Am Montag, 2. Oktober 2023, haben wir Nelly zum Flughafen von Nadi begleitet und sie verabschiedet. Jetzt ist die Pause für den Schreiberling zu Ende und ich muss wieder in die Tasten greifen. Ich beginne mit etwas, was wir bisher unterlassen haben, nämlich etwas Information über den faszinierenden Archipel von Fiji.
Fiji (auf Deutsch oft auch Fidschi geschrieben) ist ein Archipel von über 300 Inseln – angefangen von kleinen Korallen-Atollen bis hin zu grossen vulkanischen Inseln. Nur etwa 100 dieser Inseln sind bewohnt, während der Rest für Fischer als Stützpunkt dient oder für landwirtschaftliche Zwecke genutzt wird. Die beiden Hauptinseln heissen Viti Levu (meist einfach Fiji genannt) und Vanua Levu. Die internationale Datumsgrenze verläuft durch den östlichen Bereich von Vanua Levu und wer, wie wir in diesem Bereich herumsegelt, der hüpft immer wieder hin und her zwischen gestern und heute. Die Menschen hier pflegen den traditionellen Lebensstil mit Stolz und Ehre. Unbedachte Verhaltensweisen von Seglern haben in der Vergangenheit immer wieder zu Problemen und Ärgernissen geführt, weshalb es heute sehr strikte Auflagen und eine strenge Kontrolle bei der Vergabe von Cruising-Genehmigungen gibt.
Fidji wurde rund 5’000 v. Chr. zuerst von den aus Südostasien kommenden Melanesiern besiedelt, und um 1’500 v. Chr. kamen Polynesier aus dem Osten dazu. Lange war es für die Europäischen Entdecker wegen der unberechenbaren, gefährlichen Riffe ein gemiedenes Gebiet. Erst im frühen 19. Jahrhundert begannen nebst Missionaren und Spekulanten Europäische Händler auf ihrer Suche nach Sandelholz die Inseln zu besiedeln. Um dem Missbrauch durch Fremde (diese hetzten die sonst friedlichen Einwohner gegeneinander auf) Einhalt zu gebieten, entschieden sich die Chiefs der Inseln schliesslich dazu, sich unter den Schutz Grossbritanniens zu stellen. 1874 wurde Fiji britische Kronkolonie. Aufgrund mangelnder Arbeitskräfte holten die Briten in den folgenden Jahrzehnten indische Arbeiter nach Fiji, die auf den Zuckerrohrplantagen wertvolle Dienste leisteten.
Nach 2 Tagen im Norden drehen wir um und segeln wieder gegen Süden. Schon bei der Vorbeifahrt haben wir eine schöne Bucht mit einem Dorf gesehen. Malakati auf der Insel Nacula. Kaum haben wir in der breiten, flachen Bucht den Anker eingefahren, werden wir vom Schiff Sybo angefunkt. Sybille und Bo (deshalb der Schiffname) verfolgen uns schon länger im Blog und haben uns erstmals in Suva getroffen. Sie haben uns im Schiffstracking System (AIS) gesehen und teilen uns mit, dass sie auch in die Bucht von Malakati kommen. Wir freuen uns riesig, das sympathische deutsch-dänische Seglerpaar wieder zu sehen.
Am nächsten Tag heben wir frühmorgens den Anker und nehmen die rund 46 Seemeilen zurück in die Vuda Marina unter den Kiel. Der Wind ist uns gut gesinnt und auch die Sonne hilft uns, einen sicheren Weg durch die verschiedenen Riffe zu finden. Es ist der 18. Oktober, wir sind gut im Zeitplan für unsere nächste grosse Fahrt nach Neuseeland. Das Essen für unterwegs liegt bereits vorgekocht im Tiefkühler. Neuseeland ist sehr streng was die Einfuhr von Lebensmitteln anbelangt. Deshalb haben wir begonnen, unsere Vorräte aufzubrauchen. Wir wollen nichts an Bord haben, das uns beim Einklarieren Probleme machen könnte. Kopfschmerzen bereitet uns aber das Unterwasserschiff. Unser Antifouling ist schon alt und nicht mehr das Beste. Wir kriegen es kaum noch sauber. Auch in diesem Punkt ist Neuseeland sehr streng. In den Richtlinien wird verlangt, dass es absolut frei sein muss von Lebewesen und Bewuchs, so dass keine invasiven Arten eingeschleppt werden. Es wird empfohlen, das Schiff vor der Abreise nach Neuseeland auszuwassern und mit Hochdruckreiniger zu waschen.
Jetzt sind wir bereit für Neuseeland. Es fehlt nur noch das günstige Wetterfenster. Über Vanuatu zieht gerade der erste Zyklon auf, und bei Neuseeland dominieren starke Winde und hohe Wellen. Es vergeht ein Tag nach dem anderen. Obwohl wir intensiv die Wetterkarten konsultieren – es wird nicht besser. Im Gegenteil! Das Wetter um Neuseeland wird immer schlechter und es zeichnet sich ab, dass sich dort ein Tief festsetzen wird. Langsam läuft uns die Zeit davon. Wir möchten gegen Mitte November in die Schweiz reisen und die Festtage mit unseren Familien verbringen. Unter Zeitdruck nach Neuseeland zu segeln, das müssen wir vermeiden. Irgendeinmal meint Pia, wir könnten ja mal die Marina fragen, ob sie noch einen «Pit» (Zyklon-Grube) hätten für unser Schiff. Machen wir – und haben Glück: es hat genau noch 2 Plätze frei! Wir überlegen nicht lange und packen die Gelegenheit beim Schopf: wir segeln NICHT nach Neuseeland – wassern das Schiff hier auf Fiji aus und fliegen von hier in die Schweiz.
Jetzt heisst es: umplanen. Wir wollten einige Unterhaltsarbeiten in Neuseeland erledigen lassen. Ich habe mich schon auf erfahrene Facharbeiter gefreut. Nun heisst es, die Arbeiten, die anstehen, hier zu organisieren oder selber zu machen. Zum Glück können uns die Marina und andere Segler gute Tipps geben. Einer der Tipps betrifft den Schutz des Schiffes vor der brutalen Sonne. Am Anker bewegt sich das Schiff dauernd, an Land aber nicht. Die Sonne brennt da gnadenlos immer auf dieselben Stellen. Es braucht einen zusätzlichen Sonnenschutz um das Teak-Deck und heikle Schiffsaufbauten einigermassen zu schützen.
Am 3. November wird die Lupina ausgewassert und in eine Zyklon Grube gestellt. Bis dahin gibt es noch einiges zu tun: Flüge reservieren, Service an Wassermacher und Motor, Generator wieder zum Laufen bringen, Segel runternehmen und inspizieren, und, und, und …
Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser!
Für die rund 250 Seemeilen nach Vava’u (Inselgruppe im Königreich Tonga) brauchen wir rund 48 Stunden, aber 3 Tage. Bitte was?? Ja, wir verlassen Niue am 18.6. vormittags und erreichen Neiafu auf Vava’u am Vormittag des 21.6. – also nach genau 3 Kalendertagen. Aber da war noch die Datumsgrenze! Die Datumsgrenze verläuft theoretisch entlang des 180. Längengrades. Um nicht innerhalb eines Landes unterschiedliche Daten zu haben, entschieden sich die Länder entlang dieser Zone, entweder nach dem Datum im Westen oder nach dem im Osten zu leben. Tonga hat beschlossen, das Datum vom Westen (Neuseeland) zu verwenden und die Datumsgrenze wurde im Bereich von Tonga auf 172.5° westliche Länge verlegt. Somit haben wir also unterwegs einen Tag übersprungen. Bei uns war es genau am 19.6. um 14:30 Uhr lokale Zeit soweit. Da hatten wir plötzlich den 20.6. und Heute wurde zu Gestern und Morgen zu Heute – alles klar?
Wir merken rasch: Tonga ist irgendwie anders als die bisherigen Inseln, die wir besucht haben. Das Königreich ist eines der einzigen Gebiete im Pazifik, das nie unter fremder Herrschaft gestanden hat. Das äussert sich in vielen Aspekten: Sprache, Kleidung, Traditionen, Lebensweise. Es ist kein Einfluss von einer Kolonialmacht erkennbar. Der einzige Einfluss in der Vergangenheit gab es durch die Missionare (erkennbar an den zahlreichen Kirchen mit den unterschiedlichsten Glaubensrichtungen) und in jüngster Vergangenheit die modernen Kommunikationsmittel wie Telefon, Fernsehen und Internet. Das Letztere hat vor allem die Verhaltensweise der jüngeren Generation stark beeinflusst. Sitzen die älteren Leute noch gemütlich im Schatten und suchen die innere Ruhe durch ein Beobachten ihrer Umwelt, hängen die Jungen an ihren Mobilgeräten und vergessen, was um sie herum passiert.
Nach einigen Tagen Ankerhüpfen auf Vava’u setzen wir am 5. Juli 2023 frühmorgens die Segel und nehmen Kurs auf zur nördlichsten Inselgruppe in Tonga: den Niuas. Die Gruppe besteht aus 3 Vulkaninseln, von denen aber nur eine mit einem Segelschiff angelaufen werden kann: Niuatoputapu (ja, man kann das aussprechen! Aber sogar die Einheimischen , es leben rund 700 Personen hier, kürzen es oft ab zu: Niua). Es wird eine schwierige Reise. Schon von Anfang an kämpfen wir mit hohen Wellen, die 2-3 Meter hoch genau seitlich auf uns treffen. Zudem bläst der Wind mit 20-25 Knoten deutlich stärker als angekündigt. Wir halten die Segel gerefft und versuchen einen Kurs zu wählen, der einigermassen Material und Menschen schonend ist. Trotzdem meldet sich seit langem wieder einmal die Seekrankheit bei Pia, und auch der Schreiberling ist froh, dass er nicht im Motorraum arbeiten muss.
Nach einer Tag- und einer Nachtfahrt erreichen wir am nächsten Morgen die Einfahrt von Niuatoputapu. Der Crew geht’s wieder gut.
Hier auf Niuatoputapu dürfen wir ein Tonga in seiner ursprünglichsten und natürlichsten Form erleben. Hier werden die überlieferten Traditionen noch gelebt und nicht nur für Touristen zelebriert. Die Familie ist das höchste Gut im Leben der Tonganesen. Die Gesellschaft wird durch 4 Grundwerte bestimmt: gegenseitiger Respekt, verlässlicher Umgang miteinander, Freigiebigkeit, Loyalität und Hilfsbereitschaft. Worte wie Habgier, Neid, Missgunst oder aber auch Strebsamkeit kennt diese Kultur nicht. Das ganze Leben dreht sich um die Familie, das ist wichtig, alles andere nicht. Für uns unglaublich schön zu erleben, wie schnell man als Fremder Zugang zu den Leuten hier findet – wie man, ohne es anzustreben, sogar unvermittelt in eine Familie aufgenommen wird.
Vielen Dank, Tiueti, für die wunderschöne Zeit bei dir und deinen Familien!!
Im kleinen Laden, wo wir kleinere Dinge einkaufen, erfahren wir, dass es der Mutter nicht gut geht und dass sie schwer erkrankt sei. Als wir am letzten Tag unseres Aufenthaltes in Niuatoputapu das Büro der Zollbeamtin verlassen, sehen wir, dass auf dem naheliegenden Friedhof ein Grab geöffnet wird. Zwei Männer sind noch da, einer sitzt neben dem Grab, der andere steht im Grab drin. Wir erkennen, dass das Grab, das geöffnet wurde, ein ausgemauerte Grube ist, und dass darin noch ein Skelett liegt. Der Mann im Grab nimmt vorsichtig einen Knochen nach dem anderen, reibt ihn mit einer wässerigen Flüssigkeit ab und legt ihn dann neben dem Grab auf einen Haufen. Wir sprechen den sitzenden Mann an und erkundigen uns. Ein sehr ergreifender Moment!! Der Mann erzählt uns, dass hier sein Vater vor knapp 30 Jahren beigesetzt wurde. Heute Morgen früh sei seine Mutter verstorben und sie werde nun zu ihrem Mann ins selbe Grab gelegt. Es ist die Frau vom Laden. Wir drücken unsere Anteilnahme aus und fragen, ob es ihn störe, wenn wir der Bestattung beiwohnen würden. Plötzlich leuchten seine Augen und er strahlt uns an: «Ja natürlich! Gerne sogar dürft ihr kommen!». Wir merken ihm seine aufrichtige Freude an.
Am späteren Nachmittag des gleichen Tages (wohlgemerkt nur rund etwa 12 Stunden nach dem Ableben der Frau) findet die Beisetzungszeremonie statt. Hier gibt es keine Kühlmöglichkeiten und deshalb muss alles schnell ablaufen. Zuerst findet die Abdankung in der Kirche statt, danach die Beisetzung auf dem 3 Kilometer entfernten Friedhof.
Ein wunderschönes, sehr emotionales und tiefst eindrückliches Erlebnis zum Abschluss unseres Aufenthaltes in Tonga.
Am zweiten Tag nach der Beerdigung lichten wir unseren Anker und setzen Segel Richtung Nordosten: Samoa. Rund 170 Seemeilen bis zur Insel und nochmals 20 Seemeilen bis zum Hafen. Wir haben anfänglich Glück und der Wind kommt etwas südlicher als angesagt. Wir können den Kurs gut halten. Dann aber plagt uns ein Squall (Gewitter/Regenschauer) und danach weht der Wind aus Osten oder sogar leicht nördlich: unmöglich, das Ziel direkt anzusteuern. Schnell verlieren wir die vorher gewonnene Höhe. Zudem wirft uns jede hohe Welle noch etwas weiter zurück. Trotz der etwas garstigen Umstände nähern wir uns Samoa in zügiger Fahrt, können es aber nicht vermeiden, dass wir noch einen Schlag aufkreuzen müssen. Erst kurz vor der Dämmerung erreichen wir die Küste und steuern einen auf der Karte geeigneten Ankerplatz an. Der Anker fällt gerade rechtzeitig vor dem Einbruch der Nacht und bevor ein heftiger Regenschauer uns auf Samoa willkommen heisst.
Was auf der Karte vor den Wellen vielversprechend als gut geschützter Ankerplatz ausgesehen hat, entpuppt sich nach einer kleinen Winddrehung in der Nacht als richtiger Schüttelbecher. Lupina rollt und schaukelt fürchterlich hin und her. Die Crew schläft schlecht diese Nacht. Beim ersten Morgengrauen (5:30 Uhr) lichten wir den Anker und nehmen unter Motor die letzten 20 Seemeilen, gegen Wind und Welle, nach Apia, dem Einklarierungsort in Samoa, in Angriff, wo wir am Freitag, 14.7.2021 um die Mittagszeit eintreffen. Über Funk melden wir uns bei der Hafenbehörde an, was umgehend den ganzen Einklarierungsprozess in Gang setzt. Wir sind überrascht. Von unseren vorher per E-Mail eingeschickten Unterlagen ist nichts vorhanden. Hafenbehörde und Gesundheitsinspektor verlangen als erstes etwas zu Trinken. Der Typ von der Immigration ist die Arroganz in Person. Unter anderem beschimpft er uns, weil wir keine Papierkopie unserer Pässe haben und will uns diese abnehmen. Der Mann von der Bio-Security kann ihn zum Glück etwas einbremsen. Die Zöllner wollen einfach ein Foto von der Lupina machen. Viel Geduld ist gefordert – nach 2 Stunden sind wir einklariert und dürfen 90 Tage bleiben. Jetzt sind wir einklariert und wir suchen ein WiFi oder eine SIM-Karte, um diesen Bericht hochzuladen. Wenn du ihn jetzt lesen kannst, dann sind wir bei der Suche erfolgreich gewesen (grins).
Samoa – im nächsten Bericht werden wir dich mit auf die Erkundungsreise einer neuen, uns noch völlig unbekannten Insel nehmen. Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser!