Von Gambier zurück in die Marquesas

Es ist Montag, der 16. Januar 2023. Wir laden noch ein letztes Mal Wetterdaten herunter, kaufen noch 1 Kiste Bier ein (nicht für unterwegs! Da gibt’s keinen Alkohol! Aber fürs Ankerbier beim Ankommen 😉), und verabschieden uns von Mangareva Yacht Service (Tituan und Juliette, die uns immer sehr zuvorkommend unterstütz haben). Zurück auf der Lupina kommt die Limelight Crew noch kurz zu uns, um uns auf Wiedersehen zu sagen. Dann geht’s los. Ich am Anker, Pia am Steuer. Ehrenrunde um die Limelight, dann zirkeln wir die Lupina durch die Korallenbänke vor Rikitea. In tieferem Wasser werden sofort die Segel gesetzt. Wir sind anfänglich zwar sehr langsam, aber wir haben Wind und der schiebt uns von hinten gemächlich aus Gambier hinaus. Auch ausserhalb des Atolls sind die Wellen flach, und wir machen bei auffrischendem Wind gute Fahrt.

Der Wind ist zwar schwach (5-8 Knoten), aber er weht etwa aus 60 Grad von Steuerbord aufs Schiff. Zusammen mit der Fahrtgeschwindigkeit von 5-6 Knoten, beträgt der Wind, der schlussendlich auf die Segel wirkt, rund 10-12 Knoten. Ein schöner Segeltag! Wir versuchen mal etwas Neues, setzen vorne neben der Genua parallel auch das Kuttersegel (kleines Segel in der Bildmitte). Wir haben das noch nie gemacht, sind eigentlich gar nicht so sicher, ob das etwas bringt. Tatsächlich! Wenn wir die Segel schön parallel ausrichten, dann machen wir gut 0.5 bis 1 Knoten mehr Fahrt! 😊
Die Überfahrt zur rund 800 Seemeilen entfernten Insel Hiva Oa auf den Marquesas verläuft sehr ruhig und fast erholsam. Je weiter wir nach Norden vorstossen, umso mehr dreht der Wind nach Osten, also mehr seitlich aufs Schiff, was auch von der Schräglage angenehmer ist.
Etwa auf halber Strecke ein wunderschöner Sonnenuntergang. Noch ahnen wir nichts vom Wetterwechsel, der uns nach Mitternacht bei meiner Schicht überrascht.

Etwa um 2 Uhr in der Nacht nimmt der Wind deutlich zu, in Böen sogar bis fast 30kn. Da es mittlerweile rings um uns herum blitzt am Himmel und Gewitter drohen, rollen wir die Genua ein und setzen die Fock. Kurz darauf dreht der Wind nach nordnordost (also wieder mehr von vorne) und flaut ab. Schlussendlich schläft er ganz ein und kommt fast aus der Richtung, wo wir hin wollen. Für ein paar Stunden muss der Motor ran, bis wir wieder genügend Wind zum Segeln haben. Im Verlaufe des 2. Segeltages setzt konstanter Ostwind ein, und ab da tragen uns die wieder kräftig gefüllten Segel zügig über das Meer in Richtung Marquesas.

Nach rund fünfeinhalb Tagen fällt das Eisen frühmorgens in der Bucht von Hanavave auf der Insel Fatu Hiva. Es liegen bereits 2 andere Boote vor Anker in dieser schmalen und windigen Bucht, aber wir haben genügend Platz (Lupina ganz links). Das Ankerbier vor dem Frühstück schmeckt herrlich 😉
Für uns ist es ein Wiedersehen mit den spektakulären Felsen und den skurrilen Formen, welche die Natur geformt hat.
Den Wanderpfad zum Wasserfall Vaieenui haben wir schon bei unserem ersten Besuch unter die Füsse genommen. Diesmal entscheiden wir uns für die anstrengendere Tour zum Aussichtspunkt über der Bucht. Die Wanderung verläuft etwa 5 Kilometer steil bergan auf der Strasse Richtung Omoa (die Füsse sind auf dem Bild abgeschnitten, stecken aber tatsächlich in Wanderschuhen! 😉)
Fast 400 Höhenmeter über unserem Ankerplatz und dem kleinen Hafen von Hanavave – ein fantastischer Ausblick, für den sich die Mühe definitiv gelohnt hat
Es ist die Saison der Pampelmusen (in der Schweiz auch Grapefruit genannt). Waren die Früchte in Gambier eher kleiner und noch nicht ganz reif, sind sie hier voll im Saft und laden ein, gegessen zu werden.
Spontan spricht der Besitzer der Bäume (Jacques) uns an und schenkt uns ein paar dieser leckeren Früchte. Er erwartet keine Gegenleistung! Etwas dafür zu bezahlen wäre eine Beleidigung, denn in der Polynesischen Sichtweise würde das bedeuten, dass man Gastfreundschaft mit Geld abwimmelt.
Als wir im März 2022 hier waren, war alles sehr trocken und braun. Die Bevölkerung erwartete sehnlichst Regen. Dieser ist in der Zwischenzeit eingetroffen und alles ist saftig grün, wie zum Beispiel der Pausenplatz der Schule von Hanavave …
… oder die Hänge entlang des tief eingeschnittenen Talkessels
Ein einheimischer Fischer und Bauer hat einem anderen Segler am Ankerplatz angeboten, einmal für uns alle ein Abendessen zuzubereiten. Schlussendlich sind wir die Crews von 4 Schiffen, welche die Einladung annehmen und ein typisches Marquesianisches Abendessen serviert bekommen.
Es gibt Schweinefleisch in 2 Varianten, Hähnchen, Brotfrucht, Reis und Gemüse. Zum Nachtisch Pampelmusen und leckeren, selbstgebackenen Schokoladekuchen.

Anders als damals im März 2022 herrscht jetzt über Fatu Hiva die ganze Zeit kräftiger Wind und das Meer ist stark aufgewühlt. Immer wieder peitschen kurze, sehr heftige Böen das Tal hinunter und lassen die Lupina heftig am Anker zerren. Wir sind froh, haben wir die neue Kette und müssen keine Bedenken haben, dass diese vielleicht überlastet werden könnte. An das Rollen am Ankerplatz haben wir uns schnell gewohnt. Pia meint gar, so sei sie gut auf die nächste Etappe eingeschaukelt. Nach 3 Tagen lichten wir den Anker und machen uns auf zur rund 45 Seemeilen entfernten Insel Tahuata

Bei der Wegfahrt von Fatu Hiva läuft zuerst alles wie gewünscht. Etwa eine halbe Meile von der Insel weg setzen wir zuerst das Grosssegel, dann die Genua. Beim Festhalten des Manövers im Logbuch kommt plötzlich eine sehr starke Böe (Pia liest 30-35kn vom Wind-Anzeigegerät). Diese Böe lässt unsere Lupina nach vorne in den Wind schiessen und legt das Schiff hart auf die Backbordseite. Die Reeling ist tief im Wasser und das dort befestigte SUP wird von der überströmenden Flut angehoben. Ich eile zum Steuer, reisse es herum und vieren die Genua. Die Böe lässt schon wieder nach – Glück gehabt, vermeintlich. Ein Rundumblick zeigt dann: die Solar-Paneele ist abgerissen (das Bild zeigt den Rest davon). Ich ärgere mich sehr, denn hätte ich mich nicht durch das Logbuch abgelenkt, hätten wir die Böe besser abfangen können! Wieder etwas gelernt ☹! Der Rest der Fahrt nach Vaitahu auf der Insel Tahuata verläuft dann sehr zügig und ohne weitere unangenehme Vorkommnisse.

Auch über Tahuata bläst während der ganzen Dauer unseres Aufenthaltes ein kräftiger Wind (ca. 20 Knoten). Sogar auf der Leeseite der Insel ist der Schwell, den das Meer bei diesen Bedingungen ans Ufer zurückwirft, ungewöhnlich hoch. Das Anlanden mit dem Dinghi an der Hafenmauer von Vaitahu ist sehr ungemütlich, ja sogar gefährlich. Daher beschränken wir uns auf nur wenige Landgänge. Zum Glück treffen wir hier wieder auf Katrin und Hans (SY Esmeralda). Deren Dinghi ist um einiges leichter als unseres und wir können es auf die Hafenmauer ziehen. Da liegt es geschützt und ungefährdet von dem starken Sog, der um die Quai-Mauern herrscht.

Nach 2 Tagen in Vaitahu verlegen wir 3 Seemeilen weiter in die idyllische Bucht von Iva Iva Iti. Hier können wir zwar ausgiebig schnorcheln, aber an das Anlanden mit dem Dinghi ist wegen der sich überschlagenden Wellen im Uferbereich nicht zu denken. Der Einheimische, der am Strand in einer Hütte wohnt, lässt sich jeweils ein paar Meter draussen abladen und schwimmt durch die Brandung ans Ufer.
Trotz starkem Wind und Schwell erleben wir einige wunderschöne Sonnenuntergänge. Dieses schöne Bild von der Lupina hat Katrin von der SY Esmeralda aus geknipst.
Am 2. Februar 2023, einen Tag früher als geplant, kommt Spannung auf: die Lupina kommt aus dem Wasser. Wir sind am Tag vorher von Tahuata nach Hiva Oa gefahren und haben mit dem Personal vom Yard den Ablauf besprochen. Weil das Wasser bei der Rampe nicht allzu tief ist, wird das Auswassern bei Hochwasser geplant. Hier sind wir bereits in Position und warten auf den Lift.
Mit dieser Vorrichtung, eine Art fahrbare Hebebühne, und dem kräftigen Allrad-Zugfahrzeug wird unser Schiff aus dem Wasser gezogen und an Land geschoben. Die Hebebühne ist in der Höhe hydraulisch steuerbar, so dass unsere Lupina während des ganzen Prozesses immer schön in der Waagerechte steht.
Die folgenden 2 Tage sind arbeitsintensiv. Alles, was nicht an Deck bleiben muss, wird vor dem gnadenlosen Sonnenlicht, das in diesen Breitengraden herrscht, unter Deck verstaut. Pia repariert das Bimini, dessen Stoff (an der Auflage bei den Eisenrohren) beim Aufenthalt im Spätsommer 2022 in der Marina von Papeete durch die Sonne an 2 Stellen fast durchgebrannt worden ist.
Ich inspiziere gründlich alle Winschen, Rollen und Klampen. Bei der backbordseitigen Niederhole-Rolle für das Genua-Schot stelle ich einen gravierenden Defekt fest, der als gefährlich eingestuft werden muss: der Bolzen, der die Rolle fixiert, ist nicht mehr gesichert. Die nietenartige Verstemmung des Materiales ist abgebrochen, vermutlich durch Vibrationen. Der Stift kann sich so axial verschieben und die Rolle könnte sich lösen.
Der Yard von Hiva Oa ist momentan randvoll. Viele Segler haben jetzt ihr Boot für die Zyklon-Zeit ausgewassert und sind nach Hause geflogen. Wir sind sehr glücklich, dass wir noch einen Platz bekommen haben.

Die Arbeiten, die wir dringend machen wollten, erledigen sich schnell und ohne negative Überraschungen: Unterwasserschiff abdampfen, Zustand des Antifoulings checken, Anoden am Bugstrahlruder und an Welle sowie Propeller ersetzen, Spiel von Ruder und Verstellmechanismus des Propellers prüfen, Seeventile überprüfen und gängig machen. Zudem gibt es hier einen Segelmacher mit gutem Ruf. Ihm übergeben wir unser Genua-Segel, damit er das ausgerissene Schot-Horn wieder einnähen kann. Es verläuft alles wie am Schnürchen. Wir sind froh, müssen wir nicht stressen mit der Arbeit, denn auf der an Land stehenden Lupina wird es tagsüber sehr heiss. Es weht kaum ein Wind und von unten kühlt kein Meerwasser.

Am Sonntagabend verabschieden uns Katrin und Hans (SY Esmeralda) noch mit einem feinen Nachtessen auf ihrem Schiff (vielen Dank euch Beiden für die vorzügliche Gastfreundschaft) und schon am Montag früh beginnt dann unsere lange Reise in die Schweiz.

Montag, 6.2.2023, die lange Reise in die Schweiz beginnt. Zuerst mit einem dreieinhalb stündigen Flug von Hiva Oa nach Papeete (Tahiti). Der Flughafen auf der Insel ist wohltuend klein und wunderschön eingebettet auf einem Hochplateau zwischen den steilen Bergen
Der Flug führt uns über die Atolle der Tuamotus. Einige davon haben wir schon besegelt, andere, wie das Atoll Apataki (Bild) werden wir dann auf unserer Weiterfahrt ansegeln.
In Papeete müssen/dürfen wir 2 Tage auf den Anschlussflug nach Europa warten. Das ist, wie man sieht, offenbar nicht weiter schlimm: Pia lässt es sich an ihrem 66. Geburtstag gut gehen.

Am 8. Februar geht dann die Reise weiter und einen Tag später kommen wir sicher aber etwas müde in der Schweiz an. Wir wollen nun wieder einmal den Winter geniessen. Zudem wollen die Grosskinder wissen, ob sie bereits schneller sind beim Skifahren als ihr Opi. Ich werde mir alle Mühe geben 😉 Mitte März geht’s dann wieder zurück auf die Lupina. Bis dann macht auch der Schreiberling Pause.

