Wieder auf der Lupina und direkt in die Tuamotus

Es ist der 16. März 2023 kurz nach 10 Uhr am Morgen. Wir sind soeben nach einer langen Reise aus der Schweiz via Paris, Los Angeles und Papeete in Hiva-Oa auf den Marquesas (Franz.-Polynesien) gelandet. Nach 5 herrlichen Wochen in der Schweiz mit Skifahren (die Grosskinder wollten Opi zeigen, dass sie nun schneller sind – hat aber noch nicht geklappt 😉), Verwandte und Freunde besuchen, Gartenarbeiten erledigen, Steuererklärung ausfüllen (ja, wir sind immer noch in der Schweiz angemeldet), Ersatzteile fürs Boot beschaffen und vielen anderen Tätigkeiten freuen wir uns nun sehr, wieder auf die Lupina zu kommen.

Fünf schöne Wochen mit viel Zeit für unsere Grosskinder liegen hinter uns. Auch rund 30°C Temperatur Unterschied – bei der Reise in die Schweiz waren es sogar 40°C – durften wir bewältigen.
Zurück in Atuona, dem Hauptort auf Hiva-Oa, erwartet uns herrliches Wetter bei 30°C. Auch das Meer ruft!
Wir sind sehr gespannt, wie unsere Lupina die Zeit an Land überstanden hat. Zu unserer Erleichterung treffen wir sie in tadellosem Zustand an. Wir finden keinen Schimmel, keine Insekten (Kakerlaken und dergleichen) und keine Ratten auf dem Schiff. Alles Eindringlinge, mit denen man rechnen muss, wenn man nicht selber auf dem Schiff haust.
An Land im Yard ist es sehr heiss und wir wollen so schnell wie möglich ins Wasser. Zuerst gibt es aber noch einige Dinge zu erledigen. Prioritäten haben dabei die Arbeiten, die nur ausgeführt werden können, wenn das Schiff an Land steht. Im Bild montiere ich gerade neue Ring-Anoden am Gori-Faltpropeller. Diese schützen den teuren Propeller und die Welle vor Elektrokorrosion.
Auch die Anode am Propeller des Bugstrahlruders wird gewechselt. Sie sieht zwar nicht allzu schlecht aus, aber sie ist doch schon fast zu 50% wegkorrodiert. Das ist ein gutes Zeichen, denn so wissen wir, dass sie ihre Funktion erfüllt.
Dann, der treue Mitreiser (Leser) erinnert sich, muss die geschrottete Solarpaneele durch eine neue ersetzt werden. Diese hat uns der Yard während unserer Abwesenheit besorgt und auf dem Schiff deponiert. Wir haben Glück: Dimensionen und Stecker sind absolut identisch und somit der Anbau flugs erledigt.
Das Schot-Horn an der Genua ist vom Segelmacher im Yard fachmännisch und perfekt wieder angenäht worden. Die weissen Bänder sind breiter als die alten und sollten ihren Dienst noch besser erfüllen können.
Ich kontrolliere die Batterien und nutze die Gelegenheit, das neue Expansionsgefäss (blauer Zylinder), welches ich im freien Raum neben der Batteriebank verstaut hatte, auszugraben. Das Expansionsgefäss dient dazu, im Wasserversorgungssystem an Bord einen konstanten Wasserdruck zu halten. Das alte Gefäss habe ich schon 2-mal reparieren müssen – nun fliegt es endgültig über Bord und das neue kommt zum Zug.
Der defekte Wagen für den Genuaschot-Niederholer muss ersetzt werden. Nicht ganz trivial, denn der Wagen ist auf Kugeln gelagert und diese fallen raus, wenn man es nicht richtig macht. Zum Glück kenne ich das Problem und weiss, wie die mitgelieferte Montageschiene (blaues Teil) zu verwenden ist.
Als schönste Arbeit wartet die Montage unseres neuen Faches für den Feldstecher. Von Turnkamerad Stefan Treier aus Fricktaler Eichenholz perfekt auf Mass gefertigt. «holzberührt.ch» berührt auch uns – vielen Dank Stefan, das «Chischtli» sieht super gut aus!!
Und dann, 4 Tage nach unserer Ankunft auf der Lupina, ist es soweit! Sie darf wieder ins Wasser. Zentimeter um Zentimeter holt uns der Schlepper aus dem engen Parkfeld hervor und zieht uns aus dem Yard.
Und schon ein paar Minuten später ist der Bauch der Lupina wieder nass und sie ist wieder in ihrem liebsten Element.
Alles ist perfekt: der Motor startet auf Anhieb, Wellendichtung und alle Seeventile sind dicht, und auch die elektrischen Systeme funktionieren einwandfrei. Einzig der Wassermacher ist noch konserviert und nicht getestet. Das machen wir erst, wenn wir in sauberem Wasser liegen, was hier im Hafen nicht der Fall ist. Also los! Nichts hält uns mehr hier, das Meer ruft. Gleich nach dem Einwassern setzen wir Segel und fahren noch am gleichen Tag rund 8 Seemeilen zu einer uns gut bekannten Bucht auf der Nachbarinsel Tahuata.

Es ist herrlich, wieder im Wasser zu sein! Die Bucht, in der wir ankern, ist bekannt für klares Wasser und guten Ankergrund. Auch ist das Wasser bei der herrschenden Windlage sehr ruhig, es hat fast keinen Schwell. Wir schlafen wie Murmeltiere, sanft durch das sachte Schaukeln in einen Tiefschlaf versetzt. Am kommenden Tag wollen wir gegen Mittag den Anker lichten und die rund 500 Seemeilen, die uns vom Atoll Manihi in den Tuamotus trennen, in Angriff nehmen. Nach dem Frühstück holen wir zuerst nach, was wir als Einziges noch nicht erledigt haben: den konservierten Wassermacher wieder in Betrieb nehmen. Eine einfache Sache, die durch Drücken ein paar elektrischer Knöpfe automatisch erledigt werden kann. Aber es kommt anders: eine Fehlermeldung stoppt den Prozess. «Service Filter» heisst es lapidar auf der Anzeige. Die hatte ich doch erst noch in Gambier gewechselt!? Nun, auch kein Beinbruch, wir haben reichlich Ersatz an Bord und flugs sind die 3 vorhandenen Filter gewechselt. Aber die Fehlermeldung bleibt! Es ist Zeit für eine Konsultation des Manuals, aber da steht nur drin, was ich schon gemacht habe: tausche die Filter! Ich komme nicht weiter, die Filter sind ja neu! Es muss an der Elektronik liegen. Ich klopfe noch etwas auf den Drucksensoren rum und prüfe die elektrischen Kabel, aber ich kriege die Steuerung nicht dazu, ihre Arbeit aufzunehmen.

Eine kurze Situationsanalyse zeigt: wir haben noch etwa 150 Liter Wasser im Tank und 20 Liter Wasser in Kanistern. Das reicht locker für die Fahrt nach Manihi, ja im Notfall sogar bis Tahiti. Die Windvorhersage sagt für die nächsten 4 Tage 8-12 Knoten Wind aus Osten voraus. Nicht viel, aber perfekt für uns. Wir entscheiden uns also für die Losfahrt, obwohl unser Wassermacher nicht funktioniert. Später während der Überfahrt, studiere ich das Manual noch einmal gründlich. Es gelingt mir durch Umhängen von Leitungen den Wassermacher manuell zu steuern und zu bedienen. Auch finde ich die Teilenummern von neuen Drucksensoren, die wir nun bestellen werden.

Überfahrt nach Manihi in die Tuamotus – 500 Seemeilen. Wir rechnen mit 3 Tagen und haben noch eine Reserve von einem halben Tag eingeplant. Der Wind lässt innerhalb der ersten Stunden deutlich nach und ist allgemein viel schwächer als angesagt. Über weite Strecken haben wir nur 3-5 Knoten Wind. Trotz Gennaker (Bild, unser grösstes Segel aus speziell leichtem Stoff, so dass es auch bei wenig Wind stehen kann) dümpeln wir die ersten Tage nur mit 2.5-3.5 Knoten dahin. Statt 150 Seemeilen pro Tag schaffen wir nur etwa die Hälfte ☹
Trotzdem ist es ein herrliches Segeln! Das Wasser ist absolut flach und das Schiff gleitet lautlos über den tiefen (an einigen Stellen über 5’000 Meter tief) Ozean, wie von Geisterhand gezogen. Es fühlt sich auf dem Schiff an wie an einem ruhigen Ankerplatz. Das Wetter ist fantastisch und die farbenprächtigen Sonnenuntergänge lassen uns vergessen, dass wir eigentlich vorwärts kommen wollen.
Natürlich haben wir immer genügend Proviant an Bord und wir laufen nicht Gefahr, wegen der langsamen Fahrt irgendwann mal nichts mehr zu Essen zu finden. Frisches Brot backen ist bei diesen Segelverhältnissen sogar ein richtiges Vergnügen.
So wie die Sonnenuntergänge sind auch die Aufgänge: einfach wunderschön und inspirierend.
Nach 4 Tagen kommt Wind auf. Nicht viel mehr, aber er bleibt stabil und wir machen ab jetzt gute Fahrt: 6-7 Knoten! So erreichen wir am 5. Tag Manihi und können das Zeitfenster für die Passdurchfahrt am frühen Nachmittag nutzen. Am 26. März 2023, um 16 Uhr lokale Zeit, fällt der Anker am Ankerplatz im Südwesten des Atolls. Wir sind das einzige Segelschiff hier.
Unser Ankerplatz (linke Bildmitte im Hintergrund) liegt direkt bei einem kleinen Wasserdurchbruch im Atoll. Flaches, absolut glasklares Wasser fliesst hier vom offenen Meer ins Atoll hinein. Wir machen uns immer wieder auf, dieses bachartig fliessende Wasser nach Lebewesen zu durchforschen. Manchmal treffen wir sogar kleine, etwa armlange Baby-Haie an.
Eine Landschaft, die uns eingeprägt bleiben wird. Die wild zerklüfteten, scharfkantigen Aussenriffe in den Tuamotus. Wer hier strandet und kein ordentliches Schuhwerk dabei hat, ist auf verlorenem Posten.
Im einzigen Örtchen finden wir mühelos einen Anlegeplatz für unser Dinghi. Einmal mehr stossen wir hier auf wunderbar offene, fröhliche und zufriedene Menschen. Auf dem Atoll Manihi leben nur etwa 300 Personen, wovon fast 100 Kinder sind (unnötig zu erwähnen, dass es keine Fernseher hat 😉)
Wie auf den meisten Atollen leben auch hier viele Leute von der Perlenzucht. Die Boote, die verwendet werden, um zügig über die flache Lagune zu fahren, sind meist sehr stark motorisiert und haben den Führerstand vorne. Dies ist sehr wichtig, denn nur die erhöhte Lage vorne am Bug erlaubt es dem Steuermann, Untiefen und Korallenköpfe rechtzeitig zu erkennen und auszuweichen.
Wir sehen auch das eine oder andere Auto auf Manihi (obwohl keine der befahrbaren Strassen länger als 1 Kilometer ist!) – das nebst Booten am häufigsten verwendete Transportmittel sind Fahrräder.
Die Bevölkerung hat sich links und rechts des einzigen Passes auf Manihi angesiedelt. Eine kleine Fähre, die auf Abruf funktioniert, sorgt für die Verbindung.
Es braucht nicht viel um fröhlich und zufrieden zu sein!!
Jeden Abend sehen wir dieses Boot an unserer Lupina vorbeirauschen – fast schneller als wir unser Dinghi fahren können. 6 kräftige und ausdauernde Frauen trainieren jeden Tag für die nationalen Pirogen-Meisterschaften, die irgendeinmal im Spätsommer stattfinden.
Auch hier fällt uns das Überangebot an Kirchen auf. Auf nur 300 Einwohner kommen mindestens 3 Gotteshäuser (so viele haben wir selbst gesehen, wahrscheinlich hat es aber noch mehr). Bei diesem Exemplar gefällt uns das schlichte Design des Glockenturmes 😉

Die Tuamotus zählen einfach zum Fantastischsten, was wir bisher auf unserer Reise angetroffen haben. Die spezielle Geologie, die wunderbaren Einwohner, der Einklang von Natur und Mensch. Wir wollten unbedingt nochmals hierher zurückkehren, auch wenn es nur für ein paar Tage ist. Bis zum 7. April müssen wir in Tahiti sein: wir erhalten Besuch und der Schreiberling hat da was zu feiern. Bis dahin sind es etwa 300 Seemeilen. Die Herausforderung wird wieder einmal der Wind sein. Die Vorhersagen für die nächsten 10 Tage zeigen unisono wenig Wind und sogar Wind von Westen an (genau dahin wollen wir aber). Gute Segeltaktik ist gefragt. Vielleicht ist ja jemand unter unseren Lesern ein versierter Wind-Guru und kann uns aus der Ferne beraten.

Lupina ist startklar und wartet im Atoll Manihi auf weitere Abenteuer.

Wir planen nun morgen mal ein Stückchen weiter zum nächsten Atoll (Ahe) zu segeln und von da aus zu verfolgen, was die Windgötter noch so alles mit uns vorhaben.

Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser!

Von Gambier zurück in die Marquesas

Es ist Montag, der 16. Januar 2023. Wir laden noch ein letztes Mal Wetterdaten herunter, kaufen noch 1 Kiste Bier ein (nicht für unterwegs! Da gibt’s keinen Alkohol! Aber fürs Ankerbier beim Ankommen 😉), und verabschieden uns von Mangareva Yacht Service (Tituan und Juliette, die uns immer sehr zuvorkommend unterstütz haben). Zurück auf der Lupina kommt die Limelight Crew noch kurz zu uns, um uns auf Wiedersehen zu sagen. Dann geht’s los. Ich am Anker, Pia am Steuer. Ehrenrunde um die Limelight, dann zirkeln wir die Lupina durch die Korallenbänke vor Rikitea. In tieferem Wasser werden sofort die Segel gesetzt. Wir sind anfänglich zwar sehr langsam, aber wir haben Wind und der schiebt uns von hinten gemächlich aus Gambier hinaus. Auch ausserhalb des Atolls sind die Wellen flach, und wir machen bei auffrischendem Wind gute Fahrt.

Der Wind ist zwar schwach (5-8 Knoten), aber er weht etwa aus 60 Grad von Steuerbord aufs Schiff. Zusammen mit der Fahrtgeschwindigkeit von 5-6 Knoten, beträgt der Wind, der schlussendlich auf die Segel wirkt, rund 10-12 Knoten. Ein schöner Segeltag! Wir versuchen mal etwas Neues, setzen vorne neben der Genua parallel auch das Kuttersegel (kleines Segel in der Bildmitte). Wir haben das noch nie gemacht, sind eigentlich gar nicht so sicher, ob das etwas bringt. Tatsächlich! Wenn wir die Segel schön parallel ausrichten, dann machen wir gut 0.5 bis 1 Knoten mehr Fahrt! 😊
Die Überfahrt zur rund 800 Seemeilen entfernten Insel Hiva Oa auf den Marquesas verläuft sehr ruhig und fast erholsam. Je weiter wir nach Norden vorstossen, umso mehr dreht der Wind nach Osten, also mehr seitlich aufs Schiff, was auch von der Schräglage angenehmer ist.
Etwa auf halber Strecke ein wunderschöner Sonnenuntergang. Noch ahnen wir nichts vom Wetterwechsel, der uns nach Mitternacht bei meiner Schicht überrascht.

Etwa um 2 Uhr in der Nacht nimmt der Wind deutlich zu, in Böen sogar bis fast 30kn. Da es mittlerweile rings um uns herum blitzt am Himmel und Gewitter drohen, rollen wir die Genua ein und setzen die Fock. Kurz darauf dreht der Wind nach nordnordost (also wieder mehr von vorne) und flaut ab. Schlussendlich schläft er ganz ein und kommt fast aus der Richtung, wo wir hin wollen. Für ein paar Stunden muss der Motor ran, bis wir wieder genügend Wind zum Segeln haben. Im Verlaufe des 2. Segeltages setzt konstanter Ostwind ein, und ab da tragen uns die wieder kräftig gefüllten Segel zügig über das Meer in Richtung Marquesas.

Nach rund fünfeinhalb Tagen fällt das Eisen frühmorgens in der Bucht von Hanavave auf der Insel Fatu Hiva. Es liegen bereits 2 andere Boote vor Anker in dieser schmalen und windigen Bucht, aber wir haben genügend Platz (Lupina ganz links). Das Ankerbier vor dem Frühstück schmeckt herrlich 😉
Für uns ist es ein Wiedersehen mit den spektakulären Felsen und den skurrilen Formen, welche die Natur geformt hat.
Den Wanderpfad zum Wasserfall Vaieenui haben wir schon bei unserem ersten Besuch unter die Füsse genommen. Diesmal entscheiden wir uns für die anstrengendere Tour zum Aussichtspunkt über der Bucht. Die Wanderung verläuft etwa 5 Kilometer steil bergan auf der Strasse Richtung Omoa (die Füsse sind auf dem Bild abgeschnitten, stecken aber tatsächlich in Wanderschuhen! 😉)
Fast 400 Höhenmeter über unserem Ankerplatz und dem kleinen Hafen von Hanavave – ein fantastischer Ausblick, für den sich die Mühe definitiv gelohnt hat
Es ist die Saison der Pampelmusen (in der Schweiz auch Grapefruit genannt). Waren die Früchte in Gambier eher kleiner und noch nicht ganz reif, sind sie hier voll im Saft und laden ein, gegessen zu werden.
Spontan spricht der Besitzer der Bäume (Jacques) uns an und schenkt uns ein paar dieser leckeren Früchte. Er erwartet keine Gegenleistung! Etwas dafür zu bezahlen wäre eine Beleidigung, denn in der Polynesischen Sichtweise würde das bedeuten, dass man Gastfreundschaft mit Geld abwimmelt.
Als wir im März 2022 hier waren, war alles sehr trocken und braun. Die Bevölkerung erwartete sehnlichst Regen. Dieser ist in der Zwischenzeit eingetroffen und alles ist saftig grün, wie zum Beispiel der Pausenplatz der Schule von Hanavave …
… oder die Hänge entlang des tief eingeschnittenen Talkessels
Ein einheimischer Fischer und Bauer hat einem anderen Segler am Ankerplatz angeboten, einmal für uns alle ein Abendessen zuzubereiten. Schlussendlich sind wir die Crews von 4 Schiffen, welche die Einladung annehmen und ein typisches Marquesianisches Abendessen serviert bekommen.
Es gibt Schweinefleisch in 2 Varianten, Hähnchen, Brotfrucht, Reis und Gemüse. Zum Nachtisch Pampelmusen und leckeren, selbstgebackenen Schokoladekuchen.

Anders als damals im März 2022 herrscht jetzt über Fatu Hiva die ganze Zeit kräftiger Wind und das Meer ist stark aufgewühlt. Immer wieder peitschen kurze, sehr heftige Böen das Tal hinunter und lassen die Lupina heftig am Anker zerren. Wir sind froh, haben wir die neue Kette und müssen keine Bedenken haben, dass diese vielleicht überlastet werden könnte. An das Rollen am Ankerplatz haben wir uns schnell gewohnt. Pia meint gar, so sei sie gut auf die nächste Etappe eingeschaukelt. Nach 3 Tagen lichten wir den Anker und machen uns auf zur rund 45 Seemeilen entfernten Insel Tahuata

Bei der Wegfahrt von Fatu Hiva läuft zuerst alles wie gewünscht. Etwa eine halbe Meile von der Insel weg setzen wir zuerst das Grosssegel, dann die Genua. Beim Festhalten des Manövers im Logbuch kommt plötzlich eine sehr starke Böe (Pia liest 30-35kn vom Wind-Anzeigegerät). Diese Böe lässt unsere Lupina nach vorne in den Wind schiessen und legt das Schiff hart auf die Backbordseite. Die Reeling ist tief im Wasser und das dort befestigte SUP wird von der überströmenden Flut angehoben. Ich eile zum Steuer, reisse es herum und vieren die Genua. Die Böe lässt schon wieder nach – Glück gehabt, vermeintlich. Ein Rundumblick zeigt dann: die Solar-Paneele ist abgerissen (das Bild zeigt den Rest davon). Ich ärgere mich sehr, denn hätte ich mich nicht durch das Logbuch abgelenkt, hätten wir die Böe besser abfangen können! Wieder etwas gelernt ☹! Der Rest der Fahrt nach Vaitahu auf der Insel Tahuata verläuft dann sehr zügig und ohne weitere unangenehme Vorkommnisse.

Auch über Tahuata bläst während der ganzen Dauer unseres Aufenthaltes ein kräftiger Wind (ca. 20 Knoten). Sogar auf der Leeseite der Insel ist der Schwell, den das Meer bei diesen Bedingungen ans Ufer zurückwirft, ungewöhnlich hoch. Das Anlanden mit dem Dinghi an der Hafenmauer von Vaitahu ist sehr ungemütlich, ja sogar gefährlich. Daher beschränken wir uns auf nur wenige Landgänge. Zum Glück treffen wir hier wieder auf Katrin und Hans (SY Esmeralda). Deren Dinghi ist um einiges leichter als unseres und wir können es auf die Hafenmauer ziehen. Da liegt es geschützt und ungefährdet von dem starken Sog, der um die Quai-Mauern herrscht.

Nach 2 Tagen in Vaitahu verlegen wir 3 Seemeilen weiter in die idyllische Bucht von Iva Iva Iti. Hier können wir zwar ausgiebig schnorcheln, aber an das Anlanden mit dem Dinghi ist wegen der sich überschlagenden Wellen im Uferbereich nicht zu denken. Der Einheimische, der am Strand in einer Hütte wohnt, lässt sich jeweils ein paar Meter draussen abladen und schwimmt durch die Brandung ans Ufer.
Trotz starkem Wind und Schwell erleben wir einige wunderschöne Sonnenuntergänge. Dieses schöne Bild von der Lupina hat Katrin von der SY Esmeralda aus geknipst.
Am 2. Februar 2023, einen Tag früher als geplant, kommt Spannung auf: die Lupina kommt aus dem Wasser. Wir sind am Tag vorher von Tahuata nach Hiva Oa gefahren und haben mit dem Personal vom Yard den Ablauf besprochen. Weil das Wasser bei der Rampe nicht allzu tief ist, wird das Auswassern bei Hochwasser geplant. Hier sind wir bereits in Position und warten auf den Lift.
Mit dieser Vorrichtung, eine Art fahrbare Hebebühne, und dem kräftigen Allrad-Zugfahrzeug wird unser Schiff aus dem Wasser gezogen und an Land geschoben. Die Hebebühne ist in der Höhe hydraulisch steuerbar, so dass unsere Lupina während des ganzen Prozesses immer schön in der Waagerechte steht.
Die folgenden 2 Tage sind arbeitsintensiv. Alles, was nicht an Deck bleiben muss, wird vor dem gnadenlosen Sonnenlicht, das in diesen Breitengraden herrscht, unter Deck verstaut. Pia repariert das Bimini, dessen Stoff (an der Auflage bei den Eisenrohren) beim Aufenthalt im Spätsommer 2022 in der Marina von Papeete durch die Sonne an 2 Stellen fast durchgebrannt worden ist.
Ich inspiziere gründlich alle Winschen, Rollen und Klampen. Bei der backbordseitigen Niederhole-Rolle für das Genua-Schot stelle ich einen gravierenden Defekt fest, der als gefährlich eingestuft werden muss: der Bolzen, der die Rolle fixiert, ist nicht mehr gesichert. Die nietenartige Verstemmung des Materiales ist abgebrochen, vermutlich durch Vibrationen. Der Stift kann sich so axial verschieben und die Rolle könnte sich lösen.
Der Yard von Hiva Oa ist momentan randvoll. Viele Segler haben jetzt ihr Boot für die Zyklon-Zeit ausgewassert und sind nach Hause geflogen. Wir sind sehr glücklich, dass wir noch einen Platz bekommen haben.

Die Arbeiten, die wir dringend machen wollten, erledigen sich schnell und ohne negative Überraschungen: Unterwasserschiff abdampfen, Zustand des Antifoulings checken, Anoden am Bugstrahlruder und an Welle sowie Propeller ersetzen, Spiel von Ruder und Verstellmechanismus des Propellers prüfen, Seeventile überprüfen und gängig machen. Zudem gibt es hier einen Segelmacher mit gutem Ruf. Ihm übergeben wir unser Genua-Segel, damit er das ausgerissene Schot-Horn wieder einnähen kann. Es verläuft alles wie am Schnürchen. Wir sind froh, müssen wir nicht stressen mit der Arbeit, denn auf der an Land stehenden Lupina wird es tagsüber sehr heiss. Es weht kaum ein Wind und von unten kühlt kein Meerwasser.

Am Sonntagabend verabschieden uns Katrin und Hans (SY Esmeralda) noch mit einem feinen Nachtessen auf ihrem Schiff (vielen Dank euch Beiden für die vorzügliche Gastfreundschaft) und schon am Montag früh beginnt dann unsere lange Reise in die Schweiz.

Montag, 6.2.2023, die lange Reise in die Schweiz beginnt. Zuerst mit einem dreieinhalb stündigen Flug von Hiva Oa nach Papeete (Tahiti). Der Flughafen auf der Insel ist wohltuend klein und wunderschön eingebettet auf einem Hochplateau zwischen den steilen Bergen
Der Flug führt uns über die Atolle der Tuamotus. Einige davon haben wir schon besegelt, andere, wie das Atoll Apataki (Bild) werden wir dann auf unserer Weiterfahrt ansegeln.
In Papeete müssen/dürfen wir 2 Tage auf den Anschlussflug nach Europa warten. Das ist, wie man sieht, offenbar nicht weiter schlimm: Pia lässt es sich an ihrem 66. Geburtstag gut gehen.

Am 8. Februar geht dann die Reise weiter und einen Tag später kommen wir sicher aber etwas müde in der Schweiz an. Wir wollen nun wieder einmal den Winter geniessen. Zudem wollen die Grosskinder wissen, ob sie bereits schneller sind beim Skifahren als ihr Opi. Ich werde mir alle Mühe geben 😉 Mitte März geht’s dann wieder zurück auf die Lupina. Bis dann macht auch der Schreiberling Pause.

Aber danach wird es wieder spannend – folge der Lupina im Kielwasser!

Hiva-Oa / Reparatur des Rollmechanismus

Der defekte Elektromotor unseres Rollsegels im Mast ist ausgebaut und liegt in der Werkstatt der Werft (Maintenance Marquises Services ) von Hiva-Oa. Das Auffahrts-Wochenende steht kurz bevor, die Leute sind noch mit vielen anderen Arbeiten überhäuft. Wir vereinbaren mit dem Chef, dass wir am Dienstag nach Auffahrt wieder zurück sind und dann mit ihm zusammen versuchen wollen, den defekten Motor zu zerlegen, die Ursache des Problems zu finden und, wenn möglich, ihn zu reparieren. Wenn das nicht klappt, müssen wir versuchen, den von Sämi mitgebrachten Ersatzmotor (der von der Grösse her aber ohne Abänderungen nicht passt) irgendwie in unseren Mast einzubauen.

Wir haben also rund 5 Tage Zeit und beschliessen, wieder auf die Nachbarinsel Tahuata zu segeln, wo wir in einer der schönen Buchten besser liegen als im Hafen von Atuona.

Lupina (links) zusammen mit der SY Pasito vor Anker in der Bucht von Ivaivaiti, Insel Tahuata. Vom Strand aus sieht das Meer nun harmlos aus. Das Ufer fällt aber gleich nach der Wasserkante stark ab und auch bei flachem Wasser bildet sich eine mehr als einen halben Meter hohe Welle. Beim Anlanden mit dem Dinghi kommt es dann auch prompt zu einem «Kipper»: das Dinghi dreht sich quer zur Welle, diese stellt es fast senkrecht hoch und die Passagiere fliegen in hohem Bogen ins Wasser. Sämi holt sich dabei eine Zerrung im Brustbereich, und seine Lesebrille dient nun den Fischen als Vergrösserungsglas. Ich nehme es vorweg: dies wird Sämi’s letztes Unglück auf der Lupina sein 😉
Bucht von Ivaivaiti, Insel Tahuata: wir decken uns wieder mit Früchten (vor allem Pampelmusen, Mangos und Kokosnüssen ein), die wir bei unserem Landgang in ehemaligen, heute verwahrlosten Plantagen finden. Wir werden oft gefragt, warum wir keine Früchte auf dem Markt oder im Laden kaufen. Ganz einfach: es gibt keine zu kaufen. Jeder Haushalt hat einen Garten, wo seine Bewohner alles direkt pflücken können – da brauchen sie keinen Laden für Früchte
Mangos in allen Sorten und Grössen: kleinste und grösste Frucht, die wir heute gefunden haben
Nach 2 Tagen verlegen wir zusammen mit unseren Freunden der SY Pasito knapp 3 Seemeilen weiter südlich vor das kleine Dorf Vaitahu
Kurz vor Sonnenuntergang trifft die «Aranui», eine Mischung aus Kreuzfahrtschiff und Frachtschiff, vor Vaitahu ein und geht vor Anker. In den nächsten 24 Stunden wird mit motorisierten Transportplattformen die von den Einwohnern sehnlichst erwartete Fracht an Land gebracht. Sogar ein Auto findet auf diese Weise seinen Weg zu seinem neuen Besitzer auf der kleinen Insel
Am Montag nach Auffahrt liegen wir wieder am Quai von Atuona. Wir sehen gerade noch, wie bei Hochwasser (nur dann ist das Wasser tief genug!) die Maramalda, das Schiff unserer Freunde Rita und Daniel (baugleich wie unsere Lupina), nach mehreren Wochen Aufenthalt in der Werft, wieder ins Wasser gebracht wird
Wie erwartet geht es am Montag nach Auffahrt auf der Werft (Maintenance Marquises Services) zu, wie im Bienenhaus. Hier wird gerade die Gasabfüllstation von Seglern belagert, die übers lange Wochenende gemerkt haben, dass sie Gas brauchen
Und endlich ist es soweit. Unser defekter Elektromotor ist an der Reihe. Vom Hersteller (SELDEN) und diversen Fachleuten wurde uns vorher mitgeteilt, dass der Motor nicht repariert werden kann. Wir versuchen es trotzdem
Die Werkstatt der Werft (Maintenance Marquises Services) sieht auf den ersten Blick nicht so vertrauenserweckend aus. Ich habe aber vorher dem Chef, Vincent, bei ein paar Arbeiten zugeschaut und war sofort überzeugt, dass er der richtige Mann ist für eine solche Arbeit. Als ehemaliger Flugzeugmechaniker ist er sich an genaues und wohl überlegtes Arbeiten an fremdem Equipment gewöhnt. Ich selber fühle mich sofort wieder zurückversetzt in meine alte Arbeit im technischen Kundendienst, wo ich versuchen musste herauszufinden, warum etwas nicht so funktioniert, wie es sollte. Vincent und ich, zusammen mit Sämi, der uns auch ab und zu mal mit gerunzelter Stirn über die Schultern blickt, müssten es doch schaffen, das Ding zu reparieren
Zuerst werden die elektrischen Anschlüsse überprüft. Alles OK
Alle Kabelverbindungen sind wasserdicht verschlossen und OK
Das Getriebe, das die Drehung des Elektromotors in die Segelstange überträgt, ist in einwandfreiem Zustand und lässt sich gut von Hand drehen – OK
Die Bremse, die verhindern soll, dass das Segel im gerefften Zustand vom Wind ganz aus dem Mast gezogen wird, zeigt aussen leichte Rostspuren. Nicht alarmierend, aber: die Bremse lässt sich auch mit Anlegen vom Steuersignal nicht lösen. Aha, hier also liegt der Wurm drin!!
Wir demontieren und zerlegen die Bremse. Die Bremsscheibe (Teil in der Hand mitten im Bild) ist am Bremskörper (unten) und der Druckscheibe (oben) verklebt. Die Druckscheibe ist an den Gleitbuchsen angerostet und ist nicht mehr beweglich, wie es sein sollte
Der Magnet, welcher die Druckscheibe anzieht, ist ausser ein paar leicht verrosteten Stellen, in einwandfreiem Zustand – OK

Das Zerlegen des Motors dauert knapp 2 Stunden, das gründlich Reinigen und Entrosten eine halbe Stunde. Wichtige Teile leicht einölen, Dichtflächen alle gut mit Loctite blau abdecken und Motor zusammenbauen, nochmals 1 Stunde. Am späteren Nachmittag trägt der Skipper den schweren Motor wie einen Goldbarren aufs Schiff und schliesst ihn zur Kontrolle provisorisch an den Stromkabeln an: Hurra! Er läuft!! Mit ein paar Flaschen Bier wird der Erfolg auf der Lupina gefeiert. Erst am anderen Morgen bauen wir ihn dann (auch wieder mit Vincent’s Hilfe) im Mast ein. Wir sind total happy. Ich, weil das Problem (und die Ursache: Undichtheit) mechanisch gelöst werden konnte, und die Buchhalterin, weil die Kosten rund 30-mal tiefer sind als ein neuer Motor gekostet hätte 😊😊

Nach der Arbeit das Vergnügen. Mit Sämi machen wir im Mietauto eine Rundfahrt über die Insel. Hier der Blick auf die Bucht von Atuona
Am letzten Tag vor Sämi’s Abreise steige ich noch ins Rigg, für ein Familien-Foto und einen gründlichen Rigg-Check, bevor wir dann die nächste grössere Strecke in die Tuamotus in Angriff nehmen wollen. Was ich beim Rigg-Check Unschönes gefunden habe ☹ dann in einem nächsten Beitrag 😉
Sämi’s Abreise rückt immer näher: letztes gemeinsames Abendessen am Pier, wo die Lupina vertäut ist (sorry, leider ist das Bild etwas unscharf)
Herrlich feines lokales Essen, serviert mit einem herzlichen, gewinnenden Lächeln von der Köchin höchstpersönlich
Zum Abschied erhalten wir von unserer Köchin noch eine Frucht, die wir noch nie gegessen haben. Wir kennen ihren Namen nicht, aber schmecken tut sie ausgesprochen lecker!

Sämi, vielen Dank, dass du uns das Ersatzteil gebracht hast. Wir werden es ungebraucht auf dem Schiff behalten, auch wenn wir es hoffentlich nie brauchen werden. Gute und unfallfreie (😉) Heimreise!

Nachdem nun die Reparatur erfolgreich abgeschlossen ist können wir beginnen, uns auf unsere nächste Reise von Hiva-Oa nach Raroia, einem kleinen Atoll in den Tuamotus (immer noch Französisch-Polynesien) vorzubereiten. Es erwarten uns rund 430 Seemeilen in südwestliche Richtung. Seit einigen Tagen beobachten wir die Wetterentwicklung und morgen Dienstag passt es. Am späten Nachmittag (lokale Zeit) setzen wir unsere Segel und der reparierte Elektromotor darf sich zum ersten Mal beweisen.

Hält der Motor? Was habe ich am Rigg Bedenkliches festgestellt? Wie verläuft unsere Überfahrt und wie schaffen wir die gefährliche Einfahrt ins Atoll von Raroia??

Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser

Die Ersatzteile sind da! Von Nuku-Hiva zurück nach Hiva-Oa

Wir sind in Nuku-Hiva vor Anker und warten sehnlichst auf das Ersatzteil, mit dem wir unseren defekten elektrischen Rollmechanismus im Mast provisorisch reparieren wollen. Einen eins zu eins Ersatz des Elektromotors gibt es nicht mehr. Vom Hersteller erfahren wir, dass wir zusätzlich zum Motor die ganze Elektronik (Steuerung und Verkabelung) ersetzen müssen. Das Preisschild dahinter ist astronomisch ☹. Deshalb haben wir vorerst einen sehr günstigen manuellen Antrieb bestellt. Damit können wir den defekten Antrieb ersetzen, diesen von einer Spezialfirma untersuchen und hoffentlich reparieren lassen. Dieses Ersatzteil lag nun schon seit einigen Wochen bei einer Schweizer Firma zum Versand bereit, aber aus uns unerklärlichen Gründen kriegen sie den Versand nach Französisch-Polynesien nicht auf die Reihe. Vor ein paar Tagen haben wir nun begonnen, jemanden zu finden, der uns das Teil persönlich bringt.

Zwischenzeitlich verlegen wir in die Bucht von Hakatea (Daniel’s Bay, Nuku-Hiva), wo es eine schöne Wanderung zu einem Wasserfall geben soll. Die Einfahrt in die Bucht, die sich hinter dem Gebirge versteckt, ist nicht ganz einfach zu finden
Bucht von Hakatea (Daniel’s Bay, Nuku-Hiva): einmal drinnen vor Anker ist man in alle Richtungen sehr gut vor Wind und Welle geschützt
Wir machen eine fast 4-stündige Wanderung zum Vaipo Wasserfall. Eine wunderschöne Wanderung dem Wasserlauf eines Flusses entlang. Eine üppige Vegetation ist unser Begleiter
Obwohl auf den Marquesas Kannibalismus (Menschenfresser) längst Geschichte ist, wird uns bei diesem Schild unterwegs schon etwas mulmig 😉
Am Ende des Tales angelangt …
… stehen wir vor dieser rund 500 Meter hohen Wand
Es hat schon längere Zeit nicht mehr geregnet, der Vaipo Wasserfall ist zum über die Felswände tropfenden Rinnsal verkümmert. Trotzdem reicht es für ein erfrischendes Bad im kühlen Pool an seinem unteren Ende
Der Rückweg der Wanderung führt uns durch den kleinen Weiler Hakaui. Hier lebt Kua (Bild) mit ihrem Mann Taiki. Sie stammt von einer Häuptlingsfamilie ab und empfängt gerne die Segler, die hier vorbeikommen, in ihrem Haus. Sie ist sehr geschäftstüchtig und ihr Angebot nach einem traditionell auf dem Holzgrill zubereiteten Fisch und lokalen Zutaten können wir nicht ausschlagen. Zum Abschied werden wir mit frischen Früchten überhäuft. Vielen Dank, Kua und Taiki!

Nach unserem Abstecher in die Daniel’s Bay verlegen wir zurück zum Hauptort Taiohae, um unseren Besucher an Bord zu holen.

Schon seit einigen Tagen erwarten wir ein Schiff, das wir erstmals auf Grenada getroffen haben. Wir haben uns damals sehr gut mit der Crew der SY Limelight verstanden und freuen uns, Anette und Michael wieder zu sehen. Sie segeln von Mexiko kommend nach Nuku-Hiva. Bevor es also weiter geht, warten wir auf die SY Limelight! Ein Tag bevor unser Ersatzteillieferant eintrifft, beendet die Limelight ihre Pazifiküberquerung. Wie es hier Tradition ist, heissen wir sie mit frischen Früchten willkommen
Für den Ersatzteiltransport haben wir einen Aufruf per soziale Medien und durch persönliche Mails gemacht: gratis Kost und Logis auf der Lupina als Lohn für den Transport. Sämi (Samuel Lindenmann), ein Bekannter aus Pia’s Jugendjahren und begeisterter Segler, der kürzlich pensioniert worden ist, hat spontan zugesagt, und bringt uns die Teile auf die Lupina

Sämi schildert seine Erlebnisse wie folgt:
Am Mittwoch, 26. April, habe ich von Pia eine WhatsApp gekriegt. Wie es mir so geht, usw., ob ich noch arbeite und mit der Frage, ob ich spontan Lust und Zeit hätte, sie auf der Lupina in Französisch-Polynesien zu besuchen und ob ich ihnen dabei Ersatzteile mitbringen könnte – gegen Kost und Logis. Ich anderntags nach Wohlen ins Reisebüro, nachfragen, wie ich am besten dahin kommen könnte. Schock! Die Preise horrend so kurzfristig. Auf dem Nachhauseweg ein Gedankenblitz, als ehemaliger Swiss Techniker kann ich ja noch verbilligt fliegen, obwohl ich in Frühpension bin. Wieder zu Hause PC starten. In «Stafftravel» (internes Buchungsprogramm für Swiss Mitarbeiter) läufts, Flüge buchen. Klappt, aber leider sind nur Stand-by Buchungen möglich! Wird schon irgendwie gehen, jupieeeeeh!!
Am 8. Mai Abflug nach Los Angeles. Von Zürich sowieso und von LA nach Papeete (Tahiti) klappt alles wunderbar. Danach wäre der Weiterflug nach Nuku-Hiva. Jetzt wird’s schwieriger, zu viele Leute – zu viel Gepäck, werde stehen gelassen. Also eine Nacht ins Hotel, am nächsten Tag um 4 Uhr auschecken und wieder an den Flughafen. Aber auch diesmal wieder stehen gelassen. Dann habe ich von einem Einheimischen einen guten Tipp gekriegt und meine überschwere Tasche als Fracht nach Nuku-Hiva aufgegeben. Und siehe da: am dritten Tag nehmen sie mich mit!
In Nuku-Hiva angekommen gib’s eine schöne Taxifahrt über die Berge (über 1’000m hoch) in die Bucht, wo die Lupina liegt. Da werde ich schon von Pia und Köbi erwartet und sehr herzlich willkommen geheissen. Köbi hat sofort gemerkt, dass ich gerne ein Bier trinken würde, also mit Sack und Pack in das nahegelegene Restaurant auf ein Bier. Erstes Kennenlern-Gespräch mit Pia und Köbi. Wir verstehen uns auf Anhieb gut. Nach einer kurzen Fahrt mit dem Dinghi erstes Beschnuppern der Lupina. Nach dem Auspacken geht’s schon wieder an Land, wo wir alte Bekannte von Pia und Köbi treffen. Annette und Michael, ein sehr aufgestelltes und sympathisches Paar aus Deutschland. Mit ihnen zusammen einen kurzen Spaziergang zum grössten Tiki, und danach ein feines lokales Essen. Der vielen ersten Eindrücke wegen hatte ich nicht mal so grossen Appetit, obwohl es sehr gut war.

Bucht von Taiohae (Nuku-Hiva). Die mitgebrachten Ersatzteile sind auf der Lupina. Rechts auf dem Papier die dringend gebrauchten Teile für den Mast. Mit Sämi und den Teilen segeln wir nun in den nächsten Wochen gemütlich zurück nach Hiva-Oa, wo die lokale Werft uns beim Einbau helfen soll
Mit der SY Limelight zusammen ankern wir wieder in der Bucht von Hakatea (Daniel’s Bay) und wandern dort zuerst der Nordküste entlang und dann über eine schmale Landzunge nach Hakaui, wo wir wieder bei Kua und Taiki essen. Spontan werden wir von einem anderen Seglerpaar angesprochen. Wir kennen sie nicht, aber sie uns. Mel und Brian haben auf der SY Anixi im Panamakanal als Linehandler gewirkt und kennen uns via Nora und Hacko – die Welt ist ja soo klein! 😊 (Bild von links: Michael, Anette, Mel, Brian, Pia, Köbi)
Uferbereich in Hakaui: Kokosnüsse, Limonen, Pampelmusen und viele andere Früchte im Überfluss

Sämi schildert die Erlebnisse dieser ersten Fahrt wie folgt:
Am nächsten Morgen geht’s in die erste Bucht nach Hakatea auf Nuku-Hiva. Ich war überwältig! Kurzer Spaziergang zur nächsten Bucht, leider war das private Restaurant geschlossen wegen Bauarbeiten, so haben wir für den folgenden Tag abgemacht. Am nächsten Tag gabs dann Tunfisch, Gemüse und gebratene Würfel der Brotfrucht, die fast wie unsere Kartoffel schmeckt. Reich beschenkt mit allerlei Früchten gings zurück zur Lupina. Pia macht die Brotfrucht ein wenig anders, und es schmeckt dann noch viel besser. Pia kocht sehr gut!

Wir segeln weiter im Uhrzeigersinn um die Insel Nuku-Hiva. Die Nordküste (hier vor dem Ankerplatz Hakaehu) ist steil, schroff und spektakulär
In der Bucht von Hatiheu sind wir das einzige Schiff. Der Ankergrund ist sehr gut, aber das Anlanden mit dem Dinghi ist schwierig, da der Wellengang das Wasser am kleinen Pier um mehr als 1 Meter hoch und runter hüpfen lässt. Sämi holt sich prompt auch gleich seine ersten blutigen Kratzer am Schienbein, als ihn eine Welle auf die Mole kippt
Unglaublich: in jeder noch so kleinen Siedlung gibt es eine Telefonkabine – und du glaubst es nicht: sie funktionieren!!
Nächste Bucht im Nordosten von Nuku-Hiva: Baie d’Anaho. Unser letzter Stopp auf Nuku-Hiva
Von der Baie d’Anaho aus gibt es 2 schöne Wanderungen. Die eine führt nach Osten zur Nachbarsbucht, die andere über eine 200 Meter hohe Landzunge zurück in die letzte Bucht, wo wir geankert haben. Wir entscheiden uns dafür und machen uns auf. Beim Runtersteigen von der Lupina ins Dinghi missachtet Sämi eine goldene Seglerregel (immer rückwärts runter steigen), verliert dabei prompt sein Gleichgewicht und landet mit der linken grossen Zehe auf dem Befestigungsbeschlag der Bordleiter. Schon wieder fliesst Blut auf der Lupina!

Sämi schildert das so:
Bald geht’s zur nächsten Insel, zuerst aber in eine weitere Bucht. Rauhe Überfahrt aber wir kommen gut vorwärts. Wieder eine traumhafte Bucht! Beim Umsteigen ins Dinghi ist es passiert, ein Malheur! Irgendwie den grossen Zehen unten aufgerissen. Schiffsarzt Köbi musste sich der Sache annehmen. Danach muss ich auf dem Schiff bleiben.

Sämi bleibt zurück und Pia und ich machen die schöne, kurzweilige Wanderung nach Hatiheu alleine. Keine Sorge: wir haben Sämi mit genügend Proviant (zum Beispiel mit diesen super aromatischen kleinen Bananen) an Bord zurück gelassen 😉
Von Nuku-Hiva geht’s knapp 30 Seemeilen ostwärts (also genau gegen den vorherrschenden Wind) nach Ua-Huka. Frühmorgens lichten wir in der Baie d’Anaho den Anker, machen rund 5 Stunden lang einen Schlag hart am Wind gegen Nordosten, fahren eine Wende und dann nochmals etwa 6 Stunden lang hart am Wind gegen Südosten. Wir kommen gut voran und erreichen unsere geplante Ankerbucht vor dem Hauptort Vaipaee rund 2 Stunden vor Sonnenuntergang. Zum Glück! Die Bucht erweist sich als unwirtlich, eng und mit einheimischen Booten an Bojen besetzt. Wir müssten mit einem Heckanker unsere Lupina irgendwo in eine Lücke zwängen. Nur knapp 3 Seemeilen weiter liegt unsere Ausweichbucht (beim Segeln braucht es immer auch einen Plan B 😉). Hier segeln wir der Südküste von Ua-Huka entlang zur Baie de Hane
Die Baie de Hane erweist sich als Glückstreffer: klares Wasser, fast kein Schwell, Korallen zum Schnorcheln und gutes Anlegen mit dem Dinghi. Hier kriegen wir Sämi problemlos trockenen Fusses (denk an seine verwundete Zehe! 😉) an Land

Sämi schreibt:
Am nächsten Tag humpelnd ein Landausflug mit Autostopp zum nächsten Dorf. Das geht wunderbar, die Bevölkerung auf Polynesien ist sehr freundlich und hilfsbereit. Ein Tag später konnten wir ein Auto mieten und haben die einzige Strasse der Insel abgefahren. Dabei haben wir auch Nebenwege gefunden und so weit als möglich befahren. Ach ja, noch ein schönes Museum und den Kindersporttag besucht. Im Dorf mit Köbi meinen Rückflug gebucht.

Ua-Huka ist 14 km lang und bis zu 10 km breit und hat die Form eines Halbmondes, der sich nach Süden öffnet. Sie wird von Ost nach West von einer Bergkette durchzogen, die eine Wasserscheide bildet. Nach Norden gehen kürzere, nach Süden längere, tief eingeschnittene Schluchten ab. Im Gegensatz zu den üppig bewachsenen, größeren Inseln der Marquesas vermittelt Ua-Huka besonders im Süden eher einen kahlen und abweisenden Eindruck, die Vegetation ist nur spärlich
Die schroffen Gipfel sind nicht ganz so hoch wie auf den übrigen Inseln des Archipels, im Westen etwa 600 m und im Osten bis zu 800 m. Die insgesamt geringere Höhe führt dazu, dass weniger Wolken abregnen. Ua Huka hat ein deutlich trockeneres Klima als die Nachbarinseln
In der Nähe des Flughafens (der aber zurzeit nicht angeflogen wird) befindet sich das Musée Communal de Ua-Huka – klein aber fein mit vielen schönen Exponaten (die Figur in der Mitte! 😉)
Musée Communal de Ua-Huka. Wegen eines Kindersporttages, der gerade auf dem Gelände stattfindet, ist das Museum geschlossen. Wir fragen einen Mann, der im Schatten sitzt, wann es denn wieder geöffnet sei. Kurzerhand steht er auf und macht sich auf die Suche nach einem Schlüssel. Beim Dorfpolizisten, der gerade vorbeikommt, ist er nicht erfolgreich, aber bei einer Frau, die offenbar die Putzfrau des Museums ist, findet er einen Schlüssel. So können wir ganz exklusiv und alleine das Museum geniessen. Das sind die Marquesianer!!
Kindersporttag auf dem Gelände des Museums. Seilziehen …
… Sackhüpfen …
… Bauchtanz, und diverse andere für die Kinder spannende Wettkämpfe werden unter lautstarker Unterstützung der Eltern ausgetragen
Eine der von Sämi erwähnten Nebenstrassen, die meist von Süden nordwärts ins Gebirge führen, wo die Bauern ihre Copra Plantagen pflegen
Entlang der Hauptstrasse finden wir viele Blumensträucher und frisch gepflanzte Fruchtbäume. Um die jungen Pflanzen vor den wilden Pferden und Ziegen zu schützen, werden sie durch Holzrahmen (schön zu sehen auf der linken Strassenseite) geschützt. Das Spezielle daran: es sind private Personen, die auf öffentlichem Grund ihre persönliche Bepflanzung machen und viel Aufwand betreiben, dass in dieser trockenen Umgebung etwas wächst
Baie de Hane – wir sind das einzige Segelboot in dieser wunderschönen Bucht. Am Abend des dritten Tages lichten wir den Anker und machen uns auf die 65 Seemeilen lange Strecke südostwärts nach Hiva-Oa

In Hiva-Oa wollen wir nun endlich die Reparatur des elektrischen Furlers im Mast in Angriff nehmen. Beim Verlassen von Ua-Huka sind die Wettervorhersagen gut. Es erwartet uns ein konstanter Ostwind, zuerst etwas schwach, aber über Nacht gegen das Ziel hin leicht zunehmend auf angenehme 15-18 Knoten. Wir können gleich zu Beginn den richtigen Kurs einnehmen und auf direktem Weg, ohne Aufkreuzen, in Richtung Hiva-Oa fahren. Das Grosssegel haben wir mit dem manuellen Notmechanismus voll gesetzt und gleichen allfällige Böen mit der Genua aus. So der Plan. Brauchen wir aber nicht, das Wetter bleibt die ganze Nacht über freundlich. Wir kommen besser voran, als erwartet und beschliessen spontan, in einer ruhigen Bucht auf der Nachbarinsel Tahuata einen Zwischenstopp einzulegen, und erst am frühen Mittag in Hiva-Oa einzulaufen. Das gibt uns die besten Chancen, dort im engen Hafenbecken, an das wir keine guten Erinnerungen haben, einen guten Ankerplatz zu finden.

Wieder einmal typisch Lupina! Wir schaffen es auch in der sonst zum Ankern als sehr gut beurteilten Bucht von Hanamoenoa (Insel Tahuata) beim Setzen des Ankers Probleme zu haben. Diesmal verklemmt sich ein grosser Felsbrocken im Anker und verhindert, dass er sich eingraben kann. Wenn du das so machen müsstest – es würde nie gelingen!! 😊😊
Und dann sind wir zurück in Hiva-Oa. Nicht am Montag, wie vorher mit Vincent, dem Inhaber der Werft (Bild Mitte) abgesprochen, aber am Tag darauf beginnen wir mit der Arbeit. Unter tatkräftiger Mithilfe von Ruedi (SY Pasito, rechts im Bild), Sämi (nicht im Bild) und mir bauen wir den Elektromotor aus dem Mast aus
Leider müssen wir feststellen, dass der gelieferte Ersatz eine Grundplatte hat, die nicht auf unseren Mast passt. Eine Rückfrage beim Lieferanten bestätigt, dass trotz vollständiger Angaben unsererseits eine Platte für einen kleineren Mast geliefert wurde. Hmm – es hätte doch so schön einfach sein können. Nun aber wird es etwas komplizierter und vor allem aufwändiger. Da die Werft am nächsten Tag andere Arbeiten geplant hat und über Auffahrt geschlossen ist, beschliessen wir, die Inspektion des defekten Motors und den Einbau des Ersatzmotors auf die kommende Woche zu verschieben
Zum Glück läuft nicht alles schief: der ebenfalls von Sämi mitgebrachte Gasdruckdämpfer für die Baumstütze passt einwandfrei und lässt sich sehr einfach einbauen. Da kommt wieder Freude auf 😉
Und als dann der Nachschub eines der wichtigsten Lebensmittel auch problemlos funktioniert, herrscht wieder Bombenstimmung auf der Lupina 😊
Wir beschliessen, das Auffahrtswochenende wieder auf der schönen Nachbarinsel Tahuata zu verbringen und segeln in eine für uns neue Bucht: Anse Ivaivaiti. Fantastisch leuchtet der Palmenhain im Abendlicht

Sämi meint zu den letzten paar Tagen:
Mit einem Nachtschlag segeln wir nach Hiva-Oa, wo wir den Mast mit den mitgebrachten Teilen reparieren wollen. Das läuft jedoch nicht nach Wunsch. Also ab auf die vorgelagerte Insel, zum Glück gibt’s da wieder wunderschöne Buchten. Chris und Ruedi (SY Pasito) sind uns auch noch gefolgt.
Am kommenden Montag wieder zurück nach Hiva-Oa in die Werft, hoffentlich können wir dann alles fixen! Leider ist es dann für mich schon bald Zeit, um Abschied zu nehmen. Ich fliege am 5. Juni wieder nach Hause. Ich hätte es schon noch länger ausgehalten! Jä no!
Danke Pia und Köbi für die Gastfreundschaft. Ihr seid Klasse!!

Natürlich ist es noch lange noch nicht so weit, Sämi bleibt noch eine ganze Woche an Bord. Er hat ausgezeichnete mechanische Fähigkeiten, die muss ich nutzen. Mit seiner Hilfe führe ich zum ersten Mal, seit wir unterwegs sind, einen Service an den Winschen durch (Achtung liebe Seglerkollegen, die ihr nun die Nase rümpft: ich weiss, dass dies nicht den Wartungsplänen entspricht. Das Fett in den Winschen ist aber immer noch einwandfrei und der Zustand der Teile tip top) 😊

Am Montag nach Auffahrt geht’s nun also zurück in die Werft in Hiva-Oa. Kann der Chef dort unseren defekten Elektromotor zerlegen? Finden wir die Ursache des Problems und können es gar reparieren? Übersteht Sämi die letzten Tage auf der Lupina unfallfrei? Und was sind unsere nächsten Pläne?

Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser

Sämi und Pia – wir verbringen eine schöne Zeit zusammen

Segeln in den nordwestlichen Marquesas / Ua-Pou und Nuku-Hiva

Am 4. April 2022 gegen Mittag heben wir den Anker in Atuona auf Hiva-Oa. Heute segeln wir nur 18 Seemeilen um die Westseite der Insel um im Nordwesten in einer einsamen Bucht zu übernachten. Erst am Tag darauf im Morgengrauen wollen wir die verbleibenden rund 65 Seemeilen in Angriff nehmen. Bei ordentlichem Wind sollten wir unser neues Ziel, die Bucht Vaiehu auf der Insel Ua-Pou, noch bei Tageslicht erreichen. Falls wir wider Erwarten mehr als 12 Stunden brauchen sollten, dann wäre ein Ankern auch im Dunkeln möglich, da die Bucht sehr offen und gross ist.

Bevor es los geht noch eine kleine Schrecksekunde: beim Anker auf im Hafenbecken von Atuona kommt die Kette als grosser Klumpen hoch. Sie hat sich auf dem Meeresgrund um einen alten Draht verwickelt und wir mussten sie zuerst freischneiden, bevor wir die Kette vollständig einholen und den Anker bergen konnten
Auf der Überfahrt ist der Wind deutlich schwächer als angesagt und wir brauchen etwas über 12 Stunden bis in die Bucht von Vaiehu. Aber es reicht: gerade bei Sonnenuntergang fällt der Anker und wir können das wunderschöne Farbenspiel des Abendhimmels gleichzeitig mit dem Ankertrunk geniessen
Die etwa 125 km² grosse Insel Ua-Pou ist die drittgrösste der Marquesas. Das spektakuläre Landschaftsbild wird geprägt von steilen, an Kirchtürme oder Zuckerhüte erinnernde Gipfel. Sie rechtfertigen den Namen Ua-Pou, übersetzt „Zwei Säulen“. Der Name geht auf eine Legende zurück: Bei der Errichtung der „Erde der Männer“ (polynesisch: te fenua enata, der alte polynesische Name für die Marquesas) schufen die Götter als erstes die Säulen des grossen irdischen Hauses: die Berge von Ua-Pou (Quelle: Wikipedia)

Wie alle anderen Inseln auf den Marquesas gehört auch Ua-Pou zur Kette von Vulkanen, der sogenannten Marquesas linear volcanic chain, die sich über einem «Hotspot» der pazifischen Platte gebildet hat. Die Inseln bewegen sich heute mit einer Geschwindigkeit von 103-118 mm pro Jahr in Richtung West-Nordwest. Die magmatischen Gesteine der Insel sind 2.5 bis 4.8 Millionen Jahre alt. Aber woher kommen diese speziellen, säulenförmigen Berge? Es wird vermutet, dass sich in einem ersten Schritt basaltische Lava schildartig aufgeschichtet hat. Durch Erdverschiebungen entstanden in einem zweiten Schritt Risse, durch die wiederum Lava emporsteigen konnte. Diese erkaltete dann nur sehr langsam in ihren kaminartigen Kanälen und es kam zur Formation von phonolytischem (wenn man daran klopft klingt es fast wie Glas) Gestein, das sehr hart ist. Die Erosion trug in der Folge die Basalt-Ablagerungen um die «Kamine» ab, und zurück blieben die für Ua-Pou so typischen Zeigefinger.

Hakahetau, Ua-Pou: nach 3 Tagen am Ankerplatz in der unbewohnten Bucht von Vaiehu (anlanden können wir wegen starkem Wellengang leider nicht) verlegen wir zum kleinen Dörfchen Hakahetau. Auch hier ist der Schwell gross, aber dank eines Heckankers, der das Dinghi von der rauen Betonmauer fernhält, können wir am Pier festmachen
Von Hakahetau aus wollen wir uns diese Berge etwas näher anschauen. Während unseres ganzen 14-tägigen Aufenthaltes auf Ua-Pou sollten wir den höchsten Berg der Marquesas, den Pou Oave (1’232m hoch, links im Bild) nie ohne Wolken sehen
Bevor wir uns an die steilen Berge wagen, wollen wir uns zuerst etwas gemütlicher «einlaufen» und machen uns auf zu einem Wasserfall, der sich in einem der beiden Täler befindet, die in Hakahetau ins Meer münden. Den Wasserfall finden wir zunächst nicht, dafür treffen wir auf diese Schilder: Manfred, der Schoko Mann. (Achtung: falls jemand unsere Wanderung zum Wasserfall nachmachen will: genau hier zweigt der Weg rechts zum Wasserfall ab)
Manfred Drechsler – der berühmte Schokolade-Mann

Manfred (seine Cousine ist die berühmte ehemalige Ostdeutsche Spitzensportlerin Heike Drechsler) ist 1987, noch vor dem Fall der Mauer, aus der DDR nach Franz. Polynesien geflüchtet. Obwohl er damals weder französisch noch englisch sprach, gelang es ihm, sich als Helikopter Pilot ausbilden zu lassen. Von Tahiti aus, wo er rund 8 Jahre lebte, flog er zunächst Kabel und andere Baumaterialien für die Stromversorgung auf die Inseln, später VIP Touristen. 1995 kam er dann mit einer hübschen Polynesierin, Thérèse, die in Hakahetau ihre Familie hat, nach Ua-Pou und konnte auf einem Stück Land der Familie am Ende eines Tales sein kleines Reich aufbauen. Zufällig fand er auf seinem Gelände die eher selten vorkommenden Kakaopflanzen und bemerkte, dass hier niemand etwas mit dieser Frucht anzufangen wusste. Im Selbststudium eignete er sich sehr schnell ein Basis Wissen an, das ihn befähigte, seine erste eigene Schokolade herzustellen. Heute gilt der Selfmade-Chocolatier und Erfinder als Geheimtipp für polynesische und ausländische Touristen. Er nimmt sich viel Zeit für uns und lässt uns von seiner Schokolade probieren. Fragen über Rezept oder Mengen blockiert er süffisant lächelnd: «Geschäftsgeheimnis!»

Manfred ist ein Tüftler und Erfinder, wie er im Buche steht: hier hat er sich aus ausrangierten Auto-Lichtmaschinen, einer alten Bratpfanne (dient als Schwung und Antriebsrad) und Stücken von PVC-Schläuchen, die er halbiert als Schaufeln zu einem Wasserrad zusammengebastelt hat (in der Blechkiste drin), eine Wasserturbine gebastelt, mit der er seinen eigenen Strom produziert
Bei Manfred treffen wir eine Reisegruppe mit polynesischem Reiseführer. Wir fragen ihn nach dem Einstieg in den «Poumaka-Trail», eine der abenteuerlichsten Wanderungen in den Marquesas. Am nächsten Tag machen wir uns auf zu dieser rund 5-stündigen Wanderung um die schönsten Berge der Marquesas
Früh am Morgen geht es (diesmal in Wanderschuhen statt Flip-Flops 😉) von Hakahetau aus los. Die Berge «Poutemoka» und «Totamahiti» liegen noch in weiter Ferne
Je weiter wir ins Tal vordringen, umso steiler geht es bergauf. Zunächst noch auf einem Naturweg …
… nach rund einer Stunde aber auf einem schmalen Trampelpfad durch die üppige Vegetation. Die Verschnaufpausen von Pia geben mir die Zeit, den weiteren Verlauf des Weges zu suchen 😉
Immer grüner – immer steiler!
Nach fast 3 Stunden ist das Ziel unserer Wanderung, der «Poumaka», zum Greifen nahe. Wir dringen noch bis an seinen Fuss vor, lassen das Klettern dann aber sein 😉
Den höchsten Berg, den Pou Oave, sehen wir auf der Wanderung nur komplett von Wolken eingehüllt. Erst als wir wieder unten sind gelingt uns dieses «fast» wolkenlose Bild
Wir segeln weiter zum Hauptort im Nordosten der Insel: Hakahau, mit rund 700 Einwohnern die dritt grösste Siedlung in den Marquesas. Hier finden wir hinter einer massiven Hafenmole einigermassen Schutz vor den hereinrollenden Wellen
In Hakahau können wir ein Auto mieten. Die Hauptverbindungsstrasse, welche die einzelnen Dörfer miteinander verbindet, ist mehrheitlich betoniert und gut ausgebaut. In die entlegenen Täler gelangen wir aber fast ausschliesslich auf Naturstrasse und wir sind glücklich über unseren robusten 4×4 Mietwagen
An der Westküste von Ua-Pou das kleine Dörfchen Hakamaii. Die Fassade der Kirche ist zum Meer hin rot, gelb und blau bemalt, so dass man aus der Distanz meinen könnte, es seien farbige Fenster
Kaum steigen wir in Hakamaii aus dem Auto, zeigen uns die Kinder ihre Künste auf Stelzen

Nach rund 2 Wochen auf Ua-Pou zieht es uns weiter zur nächsten Insel: Nuku-Hiva. Nuku-Hiva zählt wie Ua-Pou geographisch zur Nordgruppe der Marquesas-Inseln. Mit einer Fläche von etwa 340 km² und 2.660 Einwohnern ist sie die grösste und bevölkerungsreichste Insel der Marquesas. Hier befindet sich der aktuell einzige Einklarierungsort der Marquesas, und die meisten Segler, die vom amerikanischen Kontinent her den Pazifik queren, laufen als erstes Nuku-Hiva an.

Die grosse Bucht von Taiohae, dem Hauptort von Nuku-Hiva und gleichzeitig Verwaltungszentrum der Marquesas. Dieser gut geschützte Hafen wird gerne von Weltumseglern als Zwischenstation genutzt. Bei unserer Ankunft sind bereits rund 90 Schiffe vor Anker, aber es hat noch viel Platz. Die «Hochsaison» für die Pazifik-Überquerungen neigt sich dem Ende zu. Schon nach ein paar Tagen sind nur noch knapp 60 Schiffe da
Wir stossen mit den beiden Schweizern Chris und Ruedi auf ihrem Schiff «Pasito» auf ihre soeben erfolgreich absolvierte Pazifiküberquerung an
Ein Symbol für die Ewigkeit! Tiki Tuhiva, grösste Skulptur (12 Meter hoch) im Pazifik, befindet sich auf dem gleichnamigen Hügel (der im 18. und 19. Jahrhundert in Fort Collet umgetauft war), der direkt hinter dem alten Hafen liegt. Nachdem überlieferte Traditionen und Gepflogenheiten der Polynesier nach der Entdeckung und der darauffolgenden Missionierung fast gänzlich in Vergessenheit geraten waren, hat man sich in den letzten Jahrzehnten wieder an die grossartige Vergangenheit erinnert. Im Jahr 2013 wurde in einer lokalen Volksabstimmung beschlossen, dass auf dem Hügel Tuhiva wieder ein Tiki stehen soll.
Gestärkt durch die Kraft der Vorfahren, welche er von seiner sitzenden Tiki Mutter geerbt hat, schreitet Krieger Tuhiva mutig als Wächter von Tradition und Weisheit in die Zukunft
Mutter Tiki Tuhiva – und irdischer Trommler 😉
Auch in Nuku-Hiva «erfahren» wir die Insel mit einem 4×4 Mietauto. Unterwegs nach Hatiheu im Norden besuchen wir die Kultstätte Tohua Kouveva. Für einmal fasziniert uns die Natur mehr als alte Steine: Dieser Baum steht über 20 Meter hoch auf seinen dünnen Wurzeln. Pia (im gelben Kreis) als Grössenvergleich
Hatiheu, im Norden von Nuku-Hiva mit seinen markanten Bergen
Die stark zerklüftete Nordküste weist im östlichen Bereich eine fruchtbare Vegetation auf
Weiter im Westen wird die Gegend immer trockener. Auch die Farben des Geländes ändern sich stetig, je nach vorherrschenden Mineralien im Boden
Einmal im Gegenuhrzeigersinn um die Insel, und nun zurück an einem Aussichtspunkt oberhalb unserer Ankerbucht in Taiohae
Die Rundfahrt um die Insel ist nicht nur für den Fahrer sehr spannend. Auch die Passagiere (Pia und SY Pasito Crew Chris und Ruedi) sind fasziniert von den grossen Unterschieden, wie sich die Landschaft hinter jedem Bergübergang im nächsten Talabschnitt wieder präsentiert
Bei einem gemütlichen Sundowner auf der Lupina lassen wir mit Chris und Ruedi (SY Pasito) einen spannenden Tag in die Nacht übergehen
Hat uns in den südöstlichen Marquesas die gewinnende Kontaktfreude der Einheimischen fasziniert, stellen wir in den nun deutlich touristischeren Gegenden eine vornehme Zurückhaltung (oder Übersättigung?) fest. Einzig die Kinder sind überall gleich. Sie treten allem Fremden gegenüber interessiert, neugierig und offen auf. Hier haben ein paar Mädchen Pia beim Benutzen des Computers beobachtet und wollen nun von ihr wissen, wozu sie das Ding benutzt und wie das mit der Maus funktioniert
Tattoo – Vor der Entdeckung von Polynesien war das Tätowieren des ganzen Körpers eine Normalität. In verschiedenen Zeichnungen wurde die Lebensgeschichte des Trägers, seine Sorgen und Wünsche, seine Vergangenheit und Zukunft, einfach sein ganzes Leben dargestellt. Je intensiver der Körper eines Menschen tätowiert war, umso mehr hat er in seinem Leben schon erfahren
Als die Missionare kamen, wurden es den Menschen verboten, nackt herumzulaufen. Die Kuna-Indianer in Panama haben das Problem so gelöst, dass sie ihre Zeichnungen auf Gewebe stickten und dieses auf ihre Kleider nähten (Molas). Hier in Polynesien verschwand diese Kultur leider fast gänzlich. Zum Glück haben sich die Menschen in den letzten Jahrzehnten an ihre Vergangenheit erinnert und die Tattoos sind wieder zurück. Wie in der Vergangenheit erzählen sie wieder die Geschichte des Menschen, der das Tattoo trägt
Unsere neue Errungenschaft! Pia hat ihre Geschichte auf dem Fuss tätowieren lassen 😉

Bis jetzt habe ich nur über uns und unsere Erlebnisse berichtet. Was macht eigentlich unsere Lupina? Sie leidet! Der Ankerplatz hier in Taiohae ist sehr rollig, und das Wasser ist aufgewühlt und trüb. Das Unterwasserschiff wird von hunderten kleinen Muscheln und Algen angefallen. Übers Wochenende sind wir 8 Seemeilen in eine Nachbarbucht, aber da war das Wasser auch nicht viel besser, vielleicht etwas klarer und sauberer als in Taiohae (Anmerkung: auch wenn zur Zeit nur noch 60 Schiffe vor Anker sind – das Abwasser muss ja irgendwo hin!). Wir haben die Gelegenheit benutzt und das Unterwasserschiff so gut wie es ging sauber gemacht. Lupina scheint sich über die misslichen Zustände zu beschweren. Dinge, die bisher prima funktioniert haben, beginnen zu spuken: eine der WC Pumpen macht plötzlich beängstigende Geräusche, der Generator springt wieder nicht zuverlässig auf Knopfdruck an und andere so kleine Dinge. Dabei ist das Wichtigste, der elektrische Antrieb vom Rollmechanismus des Grosssegels, noch immer nicht repariert. Das benötigte Teil hängt in der Schweiz fest. Man glaubt es kaum: bisher war immer noch kein Versand möglich aus uns nicht verständlichen Gründen. Das dauert nun schon seit 4 Wochen so. Wir haben nun die Flucht nach vorne gewagt und jemanden gefunden, der uns besuchen kommt und das benötigte Teil im Koffer mitnimmt. Sämi heisst unser Retter! Er sucht nun gerade einen Flug und kommt in den nächsten Tagen auf die Lupina.

Der Blick in die Zukunft. Wohin trägt der Wind uns als nächstes: Ua-Huka, die kleine Nachbarinsel im Osten? Zurück nach Hiva-Oa mit Sämi und dem lange ersehnten Teil für die Reparatur des Grosssegels? Weiter in den Marquesas gemeinsam mit Booten von Freunden (SY Maramalda, die in Hiva-Oa auf uns wartet – SY Limelight, die in etwa 5 Tagen aus Mexiko hier eintrifft – SY Pasito, die gerade um Nuku-Hiva herumsegelt) oder weiter in die Tuamotus, wohin uns die SY Swiss Lady vorausgesegelt ist?

Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser

Nachtrag: hast du Probleme mit all den schwierigen Ortsbezeichnungen? Geht uns auch so!😊😊

Marquesas Inseln – wild und abenteuerlich

Fatu Hiva ist die südlichste Insel der Marquesas. Sie hat die Form einer Mondsichel, die nach Westen geöffnet ist. Sie ist rund 10 Kilometer lang und 4 Kilometer breit. Die Vulkaninsel ist gekennzeichnet durch steil abfallende Felswände, die hunderte von Metern in die Tiefe stürzen

Auf Fatu Hiva machen wir uns auf die Suche nach den Spuren von Thor Heyerdahl. Der berühmte Norweger träumte seit seiner Schulzeit davon, selbst auszuprobieren, ob der Mensch von heute im Stil des Steinzeitjägers überleben kann – ohne technische Hilfsmittel, ohne Medikamente. Nach längerem Suchen auf Landkarten, in geographischen Büchern und Reiseberichten früherer Expeditionen nach besonders schönen und einsamen Fleckchen Erde stiess er auf Fatu Hiva in den Marquesas.

Fatu Hiva ist reich an Vegetation, Nahrung und Trinkwasser. Die regelmässigen Niederschläge, meist kurz von Dauer aber tropenartig heftig, kurbeln das Wachstum der Pflanzen an

Im Jahr 1937 kommt der junge Zoologie Student Heyerdahl mit seiner Gattin Liv zuerst nach Tahiti, wo ein Häuptling die Beiden in die Kunst zu leben und überleben einweist. Kurz danach setzt ein alter Frachter das junge Paar am Zielort aus und verspricht, sie nach einem Jahr wieder abzuholen. Den beiden Zivilisationsflüchtlingen erschein Fatu Hiva paradiesisch: verschwenderische Vegetation, weisser Sandstrand und lauter temperamentvolle und offenbar im Einklang mit der Natur lebende Menschen. Den Fremden wird bereitwillig ein Stück Land auf einer ehemaligen Königsterrasse oberhalb des Dorfes Omoa verpachtet und schnell werden sie mit den Einheimischen vertraut. Ungewollt gerät dann das junge europäische Paar zwischen die Fronten zweier sich rivalisierender Missionare, die Zwietracht und Streit in der Bevölkerung sähen. Von Stechmücken geplagt, gepeinigt von schmerzhaften Geschwüren an den Beinen, müssen die beiden Norweger dann in einem offenen Boot auf dem stürmischen Meer wieder nach Tahiti fahren, um medizinische Hilfe zu suchen. Sie müssen feststellen, dass es für den modernen Menschen tatsächlich kein «Zurück in die Natur» mehr gibt.

Wir machen uns auf die Suche nach den Spuren von Thor Heyerdahl …
… finden dann aber ausser wild wachsenden Pfefferschoten …
… und einem ruhig dahin plätschernden aber hohen Wasserfall (hier mit Rita und Daniel, SY Maramalda) leider keine Hinterbleibsel von Heyerdahls Aufenthalt auf Fatu Hiva. Die Bevölkerung hat das Norwegische Paar leider vergessen

Eine andere Erkenntnis hat Thor Heyerdahl bei seinem Aufenthalt auf Fatu Hiva gewonnen: die Menschen, die hier leben, könnten durchaus von Indianern in Südamerika abstammen. Bisher hat man geglaubt, die Besiedlung von Polynesien habe von Asien aus stattgefunden. Hier fasste Thor den Entschluss, durch einen praktischen Versuch zu zeigen, dass man mit einem Floss von Südamerika nach Polynesien kommen kann. Diese erfolgreiche Flossfahrt hat ihn dann weltberühmt gemacht. Schade, dass sich hier in Fatu Hiva keine Spuren dieses praktisch veranlagten Zoologie-Studenten mehr finden lassen.

Wir finden zwar nichts von Thor Heyerdahl – stossen aber immer wieder auf feine Früchte. Hier grosse, sehr süss-saftige Pampelmusen (Grapefruit), die uns ein Einheimischer in die Hand drückt. Im Gegensatz zur Bevölkerung von Gambier, die dank der Perlenzucht einen gewissen Reichtum erlangt hat, sind die Leute hier immer noch auf Tauschhandel angewiesen. Für ein altes Seil oder ein nicht mehr gebrauchtes Werkzeug kriegen wir Berge von frischen Früchten
Wir ankern vor dem kleinen Dorf Hanavave und werden bei unserem ersten Landgang von Serge (Bild Mitte) gefragt, ob wir einmal bei ihm Nachtessen wollen, alles einheimische, traditionelle Kost. Natürlich wollen wir! Zusammen mit der Crew von SY Maramalda geniessen wir ein üppiges Mahl: Mango Salat, gebratenes Wildhühnchen, Reis, Kochbananen, Brotfrucht Frites, in Kokosmilch und Zitronensaft eingelegter roher Fisch und ein Pampelmuse Fruchtteller zum Abschluss. Bis auf den Reis wächst hier alles in freier Natur. Lecker! Unsere Bäuche sind randvoll
Von Hanavave (500 Einwohner) wollen wir zum einzigen anderen «grossen» Dorf auf der Insel: Omoa (600 Einwohner). Es schlängelt sich eine steile, abenteuerliche Strasse (nur mit Geländefahrzeug befahrbar) von Hanavave nach Omoa, 17 Kilometer weit. Wir könnten den Hinweg zu Fuss machen und dann per Boot zurück. Die Bootsfahrt der Küste entlang dauert nur 15 Minuten. Aber wir wissen nicht, ob wir in Omoa jemanden finden, der uns zurückbringt. Wir erfahren, dass zweimal die Woche früh am Morgen eine Fähre von den Nachbarinseln nach Omoa und Hanavave fährt. Ganz selten steuert sie Hanavave als erstes an. Wir haben Glück! Wir sind noch in unserem Cockpit beim Frühstück, als wir die Fähre erspähen. Schnell Rita und Daniel auf der SY Maramalda angefunkt, Kaffee runter gestürzt und ins Dinghi gesprungen. Wir holen Rita von der Maramalda ab, Dani fährt uns mit unserem Dinghi zur inzwischen geankerten Fähre (rotes Schiff im Bild) und schon sind wir an Bord
Tiki in Omoa. Ein Tiki ist eine meist aus Stein oder Holz gehauene Figur, die ein männliches oder weibliches Wesen darstellt. Die Figuren haben eine spirituelle Kraft und symbolisieren Dinge wie Zufriedenheit, Stärke, Zuversicht, Energie, positiven Geist, Ehrlichkeit, Reinheit, Weisheit, Ehre und vieles mehr. Bei ihnen haben sich früher die Menschen Rat und Hilfe gesucht. Das findet auch heute zum Teil noch statt, aber diese lange überlieferte Tradition wurde von den Missionaren leider fast gänzlich ausgelöscht. Mit dem Herstellen von Tikis für Touristen aus aller Welt verdienen aber viele Inselbewohner heute ihr Geld. Nach und nach kommen die Tikis wieder als Glücksbringer in die Häuser der Einheimischen zurück. Schön!
Kirche von Omoa. Im Vergleich zu den monströsen aber zerfallenden Kirchen von Gambier sind die Kirchen hier eher klein, unscheinbar, aber sehr schön gebaut und gut unterhalten
Auf unserem 17 Kilometer langen Fussmarsch von Omoa zurück nach Hanavave werden wir von einem Wolkenbruch überrascht. Unter dem Blätterdach eines Baumes am Strassenrand bleibt das Gemüt trotzdem sonnig 😉
Unterwegs zwischen Omoa nach Hanavave. Die eine Hälfte des Weges geht es steil aufwärts, die andere Hälfte wieder steil hinunter
Fatu Hiva – phantastische Naturlandschaft
Pia und Rita – wohlverdiente Rast. Es könnte irgendwo in den Schweizer Alpen sein
Aus luftiger Höhe Blick in die Bucht von Hanavave mit Lupina vor Anker (Boot ganz links)
Am Tag vor unserer Weiterfahrt werden wir von Lea und Sopi, einheimische Bauern, angefragt, ob wir für seinen Bruder auf der Nachbarinsel einen Bananentransport übernehmen würden. Natürlich willigen wir ein und hohlen am nächsten Morgen eine grosse Fracht an Bananen, gut verpackt in weissen, gewobenen Säcken, am Steg von Hanavave ab. Als Lohn für unseren Dienst erhalten wir eine grosse Menge an frischen Früchten und sogar Auberginen
Vor Anker in der Bucht von Vaitahu auf der Insel Tahuata (unser Schiff ist das 2. von rechts). Hier liefern wir die Bananen ab. Gerne hätte uns Sopi’s Bruder zum Essen bei sich zu Hause auf der anderen Inselseite eingeladen, aber der Schwell am Steg ist so heftig, dass wir unser Lupinchen nicht einen ganzen Tag lang dort leiden lassen wollen. Schweren Herzens lehnen wir die Einladung ab
Dieser Stein vor dem Rathaus in Vaitahu zeugt davon, wie der Name der Marquesas Inseln ursprünglich war: „Fenua Enata“ (Terre des Hommes / Land der Menschen). Leider meinten die Eroberer im 16. Jahrhundert, einer der Sponsoren einer Expedition müsse mit seinem Namen hier verewigt werden
Kirche von Vaitahu
Kirche von Vaitahu. Die Seitenwände sind noch oben offen und erlauben eine gute Luftzirkulation. Es ist angenehm kühl in der Kirche
Sonnenuntergang am Ankerplatz von Vaitahu
Nach der Bananenlieferung gesellen wir uns wieder zur SY Maramalda, die aus Respekt vor dem Schwell in Vaitahu direkt zur nächsten Bucht Hanamoenoa weitergefahren ist
Letzter Ankerstopp auf der Insel Tahuata in der Bucht von Hapatoni. Hier liegen wir in ruhigem Wasser vor einem steil abfallenden Palmenhang. Die Abendsonne bringt die Farben zum Leuchten. In dieser Bucht lebt eine grosse Familie von Delfinen, die jeden Morgen im Schwarm auf Fischfang gehen. Ein tolles Spektakel
Auf unserem Landgang in Hapatoni haben wir erstmals die Gelegenheit zu sehen, wie für die Copra Produktion (Kokosölproduktion) die Kokosnüsse gesammelt, geöffnet und das herausgebrochene Fleisch getrocknet wird. Im Bild eine typische Trocknungsanlage. Auf der Ablage unten werden die Kokosnussstücke ausgebreitet. Das Dach, das auf Schienen fahrbar montiert ist, kann je nach Bedarf zurückgeschoben (Sonne) oder geschlossen (Regen) werden. Nach dem Trocknen ist das Wasser aus der Nuss verdampft und zurück bleibt eine sehr ölhaltige, glasige Substanz. Diese wird dann in Säcke abgefüllt und verschifft zu einer grossen Copra Fabrik, wo die ölhaltigen Stücke gemahlen werden und das Öl daraus herausgepresst wird. Das so gewonnene Kokosöl findet Verwendung in der Lebensmittel- sowie Kosmetik Industrie
Ein weiterer faszinierender Sonnenuntergang vor Hapatoni (Tahuata)
Adrenalinstoss am Ankerplatz von Hapatoni. Es hat hier viele Steine und Felsen im Wasser. Wir haben die Gabe, solche Steinfelder immer perfekt zu finden. Und auch immer perfekt, wie sich unsere Kette jedes Mal die raffiniertesten Wege aussucht, wie sie sich um Felsen verknotet ☹ In diesem Fall (Verlauf der Kette ist auf dem Bild mit gelber Linie markiert, gestrichelt bedeutet, dass die Kette in diesem Bereich unter dem Felsen liegt) ist es besonders schlimm, weil ich diese auf etwa 14 Meter Tiefe nicht von Hand entwirren kann ohne Tauchgerät. Das Schiff hängt fest! Was tun? Nun, in diesem Fall kommt Hilfe von einem Dänischen Nachbarschiff (SY Tao). Es liegt direkt neben uns und dürfte ähnliche Probleme bekommen. Auf meine Frage zuckt der Skipper Bent gelassen mit der Schulter und meint, er löse solche Probleme jeweils einfach mit «Geduld». Funktioniert perfekt auch bei uns! Kette langsam dichtholen, bis das Schiff direkt über dem Stein schwimmt – Geduld zeigen – das Schiff löst durch leichtes Schaukeln die Kette Glied um Glied – und nach ein paar Minuten ist die Kette frei. Ohne Schweiss oder nasse Füsse. Danke Bent – diesen Tipp werde ich mir merken!!
Nächste Insel: Hiva Oa. Im Bild der Strand von Atuona mit Einfahrt zur engen und schwelligen Ankerbucht und Hafen
Lupina (vorne im Bild) am rolligen Ankerplatz von Atuona. Am Tag nach unserer Ankunft fährt auch die MV Aranui, eine Kombination von Fracht- und Kreuzfahrtschiff, in den engen Hafen. Wir haben Glück, denn ein Frachtschiff bedeutet immer: frische Lebensmittel auf der Insel. Und Kreuzfahrtschiff heisst zusätzliche Unterhaltung für Touristen!
In diesem Fall besteht die zusätzliche Unterhaltung für Touristen in der Präsentation der Schönheiten für die Miss Marquesas Wahl 2022…
… Demonstrationen und praktische Kurse von traditionellen Handwerken …
… Präsentation lokaler Kunst (hier traditionelle Tattoos) …
… sehr wohlklingende mit Ukulele begleitete Gesänge eines lokalen Frauenchores …
… und als Höhepunkt ein Tanzmarathon, bei dem die Polynesische Meisterin des traditionellen Tanzes die ausschliesslich weiblichen Teilnehmerinnen instruiert, ihnen vortanzt und sie dann minutenlang üben und schwitzen lässt. Ich verzichte auf die Beschreibung des schwindelerregenden Hüftschwunges der Meisterin. Den haben wir auf Video erfasst 😉 (meine Augen rollen immer noch 😊)
Mit 4×4 Mietauto erkunden wir die wilde Nordküste der Insel Hiva Oa und wagen uns bis ans äusserste Ostende bei Puamau vor. Eine tolle Strecke die mittlerweile gut ausgebaut ist und sogar ohne 4×4 befahrbar wäre
In Puamau befindet sich eine der bedeutendsten archäologischen Fundstätten: Iipona. An dieser Kultstätte befinden sich mehrere gut erhaltene Tikis, unter anderem «Takaii» mit über 2 Metern der grösste Tiki der Welt. In Unkenntnis dieser besonderen Tatsache hat es der Photograph leider verpasst, diesen speziellen Tiki festzuhalten. Dafür hat er diese schöne Figur aus Holz, die aber neueren Datums sein dürfte und einen männlichen Krieger darstellt, abgelichtet
Auf der Strecke zwischen unserem Ankerplatz in Atuona und dem kleinen Bergflughafen im Inneren der Insel soll es einen speziellen Tiki geben: Smiling Tiki (der lachende Tiki). Normalerweise zeigen die Tikis ein ernstes, ja gerade strenges Gesicht. Diese Ausnahme wollen wir sehen. Leider steht in keinem unserer Reiseführer, wo genau er zu finden ist. Wir fahren in die Gegend, wo wir ihn vermuten und treffen einen Reiseführer, der gerade mit einer Gruppe Touristen aus dem Auto steigt. Wir fragen ihn und er meint grinsend, dass er genau dorthin wolle. Wir dürfen uns der Gruppe anschliessen und erfahren viel über den Tiki
Der lachende Tiki (Smiling Tiki): deutlich erkennbar das Grinsen in seinem Antlitz. Die kleinen Hände vorne auf der Brust bedeuten Friede und Ehrlichkeit (keine Waffe, nichts zu verbergen). Der Smiling Tiki befindet sich an einer Kultstätte, wo früher die Medizinmänner, Häuptlinge und andere wichtige Menschen ihre Opfer brachten und Rat suchten. Es hat vermutlich noch viele weitere Tikis gehabt. Alle bis auf den Smiling Tikis sind aber von Archäologen und anderen Sammlern weggebracht worden. Warum der Smiling Tiki nicht? Der Grund dürfte an seiner Verankerung liegen. Er ist auf eine Steinplatte gemeisselt, die sehr tief (über 2 Meter) im Erdreich verankert ist. Vielleicht lacht er ja deshalb 😊
Bei unserer Inseltour mit dem 4×4 Mietauto kommen wir in der Baie Hanaiapa vorbei und sehen diesen Felsen im Meer. Ein Einheimischer kommt auf uns zu und fragt uns: «seht ihr den schwimmenden Neger?». Klar sehen wir ihn. Siehst du ihn auch? Siehst du auch die beiden anderen Gesichter? Auflösung ganz am Schluss des Berichtes 😉
Die Insel Hiva Oa ist die Ruhestätte zweier sehr bekannter Künstler der jüngeren Vergangenheit. Der eine ist der berühmte Belgische Sänger Jacques Brel, der leider viel zu früh vor seinem 50. Geburtstag aus dem irdischen Dasein gerissen wurde
Der andere hier begrabene Künstler ist der weltberühmte Paul Gauguin, der auf Hiva Oa Natur und Menschen vorfand, die ihn zu seinen fantastischen Meisterwerken inspirierten. Schon zu Lebzeiten verhalfen ihm seine farbenreichen Bilder von Menschen (vor allem Frauen) und Situationen aus der Südsee zu Ansehen in der Kunstszene und, eher unüblich für einen Künstler, auch zu Wohlhaben
Dieser Schreiberling (hier gerade am Reisebericht schreiben in der Lounge der Schiffswerft in Hiva Oa) wird es wohl nie zu Weltruhm bringen, auch wenn er eine sehr interessierte Mitleserin hat 😊😊

Wir haben nun die 3 südöstlichen Inseln der Marquesas (Fatu Hiva / Tahuata / Hiva Oa) bereist. Vor allem Fatu Hiva, die kaum je Segelboote sieht, weil sie schwierig anzusegeln ist (Boote, die den Pazifik queren, sind verpflichtet, zuerst auf den weiter westlich liegenden Inseln Hiva Oa oder Nuku Hiva einzuklarieren, und müssten dann gegen Wind und Wellen zurücksegeln) hat uns sehr gut gefallen. Die Marquesas sind ein sehr anspruchsvolles Segelgebiet. Die Vulkaninseln ragen alle steil und schroff aus dem Meer und es hat keine Riffe, welche Wellen und Brandung einbremsen würden. Die einigermassen geschützten Ankerplätze liegen meist auf der Westseite der Inseln. Hier aber gibt es starke und unberechenbare Fall-Böen, die wie eine Ohrfeige auf dich einschlagen können. Der Ankergrund ist meist sehr tief, 15-20 Meter, und es braucht immer viel Kette. Finden wir endlich einen guten Halt, kommt sicher ein nervender Schwell um die Landzunge und macht den Ankerplatz rollig. Gerade das Letztere stört uns aber wenig, wir schlafen herrlich, wenn die Wellen uns so ins Land der Träume befördern. Solange der Anker hält, sind wir glücklich 😉

Als nächstes Ziel nehmen wir uns die 3 nordwestlichen Inseln (Ua Pou / Nuku Hiva / Ua Huka) vor den Bug, bevor wir dann in etwa 4 Wochen wieder nach Hiva Oa zurücksegeln. Dort wollen wir den defekten Motor des Grosssegel Rollmechanismus durch einen temporären Handmechanismus ersetzen, der uns aus der Schweiz zugeschickt wird. Hoffentlich klappt das!

Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser

Auflösung des Rätsels: 1. Das Gesicht des «Neger-Kopfes» ist rot eingerahmt. Er schwimmt ins Meer hinaus 2. Das Gesicht der Frau mit dem üppigen Haar ist grün markiert. Sie schaut gegen links 3. Über der Frau ist gut ein Kindergesicht (blau markiert), ebenfalls nach links blickend, erkennbar

Von Gambier nach Fatu Hiva (Marquesas)

Am 4. März 2022 ist rund 2 Stunden früher Tagwache als sonst. Was heisst da «als sonst»? Normalerweise gibt es bei uns keine Tagwache, sondern wir stehen einfach dann auf, wenn wir erwachen. Heute aber reisst uns Pia’s Wecker bereits um 6 Uhr in der Früh aus dem Schlaf. Es liegen 800 Seemeilen zwischen uns und Fatu Hiva, unserem ersten Ziel im Marquesas Archipel (Franz. Polynesien). Wir schätzen, dass wir bei sportlichem Tempo etwas mehr als 5 Tage brauchen werden. Wenn wir früh starten, haben wir noch genügend Reserve, so dass wir bei Tageslicht ankommen können. Wobei, das mit dem Schätzen ja schon sehr vage ist, denn nur 1 Seemeile pro Stunde Differenz in unserer Geschwindigkeit macht auf diese lange Distanz schnell mal 1-2 Tage Unterschied aus.

Diesmal wird es eine besondere Reise. Erstmals segeln wir eine solch lange Strecke zusammen mit einem anderen Boot. Das Schweizer Ehepaar Rita und Daniel mit ihrer SY Maramalda begleiten uns auf diesem 800 Seemeilen langen Trip. Das besondere daran, sie segeln auch eine Hallberg-Rassy 43 wie wir, also das gleiche Schiff. Die Beiden sind leidenschaftliche Regatta-Segler und sind via das Kap Horn nach Gambier gefahren. Wer mich kennt, der weiss, dass bei mir bei dieser Konstellation (gleiches Schiff, erfahrene Regattasegler) der sportliche Instinkt geweckt wird, obwohl ich eigentlich gar nicht will. Um es gleich vorweg zu nehmen: so kurzweilig und intensiv war bisher noch keine Überfahrt für uns «Lupinis»  (Seewölfe) 😉

Frühmorgens kurz nach 7 Uhr winken wir von unserem Ankerplatz vor Rikitea (Gambier) der SY Maramalda zu. Sie sind etwas schneller beim Ankerheben
15 Minuten später sind auch wir soweit und verlassen Rikitea bei schönem Sonnenschein

Nach kurzer Fahrt unter Motor aus dem Riff vor Rikitea eine ungewollte Überraschung: wir fahren in den Wind und wollen das Grossegel setzen. Wir drücken auf die Taste «Out» des elektrischen Rollmechanismus – aber nichts passiert. Der Motor macht zwar ein Geräusch, wie wenn er drehen würde, aber das Segel kommt nicht aus dem Mast. Als auch ein mehrmaliges Ein- und Ausschalten der Stromzufuhr nichts bringt eine kurze Krisenbesprechung: weiterfahren und das Segel von Hand bedienen – oder zurück nach Rikitea an den Ankerplatz? Pia schüttelt energisch den Kopf und in mir regt sich das Sportlerherz in der Brust. Wir entscheiden uns, die Verfolgung der SY Maramalda aufzunehmen.

Nachdem noch ein kräftiger Squall (Regenschauer mit starken Windböen) über uns hinweggezogen ist, setze ich mit der Notkurbel das Grosssegel von Hand
Kurz darauf ist auch die Genua gesetzt und wir nehmen Kurs auf in Richtung Nordausfahrt des Atolls
Der Himmel klart wieder auf. Bald darauf werden wir von der Dünung erfasst und durch Wind und Strömung auf das offene Meer hinausgetragen. Unsere Lupina nimmt die Fährte der Maramalda auf
Durch das Missgeschick mit dem Grosssegel haben wir gut eine Stunde Rückstand auf die SY Maramalda. Über das AIS Signal sehen wir Geschwindigkeit und Abstand zum sportlichen Gegner. Der Wind bläst mit 15 bis 18 Knoten seitlich aufs Schiff. Unter stolz geblähten Segeln legt sich unsere Lupina willig auf die Seite und beginnt ihre Jagd auf die Maramalda. Normalerweise würden wir uns jetzt irgendein stabiles Plätzchen suchen, ein Buch in die Hand nehmen oder ein Nickerchen machen. Diesmal nicht: das Regattafieber hat uns gepackt! Pia nimmt es etwas gelassener als ich, aber auch ihre Augen pendeln dauernd zwischen unserer Geschwindigkeitsanzeige und derjenigen der Maramalda auf dem Bildschirm hin und her. Nach rund 8 Stunden ist der Vorsprung stark geschwunden und die Maramalda liegt in Reichweite
Unsere Lupina schiebt sich langsam auf gleiche Höhe wie die Maramalda
Die Dünung ist fast 3 Meter hoch und lässt unsere Schiffe zeitweise fast verschwinden
Noch vor Einbruch der Nacht schieben wir uns vor die Maramalda und lassen sie im Kielwasser zurück

In der ersten Nacht holen wir einen guten Vorsprung heraus, bis ein ungewöhnlich langer und heftiger Squall uns einbremst. Da wir unser Grosssegel nicht automatisch reffen können und aus Sicherheitsgründen in der Nacht nicht auf Deck wollen, wettern wir die 28 bis 35 Knoten starken Winde, die fast 1 Stunde anhalten, mit einem Beidrehen ab. Erst als der ganze Spuck vorbei ist und sich das Wetter wieder beruhigt, setzen wir unsere Fahrt fort. Die Maramalda hat mittlerweile wieder zu uns aufgeschlossen. Der Rest der Nacht verläuft dann aber ruhig, und wir holen bis zum Morgen wieder etwas Vorsprung heraus. Dann aber nimmt die Maramalda die Verfolgungsjagd auf. Immer, wenn wir etwas faul und nachlässig werden und unsere Segel nicht optimal nach dem Wind trimmen, kommt sie uns etwas näher. Wir sind nun fast identisch schnell, die Maramalda eher schneller. Manchmal kommt bei uns fast etwas Verzweiflung auf: auch bei vermeintlich bester Segelstellung schaffen wir es nicht, den Vorsprung zu halten. So gewinnen wir die Regatta nicht! Da gibt’s nur eines: noch besser und noch aufmerksamer Kurs und Segelstellung im Auge behalten. Und es gelingt: nach 4 Tagen haben wir rund eine Stunde Vorsprung herausgesegelt. Diesen können wir halten, bis wir uns am letzten Abend gegenseitig über Funk absprechen, dass wir nun die Fahrt drosseln wollen, um nicht in der Nacht am Ziel anzukommen.

In der letzten Nacht fahren wir mit stark gerefftem Grosssegel und rollen dieses bei den ersten Sonnenstrahlen am nächsten Morgen ganz weg. Es dauert fast 7 Minuten bis es mit der Handkurbel sicher im Mast eingerollt ist
Da wir erst gegen Mittag am Ankerplatz ankommen wollen und wir gelesen haben, dass es der Insel entlang starke Fallwinde geben kann, segeln wir unter halber Genua langsam nordwärts auf die Insel zu
Noch ist das Zentrum mit starken Wolken verhüllt …
… aber bald trocknet die Sonne die Luft und zeigt uns eine wunderbare Naturlandschaft, die vor Millionen von Jahren durch vulkanische Aktivität geschaffen wurde
Einfahrt in die Ankerbucht «Baie des Vierges» bei Hanavave auf Fatu Hiva
Aussicht vom Ankerplatz in der Baie des Vierges. Baie des Vierges heisst übersetzt: Bucht der Jungfrauen. Angeblich soll der Ursprüngliche Name «Baie des Verges» (Bucht der Penisse) gewesen sein, welcher wegen der Formen des umgebenden Gebirges fast logisch war. Das war natürlich nicht im Sinnen der Missionare, die hierhergekommen sind. Kurzerhand wurde ein «i» in die Bezeichnung geschoben und so gibt es heute die Jungfrauenbucht 😊

Nach genau 5 Tagen und 4 Stunden fällt unser Anker. Vielen Dank, Rita und Daniel, für dieses kurzweilige, spannende, manchmal stressige 😉 aber wunderschöne «Rennen». Wir sind uns bewusst, dass ihr euch mit einem kleineren Vorsegel in den Zweikampf gestürzt habt. In den nächsten Tagen wollen wir uns nun organisieren. Pia will endlich das schon lange fertig gestellte Video der Pazifiküberquerung ins Netz stellen und ich muss mich um den Rollmechanismus des Grosssegels kümmern.

Der Dinghi Landesteg, den wir vorfinden, gefällt uns schon mal sehr gut. Hier ruht unser Lupinchen sicher und geschützt
Endlich ein Internet gefunden!! Die Chancen stehen gut, dass wir demnächst Video und Bericht hochladen können

Wir freuen uns auf die neue Insel. Hier auf Fatu Hiva hat der berühmte Zoologe Thor Heyerdahl Ende der 1930 Jahre in und mit der Natur gelebt. Aus seinen Beobachtungen der Leute und der Kultur hat er die Theorie entwickelt, dass die Besiedlung von Polynesien von Südamerika aus erfolgt sein könnte. Hier fasste er den Entschluss, mit einem Floss von Südamerika nach Polynesien zu fahren.

Wir sind Thor Heyerdahl auf der Spur. Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser