Der angesagte Wind stellt sich tatsächlich ein. Wir haben über einen Grossteil der rund 360 Seemeilen langen Segelstrecke nach Fiji fast perfekte Verhältnisse: Wind mit 10-15 Knoten querab aufs Schiff und eine nicht allzu grosse Welle schräg von hinten. Wir machen gute Fahrt und zur Abwechslung verschonen uns die Squalls (Regengewitter) auf der ganzen Fahrt.
Wir haben unsere Fahrt so geplant, dass wir am Montagmorgen in Savusavu eintreffen, um den Beamten der Einklarierungsbehörden das Wochenende nicht zu verderben und gleichzeitig teure Überzeitzuschläge einsparen zu können. Gegen Sonntagabend sind es bloss noch etwa 40 Seemeilen, die uns vom Ziel trennen. Wir können verlangsamen. Es stört uns daher auch wenig, dass kurz nach der Umschiffung der Insel Taveuni der Wind stark nachlässt. Bis Mitternacht schaukeln wir immer noch mit 3-4 Knoten Fahrt unserem Ziel entgegen. Als dann gegen 2 Uhr in der Früh der Wind komplett einschläft, darf endlich unser Kari (der Motor) wieder mal ran. Zufrieden brummend schiebt er unsere Lupina durch das Wasser. Kurz nach 8 Uhr erreichen wir die Copra Shed Marina in Savusavu: wir sind am Ziel
Nicht bebildert, weil ich mich in dem Moment, wo es passiert, fürchterlich ärgere: beim Schneiden des letzten von 3 Gewinden bricht der Gewindebohrer ab. Unmöglich für mich, den im Sackloch steckenden Rest des Gewindebohrers wieder herauszudrehen. Das würde ja noch gehen, der Deckel hält auch mit einer Schraube weniger. Was mich aber am meisten ärgert ist die Tatsache, dass ich ein Werkzeug beschädigt habe, das nicht mir gehört. Mit hängenden Ohren und innerlich vorbereitet auf rügende Worte des Eigentümers bringe ich das Werkzeug am Abend zurück. Schön seine Reaktion: «Oh! Gewindebohrer sind Verbrauchsware, die gehen gerne mal kaputt», meint er lachend und ist mit meiner Einladung zum Sundowner in der Marina Bar mehr als zufrieden.
Nach einer Woche an der Boje vor der Copra Shed Marina verlegen wir in die neue Nawi Island Marina an den Steg. Dort wird auf der Lupina geputzt, gewaschen, umgepackt und Platz geschaffen: wir erwarten Nelly, unsere Teilzeitmatrosin, die schon zum 3. Mal auf der Lupina anheuert. Wir wollen sie an einem Steg empfangen, so dass das Einleben für sie auf dem Schiff etwas angenehmer ist.
Samoa’s Geschichte Kurzversion: Um Samoa, das aus 3 grossen und ein paar kleinen Inseln besteht, haben sich ab dem 18. Jahrhundert ein paar Kolonialmächte gezankt. Heute ist der östliche Teil von Samoa noch unter dem Joch (Amerikanisch Samoa), während der westliche Teil seit 1962 unabhängig ist.
Samoa’s Geschichte Normalversion: Samoa wurde im Jahre 1722 erstmals offiziell von Europäern entdeckt und entwickelte sich in der Folge bald zu einem wichtigen Stützpunkt auf dem Handelsweg von Panama nach China und Australien. Ab dem frühen 19. Jahrhundert setzte ein regelrechtes Seilziehen um die Vorherrschaft über Samoa ein. Nebst den Vereinigten Staaten von Amerika buhlten vor allem Grossbritannien, Australien und Deutschland um die Macht. Während die Engländer versuchten, sich die Gunst der Bevölkerung durch das Entsenden von Missionaren zu sichern, setzten die Amerikaner und vor allem Deutschland auf Handel. Ab 1850 hatten tüchtige Hamburger Kaufleute ihre Konkurrenz aus Australien und Amerika überflügelt. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts griffen die an Samoa interessierten Mächte (USA, Grossbritannien, Deutschland) in Konflikte zwischen den Samoanern ein und sorgten dafür, dass der von ihnen bevorzugte Anwärter auf den Königsthron im Streit um die Macht die Oberhand behielt. Gleichzeitig ernannten sie Apia und das umliegende Gebiet zur neutralen Zone unter gleichberechtigter Aufsicht dieser drei Mächte. 1899, nachdem Grossbritanniens Interesse an Samoa nachgelassen hatte, wurden die westlichen Inseln von Samoa den Deutschen und die östlichen Inseln den Amerikanern zugeteilt. Bei Ausbruch des ersten Weltkrieges 1914 nutzten die Neuseeländer die Gelegenheit, warfen Deutschland, das nun anderweitig beschäftigt war, aus Samoa raus und übernahmen dessen Rolle. Hatten die Deutschen es geschafft, mit der lokalen Bevölkerung ein gutes Verhältnis aufrecht zu erhalten, gab es schon bald Konflikte zwischen der neuen Macht und den Samoanern. Der Ruf nach Unabhängigkeit wurde schnell lauter. Fast 50 Jahre später, 1962, erreichte West Samoa (seit 1997 offiziell einfach Samoa genannt) die Unabhängigkeit, ist aber Mitglied im Commonwealth of Nations, während die östlichen Inseln, das heutige Amerikanisch Samoa, ein Aussengebiet der Vereinigten Staaten geblieben sind.
Samoa Geschichte Langversion: Erspare ich dir – wer es wissen will: siehe Wikipedia
Sich tätowieren zu lassen ist in Samoa eine Ehrensache. Man kann sich entscheiden, dass man keines will. Das wird in der Gesellschaft akzeptiert. Aber wehe, jemand bricht ein Tattoo ab, weil ihm die Schmerzen zu gross sind. Nicht nur gilt er für den Rest seines Lebens als Feigling, nein, auch seine ganze Familie verliert ihre Ehre. Das vollständige Tattoo eines Mannes reicht vom Rumpf bis zu den Knien und wird in 12 verschiedenen Sessionen aufgetragen. Die Frauen sind nur im Bereich der Hüften tätowiert. Es werden noch die gleichen Werkzeuge (Nadelkamm aus kurzen scharfen Haifischzähnen oder angespitzten Knochen) verwendet, wie schon seit vielen Generationen. Die Kunst des Tätowierens wird vom Vater auf den Sohn übergeben und bleibt auf die berechtigten Familien begrenzt. Wir durften an einer Tattoo Zeremonie teilnehmen unter strengen Auflagen: keine Kopfbedeckung, Beinkleidung bis über die Knie, keine Schuhe, nicht stehen, keine Fotos.
Samoa hinterlässt gemischte Eindrücke bei uns. Man fühlt, dass sich die Menschen hier an ihren alten Traditionen festklammern, diese pflegen und leben. Diese alten Traditionen sind im Grunde auch wunderschön und beruhen auf Ehrlichkeit, Respekt, Vertrauen und Hingabe. Aber die moderne Welt stülpt sich wie ein Krake über das Einod im Pazifischen Ozean. Fast Food ersetzt die Speise aus dem Erdofen, die Smart Phones verdrängen das gemütliche Gespräch in den «Fales». Wir glauben nicht, dass Samoa sich noch lange gegen diese Entwicklungen anstemmen kann. Wir sind glücklich und froh, dürfen wir Samoa noch so erleben, wie wir es jetzt angetroffen haben.
Heute Donnerstag, 27.7.2023, haben wir nun ausklariert. Morgen Vormittag heben wir den Anker und setzen Segel in Richtung Wallis (nein, nicht das in der Schweiz – es gibt hier tatsächlich eine Insel, die so heisst!), rund 250 Seemeilen gegen Westen. Was der Wind uns bescheren wird – noch keine Ahnung. Von 6 Wetterprogrammen künden deren drei viel Wind und deren drei wenig Wind an. Wir könnten warten, aber die nächsten 10 Tage gibt es keine Stabilisierung der unsicheren Wetterlage.
Wir versuchen es einfach mal. Wenn du Lust hast, kannst du auf dem Tracker online mitverfolgen, wie unsere Reise verläuft. Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser!
Am 4. April 2022 gegen Mittag heben wir den Anker in Atuona auf Hiva-Oa. Heute segeln wir nur 18 Seemeilen um die Westseite der Insel um im Nordwesten in einer einsamen Bucht zu übernachten. Erst am Tag darauf im Morgengrauen wollen wir die verbleibenden rund 65 Seemeilen in Angriff nehmen. Bei ordentlichem Wind sollten wir unser neues Ziel, die Bucht Vaiehu auf der Insel Ua-Pou, noch bei Tageslicht erreichen. Falls wir wider Erwarten mehr als 12 Stunden brauchen sollten, dann wäre ein Ankern auch im Dunkeln möglich, da die Bucht sehr offen und gross ist.
Wie alle anderen Inseln auf den Marquesas gehört auch Ua-Pou zur Kette von Vulkanen, der sogenannten Marquesas linear volcanic chain, die sich über einem «Hotspot» der pazifischen Platte gebildet hat. Die Inseln bewegen sich heute mit einer Geschwindigkeit von 103-118 mm pro Jahr in Richtung West-Nordwest. Die magmatischen Gesteine der Insel sind 2.5 bis 4.8 Millionen Jahre alt. Aber woher kommen diese speziellen, säulenförmigen Berge? Es wird vermutet, dass sich in einem ersten Schritt basaltische Lava schildartig aufgeschichtet hat. Durch Erdverschiebungen entstanden in einem zweiten Schritt Risse, durch die wiederum Lava emporsteigen konnte. Diese erkaltete dann nur sehr langsam in ihren kaminartigen Kanälen und es kam zur Formation von phonolytischem (wenn man daran klopft klingt es fast wie Glas) Gestein, das sehr hart ist. Die Erosion trug in der Folge die Basalt-Ablagerungen um die «Kamine» ab, und zurück blieben die für Ua-Pou so typischen Zeigefinger.
Manfred (seine Cousine ist die berühmte ehemalige Ostdeutsche Spitzensportlerin Heike Drechsler) ist 1987, noch vor dem Fall der Mauer, aus der DDR nach Franz. Polynesien geflüchtet. Obwohl er damals weder französisch noch englisch sprach, gelang es ihm, sich als Helikopter Pilot ausbilden zu lassen. Von Tahiti aus, wo er rund 8 Jahre lebte, flog er zunächst Kabel und andere Baumaterialien für die Stromversorgung auf die Inseln, später VIP Touristen. 1995 kam er dann mit einer hübschen Polynesierin, Thérèse, die in Hakahetau ihre Familie hat, nach Ua-Pou und konnte auf einem Stück Land der Familie am Ende eines Tales sein kleines Reich aufbauen. Zufällig fand er auf seinem Gelände die eher selten vorkommenden Kakaopflanzen und bemerkte, dass hier niemand etwas mit dieser Frucht anzufangen wusste. Im Selbststudium eignete er sich sehr schnell ein Basis Wissen an, das ihn befähigte, seine erste eigene Schokolade herzustellen. Heute gilt der Selfmade-Chocolatier und Erfinder als Geheimtipp für polynesische und ausländische Touristen. Er nimmt sich viel Zeit für uns und lässt uns von seiner Schokolade probieren. Fragen über Rezept oder Mengen blockiert er süffisant lächelnd: «Geschäftsgeheimnis!»
Nach rund 2 Wochen auf Ua-Pou zieht es uns weiter zur nächsten Insel: Nuku-Hiva. Nuku-Hiva zählt wie Ua-Pou geographisch zur Nordgruppe der Marquesas-Inseln. Mit einer Fläche von etwa 340 km² und 2.660 Einwohnern ist sie die grösste und bevölkerungsreichste Insel der Marquesas. Hier befindet sich der aktuell einzige Einklarierungsort der Marquesas, und die meisten Segler, die vom amerikanischen Kontinent her den Pazifik queren, laufen als erstes Nuku-Hiva an.
Bis jetzt habe ich nur über uns und unsere Erlebnisse berichtet. Was macht eigentlich unsere Lupina? Sie leidet! Der Ankerplatz hier in Taiohae ist sehr rollig, und das Wasser ist aufgewühlt und trüb. Das Unterwasserschiff wird von hunderten kleinen Muscheln und Algen angefallen. Übers Wochenende sind wir 8 Seemeilen in eine Nachbarbucht, aber da war das Wasser auch nicht viel besser, vielleicht etwas klarer und sauberer als in Taiohae (Anmerkung: auch wenn zur Zeit nur noch 60 Schiffe vor Anker sind – das Abwasser muss ja irgendwo hin!). Wir haben die Gelegenheit benutzt und das Unterwasserschiff so gut wie es ging sauber gemacht. Lupina scheint sich über die misslichen Zustände zu beschweren. Dinge, die bisher prima funktioniert haben, beginnen zu spuken: eine der WC Pumpen macht plötzlich beängstigende Geräusche, der Generator springt wieder nicht zuverlässig auf Knopfdruck an und andere so kleine Dinge. Dabei ist das Wichtigste, der elektrische Antrieb vom Rollmechanismus des Grosssegels, noch immer nicht repariert. Das benötigte Teil hängt in der Schweiz fest. Man glaubt es kaum: bisher war immer noch kein Versand möglich aus uns nicht verständlichen Gründen. Das dauert nun schon seit 4 Wochen so. Wir haben nun die Flucht nach vorne gewagt und jemanden gefunden, der uns besuchen kommt und das benötigte Teil im Koffer mitnimmt. Sämi heisst unser Retter! Er sucht nun gerade einen Flug und kommt in den nächsten Tagen auf die Lupina.
Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser
Nachtrag: hast du Probleme mit all den schwierigen Ortsbezeichnungen? Geht uns auch so!😊😊