Aber danach wird es wieder spannend – folge der Lupina im Kielwasser!

Rodeo-Ritt nach Gambier

Die Ausfahrt aus dem Atoll Makemo will gut geplant sein. Am besten für uns ist auslaufende Strömung. Diese sollte aber nicht zu stark sein, sonst gibt es draussen beim Übergang ins Meer eine stehende Walze, die vor allem bei Gegenwind sehr gefährlich sein kann. Im Internet gibt es ein Berechnungsprogramm, das einem erlaubt, für fast jedes Atoll in den Tuamotus die ideale Ein- und Ausfahrtszeit zu bestimmen. Für Mittwoch, 7.12.2022, berechnet dieses Programm für uns die beste Zeit zwischen 10 und 11 Uhr. Genügend Zeit, um auszuschlafen, gemütlich das Frühstück zu geniessen und dann schön langsam loszufahren. Mit dieser Vorstellung gehen wir am Vorabend ins Bett. Kurz nach Sonnenaufgang (der hier bereits um ca. 5 Uhr stattfindet) am nächsten Morgen jedoch hören wir Stimmen auf dem Pier. Jemand ruft nach uns. Schlaftrunken recken wir unseren Kopf aus dem Niedergang. Ein Mann der Gendarmarie steht am Pier und informiert uns, dass in der nächsten Stunde ein Versorgungsschiff eintreffen wird. Wenn das grosse Frachtschiff am Pier festmacht, dann ist für uns die Wegfahrt blockiert. Hmm – blöd! Nun wird’s nichts mit gemütlich ausschlafen. In einer Feuerwehrübung machen wir uns vom Pier los und verlegen die Lupina ein paar Meter ausserhalb des Hafens an den Anker. Hier warten wir nun auf die ideale Ausfahrtszeit nach 10 Uhr. Schlussendlich ist es nicht schlecht: so haben wir genügend Zeit, unsere Festmachertrossen und alle Fender zusammen zu räumen und gut zu verstauen.

Versorgungsschiff am Pier von Pouheva auf Makemo

Kurz vor 10 Uhr starten wir dann unsere Reise nach Gambier. Gambier liegt rund 650 Seemeilen in südöstlicher Richtung. Ideal wäre somit ein Wind aus nördlicher oder sogar aus westlicher Richtung. Wir haben lange das Wetter beobachtet. Die letzte solche Wetterlage war vor rund 3 Wochen. Nun zeigt sich in einigen Wetterprogrammen eine leichte Tendenz ab, dass vielleicht in den nächsten 2-4 Tagen der Wind nach Norden dreht. Danach ist wieder für längere Zeit eine stabile Ostwindphase angezeigt. Nicht ideal, aber zumindest scheint es machbar. Unsere Strategie ist es, zuerst eine gewisse Zeit mit dem Ostwind nach Norden von Makemo weg zu segeln, und dann nach rund einem Tag mit der Winddrehung nach Norden eine Wende zu fahren und so hart wie möglich am Wind gegen Südosten zu segeln. Wir wissen aber jetzt schon, dass es knapp wird. Denn falls wir unser Ziel nicht innerhalb 5 Tagen erreichen sollten, dann kommen wir in eine Starkwindphase, die uns genau entgegen blasen wird.

Diesen Wind wollen wir vermeiden: rund 20 Knoten aus südöstlicher Richtung. Die verschiedenen Linien auf dem Bild sind die optimalen Routen, die mit verschiedenen Windprogrammen gerechnet werden. Wenn wir mit dem Schiff bis Sonntagabend am Ziel sind, ist alles gut. Danach kommen die 20 oder mehr Knoten Wind (das Bild zeigt den erwarteten Wind im Bereich von Gambier – roter Punkt – für den Montag)

Gleich nach der Passausfahrt setzen wir volle Segel und rauschen los nordostwärts. Wegen einer leichten Strömung, die uns nach Westen schiebt, können wir nur einen Kurs von rund 30 Grad fahren. Blöd! Damit uns nachher das nächste Atoll nicht in die Quere kommt, müssen wir bereits nach 2 Stunden eine Wende fahren, 6 Stunden lang nach Südosten steuern um dann nochmal gegen Nordosten zu halten, bis dann der Wind nördlich dreht.

Unser Zick-Zack Fahrt in den ersten 3 Tagen der Reise. Unser Kurs wird bestimmt von Wind, Strömung und Atollen.

Vor allem in der Startphase herrscht eine eklige Kreuzsee. Von einer Kreuzsee redet man, wenn Wellen von der einer Richtung auf Wellen einer anderen Richtung treffen. Das Meer brodelt dann richtig und ein leichtes Schiff, wie die Lupina eines ist, wird in alle Richtungen hin und her geschleudert. Es fühlt sich zeitweise an wie auf einem dieser Rodeo-Bullen auf dem Jahrmarkt. Zum Glück haben wir genügend Wind. Dieser treibt uns nicht nur vorwärts über die Wellen, sondern er stabilisiert auch unser Schiff, so dass das Herumschleudern einigermassen erträglich ist. Kurz vor dem Eindunkeln passieren wir das östliche Ende von Makemo, haben somit nur etwa 35 Meilen zu unserem Ziel geschafft. Eine Gruppe Buckelwale (rund 8 Tiere) will sich noch kurz erkundigen, welcher andere grosse Fisch sich da in ihrem Revier befindet und schwimmt auf uns zu. Ein Wal schwimmt sogar in einer Distanz von rund 20 Metern um unser Schiff herum, prustet dabei 2–3-mal laut aus und taucht dann wieder weg zu seinen Kameraden. «Gute Fahrt», winkt er uns mit seiner Fluke noch zu. Dann geht’s in die erste Nacht.

Die Windstärke mit 15 Knoten ist für unsere Segel perfekt, und wir machen zügig Fahrt. Die Schräglage ist etwas gewöhnungsbedürftig, aber mit der Zeit weiss man, wie man sich am besten verkeilt und wo man sich bequem festhalten kann. Bei 6-7 Knoten Fahrt hüpft die Lupina recht ordentlich über die Wellen

Leider dreht der Wind in den nächsten Tagen weniger nach Norden, wie angesagt und wir können unseren Zielkurs nicht ganz halten. Rund 30 Grad beträgt die Abweichung. Zudem bremsen uns in den nächsten 48 Stunden immer wieder heftige Regenschauer (sogenannte Squalls, Gewitter) ein. Wir müssen immer wieder die Segel reffen und nach dem Durchgang der Regenfront warten, bis sich der Wind stabil und neu aufgebaut hat.

Tagsüber sieht man die Squalls gut und kann sich entsprechend vorbereiten. In der Nacht ist es schwieriger. Da hilft uns dann das Radar oder bei Mondschein das Restlicht am Himmel
Diese Phase der Reise verläuft sehr ruhig und ereignislos. Lupina zieht konstant mit rund 5-6 Knoten Richtung Südosten. Das Meer hat sich beruhigt und ich kann sogar auf dem Vorschiff im Schatten lesen

Zweimal herrscht für über 3 Stunden totale Windstille und wir brauchen den Motor. Bald mal wird uns klar, dass wir unser Ziel nicht bis Sonntag erreichen werden. Wir werden in die Wetterfront geraten, die wir vermeiden wollten. Der Wind wird uns mit 20-25 Knoten genau auf die Nase pfeifen. Um die zweite Hälfte der Reise genauer planen zu können, zeichne ich die neue Situation auf unsere Navigationskarte auf. Durch die Notwendigkeit, gegen das Ziel aufkreuzen zu müssen, wird die noch zu bewältigende Distanz fast doppelt so lang. Als ich Pia mitteile, dass wir 3 Tage länger als erwartet hart am Wind segeln müssen, ist die Moral eines Teils der Crew für einen kurzen Moment auf dem Tiefststand. Wie immer aber in solchen Situationen braucht es etwas Zeit und ein Ragusa (wer’s nicht kennt der verpasst etwas! 😊) und die Stimmung ist wieder gut.

Mit Ragusa (der weltbeste Schoko-Riegel!) ist die Welt immer in Ordnung

Ab Sonntagvormittag (ein Tag früher als in den Wetterberichten angesagt) nimmt dann der Wind stetig zu auf über 20 Knoten. Der starke Wind – und vor allem die sehr hohen Wellen – machen uns zu schaffen. Viel Schräglage und immer wieder viel Wasser über das Deck. Wir sind froh, haben wir in dieser Phase nur die Fock (kleines Vorsegel) draussen. So können wir auch Squalls problemlos abwettern.

Beim Setzen des Focksegels müssen wir den Mast mit den Kutter-Stagen (Drahtseil vom oberen Befestigungspunkt des Segels am Mast zu den Fixierpunkten links und rechts am Heck des Schiffes) gegen ein mögliches Ausbiegen absichern. Über einen Seilzug werden die Stage satt gespannt.

Durch den veränderten, heftigen Seegang fühlt sich Pia die nächsten 24 Stunden etwas mulmig, und wir beide hatten auch Kopfweh. Wir schonen die Köchin und der Skipper wärmt das Essen in dieser Phase jeweils auf. Bis Dienstag, 13. Dezember, pendelt sich der Wind wieder knapp unter 20 Knoten ein und die Genua (grosses Vorsegel) ist gesetzt. Schrecksekunde kurz vor 4 Uhr in der Früh. Ein Squall, wie vorher schon viele, trifft uns. Während ich die Windanzeige beobachte (es sind gerade 25kn), geht ein Ruck durch das Schiff (lautlos!) und der Vorschub fällt zusammen. Die Genua flattert unkontrolliert im Wind! Der Schothorn-Ring ist ausgerissen. Das Schothorn ist eine der am höchsten belasteten Zonen des Segels. Hier fliesst die ganze Kraft zusammen und wird mit einem eingenähten Ring aus Eisen in die Schot-Leine übertragen. Wir hatten öfters schon viel mehr Wind als jetzt, aber irgendeinmal ist das Material halt einfach ermüdet.

Ich muss die Genua einrollen, mit einem Seil umwickeln und sichern, damit es der Wind nicht wieder aufrollt Danach müssen wir die Fock wieder setzen. Das heisst für den letzten Teil der Strecke: stark reduzierte Segelfläche und damit langsamere Fahrt, vor allem bei leichteren Winden.

Genau diese leichteren Winde sind nun ab Dienstag auch angesagt. Da sie ideal aus südlicher Richtung kommen, können wir nun direkten Kurs auf Gambier anlegen. Obwohl nur schwach, machen wir trotzdem gute Fahrt, bis dann rund 60 Meilen vor Gambier der Wind nach einer grossen Regenzone komplett zusammenfällt.

Es muss nicht immer ruppig und mit grosser Schräglage zugehen. Es gibt auch ruhigere Momente, wo das Schiff gemütlich durch das Wasser zieht und sogar Pia lesen kann 😉

Über Kurzwellenfunk hole ich mir die aktuellsten Wetterdaten. Überraschenderweise sind sich für einmal alle Windprogramme einig: kein Wind die nächsten 2 Tage. Der Entscheid fällt schwer, aber schlussendlich schnell: Kari, unser Motor, muss für den Rest der Strecke ran. Innerhalb der nächsten 10 Stunden bringt er uns zuverlässig und leise brummend direkt vor das Ziel.

Es ist kurz nach Sonnenuntergang, als wir vor dem Gambier Archipel eintreffen. Wir waren zwar schon mal hier und kennen die Gewässer gut, entscheiden uns aber, auf dem offenen Meer beizudrehen und den nächsten Tagesanbruch abzuwarten. So bringen wir während des Ankermanövers weder uns noch andere Segler in Gefahr. Das Meer ist zwischenzeitlich fast spiegelglatt geworden, nur eine lange Dünung aus Südwest schaukelt uns sanft in einen herrlichen Schlaf. Ein wunderschönes «Lupina Drifting»

Am Donnerstag, 15. Dezember, 2 Stunden vor Sonnenaufgang starten wir den Motor erneut. Beim ersten Dämmerungslicht fahren wir in Rikitea auf Gambier ein. Rechtzeitig zum Sonnenaufgang fällt der Anker. Wir sind happy – wir sind da!! Ankern direkt neben der SY Limelight mit Anette und Michael, die einen Tag vor uns aus den Marquesas angekommen sind.

Der Ankerplatz vor Rikitea auf Gambier

So, der Bericht ist fertig und wir sind tagesaktuell. Wir fahren mit dem Dinghi an Land zu JoJo’s. JoJo’s ist ein lokaler Gemischtwarenladen, der einen kleiner Restaurationsbetrieb daran angeschlossen hat und in dem es WiFi gibt. Als wir im Januar2022 in Gambier waren, konnten wir von hier unsere Home Page aktualisieren. Geht diesmal aber nicht. Die Übertragungsgeschwindigkeiten sind viel zu schwach. Will einfach nicht. In den nächsten Tagen halt wieder probieren – irgendwann geht es dann schon.

Zeitsprung nach vorwärts: heute ist der 27.12.2022. Bisher ist es uns nicht gelungen, den Bericht der Überfahrt hochzuladen. Aber es ist in Zwischenzeit einiges passiert.

2 Tage nach unserer Landung in Gambier fahren wir mit der SY Limelight im Schlepptau durch die schwierige (weil sehr schmal, mit Korallen verseucht, sehr untief und mit Kurven drin) Passage zur Insel Taravai, wo wir bei Hervé und Valérie, die wir vom Januar sehr gut kennen, am Sonntagmorgen früh um 6 Uhr das Fussball WM Finale schauen können (Bild).
Am Montag fahren wir (leider unter Motor) quer durch die Gambier Inselgruppe ans östliche Riff und verbringen 3 Tage herrliches Robinson Crusoe Leben auf dem kleinen Motu Kouaku. Rechts neben uns im Bild: Anette und Michael von der SY Limelight.
Abendstimmung auf dem Motu Kouaku
Am 22. Dezember fahren wir, diesmal unter Segeln (wobei wir ja leider die Genua wegen dem gerissenen Schot-Horn nicht nutzen können) zurück nach Rikitea. Wir brauchen unbedingt Internet: wir erwarten am 26./27. Dezember unsere Kette, und wir sollten unbedingt die Frachtinformationen haben, um diese dann am Pier vom Versorgungsschiff abzuholen.
Am Abend hören wir auf dem Pier lautes Trommeln, Singen und sehen auch Leute tanzen. Am nächsten Tag erfahren wir, wozu geübt wurde: Gambier erhält heute ein neues Schiff, das vorwiegend die Hauptstadt Rikitea mit dem Flughafen am Aussenriff verbindet. Ein Ereignis, das nicht oft vorkommt in einem Menschenleben. Das neue Schiff wird gebührend nach alten Traditionen willkommen geheissen.
Den Ehrengästen wird ein Stuhl zur Verfügung gestellt, und sie werden sehr reich mit Blumenkränzen eingedeckt.
Wir erleben ein Gesangs- und Tanz-Spektakel, das uns und die lokale Bevölkerung über eine Stunde in den Bann zieht
Begleitet wird alles durch lautes, aber rhythmische und mitreissendes Trommeln
Ah ja, falls ich es noch nicht erwähnt haben sollte: Gambier ist eines der wichtigsten Perlenzuchtgebiete auf der Welt. Hier werden vor allem die schwarzen Perlen gezüchtet. Ein Tag vor Weihnachten – Skipper wie immer noch nichts für seine Perle besorgt – in letzter Minute ist die Situation wieder gerettet 😊
Weihnachtsmesse in der Kathedrale von Rikitea. Der Pfarrer trägt das Christkind hoch erhoben in die Kirche und legt es vorne neben dem Altar in eine Krippe. Die (katholische) Messe ist dann recht traditionell. Wunderschön hingegen sind Musik und Gesang, welche die Zeremonie begleiten. Damit alle mitsingen können, wird der Text der Lieder auf einer grossen Leinwand abgespielt.
Weihnachtsessen auf der Lupina mit Gästen von der SY Esmeralda (Hans und Katrin, links im Bild) und der SY Limelight (Anette und Michael, oben im Bild). Die Lupina bereitet Vor- und Nachspeise zu, die Limelight einen saftigen Rindsbraten und die Esmeralda die köstlichen Beilagen.
Und dann, endlich – traraaa!! Unsere neue Kette ist da!! Seit Anfang September aus Deutschland unterwegs findet sie uns am 26. Dezember in Gambier. Wahrlich keine Meisterleistung des Transportwesens. Aber wir sind glücklich – nun haben wir sie endlich 😊😊
Noch ein Glücksmoment: seit dieser Saison gibt es einen Yacht Service hier auf Gambier. Ein junger, unternehmungsfreudiger und gewiefter Franzose (Tétouan) hat mit seiner Freundin (Juliette) ein eigenes Unternehmen gestartet und erleichtert mit seinem Angebot den Seglern das Leben. Etwas, was er sehr schnell kapiert hat: das Angebot an Brot ist erstens lausig und zweitens sehr oft gar nicht vorhanden. …
… Also hat er sich aus 2 alten Fässern und einer Blechröhre seinen eigenen Holzbrot-Ofen gebaut und bäckt nun auf Vorbestellung Brot. Sensationell, kann ich euch sagen! Da ist nur noch Pia’s Brot besser, aber ab und zu soll sie doch auch mal eine Pause haben 😉
Heute, also am 27.12.2022, haben wir die neue Ankerkette montiert (ich kann euch sagen: die Lupina zuckelt total glücklich daran!) und endlich die defekte Genua runtergeholt, zusammengefaltet und in ihren Sack verstaut. Diese muss nun zu einem guten Segelmacher. Der Eisenring des Schot-Hornes (das ist die hintere Ecke des Segels, an dem die Bedienungsleinen befestigt sind) ist ausgerissen und muss neu eingenäht werden. Hier in Gambier nicht machbar ☹ – wir hoffen auf die Marquesas.

Morgen werde ich nun erneut versuchen, den Bericht hochzuladen. Ich hoffe, es klappt diesmal. Wir werden dann das Neujahr in Taravai (dort wo wir Fussball geschaut haben) verbringen und dann bis Mitte Januar versuchen, noch neue, von uns unerforschte Winkel des Archipels zu entdecken. In der Zwischenzeit wünschen wir euch allen einen guten Rutsch, viel Glück und Gesundheit im kommenden Jahr.

Nachtrag am 3.1.2022: bisher hat es nicht geklappt mit dem Hochladen des Berichtes. Aber heute scheint mein Glückstag zu sein. Die Lupina Crew wünscht allen Lesern ein wunderschönes Neues Jahr!

Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser!

Von Gambier nach Fatu Hiva (Marquesas)

Am 4. März 2022 ist rund 2 Stunden früher Tagwache als sonst. Was heisst da «als sonst»? Normalerweise gibt es bei uns keine Tagwache, sondern wir stehen einfach dann auf, wenn wir erwachen. Heute aber reisst uns Pia’s Wecker bereits um 6 Uhr in der Früh aus dem Schlaf. Es liegen 800 Seemeilen zwischen uns und Fatu Hiva, unserem ersten Ziel im Marquesas Archipel (Franz. Polynesien). Wir schätzen, dass wir bei sportlichem Tempo etwas mehr als 5 Tage brauchen werden. Wenn wir früh starten, haben wir noch genügend Reserve, so dass wir bei Tageslicht ankommen können. Wobei, das mit dem Schätzen ja schon sehr vage ist, denn nur 1 Seemeile pro Stunde Differenz in unserer Geschwindigkeit macht auf diese lange Distanz schnell mal 1-2 Tage Unterschied aus.

Diesmal wird es eine besondere Reise. Erstmals segeln wir eine solch lange Strecke zusammen mit einem anderen Boot. Das Schweizer Ehepaar Rita und Daniel mit ihrer SY Maramalda begleiten uns auf diesem 800 Seemeilen langen Trip. Das besondere daran, sie segeln auch eine Hallberg-Rassy 43 wie wir, also das gleiche Schiff. Die Beiden sind leidenschaftliche Regatta-Segler und sind via das Kap Horn nach Gambier gefahren. Wer mich kennt, der weiss, dass bei mir bei dieser Konstellation (gleiches Schiff, erfahrene Regattasegler) der sportliche Instinkt geweckt wird, obwohl ich eigentlich gar nicht will. Um es gleich vorweg zu nehmen: so kurzweilig und intensiv war bisher noch keine Überfahrt für uns «Lupinis»  (Seewölfe) 😉

Frühmorgens kurz nach 7 Uhr winken wir von unserem Ankerplatz vor Rikitea (Gambier) der SY Maramalda zu. Sie sind etwas schneller beim Ankerheben
15 Minuten später sind auch wir soweit und verlassen Rikitea bei schönem Sonnenschein

Nach kurzer Fahrt unter Motor aus dem Riff vor Rikitea eine ungewollte Überraschung: wir fahren in den Wind und wollen das Grossegel setzen. Wir drücken auf die Taste «Out» des elektrischen Rollmechanismus – aber nichts passiert. Der Motor macht zwar ein Geräusch, wie wenn er drehen würde, aber das Segel kommt nicht aus dem Mast. Als auch ein mehrmaliges Ein- und Ausschalten der Stromzufuhr nichts bringt eine kurze Krisenbesprechung: weiterfahren und das Segel von Hand bedienen – oder zurück nach Rikitea an den Ankerplatz? Pia schüttelt energisch den Kopf und in mir regt sich das Sportlerherz in der Brust. Wir entscheiden uns, die Verfolgung der SY Maramalda aufzunehmen.

Nachdem noch ein kräftiger Squall (Regenschauer mit starken Windböen) über uns hinweggezogen ist, setze ich mit der Notkurbel das Grosssegel von Hand
Kurz darauf ist auch die Genua gesetzt und wir nehmen Kurs auf in Richtung Nordausfahrt des Atolls
Der Himmel klart wieder auf. Bald darauf werden wir von der Dünung erfasst und durch Wind und Strömung auf das offene Meer hinausgetragen. Unsere Lupina nimmt die Fährte der Maramalda auf
Durch das Missgeschick mit dem Grosssegel haben wir gut eine Stunde Rückstand auf die SY Maramalda. Über das AIS Signal sehen wir Geschwindigkeit und Abstand zum sportlichen Gegner. Der Wind bläst mit 15 bis 18 Knoten seitlich aufs Schiff. Unter stolz geblähten Segeln legt sich unsere Lupina willig auf die Seite und beginnt ihre Jagd auf die Maramalda. Normalerweise würden wir uns jetzt irgendein stabiles Plätzchen suchen, ein Buch in die Hand nehmen oder ein Nickerchen machen. Diesmal nicht: das Regattafieber hat uns gepackt! Pia nimmt es etwas gelassener als ich, aber auch ihre Augen pendeln dauernd zwischen unserer Geschwindigkeitsanzeige und derjenigen der Maramalda auf dem Bildschirm hin und her. Nach rund 8 Stunden ist der Vorsprung stark geschwunden und die Maramalda liegt in Reichweite
Unsere Lupina schiebt sich langsam auf gleiche Höhe wie die Maramalda
Die Dünung ist fast 3 Meter hoch und lässt unsere Schiffe zeitweise fast verschwinden
Noch vor Einbruch der Nacht schieben wir uns vor die Maramalda und lassen sie im Kielwasser zurück

In der ersten Nacht holen wir einen guten Vorsprung heraus, bis ein ungewöhnlich langer und heftiger Squall uns einbremst. Da wir unser Grosssegel nicht automatisch reffen können und aus Sicherheitsgründen in der Nacht nicht auf Deck wollen, wettern wir die 28 bis 35 Knoten starken Winde, die fast 1 Stunde anhalten, mit einem Beidrehen ab. Erst als der ganze Spuck vorbei ist und sich das Wetter wieder beruhigt, setzen wir unsere Fahrt fort. Die Maramalda hat mittlerweile wieder zu uns aufgeschlossen. Der Rest der Nacht verläuft dann aber ruhig, und wir holen bis zum Morgen wieder etwas Vorsprung heraus. Dann aber nimmt die Maramalda die Verfolgungsjagd auf. Immer, wenn wir etwas faul und nachlässig werden und unsere Segel nicht optimal nach dem Wind trimmen, kommt sie uns etwas näher. Wir sind nun fast identisch schnell, die Maramalda eher schneller. Manchmal kommt bei uns fast etwas Verzweiflung auf: auch bei vermeintlich bester Segelstellung schaffen wir es nicht, den Vorsprung zu halten. So gewinnen wir die Regatta nicht! Da gibt’s nur eines: noch besser und noch aufmerksamer Kurs und Segelstellung im Auge behalten. Und es gelingt: nach 4 Tagen haben wir rund eine Stunde Vorsprung herausgesegelt. Diesen können wir halten, bis wir uns am letzten Abend gegenseitig über Funk absprechen, dass wir nun die Fahrt drosseln wollen, um nicht in der Nacht am Ziel anzukommen.

In der letzten Nacht fahren wir mit stark gerefftem Grosssegel und rollen dieses bei den ersten Sonnenstrahlen am nächsten Morgen ganz weg. Es dauert fast 7 Minuten bis es mit der Handkurbel sicher im Mast eingerollt ist
Da wir erst gegen Mittag am Ankerplatz ankommen wollen und wir gelesen haben, dass es der Insel entlang starke Fallwinde geben kann, segeln wir unter halber Genua langsam nordwärts auf die Insel zu
Noch ist das Zentrum mit starken Wolken verhüllt …
… aber bald trocknet die Sonne die Luft und zeigt uns eine wunderbare Naturlandschaft, die vor Millionen von Jahren durch vulkanische Aktivität geschaffen wurde
Einfahrt in die Ankerbucht «Baie des Vierges» bei Hanavave auf Fatu Hiva
Aussicht vom Ankerplatz in der Baie des Vierges. Baie des Vierges heisst übersetzt: Bucht der Jungfrauen. Angeblich soll der Ursprüngliche Name «Baie des Verges» (Bucht der Penisse) gewesen sein, welcher wegen der Formen des umgebenden Gebirges fast logisch war. Das war natürlich nicht im Sinnen der Missionare, die hierhergekommen sind. Kurzerhand wurde ein «i» in die Bezeichnung geschoben und so gibt es heute die Jungfrauenbucht 😊

Nach genau 5 Tagen und 4 Stunden fällt unser Anker. Vielen Dank, Rita und Daniel, für dieses kurzweilige, spannende, manchmal stressige 😉 aber wunderschöne «Rennen». Wir sind uns bewusst, dass ihr euch mit einem kleineren Vorsegel in den Zweikampf gestürzt habt. In den nächsten Tagen wollen wir uns nun organisieren. Pia will endlich das schon lange fertig gestellte Video der Pazifiküberquerung ins Netz stellen und ich muss mich um den Rollmechanismus des Grosssegels kümmern.

Der Dinghi Landesteg, den wir vorfinden, gefällt uns schon mal sehr gut. Hier ruht unser Lupinchen sicher und geschützt
Endlich ein Internet gefunden!! Die Chancen stehen gut, dass wir demnächst Video und Bericht hochladen können

Wir freuen uns auf die neue Insel. Hier auf Fatu Hiva hat der berühmte Zoologe Thor Heyerdahl Ende der 1930 Jahre in und mit der Natur gelebt. Aus seinen Beobachtungen der Leute und der Kultur hat er die Theorie entwickelt, dass die Besiedlung von Polynesien von Südamerika aus erfolgt sein könnte. Hier fasste er den Entschluss, mit einem Floss von Südamerika nach Polynesien zu fahren.

Wir sind Thor Heyerdahl auf der Spur. Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser

Segeln in Gambier (Teil 2)

Vor ein paar Tagen ein Glückstag! Ich setze mich mit Teil 1 unseres Gambier Berichtes in das kleine Restaurant JoJo’s, bestelle ein kühles Hinano (lokales Bier aus Tahiti), wähle mich ins WLAN des Ladens ein und beginne, Bilder und Bericht auf unsere Home Page hochzuladen. Anfänglich sehr, sehr langsam, fast 3 Minuten pro Bild, geht’s mit jedem Schluck des würzigen Bieres besser. Und als mir Pia nach fast einer Stunde noch ein leckeres Gebäck (= Kalorienbombe!!) hinstellt, machts «schwupps»: Bericht ist hochgeladen – und Dessert gut verstaut im Bauch 😊

Wir sind nun schon 8 Wochen in Gambier und mit jedem Tag gefällt es uns besser. Wir sind in einer ganz eigenen Welt. Man könnte meinen, um uns herum gibt es nichts anderes mehr. Der Kontakt zur Aussenwelt ist stark reduziert. Die Einheimischen gehen gelassen und genügsam ihrem Tageswerk nach und wir entscheiden uns von Tag zu Tag, was wir unternehmen wollen. Manchmal bleiben wir den ganzen Tag auf dem Schiff, lesen oder werkeln an irgendetwas herum, gehen schwimmen und schnorcheln. Wichtige Nachrichten, wie zum Beispiel die Warnung über eine Tsunamiwelle nach dem Vulkanausbruch in Tonga, werden per Funk übermittelt. Verabredungen innerhalb der Seglergemeinschaft machen wir ebenfalls per Funk, oder dann mit einem kurzen Schwatz vom Dinghi aus. Die Uhren scheinen still zu stehen.

Gambier hat sehr viel an Natur zu bieten. Die beiden höchsten Berge, der Mont Duff (441m, Bild) und der Mont Mokoto (423m) befinden sich auf der Hauptinsel Mangareva
Rita von der Segelyacht Maramalda begleitet uns auf der Wanderung
Der Aufstieg auf den Mont Duff ist sehr steil und anspruchsvoll, aber es lohnt sich: die Aussicht ist atemberaubend. Im Bild der Hauptort Rikitea mit dem kleinen Anlegepier und den paar Segelschiffen vor Anker. Die hellen Flecken im Meer sind Untiefen und Korallenblöcke
Der Abstieg vom Mont Duff via die «Evacuation Route» verlangt etwas Mut
Auch der zweite Berg, der Mont Mokoto (423m), bietet eine phantastische Aussicht. Im Bild die Insel Taravai und die kleine Nachbarinsel Agakauitai

Ursprünglich wurde Französisch-Polynesien von Asien, oder wie Thor Heyerdal mit seiner Kontiki beweisen konnte, von Südamerika her besiedelt. Nach der Entdeckung dieser entlegenen Inseln im Südpazifik durch Europäische Seefahrer und der folgenden Kolonialisierung durchmischte sich die Bevölkerung stark. Heute hat fast jeder Einwohner Vorfahren, die hier einmal als Schiffsbrüchige, Meuterer, freiwillige Aussteiger, Missionare, und in der jüngeren Vergangenheit als Segler gestrandet sind.

Die Bewohner sind Selbstversorger. Angebaut werden Yams, Taro und Brotfrucht, sowie alle Arten von tropischen Früchten, und in kleinerem Umfang für den Export Kaffee und Vanille. Lebensgrundlage sind außerdem der Fischfang, Schweine- und Hühnerzucht. Wir erleben die Leute als sehr freigiebig, offenherzig und selbstzufrieden.

Ornélia beschenkt uns jedes Mal mit ihrem herzlichen Lachen, wenn wir im JoJo’s ins Internet gehen und wir von ihr Kaffee und Cola bestellen
Überall, wo wir auf Menschen treffen, blicken wir in lachende Gesichter – einfach schön!
Wir besegeln das ganze Atoll und machen immer wieder an neuen Ankerplätzen fest. Hier liegen wir vor der Flughafeninsel Totegegie
Wir haben bisher immer geglaubt, Bonaire sei das Mass der Dinge, wenn es um die Unterwasserwelt geht. In Gambier treffen wir auf ebenbürtig schöne und interessante Schnorchel- und Tauchgebiete. Fische und Korallen wetteifern um den Schönheitspreis
Wir geniessen eine immense Vielfalt an Fischen …
… und Krustentieren
Korallen wie Hirschgeweihe
Auch unser Adrenalinspiegel wird regelmässig aktiviert. Es gibt praktisch kein Schnorcheln, bei dem sich nicht irgendein Haifisch neugierig nähert und schaut, ob es da vielleicht was zu futtern gibt. Das kühlende Schwimmen ums Boot bei Sonnenuntergang, in der Nacht oder morgens früh ist nicht ratsam und für uns gestrichen. Im Bild ein Schwarzspitzen-Riffhai
Ein anderes störendes Lebewesen: Quallen. Von denen gibt es je nach Gebiet und Wasserströmung sehr viele. Allerdings ist diese Sorte zum Glück harmlos und erzeugt keine Verletzungen
Eine wunderschöne Insel am Aussenriff: Motu (= kleine Insel) Tauna, von unserem Schiff aus gesehen
Ankerplatz beim Motu Tauna. Nur ein paar Meter hinter dem Schiff eine Korallenbank (erkennbar an der weissen, sich brechenden Welle). Im Hintergrund am Horizont, in knapp 10 Kilometer Distanz, die palmenbewachsenen Motus auf der gegenüberliegenden Seite des Atolls
Nicht jeder Tag endet mit solchen Sonnenuntergängen – aber immer mit einem Sundowner 😊😊
Gambier ist berühmt für seine schwarzen Perlen. Am «False Pass» (Insel Totegegie) haben wir die Gelegenheit, eine Perlenfarm zu besuchen. Die Farm kauft die Perlmuttmuscheln von lokalen Züchtern, wenn sie ungefähr 2 Jahre alt sind. Um eine optimale Perlenqualität zu bekommen werden sie ein Jahr lang an das Wasser der Perlenfarm (Strömung, Temperatur, Nährstoffe) angewöhnt. Dazu werden sie mit einer Nylonschnur an einem Seil befestigt (Bild)
Um die jungen Muscheln vor Fischen zu Schützen wird über das Seil mit den daran befestigten Tieren in ein rundes Drahtgeflecht gesteckt und so ins Wasser gesetzt
Perlmuttmuschel: mit etwa 3 Jahren ist sie etwa Handteller gross und bereit für die Perlenzucht. Die Innenseite schillert in allen Farben, je nach Lichteinfall. Für die Perlenzucht müssen die schönsten Muscheln leider ihr Leben lassen. Diesen wird mit einem Skalpell-Messer vorsichtig das Wachstumsgewebe entfernt und in kleine Gewebestücke von rund 1-2mm Grösse zerteilt. Für die Perlenzucht werden diese Gewebestücke zusammen mit einem «Nucleus» (kleine, 2-3 mm grosse Kugel aus der Schale einer Auster gefertigt) der Trägermuschel eingepflanzt. Das kleine Gewebestück veranlasst die Muscheln, den eingesetzten Fremdkörper, den Nucleus, mit der gleichen Farbe und dem gleichen Material, wie es ins Gebebestück programmiert ist, einzuhüllen
Das Einsetzen von «Nucleus» und Wachstumsgewebe erfordert sehr präzises Arbeiten mit chirurgischen Instrumenten
Nachdem die Trägermuschel mit Nucleus und Gewebestück «geimpft» ist, wird sie mit einer Nylonschnur zusammen mit rund 20 anderen Muscheln an einem Gitter befestigt. Dieses Gitter wird an Seilen und Bojen fixiert und auf 3-5 Meter Wassertiefe ins Meer platziert. Danach braucht es regelmässige Pflege (Säubern von Algenbefall) der Muscheln und mit viel Glück wächst in der Muschel eine perfekte Perle heran, die nach 12 bis 18 Monaten geerntet werden kann. Statistisch gesehen ist nur jede tausendste Perle eine wirklich schöne und wertvolle Perle. Nach der Ernte wird die Trägermuschel erneut geimpft und der Vorgang kann bis zu dreimal wiederholt werden. Die Muschel lernt dabei und bei jedem Mal wird die Perle schöner und grösser
Das Endprodukt der Perlenzucht
Auch meine Perle trägt von nun an Perlen 😉
Wir schaffen es noch 2-mal zum Potluck auf der Insel Taravai bei Valérie, Herve und ihrem jüngsten Sohn. Er geht jetzt mit 10 Jahren zum ersten Mal zur Schule. Bisher konnte er seine Ausbildung per Fernunterricht und Computer von zu Hause aus absolvieren. In den höheren Stufen geht das nun nicht mehr. Nun wohnt er während der Woche bei einer Tante in Rikitea, wo er den Schulunterricht besucht, und am Wochenende bei seinen Eltern auf der Nachbarinsel
Unsere letzte Destination im Gambier Atoll: die Insel Akamaru. Heute leben hier wieder etwa 10 Einwohner, nachdem die Bevölkerung vor der Jahrtausend-Wende während vieler Jahre verlassen war
Auch auf Akamaru gibt es eine überdimensionierte Kirche aus dem 19. Jahrhundert. Diese hier ist im Vergleich zu den Kirchen auf den anderen Inseln allerdings in einem relativ guten Zustand und man sieht ihr an, dass sie regelmässig genutzt wird
Von Rémy (links im Bild) haben wir in einem Seglerbuch gelesen. Er kam als 14-jähriger Jüngling mit seinem Vater (Elsässer aus Mulhouse) 1996 per Segelboot nach Gambier. Sein Vater heiratete eine polynesische Inselschönheit und liess sich auf der damals unbewohnten Insel Akamaru nieder. Von Daniela (SY Yelo) erfahren wir, dass Rémy immer noch auf der Insel lebt und heute eine Vanille-Plantage betreibt. Wir beschliessen spontan, ihn zu besuchen – und begegnen erneut einem wunderbaren Menschen. Das Bild zeigt Rémy, ein mit ihm befreundetes Seglerpaar aus Frankreich, seine Frau Ruita und meine Co-Skipperin Pia am Mittagstisch bei Kaffee (selber angebaut) und Kuchen
Rémy hat bis zum Ausbruch von Covid selber auch Perlen gezüchtet. Der Lockdown hat es aber den Fachkräften aus hauptsächlich China verunmöglicht, nach Französisch-Polynesien zu reisen. Rémy sah sich gezwungen, mit der Zucht von Perlen aufzuhören. Statt Perlen züchtet er heute die jungen Perlmuttmuscheln. Bei unseren Fragen springt er spontan ins Boot, fährt einige hundert Meter ins Meer hinaus, fischt eine Reuse aus dem Wasser und zeigt uns deren Inhalt
In der Reuse drin hat es 3 lange Gewebeschnüre, an denen sich kleine Perlmuttmuscheln, die im offenen Meer leben, angehängt haben. Auf dem Bild sind sie nur schwer zu erkennen, da noch allerlei andere Lebewesen und Pflanzen an der Schnur haften. Die Muscheln wachsen nun 2 Jahre lang an dieser Gewebeschnur. Regelmässiges Säubern von Muscheln, Gewebeschnur und Reuse von anderen Tieren und Pflanzen ist Voraussetzung, dass die Muscheln sich gut entwickeln können. Wenn sie etwa 2 Jahre alt sind, kann Rémy die Perlmuttmuscheln an Perlenzüchter verkaufen

Unser Besuch bei Rémy und seiner Frau Ruita zeigt uns einmal mehr in eindrücklicher Weise, wie offen und entspannt die Polynesier sind. Obwohl Beide keine oder wenig Abstammung von der ursprünglichen Polynesischen Urbevölkerung mitbringen, leben sie wie die ursprünglichen Polynesier in Einklang mit Natur und sich selbst. Liegt es am stetigen Rauschen des türkisfarbenen Meeres, am üppigen Grün der Vegetation oder am Überfluss an tropischen Früchten und Gemüse, dass die Leute, die hier leben, so tiefenentspannt sind? In Jamaika haben wir auf unserer Reise den Slogan „no stress“ gelesen, in Costa Rica dann ähnlich «pura vida!». Beides finden wir in Gambier wunderbar vorgelebt und im Wesen der Leute verinnerlicht. Überall, wo wir hinkommen, haben die Leute Zeit für uns, grüssen spontan und lachen uns an. So erleben wir auch den Besuch bei Rémy. Stell dir vor, es kommen zwei wildfremde Leute unangemeldet bei dir zu Hause vorbei und wollen sehen, was du so machst und wie du lebst. Wir würden zuerst mal sehr argwöhnisch reagieren und ich wette, die meisten von uns würden irgendeinen Vorwand finden, den ungebetenen Besuch wieder fort zu schicken. Das ist uns hier in Gambier nie passiert.

Am Tag nach unserem Besuch bei Rémy auf Akamaru besteigen wir die 58 Meter hohe Nachbarinsel Mekiro und geniessen noch einmal einen fantastischen Rundumblick über das Atoll von Gambier. Ganz weit draussen im Meer wartet unsere Lupina ruhig in den Wellen schaukelnd bis sie wieder in See stechen darf
Weit unter uns liegt unser Dinghi sicher am weissen Sandstrand
Einer von vielen traumhaften Sonnenuntergängen in der Südsee

In den letzten Tagen sind nun öfters prallvolle Regenwolken über Gambier hinweg gezogen. Der Wind hat dabei innerhalb kurzer Zeit alle möglichen Richtungen eingenommen. Zum Glück blieb er die ganze Zeit über nur auf schwachem Niveau, so dass der Anker auch gehalten hat, wenn er in die andere Richtung eingefahren war. Seit heute nun (hat es wohl etwas mit dem Neumond zu tun?) beginnt sich der stabile Passatwind aus Osten durchzusetzen. Obwohl uns der Abschied von Gambier schwer fällt, rufen neue Abenteuer. Unser nächstes Ziel liegt 800 Seemeilen (5 Tage) im Norden von Gambier: die Marquesas Inseln.

Pia sucht den richtigen Wind am Horizont

Morgen Freitag früh (lokale Zeit) lichten wir den Anker und lassen uns von Wind und Welle aus dem traumhaft schönen Gambier Atoll nach Norden tragen. Dort erhoffen wir uns endlich ein Internet, wo Pia ihr seit langem fertiges Video von der Überfahrt von Galapagos nach Gambier hochladen kann. Drücken wir ihr die Daumen!

Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser

Segeln in Gambier (Teil 1)

Wow, wenn wir auf den Kalender schauen, merken wir, dass wir schon mehr als 1 Monat in Gambier sind. Dass wir uns schon länger nicht mehr gemeldet haben, liegt nicht etwa an Langeweile oder Faulheit – im Gegenteil! Wir unternehmen und erleben sehr viel, aber das Internet aus der Zeit vor 2G macht es uns fast unmöglich, euch zeitnah auf dem Laufenden zu halten. Überraschenderweise finden wir zwar bereits am zweiten Tag nach unserer Ankunft ein Internet, das stark und stabil genug ist, unseren Bericht der Pazifiküberquerung hochzuladen. Zu unserer grossen Freude empfangen wir bei dieser Gelegenheit auch viele Mails mit Gratulationen zu unserer gelungenen Überfahrt. Danach fällt aber die Antenne aus, und das ganze Gebiet ist wieder in seiner eigenen, friedlichen Welt. Für das Video der Pazifiküberquerung müsst ihr wohl leider warten, bis wir dann in ein paar Wochen in den Marquesas sind.

Nicht ganz unerwartet erreichen uns viele Fragen von Lesern, die auf der Karte nachschauen wollten, wo wir denn genau sind. So präsentiert sich unsere Route auf Google Earth. Von Gambier sieht man bei dieser Einstellung noch gar nichts – man könnte meinen, wir ankern irgendwo mitten im offenen Ozean. Die Gambier Inseln sind ein 43 Inseln umfassender Archipel östlich des 140. Längengrades im Südpazifik, etwa 1’800 Kilometer südöstlich von Tahiti. Geographisch gehören die Gambier Inseln zum Tuamotu-Archipel, politisch zu Französisch-Polynesien
Erst bei starker Vergrösserung der Karte zeigt sich das Gambier Atoll. Es besteht aus 5 Hauptinseln (Reste eines Vulkanes), die durch ein rautenförmiges Korallenriff umgeben sind. Die längere Diagonale von Norden nach Süden beträgt rund 35km, diejenige von Osten nach Westen rund 27km

Zur Entstehung eines Atolls braucht es einen Vulkan und Korallen. Wenn sich ein Vulkan gebildet hat, beginnt am Übergang von Landmasse zu Meer ein Korallenriff zu wachsen. Meist senkt sich ein Vulkan wieder langsam ab, wenn er erloschen ist. Die Korallen sinken dabei auch ab, aber sie wachsen dabei langsam nach und ihre Spitze bleibt meist immer knapp unter der Meeresoberfläche. Auf den Satellitenbildern von Gambier ist dieses Riff sehr gut erkennbar. Es bildet einen wichtigen Schutzwall für die Inseln und die Menschen, die hier leben. Für den Seefahrer kann so ein Korallenriff aber schnell zur tödlichen Falle werden, wenn er die Einfahrt ins geschützte Atoll nicht findet oder wenn sein Schiff von der oft starken Strömung in der Durchfahrt erfasst und auf das zerklüftete, scharfkantige Riff geworfen wird. Nun, uns ist das zum Glück dank der heute sehr modernen Navigationsmittel nicht passiert. Aber es wird uns wieder einmal bewusst, welche Gefahren die alten Seefahrer auf sich genommen haben, um die Welt zu erkunden. Sie hatten keine Karten, sie hatten keine Wetterdaten. Sie wussten damals noch nicht, wie die globalen Winde verlaufen und erst recht nicht, wo und wie stark die Strömungen verlaufen. Also, ich muss schon sagen, ich habe heute, nachdem wir den Atlantik und einen grossen Teil des Pazifiks überquert haben, einen riesigen Respekt vor den Entdeckern von damals.

Unser Ankerplatz vor dem grössten Ort im Gambier Atoll: Rikitea auf der Hauptinsel Mangareva. Gerade mal etwas mehr als 500 Menschen leben in Rikitea. Auf dem ganzen Atoll verstreut sind es etwa 1’300 Einwohner

Das Tuamotu Archipel besteht aus 76 grösseren Atollen, die sich über rund 1’000 Seemeilen (1’800km) von Südosten nach Nordwesten verteilen. Gambier liegt ganz im Süden und befindet sich am Rande des Zyklon-Gürtels. Vom Dezember bis März muss man auch hier mit diesen Stürmen rechnen. Obwohl Gambier als relativ sicher gilt, werden wir aufmerksam die Wetterlage verfolgen und allenfalls weiter nach Süden «flüchten», falls sich ein Zyklon ankündigt. Aber im Moment herrscht bestes Wetter: tagsüber 30 Grad, in der Nacht kühlt es ab auf 25 Grad, viel Sonne und ab und zu ein Regenschauer.

Die Hauptstrasse durch Rikitea. Am meisten Betrieb herrscht hier am Morgen früh kurz nach Sonnenaufgang, oder am späteren Nachmittag kurz vor Sonnenuntergang. Dann brennt die Sonnen nicht so stark und im Schatten der grossen Bäume ist es angenehm kühl
Entlang der Strasse aus dem Dorf finden sich viele Bäume und Sträucher, die leckere Früchte tragen (hier freut sich Pia über Mangos). Von den Einheimischen erfahren wir, das alles, was nicht auf einem eingezäunten Grundstück wächst, sowie alles auf öffentlichem Grund für die Allgemeinheit bestimmt ist. Wir fühlen uns wie im Schlaraffenland! Mangos, Pampelmusen (Grapefruits), Avocados, Bananen, Kokosnüsse, Litschis, Brotfrucht und vieles mehr in Hülle und Fülle
Anlässlich eines Volksfestes vor ein paar Jahren wurden auch die Einwohner der umgebenden Inseln eingeladen. Zum Dank und zur Würdigung der Einladung haben die Besucher der Osterinseln eine Statue mitgebracht
Nicht nur das Internet ist noch altertümlich. Auch ein Stromzähler (von Landis + Gyr aus der Schweiz!) aus den 1960er Jahren leistet noch seine wertvollen und zuverlässigen Dienste
Haupteinnahmequelle der Einwohner ist heute die Zucht der schwarzlippigen Perlmuschel zur Gewinnung schwarzer Perlen. Der Handel mit schwarzen Perlen wird überwiegend von Hongkong-Chinesen kontrolliert. Als Folge der Perlenzucht haben sich in den letzten Jahren Chinesen, Europäer und Japaner auf den Inseln angesiedelt. Bild: Perlenfarm vor den Ufern von Rikitea
Perlenfarmen im Norden von Mangareva mit dem zweithöchsten Berg, dem Mont Mokoto (423 müM) im Hintergrund
Eines der dunklen Kapitel der katholischen Missionierung in Gambier: ein französischer Priester liess Mitte des 18. Jahrhunderts in seinem Eifer alle traditionellen Götzenfiguren vernichten und entriss den Einheimischen ihre ursprüngliche Religion. In seinem Fanatismus und Grössenwahnsinn führte er sich selber auf wie ein Gott und liess von den Inselbewohnern auf jeder der 5 Hauptinseln aus Korallensteinen eines oder sogar mehrere Gotteshäuser, monumental und krass überdimensioniert, bauen. Die zwangsweise Verpflichtung der Arbeitskräfte für die Grossprojekte entvölkerte die kleinen Gambier Inseln und führte zu Hungersnöten, da die tägliche Nahrungsbeschaffung vernachlässigt wurde. Dies und die Verbreitung von bisher unbekannten Infektionskrankheiten hatte Verelendung und einen drastischen Bevölkerungsrückgang zur Folge. Heute sind die meisten dieser Gotteshäuser am Zerfallen. Im Bild die „Südseekathedrale“ in Rikitea.
Die „Südseekathedrale“ in Rikitea bietet rund 500 Personen Platz
Altar in der Kathedrale. Alle weissen Verzierungen sowie auch das Kreuz sind aus Perlmutt-Muscheln gefertigt
Durchschnittlich 1x pro Woche legt ein Versorgungsschiff von Tahiti in Rikitea an und beliefert die Bewohner des ganzen Atolls mit Lebensmitteln und sonstigem Material
Vom Versorgungsschiff geht die Ware direkt in einen der wenigen lokalen Läden, oder direkt zum Endkunden. Treibstoff kann man zum Beispiel nur in 200 Liter Fässern kaufen. Etwas viel für unser Dinghi. Also tun wir uns mit anderen Seglern zusammen und teilen uns ein Fass, um unsere Reserve Kanister wieder zu füllen.
Beim lokalen Pfarrer und seiner Frau. Sie pflegen ihren Garten mit sehr viel Liebe und versorgen viele von uns Seglern mit leckerem Gemüse, Obst und Früchten
Hochbeete mit Salat und Gewürzen
Wunderschöne Aussicht vom Pfarrersgarten hinunter aufs Ankerfeld vor Rikitea
Nachdem wir bei der Überfahrt fast 3 Wochen auf dem Wasser verbracht haben, jucken uns die Wanderfüsse. Auf der Insel Mangareva gibt es herrliche Wanderwege, die übrigens auch sehr gut unterhalten werden. Hier sind wir zusammen mit Rita von der Schweizer Segelyacht Maramalda unterwegs quer über die Insel von Kirimiro zurück nach Rikitea
Mit Mirko (SY Yum Yum, rechts) und seinem Crewmitglied Nico (links) bilden wir eine Segelgemeinschaft und besegeln ein paar Tage das Atoll. Mirco, auch ein Schweizer (von 21 Booten sind 4 Boote mit Schweizer Crew!) verbringt pandemiebedingt bereits die 2. Saison in Gambier und kennt das Atoll sehr gut. Wir sind sehr froh um seine Tipps und Hilfestellungen. Das macht uns das Ankommen in Gambier sehr viel einfacher und angenehmer
Die Yum Yum (vorne) zeigt uns den Weg durch die seichten Stellen zur Nachbarinsel Taravei. Die Einfahrt zum Ankerplatz ist sehr kritisch und schlängelt sich in einem engen «S» Kurs um ein paar gefährliche Korallenköpfe («Bommies»)
Jeden Sonntag findet auf der Insel Taravei ein Treffen der Segler zum «Potlock» statt. Gastgeber sind die Landbesitzer Merve und Valérie. Sie stellen ihr Gelände (mit Strand, eigens errichtetem Beach-Volleyballfeld und Bocciabahn) zur Verfügung. Unser Schiff liegt sicher vor Anker (oben rechts) und wir landen wie alle anderen mit unserem Dinghi am Strand
Ob man das Wort «Potlock» so schreibt, weiss ich nicht. Was es bedeutet aber schon: sehr viel feines Essen aus verschiedenen Küchen! Schlaraffenland, sag ich euch! Jeder Segler bringt sein Essen mit, stellt es auf den gemeinsamen Tisch und dann wird gekostet und geschmaust 😊😊
Erneut eine Wanderung, diesmal auf der Insel Taravei. Eine wahre Kletterpartie auf einen der höchsten Punkte. Wir würden den Weg alleine nie finden, ein Amerikanisches Seglerpaar kennt aber den Hike und führt uns auf den Berg
Mirko zeigt uns nicht nur den sicheren Weg durch das Labyrinth von Korallenblöcken und Bojen der Muschelfarmer, er zeigt uns auch, wie man am besten eine Kokosnuss öffnet. Von nun an geht es viel schneller und müheloser als mit Köbi’s Hackbeil Methode 😉

Wie das übrige Französisch-Polynesien aussieht und wie sich die Leute und das Leben auf den anderen Archipelen und Atollen anfühlen, wissen wir noch nicht. Nach fast 3 Jahren in der Karibik, wo sich viele Dinge, trotz der vielen unterschiedlichen Kulturen und Sprachen, zu wiederholen begannen, ist nun Gambier eine ganz neue Erfahrung. Wir merken, es geht den Leuten gut hier. Sie sind sehr lebensbejahend, fröhlich und in sich zufrieden. Wir fühlen uns sofort wohl und willkommen. Vom ersten Tag an lassen wir den Niedergang unseres Schiffes Tag und Nacht offen. Wir fühlen uns absolut sicher. Wenn es irgendein Problem gibt, ist jeder für den anderen da. Die Menschen sind ausgesprochen hilfsbereit. So weit weg im unendlichen Pazifik sind die Menschen es gewohnt, zu sich selber Sorge zu tragen und Dinge, die im Überfluss da sind, zu teilen. Und irgendwie schön: diese Lebenseinstellung schwappt auch auf die Seglergemeinschaft über.

Es sind rund 20 Schiffe hier auf Gambier. Davon sind die meisten Pandemie bedingt schon länger in Französisch-Polynesien. Schon am ersten Morgen nach unserer Ankunft finden wir in unserem Cockpit ein frisches Baguette (Brot) und erhalten feine Früchte, die andere Segler uns am frühen Morgen bringen. Das Leben tickt hier übrigens eher nach Pia’s Uhr als nach meiner: der Tag beginnt mit dem Sonnenaufgang um 5 Uhr in der Früh. Die Läden öffnen bereits vor 6 Uhr. Frisches Brot aus der Bäckerei ist oftmals nach 7 Uhr bereits ausverkauft. Kurz nach Sonnenuntergang um 19 Uhr wird es ruhig und still im Dorf und auf den Inseln. Die Leute gehen früh schlafen.

Die ersten beiden Wochen sind wir einfach einmal angekommen. Wir haben uns mit unserer Umgebung vertraut gemacht, haben uns eingerichtet und organisiert. Danach beginnt uns wieder die Unternehmungslust zu jucken. Und es gibt viel zu tun! Die einzelnen «Motus» – Koralleninseln – eingerechnet gibt es über 43 Inseln verteilt auf die 450 Quadratkilometer grosse Lagunenfläche.

Wir ankern zusammen mit der SY Yum Yum im Südosten vor dem Motu «Kouaku». Das Navigieren durch die korallenbespickte Lagune erfordert viel Aufmerksamkeit. Unsere Navionics Seekarten sind in diesem Gebiet ausgesprochen genau (was sie in Panama überhaupt nicht waren). Zudem haben wir eine App (OpenCPN), mit deren Hilfe wir offline Satelliten-Bilder und unsere GPS-Position überlagern können. Das hilft uns beim Navigieren sehr. Natürlich sind wir besonders bei unseren ersten Ausflügen froh, dass wir auf die lokalen Kenntnisse von Mirko (SY Yum Yum) zählen dürfen
Das Ankern im Korallengelände erfordert eine spezielle Technik. Damit die Kette nicht über die Korallen schleift, diese zerstört und sich darin verfängt, müssen wir dafür sorgen, dass die Kette darüber «schwebt». Das bewerkstelligen wir mit Fendern oder anderen Schwimmkörpern (wir verwenden mittlerweile Bojen, die sich von Fischernetzen und Perlmuschelzuchten losgerissen haben und an Land gespült wurden). Zuerst setzen wir den Anker in einem offenen Sandfeld ab und fahren ihn provisorisch ein. Danach geben wir nach und nach mehr Kette und schäkeln im Bereich von Korallen die Bojen in die Kette. Auf dem Bild ist gut zu sehen, wie Lupina direkt über einem Korallenfeld schwimmt (das Wasser darüber ist ungefähr 4 Meter tief). Links 2 Bojen (Pfeil) die verhindern, dass die Kette die Koralle berührt, wenn Lupina noch etwas mehr nach rechts driftet
Schrecksekunde für den Drohnenpilot in luftiger Höhe! Eine rasche Flucht nach oben hat unsere Drohne vor dem neugierigen Fregattvogel gerettet. Schön zu sehen: oben das offene Meer, das sich an der Riffkante bricht und aufgestoppt wird. Danach folgt meist eine flache Zone (Wassertiefe 0-1 Meter) bis zum Motu (Sandinsel). Hinter dem Motu fällt die Wassertiefe ab auf 5-10 Meter. In diesem Bereich gibt es grosse Korallenköpfe, das Waser ist meist glasklar und das Schnorcheln einfach fantastisch!
Abendstimmung auf dem Motu Kouaku
Abschied von Mirko und Nico (SY Yum Yum). Sie zieht es rund 800 Seemeilen weiter nördlich auf die Marquesas Inseln (immer noch Französisch-Polynesien). Gute Fahrt euch Beiden und auf bald in den Marquesas!
Pia’s Geburtstag. Wir erhalten spontan eine Einladung zum Nachtessen vom Schweizer Ehepaar Rita und Daniel (SY Maramalda). Sie sind letztes Jahr mit ihrer Hallberg-Rassy 43, einem identischen Schiff wie unsere Lupina, via das Cap Horn nach Gambier gesegelt. Es gibt viel zu plaudern über Segeln, Schiff und Familien 😉
Pia’s Geburtstag spricht sich herum! Von Daniela und Rolf, einem weiteren Schweizer Seglerpaar auf Gambier (SY Yelo) wird Pia mit einem traditionellen Kopfschmuck beschenkt. Daniela hat die Kunst des Blumenflechtens in Französisch-Polynesien gelernt
Aussicht beim alten Leuchtturm am westlichen Ende der Insel Aukena
Auf der Insel Aukena treffen wir Pakoi, einen rund 60-jährigen Mann. Er hat mit 55 Jahren aufgehört zu arbeiten und ist von seinem Wohnort Rikitea auf Mangareva auf die Nachbarinsel ausgesiedelt. Er lebt hier, nach eigenen Angaben, in totalem Frieden mit sich und der Umwelt. Wir sind fasziniert von ihm. Er strotz vor Lebensfreude und winkt uns schon von Weitem zu, als wir uns mit dem Dinghi nähern. Ohne, dass wir ihn darum fragen müssen, zeigt er uns die nahe gelegene Kirche, seinen gut eingezäunten Garten mit feinen Früchten und Gemüse, seine Behausung (den Blechverschlag rechts vom Bild – man beachte auch den sauber gewischten Boden davor!) und die Schlachtbank für die Schweine (direkt hinter Pakoi). Pakoi züchtet Schweine, die er in freier Natur aufwachsen lässt. Diese verkauft er in Rikitea für umgerechnet 10 Dollar pro Lebendkilo. Gutes Geld, das ihm für seine Bedürfnisse reicht. Beim Abschied werden wir üppig mit Bananen, Mangos, Papaya und einer grossen Brotfrucht beschenkt. Am nächsten Tag fahren wir noch einmal hin und bringen ihm ein T-Shirt und eine Dose Bier aus Panama. So herzlich haben wir kaum je einen Mann lachen gesehen. Eine wunderschöne, eindrückliche Begegnung!
Kulturfest in Rikitea. Nicht für uns Touristen – nein, für sich selber. Einige Tage im Vorfeld sehen wir überall Kinder, die von Erwachsenen in die Kunst des Tanzens, Musikinstrument Spielen oder traditionellen Handwerkens (im Bild das Flechten von Kränzen und Kleidern aus Bananen- und Palmblättern) eingewiesen werden
Tag des Kulturfestes: ein Teil der Festküche mit seiner fröhlichen Crew
Kulturfest Abendunterhaltung der Schüler (es hat etwa 200 Schüler in Rikitea!!) in der grossen Sporthalle. Eintritt frei für alle
Der Valentinstag wird am Sonntag davor (am Tag nach dem Kulturfest) mit einem Bankett für die Bevölkerung gefeiert. Wir erfahren zu spät, dass man sich dafür anmelden muss, und die Tische sind bereits vergeben, als wir uns einschreiben wollen. Dafür hat es für den Wohltätigkeitslauf noch Platz. Kurzer Entscheid, und ich schreibe mich und Pia kurzerhand für diesen als Paarlauf durchgeführten 3km langen Wettkampf ein. Das Startgeld beträgt pro Person 25 Dollar, Geld, das für gute Zwecke in der Schule eingesetzt wird. Schlussendlich sind wir 5 Personen, welche die Schweizerfahne vertreten: (von links): Daniel und Rita (SY Maramalda), die Lupina Crew Köbi und Pia, und Daniela (SY Yelo)
Freude und Überraschung sind gross: von 39 Paaren laufen wir (mit Flip-Flops – wohlgemerkt! die Anmeldung war ja spontan und wir hatten keine Sportausrüstung dabei) unter die ersten 10. Genauen Rang und Zeit kennen wir nicht, denn statt eines Rangverlesen werden am Schluss unter den Teilnehmern Preise ausgelost

So, bis hierhin schreib ich mal und versuche, Bilder und Text ins Internet zu stellen. Mit viel Glück und Geduld wird es klappen. Weitere Bilder von Bergbesteigungen, Schnorcheln mit Haifischen und fröhlichen Menschen folgen im nächsten Bericht.

Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser

3’000 Seemeilen von Galapagos nach Gambier – unser längster Segeltörn

Galapagos – Gambier (Französisch-Polynesien): 3’000 Seemeilen durch einen der einsamsten Ozeane der Welt. Hier führen keine Transportwege durch, Frachtschiffe werden wir bald keine mehr zu sehen bekommen. Andere Segler sind zurzeit nicht unterwegs, in Galapagos haben wir jedenfalls kein einziges Schiff gesehen, das nach Gambier segelt. Wir sind auf uns alleine gestellt, niemand kann uns zu Hilfe kommen, wenn uns mitten unterwegs etwas passieren sollte, nicht mal ein Flugzeug. Die Distanzen sind zu gross. 3’000 Seemeilen – es wird die längste Strecke unserer Segelreise sein.

Seit Tagen bereiten wir uns auf die lange Reise vor: das Rigg wird gründlich inspiziert, 2 Wanten noch etwas nachgezogen, Unterwasserschiff geputzt, Motor gewartet, Wasserversorgung geprüft, etc. Pia sorgt dafür, dass wir für gut 30 Tage Proviant haben. Wir rechnen mit 20-25 Tagen Überfahrt, aber etwas Reserve ist immer gut!

Du bist noch nie gesegelt und kannst dir nicht vorstellen, wie das ist, so eine lange Überfahrt? Stell dir vor, du dürftest für die nächsten 3 Wochen in deiner Wohnung nur etwa 25 Quadratmeter nutzen, also etwa die Küche und das Wohnzimmer. Fernseher, Telefon – funktioniert nicht. Du zusammen mit einem/r Partner/in. Rausgehen kannst du nicht. Besuch und Kontakt zu anderen Leuten gibt es nicht. Du musst Strom und Wasser sparen. OK, du hast viel zum Lesen und diverse Spiele, um dir die Zeit zu vertreiben. Das ist die Ausgangssituation. Und jetzt geht es los: deine Wohnung wird auf einen Rütteltisch gestellt und wird fortan hin und her geschaukelt, gerollt, von oben nach unten und wieder hochgehoben und in alle Lagen schief gestellt. Zudem sitzt jemand auf deinem Dach und macht dauern Lärm und vom Keller tönt es wie in einer Waschmaschine. Essen hast du genügend, aber es fällt dir dauernd vom Teller. Auch Bier und Wein hast du wie im Schlaraffenland, aber du rührst keinen Tropfen davon an. Kannst du dir das vorstellen? 3 Wochen lang! Perfekt, dann bist du dabei!

Am 27.12.2021 ist es soweit. Wir sind Beide etwas aufgeregt (ich etwas mehr als Pia), haben nur kurz geschlafen vor lauter Reisefieber. Am Morgen noch das ordentliche Frühstück, dann alles lose Gut am Schiff noch sorgfältig festgezurrt oder verstaut. Um 10 Uhr muss ich fürs Ausklarieren mit unseren Pässen zum Agenten. Zu Fuss geht’s zur Immigration und in wenigen Minuten sind die Stempel im Pass. Der Agent hat alles perfekt vorbereitet, ich selber muss kein einziges Formular ausfüllen.

Nach einem letzten feinen Galapagos Kaffee (stilgerecht in der Vulkantasse) geht es endgültig aufs Wasser, zurück auf die Lupina
Um 11 Uhr kommt der Vertreter des Agenten mit Armada, Policia Nacional und Biosecurity im Schlepptau vorbei. Es wird überprüft, ob wir irgendwelchen Verbrechern (soll es angeblich auf Galapagos aber keine geben) Fluchthilfe leisten, oder einheimische Pflanzen oder Tiere mitnehmen wollen. Die Inspektion ist gründlich aber sehr freundlich. Nach 30 Minuten erhalten wir unseren Internationalen Passierschein, und wir sind ausklariert
Nachdem auch noch, wie von der Französisch-Polynesischen Behörde verlangt, eine Kopie des Passierscheines sowie ein selbst auszufüllender Gesundheitscheck elektronisch nach Gambier übermittelt ist, lichten wir den Anker und los geht’s. Letzter Blick zurück Richtung Port Ayora. Vor uns liegen fast 3’000 Seemeilen (5’550 Kilometer, die Strecke von Zürich nach New York) offenes Meer

Tag 1: Am Anfang heisst es, aus dem Ankerfeld hinaus um die Riffe herum aufs offene Wasser hinauszuzufahren. Dazu brauchen wir den Motor. Aber kurz danach können wir bereits den Kurs nach Gambier absetzen. Segel hoch – Motor aus – wir sind unterwegs! Nachdem wir an Santa Cruz vorbei sind, dreht der Wind aber in westliche Richtung, und wir müssen eine leichte Kursänderung vornehmen, die uns nördlich der kleinen Vulkaninsel Tortuga vorbeibringt. Macht nichts, geht auch.

Flache See, leicht bewölkter blauer Himmel und Wind – was will der Segler mehr?! Wir haben unser Dinghi übrigens seit Panama für diese langen Überfahrten (Panama – Galapagos – Gambier) vorne auf dem Schiffsdeck verstaut. Normalerweise haben wir es hinten an Trägern (Davids) aufgehängt. Die Gefahr dabei ist, dass eine grosse Welle überschwappt ins Dinghi. Diese möglicherweise mehrere hundert Kilogramm schwere zusätzliche Last kann die Träger überlasten und im schlimmsten Fall abreissen. Für kurze Törns hat man bessere Wettervorhersagen und kann seine Route anpassen und das Risiko managen. Für die langen Törns gibt es keine Wettervoraussage für die ganze Dauer

Tag 2: Ein herrlicher Segel Tag: Die Wellen sind zwar noch etwas nervös im Inselgebiet, aber je weiter wir davon wegkommen, desto flacher wird die See. Die Nacht verläuft ruhig, obwohl zeitweise der Wind sehr schwach wird (weniger als 5 Knoten auf das Schiff). Zum Glück ist das Meer flach und die Segel schlagen nicht – so geht’s trotzdem unter Tuch weiter. Tagsüber nimmt der Wind zu (meist zwischen 8-10 Knoten) und wir machen schöne Fahrt. Am späteren Nachmittag geraten wir mitten in eine riesige Gruppe von Delphinen, die gerade am Jagen ist. Es spritzt, hüpft und quietscht um uns – aber keines der Tiere scheint an uns Interesse zu zeigen.

Das richtige Segelwetter zum Fischen. Ein feiner Mahi-Mahi oder so wäre eine willkommene Auflockerung unseres Speiseplanes. Leider findet kein Fisch den Weg zum Haken ☹

Tag 3: Nach einer wiederum ruhigen Nacht werden wir beim Frühstück durch eine Gruppe Buckelwale begrüsst, die vor uns durch Richtung Norden ziehen. Tagsüber legt dann der Wind leicht zu auf 10-13 Knoten in einem Winkel von 45-50° auf das Schiff. Ideal! Und der Pazifik zeigt sich von seiner braven Seite, die Wellen bleiben angenehm flach. Die Lupina kommt so richtig in Fahrt und wir erreichen ein ETMAL (= Seemeilen innerhalb 24 Stunden) von sehr guten 162 Meilen.

Die Crew hat gute Laune – und immer eine Hand für das Schiff 😉

Tag 4: Eine sternenklare Nacht. In meiner Schicht ab Mitternacht beschäftige ich mich mit dem Beobachten der Sternenbildern, die ich bereits kenne, und dem Bestimmen von ein paar Neuen. Der abnehmende Mond geht erst spät auf. In der Dunkelheit ist gut das viele Leuchtplankton ersichtlich, welches durch Wasserbewegungen zum Leuchten angeregt wird. Der Wasserwirbel von Ruder und Rumpf unserer Lupina hinterlässt einen wahren Feuerschweif im Kielwasser.

Voll gesetztes Genua und Grosssegel, die Lupina macht richtig gute Fahrt

Tag 5: Heute ist Silvester. Natürlich ist für den Jahreswechsel auch eine Flasche «Schampus» an Bord. Wir wissen nur nicht, wann öffnen und anstossen. Wir meinen, wir könnten das Kredenzen des edlen Saftes unterteilen: ein erstes Mal, wenn unsere Familien und Freunde zu Hause in der Schweiz feiern, und ein zweites Mal, wenn es bei uns soweit ist. Aber hier sind wir nicht sicher, welche Zeit gilt, wo wir gerade sind. Ist es noch Galapagos Zeit, oder schon eine Stunde später. Pia kommt mit der salomonischen Lösung: wir Verschieben den Genuss der Flasche auf unsere Ankunft in Gambier. Der Skipper will aufmaulen, aber ihm ist nicht entgangen, dass das Meer sehr ruppig geworden ist und der Wind mit 20-23 Knoten auf das Schiff doch kräftig ist. Da kann immer etwas passieren, oder es müssen Segel neu gestellt werden. Da braucht es einen klaren Kopf. Und so wird der Wunsch der Skipperin zum Befehl 😉. Ein guter Entscheid! Denn noch vor Einbruch der Dunkelheit bläst der Wind noch etwas stärker und wir können die Genua nicht weiter reffen. Das Schiff rollt und krängt in den 2 Meter hohen Wellen sehr unangenehm. Wir rollen die Genua ein und setzen stattdessen das viel kleinere Fock Segel. Nun ist es deutlich besser und wir verlieren trotzdem nicht viel an Fahrt, machen immer noch knapp über 7 Knoten im Schnitt.

Sonnenuntergang auf hoher See

Tag 6:  Neujahr! Hurra, wir haben es am Vortag nicht mal bemerkt und erst als wir das Logbuch nachtragen, sehen wir es: am frühen Abend des 31.12.2021 haben wir mit der Lupina bisher 15’000 Seemeilen zurückgelegt. Nicht viel, aber ordentliche und zum Teil recht anspruchsvolle Strecken. Wenn wir noch unsere Fussmeilen dazu nehmen würden, dann wären wir bei den «Meilenfressern» vorne mit dabei 😊. Wir machen auch am heutigen Tag trotz reduzierten Segeln sehr gute Fahrt und erreichen auf dieser Reise einen neuen ETMAL Bestwert von 177.2 Seemeilen.
Erklärung «Meilenfresser»: Langfahrtensegler, die ihre Zeit hauptsächlich mit Segeln verbringen und weniger Interesse haben an Land und Leuten. Sie umrunden den Globus zum Beispiel in durchschnittlich 2-3 Jahren (Quelle: Köbipedia)

Die Nachtschichten teilen wir uns auf. Pia übernimmt den ersten Teil bis Mitternacht, ab Mitternacht bis Morgenessen ich. Die Aufgabe der Wache besteht darin, regelmässig einen Rundumblick zu machen um allfällige Lichter auf dem dunklen Ozean zu erspähen. Schiffe mit AIS (Automatische Schiffs Identifikation) kann man auch auf dem Bildschirm erkennen. Weitere Pflichten sind, Wind und Wetterentwicklung zu beobachten um allenfalls rechtzeitig Segelstellungen anpassen zu können. Ansonsten gibt es viel Zeit zum Dösen oder Lesen (ein Wecker sorgt alle 30 Minuten dafür, dass man wieder seinen Pflichten nachgeht)

Tag 7:  Ein toller Segel Tag! Die Wellen sind moderat, der Wind genau richtig und wir kommen sehr gut voran.

Heute sehen wir solche Wolken nur kurz und aus gebührender Distanz. Die meiste Zeit ist blauer Himmel angesagt

Tag 8:  Auch dieser Tag verläuft entspannt und bei herrlichen Verhältnissen. Gegen Abend nehmen Wind und Wellen zu, aber wir können die ganze Zeit unter vollen Segeln laufen. Wir machen ein tolles ETMAL von 181.8 Seemeilen.

Unser Schiff wird die ganze Zeit automatisch gesteuert, durch den sogenannten Autopiloten. Den kann man so programmieren, dass er entweder einem vorgegebenen Kurs folgt, oder dem Wind. Diese Bordelektronik, die Steuerung, Radar und GPS, all diese Instrumente brauchen Strom. Dieser Wird von drei 12 Volt Batterien mit einer Kapazität von total 750Ah geliefert. Damit diese nicht leerlaufen, müssen wir dauernd nachliefern. Bei uns geschieht das hauptsächlich über Solarpaneelen, die wir seitwärts am Schiff angebracht haben (Bild). Dazu haben wir einen Windgenerator, einen Dieselgenerator und für den Notfall den Hauptmotor

Tag 9:  In der Nacht hat der Wind etwas abgenommen und nach hinten (achterlich) gedreht. Tagsüber bleibt es stark bewölkt, und der Wind nimmt nicht wieder zu. Die Genua wird von hinten durch das Grosssegel vom Wind abgedeckt und flattert in solchen Situationen heftig. Mit dem Spi-Baum spannen wir die Genua nach aussen, so bleibt das Tuch besser gestreckt und flattert nicht.

Mit dem «Spi-Baum» (lange Stange in der Bildmitte) wird vor allem bei Winden von hinten das Genua Segel vom Schiff weg nach aussen gehalten, um dem Wind eine möglichst grosse Fläche entgegen zu stellen. Der Spi-Baum ist dabei aussen am Ende der Genua fixiert, und innen am Mast des Schiffes

Grosser Schreck am Abend. Da heute die Sonne nicht scheint (Solarpaneelen) und der Wind schwach ist (Windgenerator), wollen wir den Dieselgenerator starten. Aber der macht keinen Wank! Die Startautomatik läuft zwar ganz normal durch das Prozedere durch, aber der Anlasser dreht nicht, macht keinen Wank, kein Geräusch. Ich schliesse schnell auf einen Kabelbruch, quetsche mich in den engen Motorraum und mach mich auf die Suche. Alles ist normal und das Voltmeter zeigt nirgends ein gebrochenes Kabel. Über Mail (Satellit) frage ich 3 mir gut bekannte Mechaniker an, ob ich den Anlasser direkt von der Batterie mit Strom versorgen kann, ohne einen Folgeschaden zu erzeugen. «Das geht» ist die rasche Antwort. Noch während ich mir ein Kabel bastle, kommt mir in den Sinn, dass ich als Kind Chauffeure und Bauern gesehen habe, die ihren Anlasser mit einem Hammer traktiert haben, wenn er nicht wollte. Ich versuch’s mit leichtem Klopfen auf den Magnetschalter – und siehe da: er läuft wieder!!

Köbi muss sich klein machen, aber er passt in den Motorraum 😊

Tag 10:  Mit dem «reparierten» Generator (ich muss das unterwegs in der Folge noch mehrere Male machen) haben wir in der Nacht 2 Stunden lang Strom produziert und dabei gleichzeitig mit dem Wassermacher (der auch Strom braucht) Trinkwasser ergänzt. Es läuft perfekt! Wir sind weiterhin schnell unterwegs und die Moral der Crew ist unverändert gut. Der Wind nimmt tagsüber leicht zu, ist aber mit rund 17 Knoten auf das Schiff immer noch im Grünen Bereich. Was uns eher zu schaffen macht ist die nervöse Welle, die sich gegen Abend eingestellt hat und immer höher wird. Immer häufiger wirft sie Lupina aus ihrem schnellen Trott und bringt uns heftig zum Rollen. So heftig, dass der Spi-Baum droht, in die Wellen zu tauchen. Sicherheitshalber reduzieren wir die Genua, was das Ende des Baumes noch oben und nach vorne bringt.

Schon als Kind haben wir gelernt: gute Moral beginnt mit gutem Essen! Wir haben genügend Früchte, Obst und Gemüse an Bord, um uns gesund zu ernähren. Und mittlerweile haben wir uns ans Rollen und Schaukeln gewöhnt, und die Seekrankheit kann Pia dieses Mal nichts anhaben 😉

Tag 11: Die Nachtfahrt ist recht ruppig. Die gut 3 Meter hohen Wellen bringen uns immer wieder ins Schlingern und Rollen. Aber mittlerweile ist alles auf der Lupina so verstaut, dass es kaum mehr scheppert und poltert. Die meiste Zeit steuern wir mit dem Autopiloten «auf Kurs», das heisst, auf dem kürzesten Weg nach Gambier. Wenn in der Nacht der Wind sich stark verändert, zum Beispiel zu weit von der Seite kommt, oder zu weit von hinten, beginnt die ausgebaumte Genua zu flattern und zu schlagen. Um das Segel dem Wind anzupassen, müssten wir an Deck gehen. Das machen wir in der Dunkelheit nicht, sondern stellen den Autopiloten auf «Steuerung nach Wind» ein. Dieser steuert den Kurs des Schiffes dann so, dass der Wind immer mit dem gleichen Winkel auf das Schiff kommt. Verändert sich also die Windrichtung, dann verändert sich auch der Kurs. Dies ist besonders am heutigen Tag sehr hilfreich, da wir mehrere solche Windveränderungen durchmachen.

Für die heutigen Strapazen werden wir mit einem herrlichen Sonnenuntergang belohnt

Tag 12: Heute werden wir durch einen heftigen Squall in den Tag empfangen. Ein Squall ist eine Regenfront, die vom Wind übers Meer getrieben wird. Tagsüber sieht man sie gut, in der Nacht hilft das Radar. Wenn ein Squall vorbeizieht, steigt der Wind zuerst für ein paar Minuten markant an. Heute Morgen von 15 Knoten auf rund 40 Knoten. Wir haben ihn sehen kommen und das Grosssegel deutlich gerefft und dann den Wind abgeritten. «Abreiten» heisst in diesem Fall, wir ändern den Kurs so, dass der Wind fast von hinten kommt. So bleibt das Schiff schön aufrecht und die Windkraft verteilt sich gut auf die Segel. Nach ein paar Minuten beginnt es bei einem Squall dann heftig zu regnen, gleichzeitig fällt der Wind zusammen. Ist dann der ganze Spuk vorbei, nimmt der Wind wieder zu auf die ursprüngliche Stärke. Obwohl wir am heutigen Tag mehrere Squalls abwettern müssen, bleibt die Lupina schnell: wieder ein hohes ETMAL von 181 Seemeilen.

Eine grosse Wolke baut sich hinter uns auf – ein Squall könnte entstehen
Die Wolke kommt bedrohlich näher. Bereits sieht man den heftigen Regenschauer unter ihr. In dieser Phase beginnt die Windstärke zwischen 10-20 Knoten zuzunehmen
Und wenn die Wolke über dem Schiff ist, beginnt es wie aus Kübeln zu giessen. Jetzt lässt der Wind deutlich nach, meist sogar weniger, als vor dem Squall
Je nach Wolkengrösse kann das ganze Schauspiel einige Minuten oder bis zu einer Stunde dauern. Aber irgendeinmal bläst der Wind Wolke und Regen weg und nicht selten bleibt ein wunderschöner Regenbogen

Tag 13: Nach einer ereignislosen Nacht überrascht uns beim Morgenessen ein AIS Signal. Kurz darauf ein zweites und nach ein paar Minuten insgesamt 6 AIS Signale. So viele Schiffe so weit draussen im Niemandsland?

Die sechs AIS Signale (schwarze Dreiecke) um uns herum. Sie scheinen in irgendeiner Formation zu fahren. Wobei, als wir uns die Daten ansehen stellen wir fest, dass sie sich nur sehr langsam bewegen

Wir werden neugierig, schauen uns die Informationen im Computer an. Alles Schiffe mit komischen Bezeichnungen, meist irgendwelche Zahlenkombinationen. Obwohl wir bei einem dieser Punkte in einer Distanz von nur einer halben Meile vorbeifahren, sehen wir kein Schiff! Wir nehmen unser Fernglas schauen genauer hin, und sehen immer noch nichts. Was kann das sein? U-Boote auf einer Manöverfahrt? Eines der Signale ist Koreanisch oder Chinesisch angeschrieben. Ich versuche, sie per VHF Funk aufzurufen, erhalte aber keine Rückmeldung. Ein Indiz mehr, dass es eine militärische Übung sein könnte. Wir erfahren es nicht. Ich mach einen Eintrag im Logbuch und weiter geht die Fahrt – ohne Torpedo Beschuss 😊. Wir erreichen heute, fast genau 13 Tage nach der Abfahrt, 2’000 Meilen. Zwei Drittel der Strecke geschafft!

Tag 14: Endlich werden die Temperaturen etwas wärmer. Bisher war es in der Nacht immer 20, 21 Grad. Jetzt sind es doch immerhin 24 Grad und die Nachtwache ist so sehr angenehm. Mittlerweile ist der Sonnenaufgang um 7 Uhr 40 (Bordzeit) also schon mehr als anderthalb Stunden später als noch in Galapagos. Das bedeutet auch, dass die Sonne später untergeht. Nun ist es bis 9 Uhr abends hell. Gegen Abend kommen wir wieder an vielen AIS Punkten vorbei. Diesmal aber sehen wir zumindest ein Schiff. Es ist deutlich als Fischerschiff zu erkennen. Aber wo sind die 3 Begleitboote, die zwar auf dem Bildschirm zu erkennen sind, nicht aber auf dem Wasser? Uns dämmert es! Die U-Boote vom Vortag dürften mit AIS bestückte Bojen der Fischer sein. Damit markieren sie ihre Netze und könne sie dann später per GPS wieder orten. Wir kriegen Gänsehaut beim Gedanken, dass wir gestern mitten durch so ein Feld von Netzen durchgefahren sind. Wir haben von vielen Schiffen gelesen, dass sie unterwegs in einem Netz hängen geblieben sind. Offenbar hatten wir einen guten Schutzengel 😉

Ansonsten verläuft dieser Tag ereignislos. Während ich beginne, am Reisebericht zu werkeln, beginnt Pia mit dem Schnippeln und Filmen des nächsten Videos

Tag 15: Die Tage beginnen sich zu gleichen. Auf der Lupina ist längst Routine eingekehrt. Jeder Handgriff sitzt und wir lösen uns ohne festen Plan gegenseitig beim Wache Schieben im Cockpit ab. Wir schlafen viel und fühlen uns sehr gut. So könnte es noch lange weiter gehen. Erwähnenswert vielleicht: die Häufigkeit der Squalls und die Intensität des Regens scheint zuzunehmen, je weiter wir westwärts kommen. Unsere Lupina freut sich über die Frischwasserduschen

Regen und Sonnenschein wechseln sich häufiger ab

Tag 16:  Der heutige Tag beginnt mit einem wunderschönen Sternenhimmel. Der Mond geht kurz nach Mitternacht unter und gibt ein prächtiges Funkeln und Glitzern am Sternenhimmel preis. Leider dauert es nicht lange. Bis zum Morgengrauen überfahren uns 5 grössere Squalls. Die Kleinen zählen wir schon gar nicht mehr. Und dann stellt der Wind ab. Nicht ganz, aber auf eine Stärke, bei der die Segel nicht mehr stehen und bei den heftigen Wellen (2-3 Meter hoch) laut und nervig schlagen. Wir rollen das Grossegel komplett weg, erhalten dadurch etwas mehr Druck in die Genua und kriegen so das Flattern der Segel in Griff. Den ganzen Tag und die kommende Nacht schleicht die Lupina wie halb lahm ihrem Ziel entgegen.

Hohe Wellen lassen uns in alle Richtungen rollen. Gleichzeitig schieben sie uns aber trotz schwachem Wind Richtung Westen

Tag 17: Nach Mitternacht nimmt der Wind zu, wir setzen das Gross wieder, es steht. Ab jetzt geht es recht zügig voran. Ab und zu setzen wir den Autopiloten auf Windsteuerung, aber meist können wir direkt der Route folgen. Der Himmel ist zu. Ab und an ein heftiger Regenschauer, aber wir machen wieder gute Fahrt, das ist die Hauptsache. Es scheint, dass wir dem Schwachwind entronnen sind. Das Ziel fliegt näher. Es wird Zeit, dass wir uns mit der Ankunft zu beschäftigen beginnen. Wenn der Wind so bleibt, können wir in 2 Tagen am Ziel sein.

Heute erlebt Pia wieder einen fantastischen Sonnenuntergang (Köbi ist am Vorschlafen, um 21 Uhr Bordzeit muss er mit der Anixi funken)

Tag 18: Wir rechnen hin und her und sind sicher, dass wir es am nächsten Tag schaffen können. Um Mitternacht trennen uns nur noch 280 Seemeilen von Gambier. Durch die Zeitverschiebung werden uns noch 3 Stunden geschenkt. Also volle Pulle weiter! Der Wind ist gut und wir kommen den ganzen Tag über sehr gut voran. Bereits am Vormittag nehmen wir Tempo raus und rollen das Grosssegel komplett weg. Wir sind bester Laune. Einzig über den Namen «Pazifik» müsste man sich mal unterhalten. Sooo friedlich und still ist er bei Weitem nicht. Auch heute wieder schüttelt und rüttelt er uns heftig durch. Von hinten wälzt sich eine rund 4 Meter hohe, gemächliche Passatwind Welle unter uns hinweg. Diese alleine wäre ok. Aber darüber gelagert kommt eine kleinere Welle von Norden. Und die bringt uns immer wieder stark ins Rollen, stellt uns quer zur Passatwelle oder klatscht sich voll an die Breitseite. In der Dunkelheit der Nacht keine Chance, das auszusteuern. Eine dieser hochschwappenden Wellen reisst einen Teil der Halterung des Rettungsringes ab. Nichts Schlimmes. Die Halterung besteht aus einem Stoffstreifen, der mit Klettverschluss an der Reling fixiert ist. Der Stoff ist vom brutalen UV-Licht der Sonne spröde geworden uns ist gerissen. Wir fixieren den Rettungsring provisorisch mit einer dünnen Leine. Ein Job für Pia’s To-Do Liste.

Auch heute verschonen uns die Regenstürme nicht

Tag 19:  Schon kurz nach Sonnenaufgang lösen sich die Umrisse der höchsten Berge von Gambier aus dem Dunst. «Laaaaand in Siiiiiicht» rufe ich inbrünstig und voller Begeisterung in den Schiffbauch hinunter, wo sich Pia nach ihrer Wache immer noch im Tiefschlaf befindet. Ich habe sie noch selten so schnell aus dem Lee-Bett hüpfen sehen. Gemeinsam geniessen wir im Cockpit den wunderbaren Moment.

Es ist Zeit, die Flagge des Gastlandes (Französisch-Polynesien) und die Gelbe Q-Flagge zu setzen

Wir haben es geschafft!! Aber halt – noch nicht ganz! Nun folgt der Teil, der schon vielen Seefahrern vor uns zum Verhängnis wurde: nach einer langen Fahrt über den Ozean die sichere Einfahrt in das mit Korallenköpfen bespickte Atoll zu finden. Zum Glück hat man heute GPS und Satelliten Bilder. Noch sind wir unter Segel. Erst kurz vor der Einfahrt starten wir den Motor, rollen die Genua weg und lassen uns in der Brandung der wallenden Meereswogen durch den Pass im Riff ins Atoll tragen. Der Weg ist gut markiert und wir finden unseren Ankerplatz zügig und ohne Probleme. Und welch eine schöne Ankunft: beim Einfahren werden wir von allen Seiten durch Crews bereits hier liegender Yachten beglückwünscht und willkommen geheissen. Wir sind überrascht und stark berührt. So haben wir das noch nie erlebt. Was für eine schöne Geste. Es befinden sich 16 Boote vor Anker. Unglaublich, aber 3 davon sind Schweizer Boote (aber mehr dazu im nächsten Bericht). Am Freitag, 14. Januar 2022, genau 18 Tage und 1.5 Stunden nachdem wir den Anker in Galapagos gehoben hatten, gräbt er sich nun wieder fest in den Meeresgrund ein. Motor aus und eine innige Umarmung der Crew: wir haben es geschafft!!

Der erste Besucher an Bord: der Schweizer Mirko von der Segelyacht YumYum. Ihn haben wir erstmals in Grenada getroffen, dann kurz in Bonaire. Er ist schon seit fast 2 Jahren in Französisch-Polynesien und hat uns bereits ein paar gute Tipps gegeben

Statistik:
– Totale Distanz durchs Wasser:  2’953 Seemeilen
– Reisedauer:  18 Tage 1.5 Stunden
– Durchschnittliche Geschwindigkeit:  6.8 Seemeilen/Stunde
– Durchschnittliches ETMAL:  163.5 Seemeilen/Tag
– Minimales ETMAL:  114.8 Seemeilen am 28.12.2021
– Bestes ETMAL:  181.8 Seemeilen am 3.1.2022

Ein untrügliches Zeichen, dass wir angekommen sind: unsere Bettwäsche kann wieder mal ausgiebig gelüftet werden 😉

Wie das Einklarieren verläuft, wen wir alles bereits an unserem ersten Tag antreffen und wie es uns weiter ergeht auf Gambier, davon erzählen wir im nächsten Bericht. Nun müssen wir uns zuerst mal auf die Suche nach einem Internet und WiFi Signal machen 😉

Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser