Segeln in den nordwestlichen Marquesas / Ua-Pou und Nuku-Hiva

Am 4. April 2022 gegen Mittag heben wir den Anker in Atuona auf Hiva-Oa. Heute segeln wir nur 18 Seemeilen um die Westseite der Insel um im Nordwesten in einer einsamen Bucht zu übernachten. Erst am Tag darauf im Morgengrauen wollen wir die verbleibenden rund 65 Seemeilen in Angriff nehmen. Bei ordentlichem Wind sollten wir unser neues Ziel, die Bucht Vaiehu auf der Insel Ua-Pou, noch bei Tageslicht erreichen. Falls wir wider Erwarten mehr als 12 Stunden brauchen sollten, dann wäre ein Ankern auch im Dunkeln möglich, da die Bucht sehr offen und gross ist.

Bevor es los geht noch eine kleine Schrecksekunde: beim Anker auf im Hafenbecken von Atuona kommt die Kette als grosser Klumpen hoch. Sie hat sich auf dem Meeresgrund um einen alten Draht verwickelt und wir mussten sie zuerst freischneiden, bevor wir die Kette vollständig einholen und den Anker bergen konnten
Auf der Überfahrt ist der Wind deutlich schwächer als angesagt und wir brauchen etwas über 12 Stunden bis in die Bucht von Vaiehu. Aber es reicht: gerade bei Sonnenuntergang fällt der Anker und wir können das wunderschöne Farbenspiel des Abendhimmels gleichzeitig mit dem Ankertrunk geniessen
Die etwa 125 km² grosse Insel Ua-Pou ist die drittgrösste der Marquesas. Das spektakuläre Landschaftsbild wird geprägt von steilen, an Kirchtürme oder Zuckerhüte erinnernde Gipfel. Sie rechtfertigen den Namen Ua-Pou, übersetzt „Zwei Säulen“. Der Name geht auf eine Legende zurück: Bei der Errichtung der „Erde der Männer“ (polynesisch: te fenua enata, der alte polynesische Name für die Marquesas) schufen die Götter als erstes die Säulen des grossen irdischen Hauses: die Berge von Ua-Pou (Quelle: Wikipedia)

Wie alle anderen Inseln auf den Marquesas gehört auch Ua-Pou zur Kette von Vulkanen, der sogenannten Marquesas linear volcanic chain, die sich über einem «Hotspot» der pazifischen Platte gebildet hat. Die Inseln bewegen sich heute mit einer Geschwindigkeit von 103-118 mm pro Jahr in Richtung West-Nordwest. Die magmatischen Gesteine der Insel sind 2.5 bis 4.8 Millionen Jahre alt. Aber woher kommen diese speziellen, säulenförmigen Berge? Es wird vermutet, dass sich in einem ersten Schritt basaltische Lava schildartig aufgeschichtet hat. Durch Erdverschiebungen entstanden in einem zweiten Schritt Risse, durch die wiederum Lava emporsteigen konnte. Diese erkaltete dann nur sehr langsam in ihren kaminartigen Kanälen und es kam zur Formation von phonolytischem (wenn man daran klopft klingt es fast wie Glas) Gestein, das sehr hart ist. Die Erosion trug in der Folge die Basalt-Ablagerungen um die «Kamine» ab, und zurück blieben die für Ua-Pou so typischen Zeigefinger.

Hakahetau, Ua-Pou: nach 3 Tagen am Ankerplatz in der unbewohnten Bucht von Vaiehu (anlanden können wir wegen starkem Wellengang leider nicht) verlegen wir zum kleinen Dörfchen Hakahetau. Auch hier ist der Schwell gross, aber dank eines Heckankers, der das Dinghi von der rauen Betonmauer fernhält, können wir am Pier festmachen
Von Hakahetau aus wollen wir uns diese Berge etwas näher anschauen. Während unseres ganzen 14-tägigen Aufenthaltes auf Ua-Pou sollten wir den höchsten Berg der Marquesas, den Pou Oave (1’232m hoch, links im Bild) nie ohne Wolken sehen
Bevor wir uns an die steilen Berge wagen, wollen wir uns zuerst etwas gemütlicher «einlaufen» und machen uns auf zu einem Wasserfall, der sich in einem der beiden Täler befindet, die in Hakahetau ins Meer münden. Den Wasserfall finden wir zunächst nicht, dafür treffen wir auf diese Schilder: Manfred, der Schoko Mann. (Achtung: falls jemand unsere Wanderung zum Wasserfall nachmachen will: genau hier zweigt der Weg rechts zum Wasserfall ab)
Manfred Drechsler – der berühmte Schokolade-Mann

Manfred (seine Cousine ist die berühmte ehemalige Ostdeutsche Spitzensportlerin Heike Drechsler) ist 1987, noch vor dem Fall der Mauer, aus der DDR nach Franz. Polynesien geflüchtet. Obwohl er damals weder französisch noch englisch sprach, gelang es ihm, sich als Helikopter Pilot ausbilden zu lassen. Von Tahiti aus, wo er rund 8 Jahre lebte, flog er zunächst Kabel und andere Baumaterialien für die Stromversorgung auf die Inseln, später VIP Touristen. 1995 kam er dann mit einer hübschen Polynesierin, Thérèse, die in Hakahetau ihre Familie hat, nach Ua-Pou und konnte auf einem Stück Land der Familie am Ende eines Tales sein kleines Reich aufbauen. Zufällig fand er auf seinem Gelände die eher selten vorkommenden Kakaopflanzen und bemerkte, dass hier niemand etwas mit dieser Frucht anzufangen wusste. Im Selbststudium eignete er sich sehr schnell ein Basis Wissen an, das ihn befähigte, seine erste eigene Schokolade herzustellen. Heute gilt der Selfmade-Chocolatier und Erfinder als Geheimtipp für polynesische und ausländische Touristen. Er nimmt sich viel Zeit für uns und lässt uns von seiner Schokolade probieren. Fragen über Rezept oder Mengen blockiert er süffisant lächelnd: «Geschäftsgeheimnis!»

Manfred ist ein Tüftler und Erfinder, wie er im Buche steht: hier hat er sich aus ausrangierten Auto-Lichtmaschinen, einer alten Bratpfanne (dient als Schwung und Antriebsrad) und Stücken von PVC-Schläuchen, die er halbiert als Schaufeln zu einem Wasserrad zusammengebastelt hat (in der Blechkiste drin), eine Wasserturbine gebastelt, mit der er seinen eigenen Strom produziert
Bei Manfred treffen wir eine Reisegruppe mit polynesischem Reiseführer. Wir fragen ihn nach dem Einstieg in den «Poumaka-Trail», eine der abenteuerlichsten Wanderungen in den Marquesas. Am nächsten Tag machen wir uns auf zu dieser rund 5-stündigen Wanderung um die schönsten Berge der Marquesas
Früh am Morgen geht es (diesmal in Wanderschuhen statt Flip-Flops 😉) von Hakahetau aus los. Die Berge «Poutemoka» und «Totamahiti» liegen noch in weiter Ferne
Je weiter wir ins Tal vordringen, umso steiler geht es bergauf. Zunächst noch auf einem Naturweg …
… nach rund einer Stunde aber auf einem schmalen Trampelpfad durch die üppige Vegetation. Die Verschnaufpausen von Pia geben mir die Zeit, den weiteren Verlauf des Weges zu suchen 😉
Immer grüner – immer steiler!
Nach fast 3 Stunden ist das Ziel unserer Wanderung, der «Poumaka», zum Greifen nahe. Wir dringen noch bis an seinen Fuss vor, lassen das Klettern dann aber sein 😉
Den höchsten Berg, den Pou Oave, sehen wir auf der Wanderung nur komplett von Wolken eingehüllt. Erst als wir wieder unten sind gelingt uns dieses «fast» wolkenlose Bild
Wir segeln weiter zum Hauptort im Nordosten der Insel: Hakahau, mit rund 700 Einwohnern die dritt grösste Siedlung in den Marquesas. Hier finden wir hinter einer massiven Hafenmole einigermassen Schutz vor den hereinrollenden Wellen
In Hakahau können wir ein Auto mieten. Die Hauptverbindungsstrasse, welche die einzelnen Dörfer miteinander verbindet, ist mehrheitlich betoniert und gut ausgebaut. In die entlegenen Täler gelangen wir aber fast ausschliesslich auf Naturstrasse und wir sind glücklich über unseren robusten 4×4 Mietwagen
An der Westküste von Ua-Pou das kleine Dörfchen Hakamaii. Die Fassade der Kirche ist zum Meer hin rot, gelb und blau bemalt, so dass man aus der Distanz meinen könnte, es seien farbige Fenster
Kaum steigen wir in Hakamaii aus dem Auto, zeigen uns die Kinder ihre Künste auf Stelzen

Nach rund 2 Wochen auf Ua-Pou zieht es uns weiter zur nächsten Insel: Nuku-Hiva. Nuku-Hiva zählt wie Ua-Pou geographisch zur Nordgruppe der Marquesas-Inseln. Mit einer Fläche von etwa 340 km² und 2.660 Einwohnern ist sie die grösste und bevölkerungsreichste Insel der Marquesas. Hier befindet sich der aktuell einzige Einklarierungsort der Marquesas, und die meisten Segler, die vom amerikanischen Kontinent her den Pazifik queren, laufen als erstes Nuku-Hiva an.

Die grosse Bucht von Taiohae, dem Hauptort von Nuku-Hiva und gleichzeitig Verwaltungszentrum der Marquesas. Dieser gut geschützte Hafen wird gerne von Weltumseglern als Zwischenstation genutzt. Bei unserer Ankunft sind bereits rund 90 Schiffe vor Anker, aber es hat noch viel Platz. Die «Hochsaison» für die Pazifik-Überquerungen neigt sich dem Ende zu. Schon nach ein paar Tagen sind nur noch knapp 60 Schiffe da
Wir stossen mit den beiden Schweizern Chris und Ruedi auf ihrem Schiff «Pasito» auf ihre soeben erfolgreich absolvierte Pazifiküberquerung an
Ein Symbol für die Ewigkeit! Tiki Tuhiva, grösste Skulptur (12 Meter hoch) im Pazifik, befindet sich auf dem gleichnamigen Hügel (der im 18. und 19. Jahrhundert in Fort Collet umgetauft war), der direkt hinter dem alten Hafen liegt. Nachdem überlieferte Traditionen und Gepflogenheiten der Polynesier nach der Entdeckung und der darauffolgenden Missionierung fast gänzlich in Vergessenheit geraten waren, hat man sich in den letzten Jahrzehnten wieder an die grossartige Vergangenheit erinnert. Im Jahr 2013 wurde in einer lokalen Volksabstimmung beschlossen, dass auf dem Hügel Tuhiva wieder ein Tiki stehen soll.
Gestärkt durch die Kraft der Vorfahren, welche er von seiner sitzenden Tiki Mutter geerbt hat, schreitet Krieger Tuhiva mutig als Wächter von Tradition und Weisheit in die Zukunft
Mutter Tiki Tuhiva – und irdischer Trommler 😉
Auch in Nuku-Hiva «erfahren» wir die Insel mit einem 4×4 Mietauto. Unterwegs nach Hatiheu im Norden besuchen wir die Kultstätte Tohua Kouveva. Für einmal fasziniert uns die Natur mehr als alte Steine: Dieser Baum steht über 20 Meter hoch auf seinen dünnen Wurzeln. Pia (im gelben Kreis) als Grössenvergleich
Hatiheu, im Norden von Nuku-Hiva mit seinen markanten Bergen
Die stark zerklüftete Nordküste weist im östlichen Bereich eine fruchtbare Vegetation auf
Weiter im Westen wird die Gegend immer trockener. Auch die Farben des Geländes ändern sich stetig, je nach vorherrschenden Mineralien im Boden
Einmal im Gegenuhrzeigersinn um die Insel, und nun zurück an einem Aussichtspunkt oberhalb unserer Ankerbucht in Taiohae
Die Rundfahrt um die Insel ist nicht nur für den Fahrer sehr spannend. Auch die Passagiere (Pia und SY Pasito Crew Chris und Ruedi) sind fasziniert von den grossen Unterschieden, wie sich die Landschaft hinter jedem Bergübergang im nächsten Talabschnitt wieder präsentiert
Bei einem gemütlichen Sundowner auf der Lupina lassen wir mit Chris und Ruedi (SY Pasito) einen spannenden Tag in die Nacht übergehen
Hat uns in den südöstlichen Marquesas die gewinnende Kontaktfreude der Einheimischen fasziniert, stellen wir in den nun deutlich touristischeren Gegenden eine vornehme Zurückhaltung (oder Übersättigung?) fest. Einzig die Kinder sind überall gleich. Sie treten allem Fremden gegenüber interessiert, neugierig und offen auf. Hier haben ein paar Mädchen Pia beim Benutzen des Computers beobachtet und wollen nun von ihr wissen, wozu sie das Ding benutzt und wie das mit der Maus funktioniert
Tattoo – Vor der Entdeckung von Polynesien war das Tätowieren des ganzen Körpers eine Normalität. In verschiedenen Zeichnungen wurde die Lebensgeschichte des Trägers, seine Sorgen und Wünsche, seine Vergangenheit und Zukunft, einfach sein ganzes Leben dargestellt. Je intensiver der Körper eines Menschen tätowiert war, umso mehr hat er in seinem Leben schon erfahren
Als die Missionare kamen, wurden es den Menschen verboten, nackt herumzulaufen. Die Kuna-Indianer in Panama haben das Problem so gelöst, dass sie ihre Zeichnungen auf Gewebe stickten und dieses auf ihre Kleider nähten (Molas). Hier in Polynesien verschwand diese Kultur leider fast gänzlich. Zum Glück haben sich die Menschen in den letzten Jahrzehnten an ihre Vergangenheit erinnert und die Tattoos sind wieder zurück. Wie in der Vergangenheit erzählen sie wieder die Geschichte des Menschen, der das Tattoo trägt
Unsere neue Errungenschaft! Pia hat ihre Geschichte auf dem Fuss tätowieren lassen 😉

Bis jetzt habe ich nur über uns und unsere Erlebnisse berichtet. Was macht eigentlich unsere Lupina? Sie leidet! Der Ankerplatz hier in Taiohae ist sehr rollig, und das Wasser ist aufgewühlt und trüb. Das Unterwasserschiff wird von hunderten kleinen Muscheln und Algen angefallen. Übers Wochenende sind wir 8 Seemeilen in eine Nachbarbucht, aber da war das Wasser auch nicht viel besser, vielleicht etwas klarer und sauberer als in Taiohae (Anmerkung: auch wenn zur Zeit nur noch 60 Schiffe vor Anker sind – das Abwasser muss ja irgendwo hin!). Wir haben die Gelegenheit benutzt und das Unterwasserschiff so gut wie es ging sauber gemacht. Lupina scheint sich über die misslichen Zustände zu beschweren. Dinge, die bisher prima funktioniert haben, beginnen zu spuken: eine der WC Pumpen macht plötzlich beängstigende Geräusche, der Generator springt wieder nicht zuverlässig auf Knopfdruck an und andere so kleine Dinge. Dabei ist das Wichtigste, der elektrische Antrieb vom Rollmechanismus des Grosssegels, noch immer nicht repariert. Das benötigte Teil hängt in der Schweiz fest. Man glaubt es kaum: bisher war immer noch kein Versand möglich aus uns nicht verständlichen Gründen. Das dauert nun schon seit 4 Wochen so. Wir haben nun die Flucht nach vorne gewagt und jemanden gefunden, der uns besuchen kommt und das benötigte Teil im Koffer mitnimmt. Sämi heisst unser Retter! Er sucht nun gerade einen Flug und kommt in den nächsten Tagen auf die Lupina.

Der Blick in die Zukunft. Wohin trägt der Wind uns als nächstes: Ua-Huka, die kleine Nachbarinsel im Osten? Zurück nach Hiva-Oa mit Sämi und dem lange ersehnten Teil für die Reparatur des Grosssegels? Weiter in den Marquesas gemeinsam mit Booten von Freunden (SY Maramalda, die in Hiva-Oa auf uns wartet – SY Limelight, die in etwa 5 Tagen aus Mexiko hier eintrifft – SY Pasito, die gerade um Nuku-Hiva herumsegelt) oder weiter in die Tuamotus, wohin uns die SY Swiss Lady vorausgesegelt ist?

Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser

Nachtrag: hast du Probleme mit all den schwierigen Ortsbezeichnungen? Geht uns auch so!😊😊