriff nehmen.
Beim Einklemmen der Kette wurde eine Schraube abgebrochen. Von einem anderen Schiff kann ich Werkzeug auftreiben, um den Schraubenrest aus dem Gewinde zu holen und das Gewinde von M5 auf M6 zu erweitern (die alten M5 Schrauben sind beschädigt, die neu mitgelieferten Schrauben sind aber M6. Neue M5 Schrauben kriegen wir trotz langem Suchen in Savusavu leider nicht)
Das alte Kettenrad wäre noch brauchbar, ich ersetze es aber mit dem Neuen.

Nicht bebildert, weil ich mich in dem Moment, wo es passiert, fürchterlich ärgere: beim Schneiden des letzten von 3 Gewinden bricht der Gewindebohrer ab. Unmöglich für mich, den im Sackloch steckenden Rest des Gewindebohrers wieder herauszudrehen. Das würde ja noch gehen, der Deckel hält auch mit einer Schraube weniger. Was mich aber am meisten ärgert ist die Tatsache, dass ich ein Werkzeug beschädigt habe, das nicht mir gehört. Mit hängenden Ohren und innerlich vorbereitet auf rügende Worte des Eigentümers bringe ich das Werkzeug am Abend zurück. Schön seine Reaktion: «Oh! Gewindebohrer sind Verbrauchsware, die gehen gerne mal kaputt», meint er lachend und ist mit meiner Einladung zum Sundowner in der Marina Bar mehr als zufrieden.

Wir wollen in den nächsten Wochen Fiji besegeln. Es gibt 332 Inseln!! Auf den meisten dieser Inseln, die zwar nicht alle bewohnt sind, werden noch die ursprünglichen Traditionen gepflegt. Dazu zählt, dass ein Besucher den «Chief» um Erlaubnis fragen muss, im Gebiet seines Dorfes ankern und das Land betreten zu dürfen. Dies geschieht mit einer speziellen Zeremonie, zu der auch Kava Trinken gehört. Es herrschen strenge Regeln, was die Bekleidung betrifft: keine Sonnenbrille, keine Kopfbedeckung, Knie und Schultern müssen bedeckt sein. Ich könnte mir ein paar lange Hosen aus dem Bauch der Lupina graben, entscheide mich aber, die lokale Tradition zu respektieren: Männer tragen Sulu!
Wir wagen uns auch an eine weitere Tradition. Wie in allen polynesischen Ländern ist auch hier das Tätowieren eine alte Tradition. Wir möchten schon länger einen Fingerring tätowieren lassen (die Verletzungsgefahr mit einem Metallring am Finger auf dem Schiff wäre zu hoch). Wir nutzen nun die Gelegenheit in Savusavu. Pia’s Gesichtsausdruck sagt alles: diesmal kommt das Tattoo nicht gut. Wir fangen uns beide eine tüchtige Entzündung ein – auch 5 Tage danach ist die Wunde noch offen. Schlechte Arbeit, ungenügende Hygiene, zu tief gestochen oder unverträgliche Tinte – wir wissen es nicht.

Nach einer Woche an der Boje vor der Copra Shed Marina verlegen wir in die neue Nawi Island Marina an den Steg. Dort wird auf der Lupina geputzt, gewaschen, umgepackt und Platz geschaffen: wir erwarten Nelly, unsere Teilzeitmatrosin, die schon zum 3. Mal auf der Lupina anheuert. Wir wollen sie an einem Steg empfangen, so dass das Einleben für sie auf dem Schiff etwas angenehmer ist.

Jeden Abend sitzen die Angestellten der Nawi Island Marina zusammen und geniessen eine Runde Kava.
Jetzt sind wir bereit, Nelly kann kommen! Mit ihr zusammen wollen wir die nächsten 5 Wochen den östlichen Teil von Fiji, die Lau Inseln besegeln und dann mit Zwischenstopps über die Inseln im Zentrum an die Nordküste von Viti Levu, der Hauptinsel von Fiji, gelangen.
Am Dienstag, 29.8.2023, ist sie eingetroffen: Nelly, die Seglerin, die bisher mit uns etwas Pech hatte. Nie viel Wind, eher langsame Passagen, viele davon auch unter Motor (Las Perlas in Panama). Das Gebiet hier verspricht definitiv mehr Action. Ist sie so seetauglich, wie wir meinen? Gelingt uns auch mal eine Fahrt bei Starkwind? Wie schläft sie an einem rolligen Ankerplatz oder während einer Nachtfahrt? Sie wird es euch selber erzählen – im nächsten Bericht. Den Schreiberling freut’s: er geniesst die Pause :))
Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser!

Wallis – das unbekannte Paradies Mitten im Pazifik

Ein letztes Bild mit der Bedienung von unserem Lieblingsrestaurant direkt beim Dinghi-Steg in Apia (Samoa). Wir verabschieden uns für die Weiterreise.

Am 28.7.2023 frühstücken wir gemütlich noch am Anker in Apia und dann geht’s los ins Ungewisse. Die Wettervorhersagen sind uneinheitlich wie nie. Von viel Wind bis kein Wind, von Gegenwind bis Rückenwind ist alles dabei. Wir benutzen 6 verschiedene Quellen für das Segelwetter, und jede prognostiziert etwas Anderes. Zumindest ist nichts Gefährliches vorausgesagt und wir nehmen die Weiterreise gegen Westen in Angriff. Unser Ziel: das Archipel Wallis, rund 250 Seemeilen liegen vor uns. Der erste Tag Segeln ist herrlich: schönes, sonniges Wetter und starker, achterlicher Wind, der uns schnell vorwärts bringt. Zuerst entlang der Nordküste von Upolu und dann entlang der Südküste von Savai’i, (beides Samoa) gewinnen wir schnell Distanz auf unserer Fahrt. Ganz anders der nächste Tag!

Schon in der in der Nacht ziehen dicke Wolken auf, Wind und Wellen nehmen deutlich an Stärke zu.
Wir sind zwar immer noch zügig unterwegs, aber der Himmel über uns ist komplett dicht und es schüttet fast den ganzen Tag in Strömen. Wir sind froh, auf einem Schiff zu sein. Wäre diese Menge Regen an Land gefallen, hätte es garantiert Überschwemmungen gegeben.

Was uns mehr zu schaffen macht sind die immer höher werdenden Wellen, welche die Lupina kräftig hin und her rollen lassen. Es scheppert und knackt in ihrem Bauch. Pia hat zum Glück alles gut verstaut und gepolstert. Zur Überraschung des Skippers (der Schreiberling) geht auf der Fahrt nichts zu Bruch.

Das Einzige, was aussteigt, ist leider das Gerät, das unsere Reise für euch aufzeichnet – es hat einfach ohne Vorwarnung aufgehört, Daten zu senden.

In der letzten Nacht dreht der Wind dann noch für eine gute Stunde heftig auf, aber immer noch machen wir gute Fahrt. Erst ein paar Stunden vor dem Ziel lassen die Wellen nach, der Himmel hellt sich etwas auf und bei uns setzt sich die Gewissheit fest: ja, bei diesen Bedingungen können wir die Einfahrt in den nicht ungefährlichen Pass von Wallis wagen.

2 Stunden vor Ebbe rollen wir unsere Segel ein und lassen uns langsam vor dem Wind der Südküste des Atolls von Wallis entlang treiben. Pia nutzt diese Gelegenheit und setzt die Gastlandfahne und die Gelbe Q-Flagge (Zeichen für Quarantäne)
Wie erwähnt ist der Pass ins Atoll von Wallis nicht ungefährlich. Mehrere Wracks bezeugen das eindeutig. Wir sind froh, dass er uns harmloser empfängt, als wir gelesen haben. Die gut 3 Meter hohen, brechenden Walzen links und rechts neben uns lassen aber erahnen, dass bei falscher Planung, ungeschickter Kurswahl oder bei grösseren Wellen Gefahr droht. Genau bei «Slack Water» (die Strömung im Pass kommt zum Stillstand) gleitet Lupina mit über 5 Knoten Fahrt sicher und ruhig ins Atoll. Wallis – wir sind angekommen!

Heisst es «im» Wallis oder «in» Wallis? Kommt drauf an, wo du bist! Bist du in der Schweiz und reist in das südwestliche Gebiet der Schweiz, dann bist du «im» Wallis. Landest du mit einem Segelschiff auf einem gleichnamigen Inselatoll mitten im Südpazifik, dann bist du «in» Wallis. Obwohl den gleichen Namen – zu tun haben sie nichts miteinander. Einzig, die Landesflagge ähneln sich: weisses Kreuz auf rotem Grund, wobei das Kreuz hier auf der Insel aus 4 Dreiecken geformt ist.

Gelb das Wappen des Königreiches Uvea (auf Wallis gibt es insgesamt 3 Königreiche: Uvea ist die Hauptinsel). Rot mit weissem Kreuz die Farben von Wallis. Um die Verbundenheit zu Frankreich zu bezeugen, ist noch dessen Hoheitszeichen auf der Flagge integriert worden. Wie Französisch-Polynesien ist Wallis und seine Nachbarinsel Futuna ein Überseegebiet von Frankreich. Die offiziellen Sprachen sind Wallisisch (ein Polynesischer Dialekt verwandt mit der Sprache von Tonga) und Französisch.
Heute leben rund 8’300 Menschen im sehr fruchtbaren Atoll. Es erinnert uns stark an Gambier (Franz.-Polynesien). Auch hier gibt es eine Hauptinsel, Uvea, und etwa zwei Dutzend kleinere, vorgelagerte Inseln. Alles schützend umgeben von einem breiten Korallenriff: aussen tobt die donnernde Brandung, innen lockt eine mit allen erdenklichen Blautönen schimmernde Lagune zum erfrischenden Bad, Schnorcheln oder Tauchen. Fast in allen Windlagen zuckelt unsere Lupina friedlich an ihrer Ankerkette im ruhigen Wasser.
Vor rund 1’000 Jahren wurde Wallis von Tonga aus erobert und bevölkert. Im frühen 17. Jahrhundert entdeckten Holländische Seefahrer das Archipel als erste Europäer. 1767 wurde es durch Samuel Wallis (dem späteren Namensgeber für das Atoll) für die Engländer beansprucht. Die offenbar nachhaltigste Eroberung aber gelang Französischen Missionaren ab 1837, deren pompösen Zeugnisse in Form imposanter Kirchen sich überall auf der Insel finden. Im Bild die Kathedrale Notre Dame de l’Assomption, welche in Hauptort Mata Utu direkt neben dem königlichen Palast steht.
Die dicken Mauern aus Lavasteinen und ein Dachstock aus Mahagoni Holz geben dem Inneren der Kathedrale ein schlichtes aber solides und irgendwie edles Erscheinungsbild.
Die grösseren Orte und der Flughafen sind mit gut unterhaltenen, geteerten Strassen verbunden. Entlang der Küste wartet aber noch viel Fahrspass auf den Skipper.
Das Küstenbild der Hauptinsel Uvea ist stark geprägt durch den Wechsel von Ebbe und Flut, deren Differenz bei Springflut bis zu 1.6 Meter beträgt. Da die Uferzone vielerorts sehr flach ausgebildet ist, muss das Anlanden mit dem Schiff immer nach den Gezeiten geplant werden. Nur bei Flut gelangt man bis ans Ufer.
Bei Ebbe liegen die Schiffe trocken. Das ist auch für unsere Landgänge von Bedeutung. Wir planen diese immer so, dass wir bei der Wegfahrt immer mindestens so viel Wasserhöhe vorfinden, wie wir beim Anlanden hatten. Würden wir das mal verpassen, drohen ein paar hundert Meter mühsames Dinghi Tragen und Ziehen über schlammig-steinige Uferzone.
Wie auf anderen Inseln finden wir auch auf Wallis ein Mix zwischen modernem Leben und alter, überlieferter Kultur. So bewegen sich die Leute heute einerseits mit neueren, protzigen 4×4 SUVs, beschäftigen sich mit Mobiltelefonen und verdrücken Fast Food, und andererseits fahren sie fast täglich mit ihren Pirogen raus aufs Meer, verbringen das Wochenende wie früher unter freiem Himmel auf einer der vorgelagerten Inseln, oder gehen altem Handwerk nach. Hier zum Beispiel liegt eine Piroge, die nach alter Kunst aus Holz gefertigt wurde.
Im Detail dann kommen aber doch neuere Techniken dazu: der Holzbalken dürfte mit einer modernen Säge zugeschnitten sein, und Draht wurde früher sicher nicht verwendet. Aber immerhin: man versucht, sich an die alten Traditionen zu erinnern und sie weiter leben zu lassen.
Wohnhaus auf dem Lande. Meist ein einfacher, grosser Raum zum Schlafen. Gelebt und gekocht wird oft unter einem mit Blech bedeckten Unterstand.
Das Flughafengebäude von Wallis. Auch hier nimmt die Architektur die traditionellen Formen auf und kombiniert diese mit modernen Baustoffen und Technologien.
Für uns nicht nachvollziehbar: auf Schritt uns Tritt stossen wir auf riesige Kirchen, die Platz für 500 bis 1000 Personen bieten. Alle mit mehrstufigem, dominierendem Glockenturm. Wir wissen zwar, dass die Leute auf Wallis, wie auch auf vielen anderen Polynesischen Inseln, sehr religiös sind und dass die Bevölkerungszahl früher einiges grösser gewesen sein dürfte. Aber so viele Kirchen!?! Und es werden noch mehr gebaut!! Bild: Eglise Saints Pierre & Paul bei Vaitupu
Chapelle de Lausikula im Ort Vaimalau
Église du Sacré-Coeur beim Dorf Lavegahau

Uns fällt auf, dass die Einheimischen sehr oft abends oder übers Wochenende mit eigenem Boot oder Taxi-Boot auf eine der zahlreichen Inseln im Atoll fahren und dort ein Leben in der einfachen Natur geniessen. Eindeutig die meiste Zeit verbringen sie sitzend oder liegend im klaren Meerwasser. Natürlich wird auch viel gegessen und im kühlenden Schatten unter dem Laub der Bäume gedöst.

Wie vielerorts in Polynesien sind auch die Walliser sehr religiös. Nebst Essen, Baden und Schlafen wird ein wesentlicher Teil der Freizeit auch damit verbracht, die auf jeder Insel vorhandenen Anbetungsstätte zu pflegen und zu huldigen.
Fort Talietumu – eine prächtige Festung aus Lavasteinen mitten im Urwald, gebaut im 15. Jahrhundert zur Zeit der Herrschaft von Tonga.
Fast alle Inseln und Archipele in Polynesien haben vulkanischen Ursprung. Bei einigen Inseln merkt man kaum noch etwas davon, bei andern sind die Spuren deutlich sichtbar. Hier auf der Hauptinsel von Wallis hat es mehrere eingefallene Krater, die mit Wasser gefüllt sind. Der Lac Lalolalo ist mit seinen 400 Metern Durchmesser und 80 Metern Wassertiefe im Krater das imposanteste Beispiel.
Wir suchen vergebens einen Berg (die höchste Erhebung, Mont Lula Fakahega, ist bloss 151 Meter hoch), um die Aussicht zu geniessen. Da aber ist alles überwachsen mit Bäumen und Sträuchern. Den besten Weitblick geniessen wir von der Strasse, die quer über die Insel führt. Lupina liegt direkt vor der mittleren Insel in 10 Meter tiefem Wasser.
Lupina vor der Insel Fugalei. Es herrsch gerade Ebbe. Bei Flut steigt das Wasser um bis zu 1.6 Meter und überflutet das ganze Gebiet bis zum Waldrand der Insel. Wir sind meist das einzige Schiff vor Anker. Schiffe kommen leider sehr selten vorbei auf Wallis. Gemäss Zollbeamten sind wir dieses Jahr das 19. Schiff. Obwohl jetzt gerade die beste Saison wäre, befinden sich während unseres fast 3 wöchigen Aufenthaltes insgesamt nur 5 weitere Yachten hier.
Wir sind erkundungslustig und wechseln den Ankerplatz alle paar Tage. Am besten gefällt es uns eindeutig am Aussenriff. Das Riff (heller Bereich), hinter dem unsere Lupina sicher vor Anker liegt, ist zwischen 100 bis 300 Meter breit. Bei Ebbe fällt der Wasserspiegel im Bereich der Brandung bis auf die Riffkante. Bei Springflut wird diese von der Brandung gut um 1.6 Meter überspült. Überflüssig zu erwähnen: das Wasser ist absolut glasklar, die Sicht beim Schnorcheln ist deutlich über 50 Meter weit.
Lupina vor Anker bei der Insel Nukuhifala. Die dunklen Flecken im Wasser sind Korallen, wunderschön zum Schnorcheln. Im hellen Riffbereich ist leider vor ein paar Jahren alles durch einen Zyklon zerschlagen und abgebrochen worden.
Ein paradiesischer Ankerplatz – und auch das Wetter spielt seit einigen Tagen wieder perfekt mit.
Unser Alltag vor Anker: nach dem Frühstück zuerst Kopfarbeit (Berichte schreiben, Video schneiden, Lesen, Wetter studieren, usw.) und wenn es langsam zu heiss wird ins Wasser oder ins Dinghi und die Welt unter und neben uns erkunden. Hier zum Beispiel sind wir auf einem Spaziergang um eine der Inseln auf dem Riff. Am Nachmittag etwas Arbeit auf dem Boot (Unterhalt und kleinere Reparaturen) und immer wieder Abkühlen im Wasser (die Luft ist 30-32°C, das Wasser 28°C). Pünktlich zum Sonnenuntergang dann einen (oder für den Skipper manchmal auch 2) genüsslichen Sun-Downer.
Idylle am Ankerplatz

Im Dorf werden wir immer wieder auf ein «Festival» angesprochen, das jedes Jahr am 15. August, zu Maria Himmelfahrt, stattfinden soll. Irgendein Plakat oder öffentliche Information dazu finden wir nicht. Wir beschliessen kurzerhand, unsere Weiterfahrt um ein paar Tage zu verschieben und selber herauszufinden, was es mit diesem «Festival» auf sich hat.

Schon früh um 7 Uhr geht es mit einem Gottesdienst in der grossen Kathedrale von Mata Utu los.
Wir sind, wie es sich für anständige Schweizer gehört, ein paar Minuten früher auf dem Platz und sehen, dass vor dem Pfarrhaus neben der Kirche ein reges Treiben herrscht. Sehr viele Pick-Up Trucks wuseln da hin und her. Wir gehen näher: schätzungsweise gegen die 100 Schweine werden in Reih und Glied auf dem Vorplatz gelegt. Meistens liegt darunter ein Korb aus Kokosblättern geflochten, gefüllt mit allerlei Gemüse. Im ersten Moment sind wir geschockt ob der vielen toten Tiere. Wir stellen fest, dass sie ausgeweidet und bereits vorgegart sind. Ihr Bauch ist mit diversen Gemüsen und Gewürzen vollgestopft.
Nebst den geschlachteten Schweinen sind auch etwa 10 lebendige Schweine (riesige Tiere!) in Käfigen auf dem Platz. Wir fragen uns, was mit den vorgegarten und mit diesen lebenden Schweinen nun wohl passieren wird?
Aber zuerst der Gottesdienst, welchen Hochwürden, mit vornehmer Verspätung von etwa 20 Minuten unpünktlich beginnt. Die meist sehr melodiösen Chorgesänge erfüllen den Innenraum der Kathedrale mit sehr eindrücklichem, und unter die Haut gehenden Klänge.
Nach dem Gottesdienst, der gut eineinhalb Stunden dauert, verschieben sich die Aktivitäten zum Festplatz vor dem Pfarrhaus. Hier findet als nächstes die Kava Zeremonie statt.
Bei der Kava-Zeremonie geht es darum, den Kopf freizumachen für gute und positive Gedanken. Das Getränk entspannt, benebelt ein wenig, dämpft die Geschmacksnerven im Mund und besänftigt wilde Gemüter, macht müde. Das Getränk wird aus Pulver und Wasser nach einem genau vorgegeben Protokoll, das von Vater auf den Sohn weitergegeben wird, zubereitet. Im Bild ist der Mann, der seine beiden Arme noch oben hält, der Kavamischer. Die Zubereitung, die uns stark an eine spirituelle Handlung erinnert, dauert rund eine halbe Stunde.
Serviert wird Kava in Kokosnussschalen von speziell dazu auserlesenen Männern (stehend). Zuerst trinkt der König seine Ration. Auch dies geschieht nach einem speziellen Ritual. Wer als Nächster an der Reihe ist, wird vom König bestimmt. Über seinen Sprecher wird jeweils der Name des Begünstigten an die Träger zugerufen.

Bis alle Mitglieder der königlichen Familie, alle Kleriker, die Ehrenmänner und alle Ehrengäste ihr Kava getrunken haben verstreicht viel Zeit. Geduldig sitzen die Besucher am Boden und verfolgen das Geschehen. Stehen darf man nicht, einen Hut tragen auch nicht. Inzwischen haben wir erfahren, dass die Schweine auf dem Platz von Leuten aus den umliegenden Gemeinden gespendet sind. Der König verschenkt diese nun, auch wieder über seinen Sprecher (der König redet nie direkt zu seinen Untertanen), an die Bevölkerung. Dazu schreitet eben dieser Sprecher mit einem Mikrofon bewaffnet die Reihen der Schweine ab und liest den Namen des Beschenkten von einem Zettel ab, der dem Schwein angeheftet wurde.

Nach der Zuteilung der Schweine an die Bevölkerung beschenken die Einwohner der umliegenden Dörfer in einer farbenfrohen Parade den König mit allerlei Gaben: Gemüse, Früchte, Handwerk, Blumen …
… und mehreren noch lebenden Ferkeln (den Tierschützern unter uns blutet das Herz – aber so wurde es wohl auch bereits zur Zeit der Seefahrer gemacht).
Und endlich gibt’s Frühstück! Wir wussten, dass es dies für die Bevölkerung gibt. Aber dass wir sooo lange ausharren müssen, es ist mittlerweile gut 11 Uhr, damit haben wir nicht gerechnet. Nun, wir werden wirklich fürstlich verköstigt und das Knurren in unserem Bauch kommt rasch zum Verstummen! Die Kirchgemeinden der umliegenden Dörfer haben einen sehr üppigen und nahrhaften Brunch zusammengestellt.
In der Zwischenzeit werden die Schweine wieder auf Pick-Up Trucks geladen und zu den Beschenkten nach Hause gebracht. Dort werden sie noch am selben Tag im Erdofen weiter gegart und dann am Abend mit Freunden verdrückt. Der Platz ist also wieder frei für Tanzvorführungen, auf die wir gespannt gewartet haben. Für einmal werden wir leider enttäuscht, oder unsere Erwartungen waren einfach falsch. Weit über eine Stunde lang bewegen sich die Tänzer zum immer gleichen Rhythmus mit immer gleichen Bewegungen. Speziell vielleicht: die zuschauenden Frauen und die Ehrengäste schreiten mit Stolz erhobenen Häuptern und dick gefüllter Brieftasche zwischen die Tänzer und stecken ihren Favoriten Geldnoten zu – fast wie beim Table-Dance! Als nach über einer Stunde die zweite Tanzgruppe aufs Feld marschiert, marschieren wir von dannen.

Der Umweg über das Archipel Wallis hat sich mehr als gelohnt. Wir könnten problemlos noch einige andere Ankerplätze in der Lagune ausprobieren. Aber nach knapp 3 Wochen auf Wallis ruft das offene Meer (oder genauer gesagt Nelly, unsere bewährte Matrosin! Sie wartet am 29. August auf uns). Wir sind bereit für die Weiterreise. Unser nächstes Ziel, Fidschi (auch Fiji geschrieben), liegt rund 370 Seemeilen südwestlich von Wallis. Wir brauchen also ein Wetterfenster, das uns für 3 Tage guten, stabilen Wind aus östlicher Richtung verspricht. Ab Freitag scheint ein guter Zeitpunkt zu sein.

Stimmt diesmal die Wettervorhersage? Die Strecke ist berüchtigt für Störungen und Wellen, dazu lauern vorgelagert diverse Korallenriffe und Untiefen. Zum Glück konnte ich unser Tracking-Gerät in der Zwischenzeit wieder zum Funktionieren bringen, so dass du unsere Fahrt wieder online mitverfolgen kannst. Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser!