Wir sind in Nuku-Hiva vor Anker und warten sehnlichst auf das Ersatzteil, mit dem wir unseren defekten elektrischen Rollmechanismus im Mast provisorisch reparieren wollen. Einen eins zu eins Ersatz des Elektromotors gibt es nicht mehr. Vom Hersteller erfahren wir, dass wir zusätzlich zum Motor die ganze Elektronik (Steuerung und Verkabelung) ersetzen müssen. Das Preisschild dahinter ist astronomisch ☹. Deshalb haben wir vorerst einen sehr günstigen manuellen Antrieb bestellt. Damit können wir den defekten Antrieb ersetzen, diesen von einer Spezialfirma untersuchen und hoffentlich reparieren lassen. Dieses Ersatzteil lag nun schon seit einigen Wochen bei einer Schweizer Firma zum Versand bereit, aber aus uns unerklärlichen Gründen kriegen sie den Versand nach Französisch-Polynesien nicht auf die Reihe. Vor ein paar Tagen haben wir nun begonnen, jemanden zu finden, der uns das Teil persönlich bringt.
Nach unserem Abstecher in die Daniel’s Bay verlegen wir zurück zum Hauptort Taiohae, um unseren Besucher an Bord zu holen.
Sämi schildert seine Erlebnisse wie folgt: Am Mittwoch, 26. April, habe ich von Pia eine WhatsApp gekriegt. Wie es mir so geht, usw., ob ich noch arbeite und mit der Frage, ob ich spontan Lust und Zeit hätte, sie auf der Lupina in Französisch-Polynesien zu besuchen und ob ich ihnen dabei Ersatzteile mitbringen könnte – gegen Kost und Logis. Ich anderntags nach Wohlen ins Reisebüro, nachfragen, wie ich am besten dahin kommen könnte. Schock! Die Preise horrend so kurzfristig. Auf dem Nachhauseweg ein Gedankenblitz, als ehemaliger Swiss Techniker kann ich ja noch verbilligt fliegen, obwohl ich in Frühpension bin. Wieder zu Hause PC starten. In «Stafftravel» (internes Buchungsprogramm für Swiss Mitarbeiter) läufts, Flüge buchen. Klappt, aber leider sind nur Stand-by Buchungen möglich! Wird schon irgendwie gehen, jupieeeeeh!! Am 8. Mai Abflug nach Los Angeles. Von Zürich sowieso und von LA nach Papeete (Tahiti) klappt alles wunderbar. Danach wäre der Weiterflug nach Nuku-Hiva. Jetzt wird’s schwieriger, zu viele Leute – zu viel Gepäck, werde stehen gelassen. Also eine Nacht ins Hotel, am nächsten Tag um 4 Uhr auschecken und wieder an den Flughafen. Aber auch diesmal wieder stehen gelassen. Dann habe ich von einem Einheimischen einen guten Tipp gekriegt und meine überschwere Tasche als Fracht nach Nuku-Hiva aufgegeben. Und siehe da: am dritten Tag nehmen sie mich mit! In Nuku-Hiva angekommen gib’s eine schöne Taxifahrt über die Berge (über 1’000m hoch) in die Bucht, wo die Lupina liegt. Da werde ich schon von Pia und Köbi erwartet und sehr herzlich willkommen geheissen. Köbi hat sofort gemerkt, dass ich gerne ein Bier trinken würde, also mit Sack und Pack in das nahegelegene Restaurant auf ein Bier. Erstes Kennenlern-Gespräch mit Pia und Köbi. Wir verstehen uns auf Anhieb gut. Nach einer kurzen Fahrt mit dem Dinghi erstes Beschnuppern der Lupina. Nach dem Auspacken geht’s schon wieder an Land, wo wir alte Bekannte von Pia und Köbi treffen. Annette und Michael, ein sehr aufgestelltes und sympathisches Paar aus Deutschland. Mit ihnen zusammen einen kurzen Spaziergang zum grössten Tiki, und danach ein feines lokales Essen. Der vielen ersten Eindrücke wegen hatte ich nicht mal so grossen Appetit, obwohl es sehr gut war.
Sämi schildert die Erlebnisse dieser ersten Fahrt wie folgt: Am nächsten Morgen geht’s in die erste Bucht nach Hakatea auf Nuku-Hiva. Ich war überwältig! Kurzer Spaziergang zur nächsten Bucht, leider war das private Restaurant geschlossen wegen Bauarbeiten, so haben wir für den folgenden Tag abgemacht. Am nächsten Tag gabs dann Tunfisch, Gemüse und gebratene Würfel der Brotfrucht, die fast wie unsere Kartoffel schmeckt. Reich beschenkt mit allerlei Früchten gings zurück zur Lupina. Pia macht die Brotfrucht ein wenig anders, und es schmeckt dann noch viel besser. Pia kocht sehr gut!
Sämi schildert das so: Bald geht’s zur nächsten Insel, zuerst aber in eine weitere Bucht. Rauhe Überfahrt aber wir kommen gut vorwärts. Wieder eine traumhafte Bucht! Beim Umsteigen ins Dinghi ist es passiert, ein Malheur! Irgendwie den grossen Zehen unten aufgerissen. Schiffsarzt Köbi musste sich der Sache annehmen. Danach muss ich auf dem Schiff bleiben.
Sämi schreibt: Am nächsten Tag humpelnd ein Landausflug mit Autostopp zum nächsten Dorf. Das geht wunderbar, die Bevölkerung auf Polynesien ist sehr freundlich und hilfsbereit. Ein Tag später konnten wir ein Auto mieten und haben die einzige Strasse der Insel abgefahren. Dabei haben wir auch Nebenwege gefunden und so weit als möglich befahren. Ach ja, noch ein schönes Museum und den Kindersporttag besucht. Im Dorf mit Köbi meinen Rückflug gebucht.
In Hiva-Oa wollen wir nun endlich die Reparatur des elektrischen Furlers im Mast in Angriff nehmen. Beim Verlassen von Ua-Huka sind die Wettervorhersagen gut. Es erwartet uns ein konstanter Ostwind, zuerst etwas schwach, aber über Nacht gegen das Ziel hin leicht zunehmend auf angenehme 15-18 Knoten. Wir können gleich zu Beginn den richtigen Kurs einnehmen und auf direktem Weg, ohne Aufkreuzen, in Richtung Hiva-Oa fahren. Das Grosssegel haben wir mit dem manuellen Notmechanismus voll gesetzt und gleichen allfällige Böen mit der Genua aus. So der Plan. Brauchen wir aber nicht, das Wetter bleibt die ganze Nacht über freundlich. Wir kommen besser voran, als erwartet und beschliessen spontan, in einer ruhigen Bucht auf der Nachbarinsel Tahuata einen Zwischenstopp einzulegen, und erst am frühen Mittag in Hiva-Oa einzulaufen. Das gibt uns die besten Chancen, dort im engen Hafenbecken, an das wir keine guten Erinnerungen haben, einen guten Ankerplatz zu finden.
Sämi meint zu den letzten paar Tagen: Mit einem Nachtschlag segeln wir nach Hiva-Oa, wo wir den Mast mit den mitgebrachten Teilen reparieren wollen. Das läuft jedoch nicht nach Wunsch. Also ab auf die vorgelagerte Insel, zum Glück gibt’s da wieder wunderschöne Buchten. Chris und Ruedi (SY Pasito) sind uns auch noch gefolgt. Am kommenden Montag wieder zurück nach Hiva-Oa in die Werft, hoffentlich können wir dann alles fixen! Leider ist es dann für mich schon bald Zeit, um Abschied zu nehmen. Ich fliege am 5. Juni wieder nach Hause. Ich hätte es schon noch länger ausgehalten! Jä no! Danke Pia und Köbi für die Gastfreundschaft. Ihr seid Klasse!!
Am Montag nach Auffahrt geht’s nun also zurück in die Werft in Hiva-Oa. Kann der Chef dort unseren defekten Elektromotor zerlegen? Finden wir die Ursache des Problems und können es gar reparieren? Übersteht Sämi die letzten Tage auf der Lupina unfallfrei? Und was sind unsere nächsten Pläne?
Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser
Am 4. April 2022 gegen Mittag heben wir den Anker in Atuona auf Hiva-Oa. Heute segeln wir nur 18 Seemeilen um die Westseite der Insel um im Nordwesten in einer einsamen Bucht zu übernachten. Erst am Tag darauf im Morgengrauen wollen wir die verbleibenden rund 65 Seemeilen in Angriff nehmen. Bei ordentlichem Wind sollten wir unser neues Ziel, die Bucht Vaiehu auf der Insel Ua-Pou, noch bei Tageslicht erreichen. Falls wir wider Erwarten mehr als 12 Stunden brauchen sollten, dann wäre ein Ankern auch im Dunkeln möglich, da die Bucht sehr offen und gross ist.
Wie alle anderen Inseln auf den Marquesas gehört auch Ua-Pou zur Kette von Vulkanen, der sogenannten Marquesas linear volcanic chain, die sich über einem «Hotspot» der pazifischen Platte gebildet hat. Die Inseln bewegen sich heute mit einer Geschwindigkeit von 103-118 mm pro Jahr in Richtung West-Nordwest. Die magmatischen Gesteine der Insel sind 2.5 bis 4.8 Millionen Jahre alt. Aber woher kommen diese speziellen, säulenförmigen Berge? Es wird vermutet, dass sich in einem ersten Schritt basaltische Lava schildartig aufgeschichtet hat. Durch Erdverschiebungen entstanden in einem zweiten Schritt Risse, durch die wiederum Lava emporsteigen konnte. Diese erkaltete dann nur sehr langsam in ihren kaminartigen Kanälen und es kam zur Formation von phonolytischem (wenn man daran klopft klingt es fast wie Glas) Gestein, das sehr hart ist. Die Erosion trug in der Folge die Basalt-Ablagerungen um die «Kamine» ab, und zurück blieben die für Ua-Pou so typischen Zeigefinger.
Manfred (seine Cousine ist die berühmte ehemalige Ostdeutsche Spitzensportlerin Heike Drechsler) ist 1987, noch vor dem Fall der Mauer, aus der DDR nach Franz. Polynesien geflüchtet. Obwohl er damals weder französisch noch englisch sprach, gelang es ihm, sich als Helikopter Pilot ausbilden zu lassen. Von Tahiti aus, wo er rund 8 Jahre lebte, flog er zunächst Kabel und andere Baumaterialien für die Stromversorgung auf die Inseln, später VIP Touristen. 1995 kam er dann mit einer hübschen Polynesierin, Thérèse, die in Hakahetau ihre Familie hat, nach Ua-Pou und konnte auf einem Stück Land der Familie am Ende eines Tales sein kleines Reich aufbauen. Zufällig fand er auf seinem Gelände die eher selten vorkommenden Kakaopflanzen und bemerkte, dass hier niemand etwas mit dieser Frucht anzufangen wusste. Im Selbststudium eignete er sich sehr schnell ein Basis Wissen an, das ihn befähigte, seine erste eigene Schokolade herzustellen. Heute gilt der Selfmade-Chocolatier und Erfinder als Geheimtipp für polynesische und ausländische Touristen. Er nimmt sich viel Zeit für uns und lässt uns von seiner Schokolade probieren. Fragen über Rezept oder Mengen blockiert er süffisant lächelnd: «Geschäftsgeheimnis!»
Nach rund 2 Wochen auf Ua-Pou zieht es uns weiter zur nächsten Insel: Nuku-Hiva. Nuku-Hiva zählt wie Ua-Pou geographisch zur Nordgruppe der Marquesas-Inseln. Mit einer Fläche von etwa 340 km² und 2.660 Einwohnern ist sie die grösste und bevölkerungsreichste Insel der Marquesas. Hier befindet sich der aktuell einzige Einklarierungsort der Marquesas, und die meisten Segler, die vom amerikanischen Kontinent her den Pazifik queren, laufen als erstes Nuku-Hiva an.
Bis jetzt habe ich nur über uns und unsere Erlebnisse berichtet. Was macht eigentlich unsere Lupina? Sie leidet! Der Ankerplatz hier in Taiohae ist sehr rollig, und das Wasser ist aufgewühlt und trüb. Das Unterwasserschiff wird von hunderten kleinen Muscheln und Algen angefallen. Übers Wochenende sind wir 8 Seemeilen in eine Nachbarbucht, aber da war das Wasser auch nicht viel besser, vielleicht etwas klarer und sauberer als in Taiohae (Anmerkung: auch wenn zur Zeit nur noch 60 Schiffe vor Anker sind – das Abwasser muss ja irgendwo hin!). Wir haben die Gelegenheit benutzt und das Unterwasserschiff so gut wie es ging sauber gemacht. Lupina scheint sich über die misslichen Zustände zu beschweren. Dinge, die bisher prima funktioniert haben, beginnen zu spuken: eine der WC Pumpen macht plötzlich beängstigende Geräusche, der Generator springt wieder nicht zuverlässig auf Knopfdruck an und andere so kleine Dinge. Dabei ist das Wichtigste, der elektrische Antrieb vom Rollmechanismus des Grosssegels, noch immer nicht repariert. Das benötigte Teil hängt in der Schweiz fest. Man glaubt es kaum: bisher war immer noch kein Versand möglich aus uns nicht verständlichen Gründen. Das dauert nun schon seit 4 Wochen so. Wir haben nun die Flucht nach vorne gewagt und jemanden gefunden, der uns besuchen kommt und das benötigte Teil im Koffer mitnimmt. Sämi heisst unser Retter! Er sucht nun gerade einen Flug und kommt in den nächsten Tagen auf die Lupina.
Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser
Nachtrag: hast du Probleme mit all den schwierigen Ortsbezeichnungen? Geht uns auch so!😊😊