Stell dir vor, jemand stellt dein Haus schief. Gerade etwa so weit, dass Teller und Gläser noch auf dem Tisch stehen bleiben. Dann kommt noch einer, der rüttelt dauernd noch ein wenig rauf und runter und ein Dritter, der das Ganze immer noch ein wenig auf alle Seiten kippt, wie beim Geschicklichkeitsspiel, wo man eine Kugel durch ein Labyrinth in ein Loch befördern soll. Und hast du dann den Trick so langsam raus, alles in deinem Haus schön auf eine Seite geräumt, dass nichts mehr umfallen kann, dann kommt einer und kippt alles wieder auf die andere Seite. Du hast gewonnen, wenn dir nach 10 Tagen nichts heruntergefallen und in Brüche gegangen ist. Das eine kurze Zusammenfassung unserer Reise von Panama nach Galapagos. Die Details: 9 Tage Segeln hart am Wind mit dauernder Schieflage (nur der 10. Tag war Segeln mit Wind von querab oder leicht von hinten), 1’365 Seemeilen durchs Wasser (statt 865 Seemeilen direkte Linie), Durchschnittsgeschwindigkeit: 5.8 Knoten (10.8 km/h), 10 Stunden unter Motor.
Aber nun ganz der Reihe nach.
Vorbereitungen
Für die Reise nach Galapagos braucht es einigen Aufwand.
Für das «Autógrafo» brauchst du jetzt, wo nicht allzu viele Segelschiffe den Wunsch verspüren, nach Galapagos zu segeln, etwa 6-8 Wochen. Benötigt werden die Schiffspapiere, Pässe, Schiffsversicherung, Krankenversicherung, Funklizenz, MSSI-Nummer, etc.. Und man muss einen Termin festlegen, von dem werden dann die 30 Tage gezählt. Kommst du vorzeitig an, zahlst du eine Strafgebühr oder wirst weggewiesen. Kommst du später an, sind schon ein paar Tage deiner Bewilligung abgelaufen.
Dann gibt es unzählige Auflagen, die erfüllt sein müssen. Viel Papierkram – man will die Inseln ja vor ungewünschtem Besuch (Mensch, Tier, sonstigen Lebewesen) schützen. Dazu gehören Zertifikat der Farbe des Unterwasserschiffes, Zertifikat der Sanitarischen Anlage an Bord, Ausräucherungszertifikat (das Schiff muss im letzten Hafen komplett gegen Insekten, Ratten und andere unbeliebten Lebewesen ausgeräuchert werden), Zertifikat Sauberkeit des Unterwasserschiffes, Medikamentenliste, und und und. Dann müssen alle Sicherheits-Einrichtungen (Rettungswesten, Rettungsring, Rettungsinsel, Feuerlöscher, EPIRB, etc.) funktionstauglich, geprüft und nicht abgelaufen sein. In Realität läuft es so, dass ich die meisten Zertifikate selber geschrieben habe – Dokumente, wo ich selber mit Bildern oder Rechnungen oder technischen Beschreibungen bestätige, dass die Anforderungen erfüllt sind. Alle Unterlagen müssen vor der Abreise beim Agenten sein. Er bereitet dann alles für die Inspektion bei der Ankunft vor. Ah ja, alle Gebühren, Stempelabgaben, und Entlöhnung des Agenten sind vor der Abreise zu begleichen. Für unser Schiff (43 Fuss Segelboot) über 1’800 US-Dollar! Hat man bei der Ankunft am Unterwasserschiff irgendwelchen Bewuchs oder Muscheln, wird man weggewiesen und die Gebühren sind futsch. Du kannst dir vorstellen: unsere Lupina ist bei der Abreise unten so geputzt, die würdest du ohne Zögern mit der Zunge ablecken.
Verzögerter Start
Am 17.11.2021 ist alles, was unter Deck gehört, verstaut, der Rest gut verzurrt und gesichert. Kühlschrank und Tiefkühler sind randvoll und im Schiffsbauch schlummert viel Flüssiges (nicht Wasser!). Wir sind startbereit für den Pazifik! Einzig, die Dieseltanks wollen wir am frühen Morgen noch füllen, bevor es dann endgültig losgeht. Nach rund 60 Litern stoppt die Zapfsäule. Es hätten aber gut rund 150 Liter Platz. Ratlose Gesichter. Stromausfall am Pier. Zum Glück gibt es einen zweiten Tank Pier weiter drinnen in der Marina – trotz unserem 2 Meter Tiefgang dank Flut aber gerade noch erreichbar. Passt, Tank voll.
Mit dem Beleg flugs noch ins Marina-Büro zum Zahlen von Diesel und Strom (den Liegeplatz haben wir schon 2 Tage vorher beglichen). 130 Dollar für Diesel und 300 Dollar für Strom. Was? 2000 Kilowattstunden Strom!!?? Soviel wie ein Einfamilienhaus in einem halben Jahr nicht! Und wir hatten noch dauernd die Solarpaneelen im Betrieb. Das kann nicht sein! Zähler und Zahlen werden hin und her geprüft. Das Personal hinter dem Schalter schwirrt nervös hin und her, aber: auf Zähler und Zahlen wird vertraut und die 300 Dollar bleiben stur. Ich auch 😉. Ich kann nachweisen, dass bei unserem ersten Aufenthalt (3 Tage), der Zähler bei 17kWh stehen blieb. Ich bin bereit, jetzt die doppelte Menge zu akzeptieren. Wieder viel Diskussion hinter dem Schalter. Ich frage nach dem Manager. Nach einem kurzen Getuschel mit dem Desk-Mann versteckt sich der Chef aber hinter seinem Bürotisch und lässt sich nicht blicken. Eine halbe Stunde ist vorbei. Draussen auf der Lupina tippelt sich Pia die Füsse wund – sie will endlich los. Ich auch! Ich setze ein Ultimatum: 5 Minuten. Nach Ablauf dieser Zeit (natürlich ohne Aktion) zahle ich den Diesel und wir starten endlich unsere lange Reise.
Die Überfahrt nach Galapagos
Wir haben uns entschieden, eine Route über die Las Perlas Inseln zu wählen und dort noch 2-mal zu ankern. Da sich unsere Abfahrt wegen Stromausfall und Stromkosten um fast 2 Stunden verspätet hat und auch der Wind sehr schwach bleibt, müssen wir einen grossen Teil unserer ersten Etappe nach Contadora motoren. Es ist schon am Eindunkeln, als der Anker fällt. Am nächsten Tag geht’s zur wunderschönen Gegend um die kleine Insel Espírito Santo (eine Empfehlung der SY Limelight). Dort werden wir am nächsten Morgen sogar noch von einem Wal verabschiedet, der sich in unsere Ankerbucht vorwagt. Am 19.11.2021 starten wir zur knapp 900 Seemeilen (direkte Linie) langen Reise nach Galapagos. Uns erwartet eine anspruchsvolle Passage.
Während auf der Nordhalbkugel in den tropischen Breiten der Nordostpassat das Geschehen bestimmt, dominiert auf der Südhalbkugel der Südostpassat. Zwischen diesen beiden Winden befindet sich die sogenannte innertropische Konvergenzzone, auch Kalmengürtel (engl.: Doldrums) genannt. Das ist ein breiter Tiefdruckbereich, in dem sich die Luft erwärmt und unter Bildung grosser Wolkenformationen aufsteigt. Dies führt am Boden oft zu starken Regenfällen, Windstille oder sehr unbeständigem Wind. Diese schwülheisse Region war bei den Seeleuten früher sehr gefürchtet, da ihre motorlosen Schiffe oft wochenlang in der Flaute festhingen.
Um den Flauten aus dem Weg zu gehen und somit wenig Motor zu brauchen, wählen wir eine Phase mit relativ viel Wind. Das hat den Nachteil, dass der Wind über einen Grossteil der Strecke von Südwesten kommt. Also von da, wo wir hin wollen. Erschwerend kommen noch Meeresströmungen hinzu, die, wie könnte es anders sein, auch nicht in unsere Richtung fliessen. Dem südamerikanischen Kontinent entlang drückt der Humboldtstrom kalte Wassermassen (und somit auch die Lupina) gegen Norden. Und zwischen 2.5 und 5 Grad nördliche Breite setzt sich ein Strom aus Westen unserer Lupina entgegen. Wir versuchen, so gut wie möglich diesen beiden Strömungsgebieten auszuweichen, Distanz zum Kontinent zu gewinnen und dann zügig südlich über den 2. nördlichen Breitengrad vorzudringen. Erst dann können wir nach Westen abbiegen. So unsere Strategie.
Die nächsten 2-3 Tage wollen wir uns nun vor Ort zurechtfinden und informieren und dann die berühmte Flora und Fauna an Land und im Wasser erkunden. Ob wir alles vom jetzigen Ankerplatz aus unternehmen wollen, oder ob wir uns auf eine andere Insel verlegen ist im Moment noch offen. Eines können wir schon jetzt festhalten: so hautnah und frei von Menschenscheu haben wir die Tierwelt noch nie erfahren.
Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser