Die Ersatzteile sind da! Von Nuku-Hiva zurück nach Hiva-Oa

Wir sind in Nuku-Hiva vor Anker und warten sehnlichst auf das Ersatzteil, mit dem wir unseren defekten elektrischen Rollmechanismus im Mast provisorisch reparieren wollen. Einen eins zu eins Ersatz des Elektromotors gibt es nicht mehr. Vom Hersteller erfahren wir, dass wir zusätzlich zum Motor die ganze Elektronik (Steuerung und Verkabelung) ersetzen müssen. Das Preisschild dahinter ist astronomisch ☹. Deshalb haben wir vorerst einen sehr günstigen manuellen Antrieb bestellt. Damit können wir den defekten Antrieb ersetzen, diesen von einer Spezialfirma untersuchen und hoffentlich reparieren lassen. Dieses Ersatzteil lag nun schon seit einigen Wochen bei einer Schweizer Firma zum Versand bereit, aber aus uns unerklärlichen Gründen kriegen sie den Versand nach Französisch-Polynesien nicht auf die Reihe. Vor ein paar Tagen haben wir nun begonnen, jemanden zu finden, der uns das Teil persönlich bringt.

Zwischenzeitlich verlegen wir in die Bucht von Hakatea (Daniel’s Bay, Nuku-Hiva), wo es eine schöne Wanderung zu einem Wasserfall geben soll. Die Einfahrt in die Bucht, die sich hinter dem Gebirge versteckt, ist nicht ganz einfach zu finden
Bucht von Hakatea (Daniel’s Bay, Nuku-Hiva): einmal drinnen vor Anker ist man in alle Richtungen sehr gut vor Wind und Welle geschützt
Wir machen eine fast 4-stündige Wanderung zum Vaipo Wasserfall. Eine wunderschöne Wanderung dem Wasserlauf eines Flusses entlang. Eine üppige Vegetation ist unser Begleiter
Obwohl auf den Marquesas Kannibalismus (Menschenfresser) längst Geschichte ist, wird uns bei diesem Schild unterwegs schon etwas mulmig 😉
Am Ende des Tales angelangt …
… stehen wir vor dieser rund 500 Meter hohen Wand
Es hat schon längere Zeit nicht mehr geregnet, der Vaipo Wasserfall ist zum über die Felswände tropfenden Rinnsal verkümmert. Trotzdem reicht es für ein erfrischendes Bad im kühlen Pool an seinem unteren Ende
Der Rückweg der Wanderung führt uns durch den kleinen Weiler Hakaui. Hier lebt Kua (Bild) mit ihrem Mann Taiki. Sie stammt von einer Häuptlingsfamilie ab und empfängt gerne die Segler, die hier vorbeikommen, in ihrem Haus. Sie ist sehr geschäftstüchtig und ihr Angebot nach einem traditionell auf dem Holzgrill zubereiteten Fisch und lokalen Zutaten können wir nicht ausschlagen. Zum Abschied werden wir mit frischen Früchten überhäuft. Vielen Dank, Kua und Taiki!

Nach unserem Abstecher in die Daniel’s Bay verlegen wir zurück zum Hauptort Taiohae, um unseren Besucher an Bord zu holen.

Schon seit einigen Tagen erwarten wir ein Schiff, das wir erstmals auf Grenada getroffen haben. Wir haben uns damals sehr gut mit der Crew der SY Limelight verstanden und freuen uns, Anette und Michael wieder zu sehen. Sie segeln von Mexiko kommend nach Nuku-Hiva. Bevor es also weiter geht, warten wir auf die SY Limelight! Ein Tag bevor unser Ersatzteillieferant eintrifft, beendet die Limelight ihre Pazifiküberquerung. Wie es hier Tradition ist, heissen wir sie mit frischen Früchten willkommen
Für den Ersatzteiltransport haben wir einen Aufruf per soziale Medien und durch persönliche Mails gemacht: gratis Kost und Logis auf der Lupina als Lohn für den Transport. Sämi (Samuel Lindenmann), ein Bekannter aus Pia’s Jugendjahren und begeisterter Segler, der kürzlich pensioniert worden ist, hat spontan zugesagt, und bringt uns die Teile auf die Lupina

Sämi schildert seine Erlebnisse wie folgt:
Am Mittwoch, 26. April, habe ich von Pia eine WhatsApp gekriegt. Wie es mir so geht, usw., ob ich noch arbeite und mit der Frage, ob ich spontan Lust und Zeit hätte, sie auf der Lupina in Französisch-Polynesien zu besuchen und ob ich ihnen dabei Ersatzteile mitbringen könnte – gegen Kost und Logis. Ich anderntags nach Wohlen ins Reisebüro, nachfragen, wie ich am besten dahin kommen könnte. Schock! Die Preise horrend so kurzfristig. Auf dem Nachhauseweg ein Gedankenblitz, als ehemaliger Swiss Techniker kann ich ja noch verbilligt fliegen, obwohl ich in Frühpension bin. Wieder zu Hause PC starten. In «Stafftravel» (internes Buchungsprogramm für Swiss Mitarbeiter) läufts, Flüge buchen. Klappt, aber leider sind nur Stand-by Buchungen möglich! Wird schon irgendwie gehen, jupieeeeeh!!
Am 8. Mai Abflug nach Los Angeles. Von Zürich sowieso und von LA nach Papeete (Tahiti) klappt alles wunderbar. Danach wäre der Weiterflug nach Nuku-Hiva. Jetzt wird’s schwieriger, zu viele Leute – zu viel Gepäck, werde stehen gelassen. Also eine Nacht ins Hotel, am nächsten Tag um 4 Uhr auschecken und wieder an den Flughafen. Aber auch diesmal wieder stehen gelassen. Dann habe ich von einem Einheimischen einen guten Tipp gekriegt und meine überschwere Tasche als Fracht nach Nuku-Hiva aufgegeben. Und siehe da: am dritten Tag nehmen sie mich mit!
In Nuku-Hiva angekommen gib’s eine schöne Taxifahrt über die Berge (über 1’000m hoch) in die Bucht, wo die Lupina liegt. Da werde ich schon von Pia und Köbi erwartet und sehr herzlich willkommen geheissen. Köbi hat sofort gemerkt, dass ich gerne ein Bier trinken würde, also mit Sack und Pack in das nahegelegene Restaurant auf ein Bier. Erstes Kennenlern-Gespräch mit Pia und Köbi. Wir verstehen uns auf Anhieb gut. Nach einer kurzen Fahrt mit dem Dinghi erstes Beschnuppern der Lupina. Nach dem Auspacken geht’s schon wieder an Land, wo wir alte Bekannte von Pia und Köbi treffen. Annette und Michael, ein sehr aufgestelltes und sympathisches Paar aus Deutschland. Mit ihnen zusammen einen kurzen Spaziergang zum grössten Tiki, und danach ein feines lokales Essen. Der vielen ersten Eindrücke wegen hatte ich nicht mal so grossen Appetit, obwohl es sehr gut war.

Bucht von Taiohae (Nuku-Hiva). Die mitgebrachten Ersatzteile sind auf der Lupina. Rechts auf dem Papier die dringend gebrauchten Teile für den Mast. Mit Sämi und den Teilen segeln wir nun in den nächsten Wochen gemütlich zurück nach Hiva-Oa, wo die lokale Werft uns beim Einbau helfen soll
Mit der SY Limelight zusammen ankern wir wieder in der Bucht von Hakatea (Daniel’s Bay) und wandern dort zuerst der Nordküste entlang und dann über eine schmale Landzunge nach Hakaui, wo wir wieder bei Kua und Taiki essen. Spontan werden wir von einem anderen Seglerpaar angesprochen. Wir kennen sie nicht, aber sie uns. Mel und Brian haben auf der SY Anixi im Panamakanal als Linehandler gewirkt und kennen uns via Nora und Hacko – die Welt ist ja soo klein! 😊 (Bild von links: Michael, Anette, Mel, Brian, Pia, Köbi)
Uferbereich in Hakaui: Kokosnüsse, Limonen, Pampelmusen und viele andere Früchte im Überfluss

Sämi schildert die Erlebnisse dieser ersten Fahrt wie folgt:
Am nächsten Morgen geht’s in die erste Bucht nach Hakatea auf Nuku-Hiva. Ich war überwältig! Kurzer Spaziergang zur nächsten Bucht, leider war das private Restaurant geschlossen wegen Bauarbeiten, so haben wir für den folgenden Tag abgemacht. Am nächsten Tag gabs dann Tunfisch, Gemüse und gebratene Würfel der Brotfrucht, die fast wie unsere Kartoffel schmeckt. Reich beschenkt mit allerlei Früchten gings zurück zur Lupina. Pia macht die Brotfrucht ein wenig anders, und es schmeckt dann noch viel besser. Pia kocht sehr gut!

Wir segeln weiter im Uhrzeigersinn um die Insel Nuku-Hiva. Die Nordküste (hier vor dem Ankerplatz Hakaehu) ist steil, schroff und spektakulär
In der Bucht von Hatiheu sind wir das einzige Schiff. Der Ankergrund ist sehr gut, aber das Anlanden mit dem Dinghi ist schwierig, da der Wellengang das Wasser am kleinen Pier um mehr als 1 Meter hoch und runter hüpfen lässt. Sämi holt sich prompt auch gleich seine ersten blutigen Kratzer am Schienbein, als ihn eine Welle auf die Mole kippt
Unglaublich: in jeder noch so kleinen Siedlung gibt es eine Telefonkabine – und du glaubst es nicht: sie funktionieren!!
Nächste Bucht im Nordosten von Nuku-Hiva: Baie d’Anaho. Unser letzter Stopp auf Nuku-Hiva
Von der Baie d’Anaho aus gibt es 2 schöne Wanderungen. Die eine führt nach Osten zur Nachbarsbucht, die andere über eine 200 Meter hohe Landzunge zurück in die letzte Bucht, wo wir geankert haben. Wir entscheiden uns dafür und machen uns auf. Beim Runtersteigen von der Lupina ins Dinghi missachtet Sämi eine goldene Seglerregel (immer rückwärts runter steigen), verliert dabei prompt sein Gleichgewicht und landet mit der linken grossen Zehe auf dem Befestigungsbeschlag der Bordleiter. Schon wieder fliesst Blut auf der Lupina!

Sämi schildert das so:
Bald geht’s zur nächsten Insel, zuerst aber in eine weitere Bucht. Rauhe Überfahrt aber wir kommen gut vorwärts. Wieder eine traumhafte Bucht! Beim Umsteigen ins Dinghi ist es passiert, ein Malheur! Irgendwie den grossen Zehen unten aufgerissen. Schiffsarzt Köbi musste sich der Sache annehmen. Danach muss ich auf dem Schiff bleiben.

Sämi bleibt zurück und Pia und ich machen die schöne, kurzweilige Wanderung nach Hatiheu alleine. Keine Sorge: wir haben Sämi mit genügend Proviant (zum Beispiel mit diesen super aromatischen kleinen Bananen) an Bord zurück gelassen 😉
Von Nuku-Hiva geht’s knapp 30 Seemeilen ostwärts (also genau gegen den vorherrschenden Wind) nach Ua-Huka. Frühmorgens lichten wir in der Baie d’Anaho den Anker, machen rund 5 Stunden lang einen Schlag hart am Wind gegen Nordosten, fahren eine Wende und dann nochmals etwa 6 Stunden lang hart am Wind gegen Südosten. Wir kommen gut voran und erreichen unsere geplante Ankerbucht vor dem Hauptort Vaipaee rund 2 Stunden vor Sonnenuntergang. Zum Glück! Die Bucht erweist sich als unwirtlich, eng und mit einheimischen Booten an Bojen besetzt. Wir müssten mit einem Heckanker unsere Lupina irgendwo in eine Lücke zwängen. Nur knapp 3 Seemeilen weiter liegt unsere Ausweichbucht (beim Segeln braucht es immer auch einen Plan B 😉). Hier segeln wir der Südküste von Ua-Huka entlang zur Baie de Hane
Die Baie de Hane erweist sich als Glückstreffer: klares Wasser, fast kein Schwell, Korallen zum Schnorcheln und gutes Anlegen mit dem Dinghi. Hier kriegen wir Sämi problemlos trockenen Fusses (denk an seine verwundete Zehe! 😉) an Land

Sämi schreibt:
Am nächsten Tag humpelnd ein Landausflug mit Autostopp zum nächsten Dorf. Das geht wunderbar, die Bevölkerung auf Polynesien ist sehr freundlich und hilfsbereit. Ein Tag später konnten wir ein Auto mieten und haben die einzige Strasse der Insel abgefahren. Dabei haben wir auch Nebenwege gefunden und so weit als möglich befahren. Ach ja, noch ein schönes Museum und den Kindersporttag besucht. Im Dorf mit Köbi meinen Rückflug gebucht.

Ua-Huka ist 14 km lang und bis zu 10 km breit und hat die Form eines Halbmondes, der sich nach Süden öffnet. Sie wird von Ost nach West von einer Bergkette durchzogen, die eine Wasserscheide bildet. Nach Norden gehen kürzere, nach Süden längere, tief eingeschnittene Schluchten ab. Im Gegensatz zu den üppig bewachsenen, größeren Inseln der Marquesas vermittelt Ua-Huka besonders im Süden eher einen kahlen und abweisenden Eindruck, die Vegetation ist nur spärlich
Die schroffen Gipfel sind nicht ganz so hoch wie auf den übrigen Inseln des Archipels, im Westen etwa 600 m und im Osten bis zu 800 m. Die insgesamt geringere Höhe führt dazu, dass weniger Wolken abregnen. Ua Huka hat ein deutlich trockeneres Klima als die Nachbarinseln
In der Nähe des Flughafens (der aber zurzeit nicht angeflogen wird) befindet sich das Musée Communal de Ua-Huka – klein aber fein mit vielen schönen Exponaten (die Figur in der Mitte! 😉)
Musée Communal de Ua-Huka. Wegen eines Kindersporttages, der gerade auf dem Gelände stattfindet, ist das Museum geschlossen. Wir fragen einen Mann, der im Schatten sitzt, wann es denn wieder geöffnet sei. Kurzerhand steht er auf und macht sich auf die Suche nach einem Schlüssel. Beim Dorfpolizisten, der gerade vorbeikommt, ist er nicht erfolgreich, aber bei einer Frau, die offenbar die Putzfrau des Museums ist, findet er einen Schlüssel. So können wir ganz exklusiv und alleine das Museum geniessen. Das sind die Marquesianer!!
Kindersporttag auf dem Gelände des Museums. Seilziehen …
… Sackhüpfen …
… Bauchtanz, und diverse andere für die Kinder spannende Wettkämpfe werden unter lautstarker Unterstützung der Eltern ausgetragen
Eine der von Sämi erwähnten Nebenstrassen, die meist von Süden nordwärts ins Gebirge führen, wo die Bauern ihre Copra Plantagen pflegen
Entlang der Hauptstrasse finden wir viele Blumensträucher und frisch gepflanzte Fruchtbäume. Um die jungen Pflanzen vor den wilden Pferden und Ziegen zu schützen, werden sie durch Holzrahmen (schön zu sehen auf der linken Strassenseite) geschützt. Das Spezielle daran: es sind private Personen, die auf öffentlichem Grund ihre persönliche Bepflanzung machen und viel Aufwand betreiben, dass in dieser trockenen Umgebung etwas wächst
Baie de Hane – wir sind das einzige Segelboot in dieser wunderschönen Bucht. Am Abend des dritten Tages lichten wir den Anker und machen uns auf die 65 Seemeilen lange Strecke südostwärts nach Hiva-Oa

In Hiva-Oa wollen wir nun endlich die Reparatur des elektrischen Furlers im Mast in Angriff nehmen. Beim Verlassen von Ua-Huka sind die Wettervorhersagen gut. Es erwartet uns ein konstanter Ostwind, zuerst etwas schwach, aber über Nacht gegen das Ziel hin leicht zunehmend auf angenehme 15-18 Knoten. Wir können gleich zu Beginn den richtigen Kurs einnehmen und auf direktem Weg, ohne Aufkreuzen, in Richtung Hiva-Oa fahren. Das Grosssegel haben wir mit dem manuellen Notmechanismus voll gesetzt und gleichen allfällige Böen mit der Genua aus. So der Plan. Brauchen wir aber nicht, das Wetter bleibt die ganze Nacht über freundlich. Wir kommen besser voran, als erwartet und beschliessen spontan, in einer ruhigen Bucht auf der Nachbarinsel Tahuata einen Zwischenstopp einzulegen, und erst am frühen Mittag in Hiva-Oa einzulaufen. Das gibt uns die besten Chancen, dort im engen Hafenbecken, an das wir keine guten Erinnerungen haben, einen guten Ankerplatz zu finden.

Wieder einmal typisch Lupina! Wir schaffen es auch in der sonst zum Ankern als sehr gut beurteilten Bucht von Hanamoenoa (Insel Tahuata) beim Setzen des Ankers Probleme zu haben. Diesmal verklemmt sich ein grosser Felsbrocken im Anker und verhindert, dass er sich eingraben kann. Wenn du das so machen müsstest – es würde nie gelingen!! 😊😊
Und dann sind wir zurück in Hiva-Oa. Nicht am Montag, wie vorher mit Vincent, dem Inhaber der Werft (Bild Mitte) abgesprochen, aber am Tag darauf beginnen wir mit der Arbeit. Unter tatkräftiger Mithilfe von Ruedi (SY Pasito, rechts im Bild), Sämi (nicht im Bild) und mir bauen wir den Elektromotor aus dem Mast aus
Leider müssen wir feststellen, dass der gelieferte Ersatz eine Grundplatte hat, die nicht auf unseren Mast passt. Eine Rückfrage beim Lieferanten bestätigt, dass trotz vollständiger Angaben unsererseits eine Platte für einen kleineren Mast geliefert wurde. Hmm – es hätte doch so schön einfach sein können. Nun aber wird es etwas komplizierter und vor allem aufwändiger. Da die Werft am nächsten Tag andere Arbeiten geplant hat und über Auffahrt geschlossen ist, beschliessen wir, die Inspektion des defekten Motors und den Einbau des Ersatzmotors auf die kommende Woche zu verschieben
Zum Glück läuft nicht alles schief: der ebenfalls von Sämi mitgebrachte Gasdruckdämpfer für die Baumstütze passt einwandfrei und lässt sich sehr einfach einbauen. Da kommt wieder Freude auf 😉
Und als dann der Nachschub eines der wichtigsten Lebensmittel auch problemlos funktioniert, herrscht wieder Bombenstimmung auf der Lupina 😊
Wir beschliessen, das Auffahrtswochenende wieder auf der schönen Nachbarinsel Tahuata zu verbringen und segeln in eine für uns neue Bucht: Anse Ivaivaiti. Fantastisch leuchtet der Palmenhain im Abendlicht

Sämi meint zu den letzten paar Tagen:
Mit einem Nachtschlag segeln wir nach Hiva-Oa, wo wir den Mast mit den mitgebrachten Teilen reparieren wollen. Das läuft jedoch nicht nach Wunsch. Also ab auf die vorgelagerte Insel, zum Glück gibt’s da wieder wunderschöne Buchten. Chris und Ruedi (SY Pasito) sind uns auch noch gefolgt.
Am kommenden Montag wieder zurück nach Hiva-Oa in die Werft, hoffentlich können wir dann alles fixen! Leider ist es dann für mich schon bald Zeit, um Abschied zu nehmen. Ich fliege am 5. Juni wieder nach Hause. Ich hätte es schon noch länger ausgehalten! Jä no!
Danke Pia und Köbi für die Gastfreundschaft. Ihr seid Klasse!!

Natürlich ist es noch lange noch nicht so weit, Sämi bleibt noch eine ganze Woche an Bord. Er hat ausgezeichnete mechanische Fähigkeiten, die muss ich nutzen. Mit seiner Hilfe führe ich zum ersten Mal, seit wir unterwegs sind, einen Service an den Winschen durch (Achtung liebe Seglerkollegen, die ihr nun die Nase rümpft: ich weiss, dass dies nicht den Wartungsplänen entspricht. Das Fett in den Winschen ist aber immer noch einwandfrei und der Zustand der Teile tip top) 😊

Am Montag nach Auffahrt geht’s nun also zurück in die Werft in Hiva-Oa. Kann der Chef dort unseren defekten Elektromotor zerlegen? Finden wir die Ursache des Problems und können es gar reparieren? Übersteht Sämi die letzten Tage auf der Lupina unfallfrei? Und was sind unsere nächsten Pläne?

Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser

Sämi und Pia – wir verbringen eine schöne Zeit zusammen

Segeln in den nordwestlichen Marquesas / Ua-Pou und Nuku-Hiva

Am 4. April 2022 gegen Mittag heben wir den Anker in Atuona auf Hiva-Oa. Heute segeln wir nur 18 Seemeilen um die Westseite der Insel um im Nordwesten in einer einsamen Bucht zu übernachten. Erst am Tag darauf im Morgengrauen wollen wir die verbleibenden rund 65 Seemeilen in Angriff nehmen. Bei ordentlichem Wind sollten wir unser neues Ziel, die Bucht Vaiehu auf der Insel Ua-Pou, noch bei Tageslicht erreichen. Falls wir wider Erwarten mehr als 12 Stunden brauchen sollten, dann wäre ein Ankern auch im Dunkeln möglich, da die Bucht sehr offen und gross ist.

Bevor es los geht noch eine kleine Schrecksekunde: beim Anker auf im Hafenbecken von Atuona kommt die Kette als grosser Klumpen hoch. Sie hat sich auf dem Meeresgrund um einen alten Draht verwickelt und wir mussten sie zuerst freischneiden, bevor wir die Kette vollständig einholen und den Anker bergen konnten
Auf der Überfahrt ist der Wind deutlich schwächer als angesagt und wir brauchen etwas über 12 Stunden bis in die Bucht von Vaiehu. Aber es reicht: gerade bei Sonnenuntergang fällt der Anker und wir können das wunderschöne Farbenspiel des Abendhimmels gleichzeitig mit dem Ankertrunk geniessen
Die etwa 125 km² grosse Insel Ua-Pou ist die drittgrösste der Marquesas. Das spektakuläre Landschaftsbild wird geprägt von steilen, an Kirchtürme oder Zuckerhüte erinnernde Gipfel. Sie rechtfertigen den Namen Ua-Pou, übersetzt „Zwei Säulen“. Der Name geht auf eine Legende zurück: Bei der Errichtung der „Erde der Männer“ (polynesisch: te fenua enata, der alte polynesische Name für die Marquesas) schufen die Götter als erstes die Säulen des grossen irdischen Hauses: die Berge von Ua-Pou (Quelle: Wikipedia)

Wie alle anderen Inseln auf den Marquesas gehört auch Ua-Pou zur Kette von Vulkanen, der sogenannten Marquesas linear volcanic chain, die sich über einem «Hotspot» der pazifischen Platte gebildet hat. Die Inseln bewegen sich heute mit einer Geschwindigkeit von 103-118 mm pro Jahr in Richtung West-Nordwest. Die magmatischen Gesteine der Insel sind 2.5 bis 4.8 Millionen Jahre alt. Aber woher kommen diese speziellen, säulenförmigen Berge? Es wird vermutet, dass sich in einem ersten Schritt basaltische Lava schildartig aufgeschichtet hat. Durch Erdverschiebungen entstanden in einem zweiten Schritt Risse, durch die wiederum Lava emporsteigen konnte. Diese erkaltete dann nur sehr langsam in ihren kaminartigen Kanälen und es kam zur Formation von phonolytischem (wenn man daran klopft klingt es fast wie Glas) Gestein, das sehr hart ist. Die Erosion trug in der Folge die Basalt-Ablagerungen um die «Kamine» ab, und zurück blieben die für Ua-Pou so typischen Zeigefinger.

Hakahetau, Ua-Pou: nach 3 Tagen am Ankerplatz in der unbewohnten Bucht von Vaiehu (anlanden können wir wegen starkem Wellengang leider nicht) verlegen wir zum kleinen Dörfchen Hakahetau. Auch hier ist der Schwell gross, aber dank eines Heckankers, der das Dinghi von der rauen Betonmauer fernhält, können wir am Pier festmachen
Von Hakahetau aus wollen wir uns diese Berge etwas näher anschauen. Während unseres ganzen 14-tägigen Aufenthaltes auf Ua-Pou sollten wir den höchsten Berg der Marquesas, den Pou Oave (1’232m hoch, links im Bild) nie ohne Wolken sehen
Bevor wir uns an die steilen Berge wagen, wollen wir uns zuerst etwas gemütlicher «einlaufen» und machen uns auf zu einem Wasserfall, der sich in einem der beiden Täler befindet, die in Hakahetau ins Meer münden. Den Wasserfall finden wir zunächst nicht, dafür treffen wir auf diese Schilder: Manfred, der Schoko Mann. (Achtung: falls jemand unsere Wanderung zum Wasserfall nachmachen will: genau hier zweigt der Weg rechts zum Wasserfall ab)
Manfred Drechsler – der berühmte Schokolade-Mann

Manfred (seine Cousine ist die berühmte ehemalige Ostdeutsche Spitzensportlerin Heike Drechsler) ist 1987, noch vor dem Fall der Mauer, aus der DDR nach Franz. Polynesien geflüchtet. Obwohl er damals weder französisch noch englisch sprach, gelang es ihm, sich als Helikopter Pilot ausbilden zu lassen. Von Tahiti aus, wo er rund 8 Jahre lebte, flog er zunächst Kabel und andere Baumaterialien für die Stromversorgung auf die Inseln, später VIP Touristen. 1995 kam er dann mit einer hübschen Polynesierin, Thérèse, die in Hakahetau ihre Familie hat, nach Ua-Pou und konnte auf einem Stück Land der Familie am Ende eines Tales sein kleines Reich aufbauen. Zufällig fand er auf seinem Gelände die eher selten vorkommenden Kakaopflanzen und bemerkte, dass hier niemand etwas mit dieser Frucht anzufangen wusste. Im Selbststudium eignete er sich sehr schnell ein Basis Wissen an, das ihn befähigte, seine erste eigene Schokolade herzustellen. Heute gilt der Selfmade-Chocolatier und Erfinder als Geheimtipp für polynesische und ausländische Touristen. Er nimmt sich viel Zeit für uns und lässt uns von seiner Schokolade probieren. Fragen über Rezept oder Mengen blockiert er süffisant lächelnd: «Geschäftsgeheimnis!»

Manfred ist ein Tüftler und Erfinder, wie er im Buche steht: hier hat er sich aus ausrangierten Auto-Lichtmaschinen, einer alten Bratpfanne (dient als Schwung und Antriebsrad) und Stücken von PVC-Schläuchen, die er halbiert als Schaufeln zu einem Wasserrad zusammengebastelt hat (in der Blechkiste drin), eine Wasserturbine gebastelt, mit der er seinen eigenen Strom produziert
Bei Manfred treffen wir eine Reisegruppe mit polynesischem Reiseführer. Wir fragen ihn nach dem Einstieg in den «Poumaka-Trail», eine der abenteuerlichsten Wanderungen in den Marquesas. Am nächsten Tag machen wir uns auf zu dieser rund 5-stündigen Wanderung um die schönsten Berge der Marquesas
Früh am Morgen geht es (diesmal in Wanderschuhen statt Flip-Flops 😉) von Hakahetau aus los. Die Berge «Poutemoka» und «Totamahiti» liegen noch in weiter Ferne
Je weiter wir ins Tal vordringen, umso steiler geht es bergauf. Zunächst noch auf einem Naturweg …
… nach rund einer Stunde aber auf einem schmalen Trampelpfad durch die üppige Vegetation. Die Verschnaufpausen von Pia geben mir die Zeit, den weiteren Verlauf des Weges zu suchen 😉
Immer grüner – immer steiler!
Nach fast 3 Stunden ist das Ziel unserer Wanderung, der «Poumaka», zum Greifen nahe. Wir dringen noch bis an seinen Fuss vor, lassen das Klettern dann aber sein 😉
Den höchsten Berg, den Pou Oave, sehen wir auf der Wanderung nur komplett von Wolken eingehüllt. Erst als wir wieder unten sind gelingt uns dieses «fast» wolkenlose Bild
Wir segeln weiter zum Hauptort im Nordosten der Insel: Hakahau, mit rund 700 Einwohnern die dritt grösste Siedlung in den Marquesas. Hier finden wir hinter einer massiven Hafenmole einigermassen Schutz vor den hereinrollenden Wellen
In Hakahau können wir ein Auto mieten. Die Hauptverbindungsstrasse, welche die einzelnen Dörfer miteinander verbindet, ist mehrheitlich betoniert und gut ausgebaut. In die entlegenen Täler gelangen wir aber fast ausschliesslich auf Naturstrasse und wir sind glücklich über unseren robusten 4×4 Mietwagen
An der Westküste von Ua-Pou das kleine Dörfchen Hakamaii. Die Fassade der Kirche ist zum Meer hin rot, gelb und blau bemalt, so dass man aus der Distanz meinen könnte, es seien farbige Fenster
Kaum steigen wir in Hakamaii aus dem Auto, zeigen uns die Kinder ihre Künste auf Stelzen

Nach rund 2 Wochen auf Ua-Pou zieht es uns weiter zur nächsten Insel: Nuku-Hiva. Nuku-Hiva zählt wie Ua-Pou geographisch zur Nordgruppe der Marquesas-Inseln. Mit einer Fläche von etwa 340 km² und 2.660 Einwohnern ist sie die grösste und bevölkerungsreichste Insel der Marquesas. Hier befindet sich der aktuell einzige Einklarierungsort der Marquesas, und die meisten Segler, die vom amerikanischen Kontinent her den Pazifik queren, laufen als erstes Nuku-Hiva an.

Die grosse Bucht von Taiohae, dem Hauptort von Nuku-Hiva und gleichzeitig Verwaltungszentrum der Marquesas. Dieser gut geschützte Hafen wird gerne von Weltumseglern als Zwischenstation genutzt. Bei unserer Ankunft sind bereits rund 90 Schiffe vor Anker, aber es hat noch viel Platz. Die «Hochsaison» für die Pazifik-Überquerungen neigt sich dem Ende zu. Schon nach ein paar Tagen sind nur noch knapp 60 Schiffe da
Wir stossen mit den beiden Schweizern Chris und Ruedi auf ihrem Schiff «Pasito» auf ihre soeben erfolgreich absolvierte Pazifiküberquerung an
Ein Symbol für die Ewigkeit! Tiki Tuhiva, grösste Skulptur (12 Meter hoch) im Pazifik, befindet sich auf dem gleichnamigen Hügel (der im 18. und 19. Jahrhundert in Fort Collet umgetauft war), der direkt hinter dem alten Hafen liegt. Nachdem überlieferte Traditionen und Gepflogenheiten der Polynesier nach der Entdeckung und der darauffolgenden Missionierung fast gänzlich in Vergessenheit geraten waren, hat man sich in den letzten Jahrzehnten wieder an die grossartige Vergangenheit erinnert. Im Jahr 2013 wurde in einer lokalen Volksabstimmung beschlossen, dass auf dem Hügel Tuhiva wieder ein Tiki stehen soll.
Gestärkt durch die Kraft der Vorfahren, welche er von seiner sitzenden Tiki Mutter geerbt hat, schreitet Krieger Tuhiva mutig als Wächter von Tradition und Weisheit in die Zukunft
Mutter Tiki Tuhiva – und irdischer Trommler 😉
Auch in Nuku-Hiva «erfahren» wir die Insel mit einem 4×4 Mietauto. Unterwegs nach Hatiheu im Norden besuchen wir die Kultstätte Tohua Kouveva. Für einmal fasziniert uns die Natur mehr als alte Steine: Dieser Baum steht über 20 Meter hoch auf seinen dünnen Wurzeln. Pia (im gelben Kreis) als Grössenvergleich
Hatiheu, im Norden von Nuku-Hiva mit seinen markanten Bergen
Die stark zerklüftete Nordküste weist im östlichen Bereich eine fruchtbare Vegetation auf
Weiter im Westen wird die Gegend immer trockener. Auch die Farben des Geländes ändern sich stetig, je nach vorherrschenden Mineralien im Boden
Einmal im Gegenuhrzeigersinn um die Insel, und nun zurück an einem Aussichtspunkt oberhalb unserer Ankerbucht in Taiohae
Die Rundfahrt um die Insel ist nicht nur für den Fahrer sehr spannend. Auch die Passagiere (Pia und SY Pasito Crew Chris und Ruedi) sind fasziniert von den grossen Unterschieden, wie sich die Landschaft hinter jedem Bergübergang im nächsten Talabschnitt wieder präsentiert
Bei einem gemütlichen Sundowner auf der Lupina lassen wir mit Chris und Ruedi (SY Pasito) einen spannenden Tag in die Nacht übergehen
Hat uns in den südöstlichen Marquesas die gewinnende Kontaktfreude der Einheimischen fasziniert, stellen wir in den nun deutlich touristischeren Gegenden eine vornehme Zurückhaltung (oder Übersättigung?) fest. Einzig die Kinder sind überall gleich. Sie treten allem Fremden gegenüber interessiert, neugierig und offen auf. Hier haben ein paar Mädchen Pia beim Benutzen des Computers beobachtet und wollen nun von ihr wissen, wozu sie das Ding benutzt und wie das mit der Maus funktioniert
Tattoo – Vor der Entdeckung von Polynesien war das Tätowieren des ganzen Körpers eine Normalität. In verschiedenen Zeichnungen wurde die Lebensgeschichte des Trägers, seine Sorgen und Wünsche, seine Vergangenheit und Zukunft, einfach sein ganzes Leben dargestellt. Je intensiver der Körper eines Menschen tätowiert war, umso mehr hat er in seinem Leben schon erfahren
Als die Missionare kamen, wurden es den Menschen verboten, nackt herumzulaufen. Die Kuna-Indianer in Panama haben das Problem so gelöst, dass sie ihre Zeichnungen auf Gewebe stickten und dieses auf ihre Kleider nähten (Molas). Hier in Polynesien verschwand diese Kultur leider fast gänzlich. Zum Glück haben sich die Menschen in den letzten Jahrzehnten an ihre Vergangenheit erinnert und die Tattoos sind wieder zurück. Wie in der Vergangenheit erzählen sie wieder die Geschichte des Menschen, der das Tattoo trägt
Unsere neue Errungenschaft! Pia hat ihre Geschichte auf dem Fuss tätowieren lassen 😉

Bis jetzt habe ich nur über uns und unsere Erlebnisse berichtet. Was macht eigentlich unsere Lupina? Sie leidet! Der Ankerplatz hier in Taiohae ist sehr rollig, und das Wasser ist aufgewühlt und trüb. Das Unterwasserschiff wird von hunderten kleinen Muscheln und Algen angefallen. Übers Wochenende sind wir 8 Seemeilen in eine Nachbarbucht, aber da war das Wasser auch nicht viel besser, vielleicht etwas klarer und sauberer als in Taiohae (Anmerkung: auch wenn zur Zeit nur noch 60 Schiffe vor Anker sind – das Abwasser muss ja irgendwo hin!). Wir haben die Gelegenheit benutzt und das Unterwasserschiff so gut wie es ging sauber gemacht. Lupina scheint sich über die misslichen Zustände zu beschweren. Dinge, die bisher prima funktioniert haben, beginnen zu spuken: eine der WC Pumpen macht plötzlich beängstigende Geräusche, der Generator springt wieder nicht zuverlässig auf Knopfdruck an und andere so kleine Dinge. Dabei ist das Wichtigste, der elektrische Antrieb vom Rollmechanismus des Grosssegels, noch immer nicht repariert. Das benötigte Teil hängt in der Schweiz fest. Man glaubt es kaum: bisher war immer noch kein Versand möglich aus uns nicht verständlichen Gründen. Das dauert nun schon seit 4 Wochen so. Wir haben nun die Flucht nach vorne gewagt und jemanden gefunden, der uns besuchen kommt und das benötigte Teil im Koffer mitnimmt. Sämi heisst unser Retter! Er sucht nun gerade einen Flug und kommt in den nächsten Tagen auf die Lupina.

Der Blick in die Zukunft. Wohin trägt der Wind uns als nächstes: Ua-Huka, die kleine Nachbarinsel im Osten? Zurück nach Hiva-Oa mit Sämi und dem lange ersehnten Teil für die Reparatur des Grosssegels? Weiter in den Marquesas gemeinsam mit Booten von Freunden (SY Maramalda, die in Hiva-Oa auf uns wartet – SY Limelight, die in etwa 5 Tagen aus Mexiko hier eintrifft – SY Pasito, die gerade um Nuku-Hiva herumsegelt) oder weiter in die Tuamotus, wohin uns die SY Swiss Lady vorausgesegelt ist?

Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser

Nachtrag: hast du Probleme mit all den schwierigen Ortsbezeichnungen? Geht uns auch so!😊😊

Marquesas Inseln – wild und abenteuerlich

Fatu Hiva ist die südlichste Insel der Marquesas. Sie hat die Form einer Mondsichel, die nach Westen geöffnet ist. Sie ist rund 10 Kilometer lang und 4 Kilometer breit. Die Vulkaninsel ist gekennzeichnet durch steil abfallende Felswände, die hunderte von Metern in die Tiefe stürzen

Auf Fatu Hiva machen wir uns auf die Suche nach den Spuren von Thor Heyerdahl. Der berühmte Norweger träumte seit seiner Schulzeit davon, selbst auszuprobieren, ob der Mensch von heute im Stil des Steinzeitjägers überleben kann – ohne technische Hilfsmittel, ohne Medikamente. Nach längerem Suchen auf Landkarten, in geographischen Büchern und Reiseberichten früherer Expeditionen nach besonders schönen und einsamen Fleckchen Erde stiess er auf Fatu Hiva in den Marquesas.

Fatu Hiva ist reich an Vegetation, Nahrung und Trinkwasser. Die regelmässigen Niederschläge, meist kurz von Dauer aber tropenartig heftig, kurbeln das Wachstum der Pflanzen an

Im Jahr 1937 kommt der junge Zoologie Student Heyerdahl mit seiner Gattin Liv zuerst nach Tahiti, wo ein Häuptling die Beiden in die Kunst zu leben und überleben einweist. Kurz danach setzt ein alter Frachter das junge Paar am Zielort aus und verspricht, sie nach einem Jahr wieder abzuholen. Den beiden Zivilisationsflüchtlingen erschein Fatu Hiva paradiesisch: verschwenderische Vegetation, weisser Sandstrand und lauter temperamentvolle und offenbar im Einklang mit der Natur lebende Menschen. Den Fremden wird bereitwillig ein Stück Land auf einer ehemaligen Königsterrasse oberhalb des Dorfes Omoa verpachtet und schnell werden sie mit den Einheimischen vertraut. Ungewollt gerät dann das junge europäische Paar zwischen die Fronten zweier sich rivalisierender Missionare, die Zwietracht und Streit in der Bevölkerung sähen. Von Stechmücken geplagt, gepeinigt von schmerzhaften Geschwüren an den Beinen, müssen die beiden Norweger dann in einem offenen Boot auf dem stürmischen Meer wieder nach Tahiti fahren, um medizinische Hilfe zu suchen. Sie müssen feststellen, dass es für den modernen Menschen tatsächlich kein «Zurück in die Natur» mehr gibt.

Wir machen uns auf die Suche nach den Spuren von Thor Heyerdahl …
… finden dann aber ausser wild wachsenden Pfefferschoten …
… und einem ruhig dahin plätschernden aber hohen Wasserfall (hier mit Rita und Daniel, SY Maramalda) leider keine Hinterbleibsel von Heyerdahls Aufenthalt auf Fatu Hiva. Die Bevölkerung hat das Norwegische Paar leider vergessen

Eine andere Erkenntnis hat Thor Heyerdahl bei seinem Aufenthalt auf Fatu Hiva gewonnen: die Menschen, die hier leben, könnten durchaus von Indianern in Südamerika abstammen. Bisher hat man geglaubt, die Besiedlung von Polynesien habe von Asien aus stattgefunden. Hier fasste Thor den Entschluss, durch einen praktischen Versuch zu zeigen, dass man mit einem Floss von Südamerika nach Polynesien kommen kann. Diese erfolgreiche Flossfahrt hat ihn dann weltberühmt gemacht. Schade, dass sich hier in Fatu Hiva keine Spuren dieses praktisch veranlagten Zoologie-Studenten mehr finden lassen.

Wir finden zwar nichts von Thor Heyerdahl – stossen aber immer wieder auf feine Früchte. Hier grosse, sehr süss-saftige Pampelmusen (Grapefruit), die uns ein Einheimischer in die Hand drückt. Im Gegensatz zur Bevölkerung von Gambier, die dank der Perlenzucht einen gewissen Reichtum erlangt hat, sind die Leute hier immer noch auf Tauschhandel angewiesen. Für ein altes Seil oder ein nicht mehr gebrauchtes Werkzeug kriegen wir Berge von frischen Früchten
Wir ankern vor dem kleinen Dorf Hanavave und werden bei unserem ersten Landgang von Serge (Bild Mitte) gefragt, ob wir einmal bei ihm Nachtessen wollen, alles einheimische, traditionelle Kost. Natürlich wollen wir! Zusammen mit der Crew von SY Maramalda geniessen wir ein üppiges Mahl: Mango Salat, gebratenes Wildhühnchen, Reis, Kochbananen, Brotfrucht Frites, in Kokosmilch und Zitronensaft eingelegter roher Fisch und ein Pampelmuse Fruchtteller zum Abschluss. Bis auf den Reis wächst hier alles in freier Natur. Lecker! Unsere Bäuche sind randvoll
Von Hanavave (500 Einwohner) wollen wir zum einzigen anderen «grossen» Dorf auf der Insel: Omoa (600 Einwohner). Es schlängelt sich eine steile, abenteuerliche Strasse (nur mit Geländefahrzeug befahrbar) von Hanavave nach Omoa, 17 Kilometer weit. Wir könnten den Hinweg zu Fuss machen und dann per Boot zurück. Die Bootsfahrt der Küste entlang dauert nur 15 Minuten. Aber wir wissen nicht, ob wir in Omoa jemanden finden, der uns zurückbringt. Wir erfahren, dass zweimal die Woche früh am Morgen eine Fähre von den Nachbarinseln nach Omoa und Hanavave fährt. Ganz selten steuert sie Hanavave als erstes an. Wir haben Glück! Wir sind noch in unserem Cockpit beim Frühstück, als wir die Fähre erspähen. Schnell Rita und Daniel auf der SY Maramalda angefunkt, Kaffee runter gestürzt und ins Dinghi gesprungen. Wir holen Rita von der Maramalda ab, Dani fährt uns mit unserem Dinghi zur inzwischen geankerten Fähre (rotes Schiff im Bild) und schon sind wir an Bord
Tiki in Omoa. Ein Tiki ist eine meist aus Stein oder Holz gehauene Figur, die ein männliches oder weibliches Wesen darstellt. Die Figuren haben eine spirituelle Kraft und symbolisieren Dinge wie Zufriedenheit, Stärke, Zuversicht, Energie, positiven Geist, Ehrlichkeit, Reinheit, Weisheit, Ehre und vieles mehr. Bei ihnen haben sich früher die Menschen Rat und Hilfe gesucht. Das findet auch heute zum Teil noch statt, aber diese lange überlieferte Tradition wurde von den Missionaren leider fast gänzlich ausgelöscht. Mit dem Herstellen von Tikis für Touristen aus aller Welt verdienen aber viele Inselbewohner heute ihr Geld. Nach und nach kommen die Tikis wieder als Glücksbringer in die Häuser der Einheimischen zurück. Schön!
Kirche von Omoa. Im Vergleich zu den monströsen aber zerfallenden Kirchen von Gambier sind die Kirchen hier eher klein, unscheinbar, aber sehr schön gebaut und gut unterhalten
Auf unserem 17 Kilometer langen Fussmarsch von Omoa zurück nach Hanavave werden wir von einem Wolkenbruch überrascht. Unter dem Blätterdach eines Baumes am Strassenrand bleibt das Gemüt trotzdem sonnig 😉
Unterwegs zwischen Omoa nach Hanavave. Die eine Hälfte des Weges geht es steil aufwärts, die andere Hälfte wieder steil hinunter
Fatu Hiva – phantastische Naturlandschaft
Pia und Rita – wohlverdiente Rast. Es könnte irgendwo in den Schweizer Alpen sein
Aus luftiger Höhe Blick in die Bucht von Hanavave mit Lupina vor Anker (Boot ganz links)
Am Tag vor unserer Weiterfahrt werden wir von Lea und Sopi, einheimische Bauern, angefragt, ob wir für seinen Bruder auf der Nachbarinsel einen Bananentransport übernehmen würden. Natürlich willigen wir ein und hohlen am nächsten Morgen eine grosse Fracht an Bananen, gut verpackt in weissen, gewobenen Säcken, am Steg von Hanavave ab. Als Lohn für unseren Dienst erhalten wir eine grosse Menge an frischen Früchten und sogar Auberginen
Vor Anker in der Bucht von Vaitahu auf der Insel Tahuata (unser Schiff ist das 2. von rechts). Hier liefern wir die Bananen ab. Gerne hätte uns Sopi’s Bruder zum Essen bei sich zu Hause auf der anderen Inselseite eingeladen, aber der Schwell am Steg ist so heftig, dass wir unser Lupinchen nicht einen ganzen Tag lang dort leiden lassen wollen. Schweren Herzens lehnen wir die Einladung ab
Dieser Stein vor dem Rathaus in Vaitahu zeugt davon, wie der Name der Marquesas Inseln ursprünglich war: „Fenua Enata“ (Terre des Hommes / Land der Menschen). Leider meinten die Eroberer im 16. Jahrhundert, einer der Sponsoren einer Expedition müsse mit seinem Namen hier verewigt werden
Kirche von Vaitahu
Kirche von Vaitahu. Die Seitenwände sind noch oben offen und erlauben eine gute Luftzirkulation. Es ist angenehm kühl in der Kirche
Sonnenuntergang am Ankerplatz von Vaitahu
Nach der Bananenlieferung gesellen wir uns wieder zur SY Maramalda, die aus Respekt vor dem Schwell in Vaitahu direkt zur nächsten Bucht Hanamoenoa weitergefahren ist
Letzter Ankerstopp auf der Insel Tahuata in der Bucht von Hapatoni. Hier liegen wir in ruhigem Wasser vor einem steil abfallenden Palmenhang. Die Abendsonne bringt die Farben zum Leuchten. In dieser Bucht lebt eine grosse Familie von Delfinen, die jeden Morgen im Schwarm auf Fischfang gehen. Ein tolles Spektakel
Auf unserem Landgang in Hapatoni haben wir erstmals die Gelegenheit zu sehen, wie für die Copra Produktion (Kokosölproduktion) die Kokosnüsse gesammelt, geöffnet und das herausgebrochene Fleisch getrocknet wird. Im Bild eine typische Trocknungsanlage. Auf der Ablage unten werden die Kokosnussstücke ausgebreitet. Das Dach, das auf Schienen fahrbar montiert ist, kann je nach Bedarf zurückgeschoben (Sonne) oder geschlossen (Regen) werden. Nach dem Trocknen ist das Wasser aus der Nuss verdampft und zurück bleibt eine sehr ölhaltige, glasige Substanz. Diese wird dann in Säcke abgefüllt und verschifft zu einer grossen Copra Fabrik, wo die ölhaltigen Stücke gemahlen werden und das Öl daraus herausgepresst wird. Das so gewonnene Kokosöl findet Verwendung in der Lebensmittel- sowie Kosmetik Industrie
Ein weiterer faszinierender Sonnenuntergang vor Hapatoni (Tahuata)
Adrenalinstoss am Ankerplatz von Hapatoni. Es hat hier viele Steine und Felsen im Wasser. Wir haben die Gabe, solche Steinfelder immer perfekt zu finden. Und auch immer perfekt, wie sich unsere Kette jedes Mal die raffiniertesten Wege aussucht, wie sie sich um Felsen verknotet ☹ In diesem Fall (Verlauf der Kette ist auf dem Bild mit gelber Linie markiert, gestrichelt bedeutet, dass die Kette in diesem Bereich unter dem Felsen liegt) ist es besonders schlimm, weil ich diese auf etwa 14 Meter Tiefe nicht von Hand entwirren kann ohne Tauchgerät. Das Schiff hängt fest! Was tun? Nun, in diesem Fall kommt Hilfe von einem Dänischen Nachbarschiff (SY Tao). Es liegt direkt neben uns und dürfte ähnliche Probleme bekommen. Auf meine Frage zuckt der Skipper Bent gelassen mit der Schulter und meint, er löse solche Probleme jeweils einfach mit «Geduld». Funktioniert perfekt auch bei uns! Kette langsam dichtholen, bis das Schiff direkt über dem Stein schwimmt – Geduld zeigen – das Schiff löst durch leichtes Schaukeln die Kette Glied um Glied – und nach ein paar Minuten ist die Kette frei. Ohne Schweiss oder nasse Füsse. Danke Bent – diesen Tipp werde ich mir merken!!
Nächste Insel: Hiva Oa. Im Bild der Strand von Atuona mit Einfahrt zur engen und schwelligen Ankerbucht und Hafen
Lupina (vorne im Bild) am rolligen Ankerplatz von Atuona. Am Tag nach unserer Ankunft fährt auch die MV Aranui, eine Kombination von Fracht- und Kreuzfahrtschiff, in den engen Hafen. Wir haben Glück, denn ein Frachtschiff bedeutet immer: frische Lebensmittel auf der Insel. Und Kreuzfahrtschiff heisst zusätzliche Unterhaltung für Touristen!
In diesem Fall besteht die zusätzliche Unterhaltung für Touristen in der Präsentation der Schönheiten für die Miss Marquesas Wahl 2022…
… Demonstrationen und praktische Kurse von traditionellen Handwerken …
… Präsentation lokaler Kunst (hier traditionelle Tattoos) …
… sehr wohlklingende mit Ukulele begleitete Gesänge eines lokalen Frauenchores …
… und als Höhepunkt ein Tanzmarathon, bei dem die Polynesische Meisterin des traditionellen Tanzes die ausschliesslich weiblichen Teilnehmerinnen instruiert, ihnen vortanzt und sie dann minutenlang üben und schwitzen lässt. Ich verzichte auf die Beschreibung des schwindelerregenden Hüftschwunges der Meisterin. Den haben wir auf Video erfasst 😉 (meine Augen rollen immer noch 😊)
Mit 4×4 Mietauto erkunden wir die wilde Nordküste der Insel Hiva Oa und wagen uns bis ans äusserste Ostende bei Puamau vor. Eine tolle Strecke die mittlerweile gut ausgebaut ist und sogar ohne 4×4 befahrbar wäre
In Puamau befindet sich eine der bedeutendsten archäologischen Fundstätten: Iipona. An dieser Kultstätte befinden sich mehrere gut erhaltene Tikis, unter anderem «Takaii» mit über 2 Metern der grösste Tiki der Welt. In Unkenntnis dieser besonderen Tatsache hat es der Photograph leider verpasst, diesen speziellen Tiki festzuhalten. Dafür hat er diese schöne Figur aus Holz, die aber neueren Datums sein dürfte und einen männlichen Krieger darstellt, abgelichtet
Auf der Strecke zwischen unserem Ankerplatz in Atuona und dem kleinen Bergflughafen im Inneren der Insel soll es einen speziellen Tiki geben: Smiling Tiki (der lachende Tiki). Normalerweise zeigen die Tikis ein ernstes, ja gerade strenges Gesicht. Diese Ausnahme wollen wir sehen. Leider steht in keinem unserer Reiseführer, wo genau er zu finden ist. Wir fahren in die Gegend, wo wir ihn vermuten und treffen einen Reiseführer, der gerade mit einer Gruppe Touristen aus dem Auto steigt. Wir fragen ihn und er meint grinsend, dass er genau dorthin wolle. Wir dürfen uns der Gruppe anschliessen und erfahren viel über den Tiki
Der lachende Tiki (Smiling Tiki): deutlich erkennbar das Grinsen in seinem Antlitz. Die kleinen Hände vorne auf der Brust bedeuten Friede und Ehrlichkeit (keine Waffe, nichts zu verbergen). Der Smiling Tiki befindet sich an einer Kultstätte, wo früher die Medizinmänner, Häuptlinge und andere wichtige Menschen ihre Opfer brachten und Rat suchten. Es hat vermutlich noch viele weitere Tikis gehabt. Alle bis auf den Smiling Tikis sind aber von Archäologen und anderen Sammlern weggebracht worden. Warum der Smiling Tiki nicht? Der Grund dürfte an seiner Verankerung liegen. Er ist auf eine Steinplatte gemeisselt, die sehr tief (über 2 Meter) im Erdreich verankert ist. Vielleicht lacht er ja deshalb 😊
Bei unserer Inseltour mit dem 4×4 Mietauto kommen wir in der Baie Hanaiapa vorbei und sehen diesen Felsen im Meer. Ein Einheimischer kommt auf uns zu und fragt uns: «seht ihr den schwimmenden Neger?». Klar sehen wir ihn. Siehst du ihn auch? Siehst du auch die beiden anderen Gesichter? Auflösung ganz am Schluss des Berichtes 😉
Die Insel Hiva Oa ist die Ruhestätte zweier sehr bekannter Künstler der jüngeren Vergangenheit. Der eine ist der berühmte Belgische Sänger Jacques Brel, der leider viel zu früh vor seinem 50. Geburtstag aus dem irdischen Dasein gerissen wurde
Der andere hier begrabene Künstler ist der weltberühmte Paul Gauguin, der auf Hiva Oa Natur und Menschen vorfand, die ihn zu seinen fantastischen Meisterwerken inspirierten. Schon zu Lebzeiten verhalfen ihm seine farbenreichen Bilder von Menschen (vor allem Frauen) und Situationen aus der Südsee zu Ansehen in der Kunstszene und, eher unüblich für einen Künstler, auch zu Wohlhaben
Dieser Schreiberling (hier gerade am Reisebericht schreiben in der Lounge der Schiffswerft in Hiva Oa) wird es wohl nie zu Weltruhm bringen, auch wenn er eine sehr interessierte Mitleserin hat 😊😊

Wir haben nun die 3 südöstlichen Inseln der Marquesas (Fatu Hiva / Tahuata / Hiva Oa) bereist. Vor allem Fatu Hiva, die kaum je Segelboote sieht, weil sie schwierig anzusegeln ist (Boote, die den Pazifik queren, sind verpflichtet, zuerst auf den weiter westlich liegenden Inseln Hiva Oa oder Nuku Hiva einzuklarieren, und müssten dann gegen Wind und Wellen zurücksegeln) hat uns sehr gut gefallen. Die Marquesas sind ein sehr anspruchsvolles Segelgebiet. Die Vulkaninseln ragen alle steil und schroff aus dem Meer und es hat keine Riffe, welche Wellen und Brandung einbremsen würden. Die einigermassen geschützten Ankerplätze liegen meist auf der Westseite der Inseln. Hier aber gibt es starke und unberechenbare Fall-Böen, die wie eine Ohrfeige auf dich einschlagen können. Der Ankergrund ist meist sehr tief, 15-20 Meter, und es braucht immer viel Kette. Finden wir endlich einen guten Halt, kommt sicher ein nervender Schwell um die Landzunge und macht den Ankerplatz rollig. Gerade das Letztere stört uns aber wenig, wir schlafen herrlich, wenn die Wellen uns so ins Land der Träume befördern. Solange der Anker hält, sind wir glücklich 😉

Als nächstes Ziel nehmen wir uns die 3 nordwestlichen Inseln (Ua Pou / Nuku Hiva / Ua Huka) vor den Bug, bevor wir dann in etwa 4 Wochen wieder nach Hiva Oa zurücksegeln. Dort wollen wir den defekten Motor des Grosssegel Rollmechanismus durch einen temporären Handmechanismus ersetzen, der uns aus der Schweiz zugeschickt wird. Hoffentlich klappt das!

Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser

Auflösung des Rätsels: 1. Das Gesicht des «Neger-Kopfes» ist rot eingerahmt. Er schwimmt ins Meer hinaus 2. Das Gesicht der Frau mit dem üppigen Haar ist grün markiert. Sie schaut gegen links 3. Über der Frau ist gut ein Kindergesicht (blau markiert), ebenfalls nach links blickend, erkennbar

Von Gambier nach Fatu Hiva (Marquesas)

Am 4. März 2022 ist rund 2 Stunden früher Tagwache als sonst. Was heisst da «als sonst»? Normalerweise gibt es bei uns keine Tagwache, sondern wir stehen einfach dann auf, wenn wir erwachen. Heute aber reisst uns Pia’s Wecker bereits um 6 Uhr in der Früh aus dem Schlaf. Es liegen 800 Seemeilen zwischen uns und Fatu Hiva, unserem ersten Ziel im Marquesas Archipel (Franz. Polynesien). Wir schätzen, dass wir bei sportlichem Tempo etwas mehr als 5 Tage brauchen werden. Wenn wir früh starten, haben wir noch genügend Reserve, so dass wir bei Tageslicht ankommen können. Wobei, das mit dem Schätzen ja schon sehr vage ist, denn nur 1 Seemeile pro Stunde Differenz in unserer Geschwindigkeit macht auf diese lange Distanz schnell mal 1-2 Tage Unterschied aus.

Diesmal wird es eine besondere Reise. Erstmals segeln wir eine solch lange Strecke zusammen mit einem anderen Boot. Das Schweizer Ehepaar Rita und Daniel mit ihrer SY Maramalda begleiten uns auf diesem 800 Seemeilen langen Trip. Das besondere daran, sie segeln auch eine Hallberg-Rassy 43 wie wir, also das gleiche Schiff. Die Beiden sind leidenschaftliche Regatta-Segler und sind via das Kap Horn nach Gambier gefahren. Wer mich kennt, der weiss, dass bei mir bei dieser Konstellation (gleiches Schiff, erfahrene Regattasegler) der sportliche Instinkt geweckt wird, obwohl ich eigentlich gar nicht will. Um es gleich vorweg zu nehmen: so kurzweilig und intensiv war bisher noch keine Überfahrt für uns «Lupinis»  (Seewölfe) 😉

Frühmorgens kurz nach 7 Uhr winken wir von unserem Ankerplatz vor Rikitea (Gambier) der SY Maramalda zu. Sie sind etwas schneller beim Ankerheben
15 Minuten später sind auch wir soweit und verlassen Rikitea bei schönem Sonnenschein

Nach kurzer Fahrt unter Motor aus dem Riff vor Rikitea eine ungewollte Überraschung: wir fahren in den Wind und wollen das Grossegel setzen. Wir drücken auf die Taste «Out» des elektrischen Rollmechanismus – aber nichts passiert. Der Motor macht zwar ein Geräusch, wie wenn er drehen würde, aber das Segel kommt nicht aus dem Mast. Als auch ein mehrmaliges Ein- und Ausschalten der Stromzufuhr nichts bringt eine kurze Krisenbesprechung: weiterfahren und das Segel von Hand bedienen – oder zurück nach Rikitea an den Ankerplatz? Pia schüttelt energisch den Kopf und in mir regt sich das Sportlerherz in der Brust. Wir entscheiden uns, die Verfolgung der SY Maramalda aufzunehmen.

Nachdem noch ein kräftiger Squall (Regenschauer mit starken Windböen) über uns hinweggezogen ist, setze ich mit der Notkurbel das Grosssegel von Hand
Kurz darauf ist auch die Genua gesetzt und wir nehmen Kurs auf in Richtung Nordausfahrt des Atolls
Der Himmel klart wieder auf. Bald darauf werden wir von der Dünung erfasst und durch Wind und Strömung auf das offene Meer hinausgetragen. Unsere Lupina nimmt die Fährte der Maramalda auf
Durch das Missgeschick mit dem Grosssegel haben wir gut eine Stunde Rückstand auf die SY Maramalda. Über das AIS Signal sehen wir Geschwindigkeit und Abstand zum sportlichen Gegner. Der Wind bläst mit 15 bis 18 Knoten seitlich aufs Schiff. Unter stolz geblähten Segeln legt sich unsere Lupina willig auf die Seite und beginnt ihre Jagd auf die Maramalda. Normalerweise würden wir uns jetzt irgendein stabiles Plätzchen suchen, ein Buch in die Hand nehmen oder ein Nickerchen machen. Diesmal nicht: das Regattafieber hat uns gepackt! Pia nimmt es etwas gelassener als ich, aber auch ihre Augen pendeln dauernd zwischen unserer Geschwindigkeitsanzeige und derjenigen der Maramalda auf dem Bildschirm hin und her. Nach rund 8 Stunden ist der Vorsprung stark geschwunden und die Maramalda liegt in Reichweite
Unsere Lupina schiebt sich langsam auf gleiche Höhe wie die Maramalda
Die Dünung ist fast 3 Meter hoch und lässt unsere Schiffe zeitweise fast verschwinden
Noch vor Einbruch der Nacht schieben wir uns vor die Maramalda und lassen sie im Kielwasser zurück

In der ersten Nacht holen wir einen guten Vorsprung heraus, bis ein ungewöhnlich langer und heftiger Squall uns einbremst. Da wir unser Grosssegel nicht automatisch reffen können und aus Sicherheitsgründen in der Nacht nicht auf Deck wollen, wettern wir die 28 bis 35 Knoten starken Winde, die fast 1 Stunde anhalten, mit einem Beidrehen ab. Erst als der ganze Spuck vorbei ist und sich das Wetter wieder beruhigt, setzen wir unsere Fahrt fort. Die Maramalda hat mittlerweile wieder zu uns aufgeschlossen. Der Rest der Nacht verläuft dann aber ruhig, und wir holen bis zum Morgen wieder etwas Vorsprung heraus. Dann aber nimmt die Maramalda die Verfolgungsjagd auf. Immer, wenn wir etwas faul und nachlässig werden und unsere Segel nicht optimal nach dem Wind trimmen, kommt sie uns etwas näher. Wir sind nun fast identisch schnell, die Maramalda eher schneller. Manchmal kommt bei uns fast etwas Verzweiflung auf: auch bei vermeintlich bester Segelstellung schaffen wir es nicht, den Vorsprung zu halten. So gewinnen wir die Regatta nicht! Da gibt’s nur eines: noch besser und noch aufmerksamer Kurs und Segelstellung im Auge behalten. Und es gelingt: nach 4 Tagen haben wir rund eine Stunde Vorsprung herausgesegelt. Diesen können wir halten, bis wir uns am letzten Abend gegenseitig über Funk absprechen, dass wir nun die Fahrt drosseln wollen, um nicht in der Nacht am Ziel anzukommen.

In der letzten Nacht fahren wir mit stark gerefftem Grosssegel und rollen dieses bei den ersten Sonnenstrahlen am nächsten Morgen ganz weg. Es dauert fast 7 Minuten bis es mit der Handkurbel sicher im Mast eingerollt ist
Da wir erst gegen Mittag am Ankerplatz ankommen wollen und wir gelesen haben, dass es der Insel entlang starke Fallwinde geben kann, segeln wir unter halber Genua langsam nordwärts auf die Insel zu
Noch ist das Zentrum mit starken Wolken verhüllt …
… aber bald trocknet die Sonne die Luft und zeigt uns eine wunderbare Naturlandschaft, die vor Millionen von Jahren durch vulkanische Aktivität geschaffen wurde
Einfahrt in die Ankerbucht «Baie des Vierges» bei Hanavave auf Fatu Hiva
Aussicht vom Ankerplatz in der Baie des Vierges. Baie des Vierges heisst übersetzt: Bucht der Jungfrauen. Angeblich soll der Ursprüngliche Name «Baie des Verges» (Bucht der Penisse) gewesen sein, welcher wegen der Formen des umgebenden Gebirges fast logisch war. Das war natürlich nicht im Sinnen der Missionare, die hierhergekommen sind. Kurzerhand wurde ein «i» in die Bezeichnung geschoben und so gibt es heute die Jungfrauenbucht 😊

Nach genau 5 Tagen und 4 Stunden fällt unser Anker. Vielen Dank, Rita und Daniel, für dieses kurzweilige, spannende, manchmal stressige 😉 aber wunderschöne «Rennen». Wir sind uns bewusst, dass ihr euch mit einem kleineren Vorsegel in den Zweikampf gestürzt habt. In den nächsten Tagen wollen wir uns nun organisieren. Pia will endlich das schon lange fertig gestellte Video der Pazifiküberquerung ins Netz stellen und ich muss mich um den Rollmechanismus des Grosssegels kümmern.

Der Dinghi Landesteg, den wir vorfinden, gefällt uns schon mal sehr gut. Hier ruht unser Lupinchen sicher und geschützt
Endlich ein Internet gefunden!! Die Chancen stehen gut, dass wir demnächst Video und Bericht hochladen können

Wir freuen uns auf die neue Insel. Hier auf Fatu Hiva hat der berühmte Zoologe Thor Heyerdahl Ende der 1930 Jahre in und mit der Natur gelebt. Aus seinen Beobachtungen der Leute und der Kultur hat er die Theorie entwickelt, dass die Besiedlung von Polynesien von Südamerika aus erfolgt sein könnte. Hier fasste er den Entschluss, mit einem Floss von Südamerika nach Polynesien zu fahren.

Wir sind Thor Heyerdahl auf der Spur. Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser

Segeln in Gambier (Teil 2)

Vor ein paar Tagen ein Glückstag! Ich setze mich mit Teil 1 unseres Gambier Berichtes in das kleine Restaurant JoJo’s, bestelle ein kühles Hinano (lokales Bier aus Tahiti), wähle mich ins WLAN des Ladens ein und beginne, Bilder und Bericht auf unsere Home Page hochzuladen. Anfänglich sehr, sehr langsam, fast 3 Minuten pro Bild, geht’s mit jedem Schluck des würzigen Bieres besser. Und als mir Pia nach fast einer Stunde noch ein leckeres Gebäck (= Kalorienbombe!!) hinstellt, machts «schwupps»: Bericht ist hochgeladen – und Dessert gut verstaut im Bauch 😊

Wir sind nun schon 8 Wochen in Gambier und mit jedem Tag gefällt es uns besser. Wir sind in einer ganz eigenen Welt. Man könnte meinen, um uns herum gibt es nichts anderes mehr. Der Kontakt zur Aussenwelt ist stark reduziert. Die Einheimischen gehen gelassen und genügsam ihrem Tageswerk nach und wir entscheiden uns von Tag zu Tag, was wir unternehmen wollen. Manchmal bleiben wir den ganzen Tag auf dem Schiff, lesen oder werkeln an irgendetwas herum, gehen schwimmen und schnorcheln. Wichtige Nachrichten, wie zum Beispiel die Warnung über eine Tsunamiwelle nach dem Vulkanausbruch in Tonga, werden per Funk übermittelt. Verabredungen innerhalb der Seglergemeinschaft machen wir ebenfalls per Funk, oder dann mit einem kurzen Schwatz vom Dinghi aus. Die Uhren scheinen still zu stehen.

Gambier hat sehr viel an Natur zu bieten. Die beiden höchsten Berge, der Mont Duff (441m, Bild) und der Mont Mokoto (423m) befinden sich auf der Hauptinsel Mangareva
Rita von der Segelyacht Maramalda begleitet uns auf der Wanderung
Der Aufstieg auf den Mont Duff ist sehr steil und anspruchsvoll, aber es lohnt sich: die Aussicht ist atemberaubend. Im Bild der Hauptort Rikitea mit dem kleinen Anlegepier und den paar Segelschiffen vor Anker. Die hellen Flecken im Meer sind Untiefen und Korallenblöcke
Der Abstieg vom Mont Duff via die «Evacuation Route» verlangt etwas Mut
Auch der zweite Berg, der Mont Mokoto (423m), bietet eine phantastische Aussicht. Im Bild die Insel Taravai und die kleine Nachbarinsel Agakauitai

Ursprünglich wurde Französisch-Polynesien von Asien, oder wie Thor Heyerdal mit seiner Kontiki beweisen konnte, von Südamerika her besiedelt. Nach der Entdeckung dieser entlegenen Inseln im Südpazifik durch Europäische Seefahrer und der folgenden Kolonialisierung durchmischte sich die Bevölkerung stark. Heute hat fast jeder Einwohner Vorfahren, die hier einmal als Schiffsbrüchige, Meuterer, freiwillige Aussteiger, Missionare, und in der jüngeren Vergangenheit als Segler gestrandet sind.

Die Bewohner sind Selbstversorger. Angebaut werden Yams, Taro und Brotfrucht, sowie alle Arten von tropischen Früchten, und in kleinerem Umfang für den Export Kaffee und Vanille. Lebensgrundlage sind außerdem der Fischfang, Schweine- und Hühnerzucht. Wir erleben die Leute als sehr freigiebig, offenherzig und selbstzufrieden.

Ornélia beschenkt uns jedes Mal mit ihrem herzlichen Lachen, wenn wir im JoJo’s ins Internet gehen und wir von ihr Kaffee und Cola bestellen
Überall, wo wir auf Menschen treffen, blicken wir in lachende Gesichter – einfach schön!
Wir besegeln das ganze Atoll und machen immer wieder an neuen Ankerplätzen fest. Hier liegen wir vor der Flughafeninsel Totegegie
Wir haben bisher immer geglaubt, Bonaire sei das Mass der Dinge, wenn es um die Unterwasserwelt geht. In Gambier treffen wir auf ebenbürtig schöne und interessante Schnorchel- und Tauchgebiete. Fische und Korallen wetteifern um den Schönheitspreis
Wir geniessen eine immense Vielfalt an Fischen …
… und Krustentieren
Korallen wie Hirschgeweihe
Auch unser Adrenalinspiegel wird regelmässig aktiviert. Es gibt praktisch kein Schnorcheln, bei dem sich nicht irgendein Haifisch neugierig nähert und schaut, ob es da vielleicht was zu futtern gibt. Das kühlende Schwimmen ums Boot bei Sonnenuntergang, in der Nacht oder morgens früh ist nicht ratsam und für uns gestrichen. Im Bild ein Schwarzspitzen-Riffhai
Ein anderes störendes Lebewesen: Quallen. Von denen gibt es je nach Gebiet und Wasserströmung sehr viele. Allerdings ist diese Sorte zum Glück harmlos und erzeugt keine Verletzungen
Eine wunderschöne Insel am Aussenriff: Motu (= kleine Insel) Tauna, von unserem Schiff aus gesehen
Ankerplatz beim Motu Tauna. Nur ein paar Meter hinter dem Schiff eine Korallenbank (erkennbar an der weissen, sich brechenden Welle). Im Hintergrund am Horizont, in knapp 10 Kilometer Distanz, die palmenbewachsenen Motus auf der gegenüberliegenden Seite des Atolls
Nicht jeder Tag endet mit solchen Sonnenuntergängen – aber immer mit einem Sundowner 😊😊
Gambier ist berühmt für seine schwarzen Perlen. Am «False Pass» (Insel Totegegie) haben wir die Gelegenheit, eine Perlenfarm zu besuchen. Die Farm kauft die Perlmuttmuscheln von lokalen Züchtern, wenn sie ungefähr 2 Jahre alt sind. Um eine optimale Perlenqualität zu bekommen werden sie ein Jahr lang an das Wasser der Perlenfarm (Strömung, Temperatur, Nährstoffe) angewöhnt. Dazu werden sie mit einer Nylonschnur an einem Seil befestigt (Bild)
Um die jungen Muscheln vor Fischen zu Schützen wird über das Seil mit den daran befestigten Tieren in ein rundes Drahtgeflecht gesteckt und so ins Wasser gesetzt
Perlmuttmuschel: mit etwa 3 Jahren ist sie etwa Handteller gross und bereit für die Perlenzucht. Die Innenseite schillert in allen Farben, je nach Lichteinfall. Für die Perlenzucht müssen die schönsten Muscheln leider ihr Leben lassen. Diesen wird mit einem Skalpell-Messer vorsichtig das Wachstumsgewebe entfernt und in kleine Gewebestücke von rund 1-2mm Grösse zerteilt. Für die Perlenzucht werden diese Gewebestücke zusammen mit einem «Nucleus» (kleine, 2-3 mm grosse Kugel aus der Schale einer Auster gefertigt) der Trägermuschel eingepflanzt. Das kleine Gewebestück veranlasst die Muscheln, den eingesetzten Fremdkörper, den Nucleus, mit der gleichen Farbe und dem gleichen Material, wie es ins Gebebestück programmiert ist, einzuhüllen
Das Einsetzen von «Nucleus» und Wachstumsgewebe erfordert sehr präzises Arbeiten mit chirurgischen Instrumenten
Nachdem die Trägermuschel mit Nucleus und Gewebestück «geimpft» ist, wird sie mit einer Nylonschnur zusammen mit rund 20 anderen Muscheln an einem Gitter befestigt. Dieses Gitter wird an Seilen und Bojen fixiert und auf 3-5 Meter Wassertiefe ins Meer platziert. Danach braucht es regelmässige Pflege (Säubern von Algenbefall) der Muscheln und mit viel Glück wächst in der Muschel eine perfekte Perle heran, die nach 12 bis 18 Monaten geerntet werden kann. Statistisch gesehen ist nur jede tausendste Perle eine wirklich schöne und wertvolle Perle. Nach der Ernte wird die Trägermuschel erneut geimpft und der Vorgang kann bis zu dreimal wiederholt werden. Die Muschel lernt dabei und bei jedem Mal wird die Perle schöner und grösser
Das Endprodukt der Perlenzucht
Auch meine Perle trägt von nun an Perlen 😉
Wir schaffen es noch 2-mal zum Potluck auf der Insel Taravai bei Valérie, Herve und ihrem jüngsten Sohn. Er geht jetzt mit 10 Jahren zum ersten Mal zur Schule. Bisher konnte er seine Ausbildung per Fernunterricht und Computer von zu Hause aus absolvieren. In den höheren Stufen geht das nun nicht mehr. Nun wohnt er während der Woche bei einer Tante in Rikitea, wo er den Schulunterricht besucht, und am Wochenende bei seinen Eltern auf der Nachbarinsel
Unsere letzte Destination im Gambier Atoll: die Insel Akamaru. Heute leben hier wieder etwa 10 Einwohner, nachdem die Bevölkerung vor der Jahrtausend-Wende während vieler Jahre verlassen war
Auch auf Akamaru gibt es eine überdimensionierte Kirche aus dem 19. Jahrhundert. Diese hier ist im Vergleich zu den Kirchen auf den anderen Inseln allerdings in einem relativ guten Zustand und man sieht ihr an, dass sie regelmässig genutzt wird
Von Rémy (links im Bild) haben wir in einem Seglerbuch gelesen. Er kam als 14-jähriger Jüngling mit seinem Vater (Elsässer aus Mulhouse) 1996 per Segelboot nach Gambier. Sein Vater heiratete eine polynesische Inselschönheit und liess sich auf der damals unbewohnten Insel Akamaru nieder. Von Daniela (SY Yelo) erfahren wir, dass Rémy immer noch auf der Insel lebt und heute eine Vanille-Plantage betreibt. Wir beschliessen spontan, ihn zu besuchen – und begegnen erneut einem wunderbaren Menschen. Das Bild zeigt Rémy, ein mit ihm befreundetes Seglerpaar aus Frankreich, seine Frau Ruita und meine Co-Skipperin Pia am Mittagstisch bei Kaffee (selber angebaut) und Kuchen
Rémy hat bis zum Ausbruch von Covid selber auch Perlen gezüchtet. Der Lockdown hat es aber den Fachkräften aus hauptsächlich China verunmöglicht, nach Französisch-Polynesien zu reisen. Rémy sah sich gezwungen, mit der Zucht von Perlen aufzuhören. Statt Perlen züchtet er heute die jungen Perlmuttmuscheln. Bei unseren Fragen springt er spontan ins Boot, fährt einige hundert Meter ins Meer hinaus, fischt eine Reuse aus dem Wasser und zeigt uns deren Inhalt
In der Reuse drin hat es 3 lange Gewebeschnüre, an denen sich kleine Perlmuttmuscheln, die im offenen Meer leben, angehängt haben. Auf dem Bild sind sie nur schwer zu erkennen, da noch allerlei andere Lebewesen und Pflanzen an der Schnur haften. Die Muscheln wachsen nun 2 Jahre lang an dieser Gewebeschnur. Regelmässiges Säubern von Muscheln, Gewebeschnur und Reuse von anderen Tieren und Pflanzen ist Voraussetzung, dass die Muscheln sich gut entwickeln können. Wenn sie etwa 2 Jahre alt sind, kann Rémy die Perlmuttmuscheln an Perlenzüchter verkaufen

Unser Besuch bei Rémy und seiner Frau Ruita zeigt uns einmal mehr in eindrücklicher Weise, wie offen und entspannt die Polynesier sind. Obwohl Beide keine oder wenig Abstammung von der ursprünglichen Polynesischen Urbevölkerung mitbringen, leben sie wie die ursprünglichen Polynesier in Einklang mit Natur und sich selbst. Liegt es am stetigen Rauschen des türkisfarbenen Meeres, am üppigen Grün der Vegetation oder am Überfluss an tropischen Früchten und Gemüse, dass die Leute, die hier leben, so tiefenentspannt sind? In Jamaika haben wir auf unserer Reise den Slogan „no stress“ gelesen, in Costa Rica dann ähnlich «pura vida!». Beides finden wir in Gambier wunderbar vorgelebt und im Wesen der Leute verinnerlicht. Überall, wo wir hinkommen, haben die Leute Zeit für uns, grüssen spontan und lachen uns an. So erleben wir auch den Besuch bei Rémy. Stell dir vor, es kommen zwei wildfremde Leute unangemeldet bei dir zu Hause vorbei und wollen sehen, was du so machst und wie du lebst. Wir würden zuerst mal sehr argwöhnisch reagieren und ich wette, die meisten von uns würden irgendeinen Vorwand finden, den ungebetenen Besuch wieder fort zu schicken. Das ist uns hier in Gambier nie passiert.

Am Tag nach unserem Besuch bei Rémy auf Akamaru besteigen wir die 58 Meter hohe Nachbarinsel Mekiro und geniessen noch einmal einen fantastischen Rundumblick über das Atoll von Gambier. Ganz weit draussen im Meer wartet unsere Lupina ruhig in den Wellen schaukelnd bis sie wieder in See stechen darf
Weit unter uns liegt unser Dinghi sicher am weissen Sandstrand
Einer von vielen traumhaften Sonnenuntergängen in der Südsee

In den letzten Tagen sind nun öfters prallvolle Regenwolken über Gambier hinweg gezogen. Der Wind hat dabei innerhalb kurzer Zeit alle möglichen Richtungen eingenommen. Zum Glück blieb er die ganze Zeit über nur auf schwachem Niveau, so dass der Anker auch gehalten hat, wenn er in die andere Richtung eingefahren war. Seit heute nun (hat es wohl etwas mit dem Neumond zu tun?) beginnt sich der stabile Passatwind aus Osten durchzusetzen. Obwohl uns der Abschied von Gambier schwer fällt, rufen neue Abenteuer. Unser nächstes Ziel liegt 800 Seemeilen (5 Tage) im Norden von Gambier: die Marquesas Inseln.

Pia sucht den richtigen Wind am Horizont

Morgen Freitag früh (lokale Zeit) lichten wir den Anker und lassen uns von Wind und Welle aus dem traumhaft schönen Gambier Atoll nach Norden tragen. Dort erhoffen wir uns endlich ein Internet, wo Pia ihr seit langem fertiges Video von der Überfahrt von Galapagos nach Gambier hochladen kann. Drücken wir ihr die Daumen!

Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser

Segeln in Gambier (Teil 1)

Wow, wenn wir auf den Kalender schauen, merken wir, dass wir schon mehr als 1 Monat in Gambier sind. Dass wir uns schon länger nicht mehr gemeldet haben, liegt nicht etwa an Langeweile oder Faulheit – im Gegenteil! Wir unternehmen und erleben sehr viel, aber das Internet aus der Zeit vor 2G macht es uns fast unmöglich, euch zeitnah auf dem Laufenden zu halten. Überraschenderweise finden wir zwar bereits am zweiten Tag nach unserer Ankunft ein Internet, das stark und stabil genug ist, unseren Bericht der Pazifiküberquerung hochzuladen. Zu unserer grossen Freude empfangen wir bei dieser Gelegenheit auch viele Mails mit Gratulationen zu unserer gelungenen Überfahrt. Danach fällt aber die Antenne aus, und das ganze Gebiet ist wieder in seiner eigenen, friedlichen Welt. Für das Video der Pazifiküberquerung müsst ihr wohl leider warten, bis wir dann in ein paar Wochen in den Marquesas sind.

Nicht ganz unerwartet erreichen uns viele Fragen von Lesern, die auf der Karte nachschauen wollten, wo wir denn genau sind. So präsentiert sich unsere Route auf Google Earth. Von Gambier sieht man bei dieser Einstellung noch gar nichts – man könnte meinen, wir ankern irgendwo mitten im offenen Ozean. Die Gambier Inseln sind ein 43 Inseln umfassender Archipel östlich des 140. Längengrades im Südpazifik, etwa 1’800 Kilometer südöstlich von Tahiti. Geographisch gehören die Gambier Inseln zum Tuamotu-Archipel, politisch zu Französisch-Polynesien
Erst bei starker Vergrösserung der Karte zeigt sich das Gambier Atoll. Es besteht aus 5 Hauptinseln (Reste eines Vulkanes), die durch ein rautenförmiges Korallenriff umgeben sind. Die längere Diagonale von Norden nach Süden beträgt rund 35km, diejenige von Osten nach Westen rund 27km

Zur Entstehung eines Atolls braucht es einen Vulkan und Korallen. Wenn sich ein Vulkan gebildet hat, beginnt am Übergang von Landmasse zu Meer ein Korallenriff zu wachsen. Meist senkt sich ein Vulkan wieder langsam ab, wenn er erloschen ist. Die Korallen sinken dabei auch ab, aber sie wachsen dabei langsam nach und ihre Spitze bleibt meist immer knapp unter der Meeresoberfläche. Auf den Satellitenbildern von Gambier ist dieses Riff sehr gut erkennbar. Es bildet einen wichtigen Schutzwall für die Inseln und die Menschen, die hier leben. Für den Seefahrer kann so ein Korallenriff aber schnell zur tödlichen Falle werden, wenn er die Einfahrt ins geschützte Atoll nicht findet oder wenn sein Schiff von der oft starken Strömung in der Durchfahrt erfasst und auf das zerklüftete, scharfkantige Riff geworfen wird. Nun, uns ist das zum Glück dank der heute sehr modernen Navigationsmittel nicht passiert. Aber es wird uns wieder einmal bewusst, welche Gefahren die alten Seefahrer auf sich genommen haben, um die Welt zu erkunden. Sie hatten keine Karten, sie hatten keine Wetterdaten. Sie wussten damals noch nicht, wie die globalen Winde verlaufen und erst recht nicht, wo und wie stark die Strömungen verlaufen. Also, ich muss schon sagen, ich habe heute, nachdem wir den Atlantik und einen grossen Teil des Pazifiks überquert haben, einen riesigen Respekt vor den Entdeckern von damals.

Unser Ankerplatz vor dem grössten Ort im Gambier Atoll: Rikitea auf der Hauptinsel Mangareva. Gerade mal etwas mehr als 500 Menschen leben in Rikitea. Auf dem ganzen Atoll verstreut sind es etwa 1’300 Einwohner

Das Tuamotu Archipel besteht aus 76 grösseren Atollen, die sich über rund 1’000 Seemeilen (1’800km) von Südosten nach Nordwesten verteilen. Gambier liegt ganz im Süden und befindet sich am Rande des Zyklon-Gürtels. Vom Dezember bis März muss man auch hier mit diesen Stürmen rechnen. Obwohl Gambier als relativ sicher gilt, werden wir aufmerksam die Wetterlage verfolgen und allenfalls weiter nach Süden «flüchten», falls sich ein Zyklon ankündigt. Aber im Moment herrscht bestes Wetter: tagsüber 30 Grad, in der Nacht kühlt es ab auf 25 Grad, viel Sonne und ab und zu ein Regenschauer.

Die Hauptstrasse durch Rikitea. Am meisten Betrieb herrscht hier am Morgen früh kurz nach Sonnenaufgang, oder am späteren Nachmittag kurz vor Sonnenuntergang. Dann brennt die Sonnen nicht so stark und im Schatten der grossen Bäume ist es angenehm kühl
Entlang der Strasse aus dem Dorf finden sich viele Bäume und Sträucher, die leckere Früchte tragen (hier freut sich Pia über Mangos). Von den Einheimischen erfahren wir, das alles, was nicht auf einem eingezäunten Grundstück wächst, sowie alles auf öffentlichem Grund für die Allgemeinheit bestimmt ist. Wir fühlen uns wie im Schlaraffenland! Mangos, Pampelmusen (Grapefruits), Avocados, Bananen, Kokosnüsse, Litschis, Brotfrucht und vieles mehr in Hülle und Fülle
Anlässlich eines Volksfestes vor ein paar Jahren wurden auch die Einwohner der umgebenden Inseln eingeladen. Zum Dank und zur Würdigung der Einladung haben die Besucher der Osterinseln eine Statue mitgebracht
Nicht nur das Internet ist noch altertümlich. Auch ein Stromzähler (von Landis + Gyr aus der Schweiz!) aus den 1960er Jahren leistet noch seine wertvollen und zuverlässigen Dienste
Haupteinnahmequelle der Einwohner ist heute die Zucht der schwarzlippigen Perlmuschel zur Gewinnung schwarzer Perlen. Der Handel mit schwarzen Perlen wird überwiegend von Hongkong-Chinesen kontrolliert. Als Folge der Perlenzucht haben sich in den letzten Jahren Chinesen, Europäer und Japaner auf den Inseln angesiedelt. Bild: Perlenfarm vor den Ufern von Rikitea
Perlenfarmen im Norden von Mangareva mit dem zweithöchsten Berg, dem Mont Mokoto (423 müM) im Hintergrund
Eines der dunklen Kapitel der katholischen Missionierung in Gambier: ein französischer Priester liess Mitte des 18. Jahrhunderts in seinem Eifer alle traditionellen Götzenfiguren vernichten und entriss den Einheimischen ihre ursprüngliche Religion. In seinem Fanatismus und Grössenwahnsinn führte er sich selber auf wie ein Gott und liess von den Inselbewohnern auf jeder der 5 Hauptinseln aus Korallensteinen eines oder sogar mehrere Gotteshäuser, monumental und krass überdimensioniert, bauen. Die zwangsweise Verpflichtung der Arbeitskräfte für die Grossprojekte entvölkerte die kleinen Gambier Inseln und führte zu Hungersnöten, da die tägliche Nahrungsbeschaffung vernachlässigt wurde. Dies und die Verbreitung von bisher unbekannten Infektionskrankheiten hatte Verelendung und einen drastischen Bevölkerungsrückgang zur Folge. Heute sind die meisten dieser Gotteshäuser am Zerfallen. Im Bild die „Südseekathedrale“ in Rikitea.
Die „Südseekathedrale“ in Rikitea bietet rund 500 Personen Platz
Altar in der Kathedrale. Alle weissen Verzierungen sowie auch das Kreuz sind aus Perlmutt-Muscheln gefertigt
Durchschnittlich 1x pro Woche legt ein Versorgungsschiff von Tahiti in Rikitea an und beliefert die Bewohner des ganzen Atolls mit Lebensmitteln und sonstigem Material
Vom Versorgungsschiff geht die Ware direkt in einen der wenigen lokalen Läden, oder direkt zum Endkunden. Treibstoff kann man zum Beispiel nur in 200 Liter Fässern kaufen. Etwas viel für unser Dinghi. Also tun wir uns mit anderen Seglern zusammen und teilen uns ein Fass, um unsere Reserve Kanister wieder zu füllen.
Beim lokalen Pfarrer und seiner Frau. Sie pflegen ihren Garten mit sehr viel Liebe und versorgen viele von uns Seglern mit leckerem Gemüse, Obst und Früchten
Hochbeete mit Salat und Gewürzen
Wunderschöne Aussicht vom Pfarrersgarten hinunter aufs Ankerfeld vor Rikitea
Nachdem wir bei der Überfahrt fast 3 Wochen auf dem Wasser verbracht haben, jucken uns die Wanderfüsse. Auf der Insel Mangareva gibt es herrliche Wanderwege, die übrigens auch sehr gut unterhalten werden. Hier sind wir zusammen mit Rita von der Schweizer Segelyacht Maramalda unterwegs quer über die Insel von Kirimiro zurück nach Rikitea
Mit Mirko (SY Yum Yum, rechts) und seinem Crewmitglied Nico (links) bilden wir eine Segelgemeinschaft und besegeln ein paar Tage das Atoll. Mirco, auch ein Schweizer (von 21 Booten sind 4 Boote mit Schweizer Crew!) verbringt pandemiebedingt bereits die 2. Saison in Gambier und kennt das Atoll sehr gut. Wir sind sehr froh um seine Tipps und Hilfestellungen. Das macht uns das Ankommen in Gambier sehr viel einfacher und angenehmer
Die Yum Yum (vorne) zeigt uns den Weg durch die seichten Stellen zur Nachbarinsel Taravei. Die Einfahrt zum Ankerplatz ist sehr kritisch und schlängelt sich in einem engen «S» Kurs um ein paar gefährliche Korallenköpfe («Bommies»)
Jeden Sonntag findet auf der Insel Taravei ein Treffen der Segler zum «Potlock» statt. Gastgeber sind die Landbesitzer Merve und Valérie. Sie stellen ihr Gelände (mit Strand, eigens errichtetem Beach-Volleyballfeld und Bocciabahn) zur Verfügung. Unser Schiff liegt sicher vor Anker (oben rechts) und wir landen wie alle anderen mit unserem Dinghi am Strand
Ob man das Wort «Potlock» so schreibt, weiss ich nicht. Was es bedeutet aber schon: sehr viel feines Essen aus verschiedenen Küchen! Schlaraffenland, sag ich euch! Jeder Segler bringt sein Essen mit, stellt es auf den gemeinsamen Tisch und dann wird gekostet und geschmaust 😊😊
Erneut eine Wanderung, diesmal auf der Insel Taravei. Eine wahre Kletterpartie auf einen der höchsten Punkte. Wir würden den Weg alleine nie finden, ein Amerikanisches Seglerpaar kennt aber den Hike und führt uns auf den Berg
Mirko zeigt uns nicht nur den sicheren Weg durch das Labyrinth von Korallenblöcken und Bojen der Muschelfarmer, er zeigt uns auch, wie man am besten eine Kokosnuss öffnet. Von nun an geht es viel schneller und müheloser als mit Köbi’s Hackbeil Methode 😉

Wie das übrige Französisch-Polynesien aussieht und wie sich die Leute und das Leben auf den anderen Archipelen und Atollen anfühlen, wissen wir noch nicht. Nach fast 3 Jahren in der Karibik, wo sich viele Dinge, trotz der vielen unterschiedlichen Kulturen und Sprachen, zu wiederholen begannen, ist nun Gambier eine ganz neue Erfahrung. Wir merken, es geht den Leuten gut hier. Sie sind sehr lebensbejahend, fröhlich und in sich zufrieden. Wir fühlen uns sofort wohl und willkommen. Vom ersten Tag an lassen wir den Niedergang unseres Schiffes Tag und Nacht offen. Wir fühlen uns absolut sicher. Wenn es irgendein Problem gibt, ist jeder für den anderen da. Die Menschen sind ausgesprochen hilfsbereit. So weit weg im unendlichen Pazifik sind die Menschen es gewohnt, zu sich selber Sorge zu tragen und Dinge, die im Überfluss da sind, zu teilen. Und irgendwie schön: diese Lebenseinstellung schwappt auch auf die Seglergemeinschaft über.

Es sind rund 20 Schiffe hier auf Gambier. Davon sind die meisten Pandemie bedingt schon länger in Französisch-Polynesien. Schon am ersten Morgen nach unserer Ankunft finden wir in unserem Cockpit ein frisches Baguette (Brot) und erhalten feine Früchte, die andere Segler uns am frühen Morgen bringen. Das Leben tickt hier übrigens eher nach Pia’s Uhr als nach meiner: der Tag beginnt mit dem Sonnenaufgang um 5 Uhr in der Früh. Die Läden öffnen bereits vor 6 Uhr. Frisches Brot aus der Bäckerei ist oftmals nach 7 Uhr bereits ausverkauft. Kurz nach Sonnenuntergang um 19 Uhr wird es ruhig und still im Dorf und auf den Inseln. Die Leute gehen früh schlafen.

Die ersten beiden Wochen sind wir einfach einmal angekommen. Wir haben uns mit unserer Umgebung vertraut gemacht, haben uns eingerichtet und organisiert. Danach beginnt uns wieder die Unternehmungslust zu jucken. Und es gibt viel zu tun! Die einzelnen «Motus» – Koralleninseln – eingerechnet gibt es über 43 Inseln verteilt auf die 450 Quadratkilometer grosse Lagunenfläche.

Wir ankern zusammen mit der SY Yum Yum im Südosten vor dem Motu «Kouaku». Das Navigieren durch die korallenbespickte Lagune erfordert viel Aufmerksamkeit. Unsere Navionics Seekarten sind in diesem Gebiet ausgesprochen genau (was sie in Panama überhaupt nicht waren). Zudem haben wir eine App (OpenCPN), mit deren Hilfe wir offline Satelliten-Bilder und unsere GPS-Position überlagern können. Das hilft uns beim Navigieren sehr. Natürlich sind wir besonders bei unseren ersten Ausflügen froh, dass wir auf die lokalen Kenntnisse von Mirko (SY Yum Yum) zählen dürfen
Das Ankern im Korallengelände erfordert eine spezielle Technik. Damit die Kette nicht über die Korallen schleift, diese zerstört und sich darin verfängt, müssen wir dafür sorgen, dass die Kette darüber «schwebt». Das bewerkstelligen wir mit Fendern oder anderen Schwimmkörpern (wir verwenden mittlerweile Bojen, die sich von Fischernetzen und Perlmuschelzuchten losgerissen haben und an Land gespült wurden). Zuerst setzen wir den Anker in einem offenen Sandfeld ab und fahren ihn provisorisch ein. Danach geben wir nach und nach mehr Kette und schäkeln im Bereich von Korallen die Bojen in die Kette. Auf dem Bild ist gut zu sehen, wie Lupina direkt über einem Korallenfeld schwimmt (das Wasser darüber ist ungefähr 4 Meter tief). Links 2 Bojen (Pfeil) die verhindern, dass die Kette die Koralle berührt, wenn Lupina noch etwas mehr nach rechts driftet
Schrecksekunde für den Drohnenpilot in luftiger Höhe! Eine rasche Flucht nach oben hat unsere Drohne vor dem neugierigen Fregattvogel gerettet. Schön zu sehen: oben das offene Meer, das sich an der Riffkante bricht und aufgestoppt wird. Danach folgt meist eine flache Zone (Wassertiefe 0-1 Meter) bis zum Motu (Sandinsel). Hinter dem Motu fällt die Wassertiefe ab auf 5-10 Meter. In diesem Bereich gibt es grosse Korallenköpfe, das Waser ist meist glasklar und das Schnorcheln einfach fantastisch!
Abendstimmung auf dem Motu Kouaku
Abschied von Mirko und Nico (SY Yum Yum). Sie zieht es rund 800 Seemeilen weiter nördlich auf die Marquesas Inseln (immer noch Französisch-Polynesien). Gute Fahrt euch Beiden und auf bald in den Marquesas!
Pia’s Geburtstag. Wir erhalten spontan eine Einladung zum Nachtessen vom Schweizer Ehepaar Rita und Daniel (SY Maramalda). Sie sind letztes Jahr mit ihrer Hallberg-Rassy 43, einem identischen Schiff wie unsere Lupina, via das Cap Horn nach Gambier gesegelt. Es gibt viel zu plaudern über Segeln, Schiff und Familien 😉
Pia’s Geburtstag spricht sich herum! Von Daniela und Rolf, einem weiteren Schweizer Seglerpaar auf Gambier (SY Yelo) wird Pia mit einem traditionellen Kopfschmuck beschenkt. Daniela hat die Kunst des Blumenflechtens in Französisch-Polynesien gelernt
Aussicht beim alten Leuchtturm am westlichen Ende der Insel Aukena
Auf der Insel Aukena treffen wir Pakoi, einen rund 60-jährigen Mann. Er hat mit 55 Jahren aufgehört zu arbeiten und ist von seinem Wohnort Rikitea auf Mangareva auf die Nachbarinsel ausgesiedelt. Er lebt hier, nach eigenen Angaben, in totalem Frieden mit sich und der Umwelt. Wir sind fasziniert von ihm. Er strotz vor Lebensfreude und winkt uns schon von Weitem zu, als wir uns mit dem Dinghi nähern. Ohne, dass wir ihn darum fragen müssen, zeigt er uns die nahe gelegene Kirche, seinen gut eingezäunten Garten mit feinen Früchten und Gemüse, seine Behausung (den Blechverschlag rechts vom Bild – man beachte auch den sauber gewischten Boden davor!) und die Schlachtbank für die Schweine (direkt hinter Pakoi). Pakoi züchtet Schweine, die er in freier Natur aufwachsen lässt. Diese verkauft er in Rikitea für umgerechnet 10 Dollar pro Lebendkilo. Gutes Geld, das ihm für seine Bedürfnisse reicht. Beim Abschied werden wir üppig mit Bananen, Mangos, Papaya und einer grossen Brotfrucht beschenkt. Am nächsten Tag fahren wir noch einmal hin und bringen ihm ein T-Shirt und eine Dose Bier aus Panama. So herzlich haben wir kaum je einen Mann lachen gesehen. Eine wunderschöne, eindrückliche Begegnung!
Kulturfest in Rikitea. Nicht für uns Touristen – nein, für sich selber. Einige Tage im Vorfeld sehen wir überall Kinder, die von Erwachsenen in die Kunst des Tanzens, Musikinstrument Spielen oder traditionellen Handwerkens (im Bild das Flechten von Kränzen und Kleidern aus Bananen- und Palmblättern) eingewiesen werden
Tag des Kulturfestes: ein Teil der Festküche mit seiner fröhlichen Crew
Kulturfest Abendunterhaltung der Schüler (es hat etwa 200 Schüler in Rikitea!!) in der grossen Sporthalle. Eintritt frei für alle
Der Valentinstag wird am Sonntag davor (am Tag nach dem Kulturfest) mit einem Bankett für die Bevölkerung gefeiert. Wir erfahren zu spät, dass man sich dafür anmelden muss, und die Tische sind bereits vergeben, als wir uns einschreiben wollen. Dafür hat es für den Wohltätigkeitslauf noch Platz. Kurzer Entscheid, und ich schreibe mich und Pia kurzerhand für diesen als Paarlauf durchgeführten 3km langen Wettkampf ein. Das Startgeld beträgt pro Person 25 Dollar, Geld, das für gute Zwecke in der Schule eingesetzt wird. Schlussendlich sind wir 5 Personen, welche die Schweizerfahne vertreten: (von links): Daniel und Rita (SY Maramalda), die Lupina Crew Köbi und Pia, und Daniela (SY Yelo)
Freude und Überraschung sind gross: von 39 Paaren laufen wir (mit Flip-Flops – wohlgemerkt! die Anmeldung war ja spontan und wir hatten keine Sportausrüstung dabei) unter die ersten 10. Genauen Rang und Zeit kennen wir nicht, denn statt eines Rangverlesen werden am Schluss unter den Teilnehmern Preise ausgelost

So, bis hierhin schreib ich mal und versuche, Bilder und Text ins Internet zu stellen. Mit viel Glück und Geduld wird es klappen. Weitere Bilder von Bergbesteigungen, Schnorcheln mit Haifischen und fröhlichen Menschen folgen im nächsten Bericht.

Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser

3’000 Seemeilen von Galapagos nach Gambier – unser längster Segeltörn

Galapagos – Gambier (Französisch-Polynesien): 3’000 Seemeilen durch einen der einsamsten Ozeane der Welt. Hier führen keine Transportwege durch, Frachtschiffe werden wir bald keine mehr zu sehen bekommen. Andere Segler sind zurzeit nicht unterwegs, in Galapagos haben wir jedenfalls kein einziges Schiff gesehen, das nach Gambier segelt. Wir sind auf uns alleine gestellt, niemand kann uns zu Hilfe kommen, wenn uns mitten unterwegs etwas passieren sollte, nicht mal ein Flugzeug. Die Distanzen sind zu gross. 3’000 Seemeilen – es wird die längste Strecke unserer Segelreise sein.

Seit Tagen bereiten wir uns auf die lange Reise vor: das Rigg wird gründlich inspiziert, 2 Wanten noch etwas nachgezogen, Unterwasserschiff geputzt, Motor gewartet, Wasserversorgung geprüft, etc. Pia sorgt dafür, dass wir für gut 30 Tage Proviant haben. Wir rechnen mit 20-25 Tagen Überfahrt, aber etwas Reserve ist immer gut!

Du bist noch nie gesegelt und kannst dir nicht vorstellen, wie das ist, so eine lange Überfahrt? Stell dir vor, du dürftest für die nächsten 3 Wochen in deiner Wohnung nur etwa 25 Quadratmeter nutzen, also etwa die Küche und das Wohnzimmer. Fernseher, Telefon – funktioniert nicht. Du zusammen mit einem/r Partner/in. Rausgehen kannst du nicht. Besuch und Kontakt zu anderen Leuten gibt es nicht. Du musst Strom und Wasser sparen. OK, du hast viel zum Lesen und diverse Spiele, um dir die Zeit zu vertreiben. Das ist die Ausgangssituation. Und jetzt geht es los: deine Wohnung wird auf einen Rütteltisch gestellt und wird fortan hin und her geschaukelt, gerollt, von oben nach unten und wieder hochgehoben und in alle Lagen schief gestellt. Zudem sitzt jemand auf deinem Dach und macht dauern Lärm und vom Keller tönt es wie in einer Waschmaschine. Essen hast du genügend, aber es fällt dir dauernd vom Teller. Auch Bier und Wein hast du wie im Schlaraffenland, aber du rührst keinen Tropfen davon an. Kannst du dir das vorstellen? 3 Wochen lang! Perfekt, dann bist du dabei!

Am 27.12.2021 ist es soweit. Wir sind Beide etwas aufgeregt (ich etwas mehr als Pia), haben nur kurz geschlafen vor lauter Reisefieber. Am Morgen noch das ordentliche Frühstück, dann alles lose Gut am Schiff noch sorgfältig festgezurrt oder verstaut. Um 10 Uhr muss ich fürs Ausklarieren mit unseren Pässen zum Agenten. Zu Fuss geht’s zur Immigration und in wenigen Minuten sind die Stempel im Pass. Der Agent hat alles perfekt vorbereitet, ich selber muss kein einziges Formular ausfüllen.

Nach einem letzten feinen Galapagos Kaffee (stilgerecht in der Vulkantasse) geht es endgültig aufs Wasser, zurück auf die Lupina
Um 11 Uhr kommt der Vertreter des Agenten mit Armada, Policia Nacional und Biosecurity im Schlepptau vorbei. Es wird überprüft, ob wir irgendwelchen Verbrechern (soll es angeblich auf Galapagos aber keine geben) Fluchthilfe leisten, oder einheimische Pflanzen oder Tiere mitnehmen wollen. Die Inspektion ist gründlich aber sehr freundlich. Nach 30 Minuten erhalten wir unseren Internationalen Passierschein, und wir sind ausklariert
Nachdem auch noch, wie von der Französisch-Polynesischen Behörde verlangt, eine Kopie des Passierscheines sowie ein selbst auszufüllender Gesundheitscheck elektronisch nach Gambier übermittelt ist, lichten wir den Anker und los geht’s. Letzter Blick zurück Richtung Port Ayora. Vor uns liegen fast 3’000 Seemeilen (5’550 Kilometer, die Strecke von Zürich nach New York) offenes Meer

Tag 1: Am Anfang heisst es, aus dem Ankerfeld hinaus um die Riffe herum aufs offene Wasser hinauszuzufahren. Dazu brauchen wir den Motor. Aber kurz danach können wir bereits den Kurs nach Gambier absetzen. Segel hoch – Motor aus – wir sind unterwegs! Nachdem wir an Santa Cruz vorbei sind, dreht der Wind aber in westliche Richtung, und wir müssen eine leichte Kursänderung vornehmen, die uns nördlich der kleinen Vulkaninsel Tortuga vorbeibringt. Macht nichts, geht auch.

Flache See, leicht bewölkter blauer Himmel und Wind – was will der Segler mehr?! Wir haben unser Dinghi übrigens seit Panama für diese langen Überfahrten (Panama – Galapagos – Gambier) vorne auf dem Schiffsdeck verstaut. Normalerweise haben wir es hinten an Trägern (Davids) aufgehängt. Die Gefahr dabei ist, dass eine grosse Welle überschwappt ins Dinghi. Diese möglicherweise mehrere hundert Kilogramm schwere zusätzliche Last kann die Träger überlasten und im schlimmsten Fall abreissen. Für kurze Törns hat man bessere Wettervorhersagen und kann seine Route anpassen und das Risiko managen. Für die langen Törns gibt es keine Wettervoraussage für die ganze Dauer

Tag 2: Ein herrlicher Segel Tag: Die Wellen sind zwar noch etwas nervös im Inselgebiet, aber je weiter wir davon wegkommen, desto flacher wird die See. Die Nacht verläuft ruhig, obwohl zeitweise der Wind sehr schwach wird (weniger als 5 Knoten auf das Schiff). Zum Glück ist das Meer flach und die Segel schlagen nicht – so geht’s trotzdem unter Tuch weiter. Tagsüber nimmt der Wind zu (meist zwischen 8-10 Knoten) und wir machen schöne Fahrt. Am späteren Nachmittag geraten wir mitten in eine riesige Gruppe von Delphinen, die gerade am Jagen ist. Es spritzt, hüpft und quietscht um uns – aber keines der Tiere scheint an uns Interesse zu zeigen.

Das richtige Segelwetter zum Fischen. Ein feiner Mahi-Mahi oder so wäre eine willkommene Auflockerung unseres Speiseplanes. Leider findet kein Fisch den Weg zum Haken ☹

Tag 3: Nach einer wiederum ruhigen Nacht werden wir beim Frühstück durch eine Gruppe Buckelwale begrüsst, die vor uns durch Richtung Norden ziehen. Tagsüber legt dann der Wind leicht zu auf 10-13 Knoten in einem Winkel von 45-50° auf das Schiff. Ideal! Und der Pazifik zeigt sich von seiner braven Seite, die Wellen bleiben angenehm flach. Die Lupina kommt so richtig in Fahrt und wir erreichen ein ETMAL (= Seemeilen innerhalb 24 Stunden) von sehr guten 162 Meilen.

Die Crew hat gute Laune – und immer eine Hand für das Schiff 😉

Tag 4: Eine sternenklare Nacht. In meiner Schicht ab Mitternacht beschäftige ich mich mit dem Beobachten der Sternenbildern, die ich bereits kenne, und dem Bestimmen von ein paar Neuen. Der abnehmende Mond geht erst spät auf. In der Dunkelheit ist gut das viele Leuchtplankton ersichtlich, welches durch Wasserbewegungen zum Leuchten angeregt wird. Der Wasserwirbel von Ruder und Rumpf unserer Lupina hinterlässt einen wahren Feuerschweif im Kielwasser.

Voll gesetztes Genua und Grosssegel, die Lupina macht richtig gute Fahrt

Tag 5: Heute ist Silvester. Natürlich ist für den Jahreswechsel auch eine Flasche «Schampus» an Bord. Wir wissen nur nicht, wann öffnen und anstossen. Wir meinen, wir könnten das Kredenzen des edlen Saftes unterteilen: ein erstes Mal, wenn unsere Familien und Freunde zu Hause in der Schweiz feiern, und ein zweites Mal, wenn es bei uns soweit ist. Aber hier sind wir nicht sicher, welche Zeit gilt, wo wir gerade sind. Ist es noch Galapagos Zeit, oder schon eine Stunde später. Pia kommt mit der salomonischen Lösung: wir Verschieben den Genuss der Flasche auf unsere Ankunft in Gambier. Der Skipper will aufmaulen, aber ihm ist nicht entgangen, dass das Meer sehr ruppig geworden ist und der Wind mit 20-23 Knoten auf das Schiff doch kräftig ist. Da kann immer etwas passieren, oder es müssen Segel neu gestellt werden. Da braucht es einen klaren Kopf. Und so wird der Wunsch der Skipperin zum Befehl 😉. Ein guter Entscheid! Denn noch vor Einbruch der Dunkelheit bläst der Wind noch etwas stärker und wir können die Genua nicht weiter reffen. Das Schiff rollt und krängt in den 2 Meter hohen Wellen sehr unangenehm. Wir rollen die Genua ein und setzen stattdessen das viel kleinere Fock Segel. Nun ist es deutlich besser und wir verlieren trotzdem nicht viel an Fahrt, machen immer noch knapp über 7 Knoten im Schnitt.

Sonnenuntergang auf hoher See

Tag 6:  Neujahr! Hurra, wir haben es am Vortag nicht mal bemerkt und erst als wir das Logbuch nachtragen, sehen wir es: am frühen Abend des 31.12.2021 haben wir mit der Lupina bisher 15’000 Seemeilen zurückgelegt. Nicht viel, aber ordentliche und zum Teil recht anspruchsvolle Strecken. Wenn wir noch unsere Fussmeilen dazu nehmen würden, dann wären wir bei den «Meilenfressern» vorne mit dabei 😊. Wir machen auch am heutigen Tag trotz reduzierten Segeln sehr gute Fahrt und erreichen auf dieser Reise einen neuen ETMAL Bestwert von 177.2 Seemeilen.
Erklärung «Meilenfresser»: Langfahrtensegler, die ihre Zeit hauptsächlich mit Segeln verbringen und weniger Interesse haben an Land und Leuten. Sie umrunden den Globus zum Beispiel in durchschnittlich 2-3 Jahren (Quelle: Köbipedia)

Die Nachtschichten teilen wir uns auf. Pia übernimmt den ersten Teil bis Mitternacht, ab Mitternacht bis Morgenessen ich. Die Aufgabe der Wache besteht darin, regelmässig einen Rundumblick zu machen um allfällige Lichter auf dem dunklen Ozean zu erspähen. Schiffe mit AIS (Automatische Schiffs Identifikation) kann man auch auf dem Bildschirm erkennen. Weitere Pflichten sind, Wind und Wetterentwicklung zu beobachten um allenfalls rechtzeitig Segelstellungen anpassen zu können. Ansonsten gibt es viel Zeit zum Dösen oder Lesen (ein Wecker sorgt alle 30 Minuten dafür, dass man wieder seinen Pflichten nachgeht)

Tag 7:  Ein toller Segel Tag! Die Wellen sind moderat, der Wind genau richtig und wir kommen sehr gut voran.

Heute sehen wir solche Wolken nur kurz und aus gebührender Distanz. Die meiste Zeit ist blauer Himmel angesagt

Tag 8:  Auch dieser Tag verläuft entspannt und bei herrlichen Verhältnissen. Gegen Abend nehmen Wind und Wellen zu, aber wir können die ganze Zeit unter vollen Segeln laufen. Wir machen ein tolles ETMAL von 181.8 Seemeilen.

Unser Schiff wird die ganze Zeit automatisch gesteuert, durch den sogenannten Autopiloten. Den kann man so programmieren, dass er entweder einem vorgegebenen Kurs folgt, oder dem Wind. Diese Bordelektronik, die Steuerung, Radar und GPS, all diese Instrumente brauchen Strom. Dieser Wird von drei 12 Volt Batterien mit einer Kapazität von total 750Ah geliefert. Damit diese nicht leerlaufen, müssen wir dauernd nachliefern. Bei uns geschieht das hauptsächlich über Solarpaneelen, die wir seitwärts am Schiff angebracht haben (Bild). Dazu haben wir einen Windgenerator, einen Dieselgenerator und für den Notfall den Hauptmotor

Tag 9:  In der Nacht hat der Wind etwas abgenommen und nach hinten (achterlich) gedreht. Tagsüber bleibt es stark bewölkt, und der Wind nimmt nicht wieder zu. Die Genua wird von hinten durch das Grosssegel vom Wind abgedeckt und flattert in solchen Situationen heftig. Mit dem Spi-Baum spannen wir die Genua nach aussen, so bleibt das Tuch besser gestreckt und flattert nicht.

Mit dem «Spi-Baum» (lange Stange in der Bildmitte) wird vor allem bei Winden von hinten das Genua Segel vom Schiff weg nach aussen gehalten, um dem Wind eine möglichst grosse Fläche entgegen zu stellen. Der Spi-Baum ist dabei aussen am Ende der Genua fixiert, und innen am Mast des Schiffes

Grosser Schreck am Abend. Da heute die Sonne nicht scheint (Solarpaneelen) und der Wind schwach ist (Windgenerator), wollen wir den Dieselgenerator starten. Aber der macht keinen Wank! Die Startautomatik läuft zwar ganz normal durch das Prozedere durch, aber der Anlasser dreht nicht, macht keinen Wank, kein Geräusch. Ich schliesse schnell auf einen Kabelbruch, quetsche mich in den engen Motorraum und mach mich auf die Suche. Alles ist normal und das Voltmeter zeigt nirgends ein gebrochenes Kabel. Über Mail (Satellit) frage ich 3 mir gut bekannte Mechaniker an, ob ich den Anlasser direkt von der Batterie mit Strom versorgen kann, ohne einen Folgeschaden zu erzeugen. «Das geht» ist die rasche Antwort. Noch während ich mir ein Kabel bastle, kommt mir in den Sinn, dass ich als Kind Chauffeure und Bauern gesehen habe, die ihren Anlasser mit einem Hammer traktiert haben, wenn er nicht wollte. Ich versuch’s mit leichtem Klopfen auf den Magnetschalter – und siehe da: er läuft wieder!!

Köbi muss sich klein machen, aber er passt in den Motorraum 😊

Tag 10:  Mit dem «reparierten» Generator (ich muss das unterwegs in der Folge noch mehrere Male machen) haben wir in der Nacht 2 Stunden lang Strom produziert und dabei gleichzeitig mit dem Wassermacher (der auch Strom braucht) Trinkwasser ergänzt. Es läuft perfekt! Wir sind weiterhin schnell unterwegs und die Moral der Crew ist unverändert gut. Der Wind nimmt tagsüber leicht zu, ist aber mit rund 17 Knoten auf das Schiff immer noch im Grünen Bereich. Was uns eher zu schaffen macht ist die nervöse Welle, die sich gegen Abend eingestellt hat und immer höher wird. Immer häufiger wirft sie Lupina aus ihrem schnellen Trott und bringt uns heftig zum Rollen. So heftig, dass der Spi-Baum droht, in die Wellen zu tauchen. Sicherheitshalber reduzieren wir die Genua, was das Ende des Baumes noch oben und nach vorne bringt.

Schon als Kind haben wir gelernt: gute Moral beginnt mit gutem Essen! Wir haben genügend Früchte, Obst und Gemüse an Bord, um uns gesund zu ernähren. Und mittlerweile haben wir uns ans Rollen und Schaukeln gewöhnt, und die Seekrankheit kann Pia dieses Mal nichts anhaben 😉

Tag 11: Die Nachtfahrt ist recht ruppig. Die gut 3 Meter hohen Wellen bringen uns immer wieder ins Schlingern und Rollen. Aber mittlerweile ist alles auf der Lupina so verstaut, dass es kaum mehr scheppert und poltert. Die meiste Zeit steuern wir mit dem Autopiloten «auf Kurs», das heisst, auf dem kürzesten Weg nach Gambier. Wenn in der Nacht der Wind sich stark verändert, zum Beispiel zu weit von der Seite kommt, oder zu weit von hinten, beginnt die ausgebaumte Genua zu flattern und zu schlagen. Um das Segel dem Wind anzupassen, müssten wir an Deck gehen. Das machen wir in der Dunkelheit nicht, sondern stellen den Autopiloten auf «Steuerung nach Wind» ein. Dieser steuert den Kurs des Schiffes dann so, dass der Wind immer mit dem gleichen Winkel auf das Schiff kommt. Verändert sich also die Windrichtung, dann verändert sich auch der Kurs. Dies ist besonders am heutigen Tag sehr hilfreich, da wir mehrere solche Windveränderungen durchmachen.

Für die heutigen Strapazen werden wir mit einem herrlichen Sonnenuntergang belohnt

Tag 12: Heute werden wir durch einen heftigen Squall in den Tag empfangen. Ein Squall ist eine Regenfront, die vom Wind übers Meer getrieben wird. Tagsüber sieht man sie gut, in der Nacht hilft das Radar. Wenn ein Squall vorbeizieht, steigt der Wind zuerst für ein paar Minuten markant an. Heute Morgen von 15 Knoten auf rund 40 Knoten. Wir haben ihn sehen kommen und das Grosssegel deutlich gerefft und dann den Wind abgeritten. «Abreiten» heisst in diesem Fall, wir ändern den Kurs so, dass der Wind fast von hinten kommt. So bleibt das Schiff schön aufrecht und die Windkraft verteilt sich gut auf die Segel. Nach ein paar Minuten beginnt es bei einem Squall dann heftig zu regnen, gleichzeitig fällt der Wind zusammen. Ist dann der ganze Spuk vorbei, nimmt der Wind wieder zu auf die ursprüngliche Stärke. Obwohl wir am heutigen Tag mehrere Squalls abwettern müssen, bleibt die Lupina schnell: wieder ein hohes ETMAL von 181 Seemeilen.

Eine grosse Wolke baut sich hinter uns auf – ein Squall könnte entstehen
Die Wolke kommt bedrohlich näher. Bereits sieht man den heftigen Regenschauer unter ihr. In dieser Phase beginnt die Windstärke zwischen 10-20 Knoten zuzunehmen
Und wenn die Wolke über dem Schiff ist, beginnt es wie aus Kübeln zu giessen. Jetzt lässt der Wind deutlich nach, meist sogar weniger, als vor dem Squall
Je nach Wolkengrösse kann das ganze Schauspiel einige Minuten oder bis zu einer Stunde dauern. Aber irgendeinmal bläst der Wind Wolke und Regen weg und nicht selten bleibt ein wunderschöner Regenbogen

Tag 13: Nach einer ereignislosen Nacht überrascht uns beim Morgenessen ein AIS Signal. Kurz darauf ein zweites und nach ein paar Minuten insgesamt 6 AIS Signale. So viele Schiffe so weit draussen im Niemandsland?

Die sechs AIS Signale (schwarze Dreiecke) um uns herum. Sie scheinen in irgendeiner Formation zu fahren. Wobei, als wir uns die Daten ansehen stellen wir fest, dass sie sich nur sehr langsam bewegen

Wir werden neugierig, schauen uns die Informationen im Computer an. Alles Schiffe mit komischen Bezeichnungen, meist irgendwelche Zahlenkombinationen. Obwohl wir bei einem dieser Punkte in einer Distanz von nur einer halben Meile vorbeifahren, sehen wir kein Schiff! Wir nehmen unser Fernglas schauen genauer hin, und sehen immer noch nichts. Was kann das sein? U-Boote auf einer Manöverfahrt? Eines der Signale ist Koreanisch oder Chinesisch angeschrieben. Ich versuche, sie per VHF Funk aufzurufen, erhalte aber keine Rückmeldung. Ein Indiz mehr, dass es eine militärische Übung sein könnte. Wir erfahren es nicht. Ich mach einen Eintrag im Logbuch und weiter geht die Fahrt – ohne Torpedo Beschuss 😊. Wir erreichen heute, fast genau 13 Tage nach der Abfahrt, 2’000 Meilen. Zwei Drittel der Strecke geschafft!

Tag 14: Endlich werden die Temperaturen etwas wärmer. Bisher war es in der Nacht immer 20, 21 Grad. Jetzt sind es doch immerhin 24 Grad und die Nachtwache ist so sehr angenehm. Mittlerweile ist der Sonnenaufgang um 7 Uhr 40 (Bordzeit) also schon mehr als anderthalb Stunden später als noch in Galapagos. Das bedeutet auch, dass die Sonne später untergeht. Nun ist es bis 9 Uhr abends hell. Gegen Abend kommen wir wieder an vielen AIS Punkten vorbei. Diesmal aber sehen wir zumindest ein Schiff. Es ist deutlich als Fischerschiff zu erkennen. Aber wo sind die 3 Begleitboote, die zwar auf dem Bildschirm zu erkennen sind, nicht aber auf dem Wasser? Uns dämmert es! Die U-Boote vom Vortag dürften mit AIS bestückte Bojen der Fischer sein. Damit markieren sie ihre Netze und könne sie dann später per GPS wieder orten. Wir kriegen Gänsehaut beim Gedanken, dass wir gestern mitten durch so ein Feld von Netzen durchgefahren sind. Wir haben von vielen Schiffen gelesen, dass sie unterwegs in einem Netz hängen geblieben sind. Offenbar hatten wir einen guten Schutzengel 😉

Ansonsten verläuft dieser Tag ereignislos. Während ich beginne, am Reisebericht zu werkeln, beginnt Pia mit dem Schnippeln und Filmen des nächsten Videos

Tag 15: Die Tage beginnen sich zu gleichen. Auf der Lupina ist längst Routine eingekehrt. Jeder Handgriff sitzt und wir lösen uns ohne festen Plan gegenseitig beim Wache Schieben im Cockpit ab. Wir schlafen viel und fühlen uns sehr gut. So könnte es noch lange weiter gehen. Erwähnenswert vielleicht: die Häufigkeit der Squalls und die Intensität des Regens scheint zuzunehmen, je weiter wir westwärts kommen. Unsere Lupina freut sich über die Frischwasserduschen

Regen und Sonnenschein wechseln sich häufiger ab

Tag 16:  Der heutige Tag beginnt mit einem wunderschönen Sternenhimmel. Der Mond geht kurz nach Mitternacht unter und gibt ein prächtiges Funkeln und Glitzern am Sternenhimmel preis. Leider dauert es nicht lange. Bis zum Morgengrauen überfahren uns 5 grössere Squalls. Die Kleinen zählen wir schon gar nicht mehr. Und dann stellt der Wind ab. Nicht ganz, aber auf eine Stärke, bei der die Segel nicht mehr stehen und bei den heftigen Wellen (2-3 Meter hoch) laut und nervig schlagen. Wir rollen das Grossegel komplett weg, erhalten dadurch etwas mehr Druck in die Genua und kriegen so das Flattern der Segel in Griff. Den ganzen Tag und die kommende Nacht schleicht die Lupina wie halb lahm ihrem Ziel entgegen.

Hohe Wellen lassen uns in alle Richtungen rollen. Gleichzeitig schieben sie uns aber trotz schwachem Wind Richtung Westen

Tag 17: Nach Mitternacht nimmt der Wind zu, wir setzen das Gross wieder, es steht. Ab jetzt geht es recht zügig voran. Ab und zu setzen wir den Autopiloten auf Windsteuerung, aber meist können wir direkt der Route folgen. Der Himmel ist zu. Ab und an ein heftiger Regenschauer, aber wir machen wieder gute Fahrt, das ist die Hauptsache. Es scheint, dass wir dem Schwachwind entronnen sind. Das Ziel fliegt näher. Es wird Zeit, dass wir uns mit der Ankunft zu beschäftigen beginnen. Wenn der Wind so bleibt, können wir in 2 Tagen am Ziel sein.

Heute erlebt Pia wieder einen fantastischen Sonnenuntergang (Köbi ist am Vorschlafen, um 21 Uhr Bordzeit muss er mit der Anixi funken)

Tag 18: Wir rechnen hin und her und sind sicher, dass wir es am nächsten Tag schaffen können. Um Mitternacht trennen uns nur noch 280 Seemeilen von Gambier. Durch die Zeitverschiebung werden uns noch 3 Stunden geschenkt. Also volle Pulle weiter! Der Wind ist gut und wir kommen den ganzen Tag über sehr gut voran. Bereits am Vormittag nehmen wir Tempo raus und rollen das Grosssegel komplett weg. Wir sind bester Laune. Einzig über den Namen «Pazifik» müsste man sich mal unterhalten. Sooo friedlich und still ist er bei Weitem nicht. Auch heute wieder schüttelt und rüttelt er uns heftig durch. Von hinten wälzt sich eine rund 4 Meter hohe, gemächliche Passatwind Welle unter uns hinweg. Diese alleine wäre ok. Aber darüber gelagert kommt eine kleinere Welle von Norden. Und die bringt uns immer wieder stark ins Rollen, stellt uns quer zur Passatwelle oder klatscht sich voll an die Breitseite. In der Dunkelheit der Nacht keine Chance, das auszusteuern. Eine dieser hochschwappenden Wellen reisst einen Teil der Halterung des Rettungsringes ab. Nichts Schlimmes. Die Halterung besteht aus einem Stoffstreifen, der mit Klettverschluss an der Reling fixiert ist. Der Stoff ist vom brutalen UV-Licht der Sonne spröde geworden uns ist gerissen. Wir fixieren den Rettungsring provisorisch mit einer dünnen Leine. Ein Job für Pia’s To-Do Liste.

Auch heute verschonen uns die Regenstürme nicht

Tag 19:  Schon kurz nach Sonnenaufgang lösen sich die Umrisse der höchsten Berge von Gambier aus dem Dunst. «Laaaaand in Siiiiiicht» rufe ich inbrünstig und voller Begeisterung in den Schiffbauch hinunter, wo sich Pia nach ihrer Wache immer noch im Tiefschlaf befindet. Ich habe sie noch selten so schnell aus dem Lee-Bett hüpfen sehen. Gemeinsam geniessen wir im Cockpit den wunderbaren Moment.

Es ist Zeit, die Flagge des Gastlandes (Französisch-Polynesien) und die Gelbe Q-Flagge zu setzen

Wir haben es geschafft!! Aber halt – noch nicht ganz! Nun folgt der Teil, der schon vielen Seefahrern vor uns zum Verhängnis wurde: nach einer langen Fahrt über den Ozean die sichere Einfahrt in das mit Korallenköpfen bespickte Atoll zu finden. Zum Glück hat man heute GPS und Satelliten Bilder. Noch sind wir unter Segel. Erst kurz vor der Einfahrt starten wir den Motor, rollen die Genua weg und lassen uns in der Brandung der wallenden Meereswogen durch den Pass im Riff ins Atoll tragen. Der Weg ist gut markiert und wir finden unseren Ankerplatz zügig und ohne Probleme. Und welch eine schöne Ankunft: beim Einfahren werden wir von allen Seiten durch Crews bereits hier liegender Yachten beglückwünscht und willkommen geheissen. Wir sind überrascht und stark berührt. So haben wir das noch nie erlebt. Was für eine schöne Geste. Es befinden sich 16 Boote vor Anker. Unglaublich, aber 3 davon sind Schweizer Boote (aber mehr dazu im nächsten Bericht). Am Freitag, 14. Januar 2022, genau 18 Tage und 1.5 Stunden nachdem wir den Anker in Galapagos gehoben hatten, gräbt er sich nun wieder fest in den Meeresgrund ein. Motor aus und eine innige Umarmung der Crew: wir haben es geschafft!!

Der erste Besucher an Bord: der Schweizer Mirko von der Segelyacht YumYum. Ihn haben wir erstmals in Grenada getroffen, dann kurz in Bonaire. Er ist schon seit fast 2 Jahren in Französisch-Polynesien und hat uns bereits ein paar gute Tipps gegeben

Statistik:
– Totale Distanz durchs Wasser:  2’953 Seemeilen
– Reisedauer:  18 Tage 1.5 Stunden
– Durchschnittliche Geschwindigkeit:  6.8 Seemeilen/Stunde
– Durchschnittliches ETMAL:  163.5 Seemeilen/Tag
– Minimales ETMAL:  114.8 Seemeilen am 28.12.2021
– Bestes ETMAL:  181.8 Seemeilen am 3.1.2022

Ein untrügliches Zeichen, dass wir angekommen sind: unsere Bettwäsche kann wieder mal ausgiebig gelüftet werden 😉

Wie das Einklarieren verläuft, wen wir alles bereits an unserem ersten Tag antreffen und wie es uns weiter ergeht auf Gambier, davon erzählen wir im nächsten Bericht. Nun müssen wir uns zuerst mal auf die Suche nach einem Internet und WiFi Signal machen 😉

Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser