Von Gold Coast nach Pittwater – Australische Ostküste

16.10. – 8.11.2024

Nach dem Einklarieren am speziell dafür reservierten Steg in der Southport Yacht Club Marina in Gold Coast verholen wir das Schiff erstmal ins Innere der Marina, wo wir für die nächsten Tage sehr ruhig und sicher liegen.

Nach gut 2 Jahren Segeln und Leben in der Südsee wirkt die Infrastruktur und das Leben hier in Gold Coast, rund 70 Kilometer südlich von Brisbane, wie auf einem anderen Planeten. Fast ein kleiner Kulturschock für uns. Plötzlich wieder viel Verkehr, Stau, Lärm, Menschen, die achtlos an einem vorbei gehen, und natürlich modernste Gebäude.
Gold Coast verdient seinen Namen: kilometerlange, sehr breite Strände, flach abfallend mit goldgelbem Sand. Die Wassertemperaturen bewegen sich um die 22-24 Grad, aber die Luft ist noch empfindlich kühl (hier ist nun Frühling), wenn man dem Wind ausgesetzt ist.

Wir wollen zügig weiter in die Nähe von Sydney, um dann dort das Boot für ein paar Wochen festzumachen und über die Weihnachtstage in die Schweiz zu reisen. Aber zuerst müssen wir wieder Proviant besorgen. Beim Einreisen waren keine Frischwaren an Bord erlaubt. Auch viele andere Dinge wie etwa Reis, Fleisch, Bohnen, Haferflocken und vieles mehr musste vorher aufgebraucht sein, oder es wäre vom Mann der Biosecurity konfisziert worden. Pia hatte ein perfektes «Lebensmittel-Management» und wir kamen mit fast leerem Schiff an. Nur ein paar wenige, von Gesetz erlaubte Dinge, von denen wir uns im Notfall noch ein paar Tage hätten ernähren können, waren vorhanden. Also heisst es nun, ein paar Gänge zum Supermarkt und zurück zum Schiff. Auch wichtig: eine SIM-Karte, damit wir wieder mit dem Rest der Welt kommunizieren können.

Nachdem wir die wichtigsten Dinge erledigt haben, lösen wir die Leinen und machen uns auf den Weg Richtung Süden, zum 160 Seemeilen entfernten Coffs Harbour. Die Ausfahrt durch die lange Bucht von Gold Coast ist rege befahren und verlangt von der Steuerfrau gute Aufmerksamkeit.
Gold Coast verschwindet am Horizont
Es herrscht Nordwind und das Meer ist flach. Bestes Segelwetter und ideal für den «Schmetterling». Beim Schmetterling wird ein Segel nach Backbord gesetzt (hier die ausgebaumte Genua) und das andere Segel nach Steuerbord (hier das Grosssegel). Wir machen gute Fahrt.
Tagsüber nimmt der Wind kontinuierlich zu. Waren es am Morgen noch gemütliche 15 Knoten, sind es am Mittag 20 Knoten und im Meer bauen sich Wellen auf. Gegen Abend sind es dann ungemütliche 30 Knoten, die uns südwärts peitschen. Auch ist empfindlich kühler geworden. Ich weiss, wir sind in der Südsee zu Warmduschern mutiert – es ist ja immer noch knapp 20 Grad – aber für uns ist das halt einfach kalt. Die Kuchenbude wird zum Schutz gegen den Wind hochgezogen.

Schon im Verlaufe des Nachmittages rollen wir das Grosssegel komplett weg und auch die Genua ist mehr als die Hälfte gerefft. Trotzdem machen wir immer noch gute Fahrt in die Nacht hinein. Kurz nach Mitternacht dann ein heftiges Gewitter, das sich schon früh mit heftigem Wetterleuchten und hellen Blitzen ins Meer hinein angekündigt hat. Alle greifbaren, mobilen elektronischen Instrumente sind sicher im Backofen verstaut, um sie bei einem allfälligen Blitzeinschlag vor Schaden zu schützen. Alles geht gut! Nach einer Stunde zieht das Unwetter ab und es baut sich ein normaler Wind auf. Leider nur kurz, bevor er sich ganz abmeldet. Die letzten 40 Seemeilen zum Ziel müssen wir leider mit Kari, unserem Dieselmotor, bewältigen. Kurz vor 9 Uhr morgens ist der Anker in Coffs Harbour eingefahren und der Motor abgestellt.

Coffs Harbour mit der Marina (rechts) und unserem Ankerplatz (links)
Im Verlaufe des Tages dreht der Wind nach Süden. Er kommt also genau von dort, wo wir hin wollen. Natürlich könnten wir versuchen, gegen an aufzukreuzen. Das tun wir uns aber nicht an. Das Wetter wird in den nächsten Tagen so bleiben und wir machen es uns für ein paar Tage in Coffs gemütlich. Wir unternehmen eine kurze, sehr schöne Wanderung ans östliche Ende der «Muttonbird» Insel, die heute über einen künstlichen Damm mit dem Festland verbunden ist. Am zerzausten Haar von Pia und an den weissen Schaumkronen der Wellen sieht man deutlich, dass sich ein ordentlicher Wind aufgebaut hat – aber die Sonne scheint warm.
Neuer Kontinent – neue Tiere! In der Folge ein paar Beispiele. Hier ein Australischer Weissibis
Maskenkiebitz
Austral Buschhuhn, etwas grösser als ein Huhn. Es durchwühlt mit seinen kräftigen Beinen Wald und Buschboden nach Nahrung (Würmer, Insekten, Samen und Körner)
The Jetty, das Wahrzeichen von Coffs Harbour. Der weit ins Meer hinausragende, fast 500 Meter lange und 12.5 Meter breite Pier («Jetty» genannt) wurde ursprünglich als Verladerampe für Holz gebaut. Das Besondere daran ist, dass wegen des grossen Schwells vom Meer die Schiffe immer mit einem gewissen Abstand zum Steg festgemacht wurden. Alles, auch Personen, mussten mit einem Kran hin und her transportiert werden. Heute wird der Jetty nicht mehr für die Schifffahrt genutzt. Der Holzabbau ist versiegt und die Fischerboote können heute ihre Fracht im geschützten Marina-Bereich löschen.
Wir befinden uns auf der südlich von unserem Ankerplatz gelegenen South Coffs Island. Auch das ist eigentlich keine Insel mehr, da sie mittlerweile mit einem breiten Erddamm, auf dem auch eine breite Autostrasse verläuft, mit dem Festland verbunden wird. Im Hintergrund die rollende Brandung des «Boambee» Strandes im Süden.
Der östliche Schutzwall zur Einfahrt (man fährt links vorbei) nach Coffs Harbour
Aussicht auf die Marina (Bildmitte) und unseren Ankerplatz (links)
Eigentlich wäre der Ankerplatz super. Aber bei der vorherrschenden Wetterlage (sehr heftige Winde – kurz mal ein paar Stunden von Norden, dann wieder von Süden) herrscht draussen eine fürchterliche Unruhe im Wasser. Die Wellen wissen gar nicht, wohin sie sollen. Sie scheinen sich im Hafengebiet ihre Ruhe zu suchen. Uns umgekehrt schütteln und rütteln sie dafür die nächsten Tage am Ankerplatz heftig durch. Wir fühlen uns manchmal wie auf hoher See.
Wir suchen unsere Ruhe an Land, hier bei einem wunderschönen Spaziergang dem Coffs Creek (Fluss) entlang zum Botanischen Garten.
Im sehr naturnahen und wirklich empfehlenswerten botanischen Garten bestaunen wir exotische Pflanzen aus vielen Teilen der Welt, hauptsächlich aber aus verschiedenen Gebieten Australiens. Hier: Goldene Engelstrompete, die Blüte ist gut 20 Zentimeter lang.
Dendrobium Orchidee. Diese schöne Blume lebt ausschliesslich auf anderen Pflanzen, vorwiegend auf Bäumen.
Nebst unzähligen Vogelarten sind auch viele andere exotische Tiere im botanischen Garten anzutreffen. Die aktuell 3 dort ansässigen Koalas haben wir trotz intensiver Suche mit Nackenstarre (wir haben unablässig in die Baumkronen gestarrt) nicht gefunden, dafür ist uns aber dieses schöne Reptil vor die Linse gekrochen: ein Riesen-Stachelskink, der nur an der Ostküste von Australien vorkommt.
Und natürlich muss ab und zu auch der Durst gestillt werden. In Australien gibt es heute sehr viele Mikro-Brauereien, die super schmackhaftes Bier brauen.

Das Warten in Coffs Harbour ist sehr kurzweilig, aber wie schon beschrieben, ist der Ankerplatz in den letzten Tagen sehr rollig. Deshalb sind wir froh, dass endlich ein Wetterfenster kommt, das und weiter südwärts bringen kann. Am frühen Morgen des 27. Oktobers 2024 lichten wir den Anker und nehmen die rund 165 Seemeilen lange Strecke nach Port Stephens, unser nächstes Ziel, in Angriff. Wir wissen, dass die ersten paar Stunden der Wind noch zu schwach ist für die Segel. Macht aber nichts, denn während der Motor läuft, können wir gleichzeitig den Wassermacher laufen lassen und unseren Frischwassertank wieder füllen. Eine Gruppe Buckelwale, die im flachen Wasser gut auszumachen ist und deren Männchen tolle Sprünge vorführen, sowie ab und zu mal neugierige Delphine unterhalten uns. Im Verlaufe des Vormittages nimmt der Wind allmählich zu, und wir können die Segel setzen. Den ganzen Nachmittag und durch die folgende Nacht weht eine gleichmässige kontinuierliche Briese, die uns gut voranbringt.

Aufregung dann kurz nach 3 Uhr in der Nacht. Über Funk hören wir eine Notfallmeldung eines anderen Segelschiffes. Es nimmt Wasser auf, nachdem es einen Felsen gerammt hat. Von der Beschreibung und den übermittelten Koordinaten realisieren wir, dass das Schiff nur ein paar Meilen hinter uns fährt. Wir haben kurz vorher ein Kap umrundet und der Havarist muss da offenbar zu nahe am Ufer gesegelt sein. Der lokale Seenotdienst übernimmt über Funk die Koordination der Hilfe und bittet uns und ein anderes Boot in der Nähe, das beschädigte Segelschiff zu begleiten, falls der Wassereinbruch nicht kontrolliert werden kann. Nach etwa einer halben Stunde meldet das beschädigte Boot, dass die 4-köpfige Crew mit den vorhandenen Pumpen und Eimern den Wasserstand im Boot stabil halten kann. Wir sind erleichtert. Sie sind nun unter Motor in voller Fahrt unterwegs zum Zielhafen. Kurz nach Morgengrauen kommt uns vom Land her ein Schiff der Seenotrettung entgegen und übernimmt an unserer Stelle die Begleitung zum nächstgelegenen Hafen.

Nach dem hektischen Tagesbeginn mit dem See-Notruf geniessen wir einen wunderschönen Sonnenaufgang am wolkenlosen Himmel.
In der Shoal Bay von Port Stephens fällt um 8 Uhr morgens des neuen Tages der Anker. Es liegen nur wenige Schiffe vor Anker, im Gegensatz aber zu Coffs Harbour liegen wir absolut ruhig.
Wir hatten sie unterwegs schon aus der Distanz gesehen, nun in Port Stephens: riesig grosse Pelikane, mit einer Flügelspannweite von über 3 Meter! Sie lauern wohl auf den Abfall der Fischerboote
In Port Stephens suchen wir im Yard nach dem Schiff, das uns die Nacht zum Tag gemacht hat. Wir werden schnell fündig: die «SY All for Nothing», eine Bavaria 43, hat am Bug einen massiven Schaden und der Rumpf aus Fiberglas ist im Bereich des Buges aufgerissen.
Diesmal schon nach 2 Tagen ist der Wind wieder günstig, um die nächste Etappe nach Süden unter den Bug zu nehmen. Es sind rund 80 Seemeilen bis zu unserem Endziel in Pittwater, einer riesigen Bucht mit vielen Seitenarmen, die etwas an den Vierwaldstättersee erinnern. Die Strecke ist bei gutem Wind in einer Tagesetappe machbar, wir müssen aber früh los. Kurz vor 7 Uhr in der Früh umrunden wir den Leuchtturm, der die Schiffe vor den schroffen Felsen des Mount Stephens warnt, und nehmen direkten Kurs auf zur Einfahrt in die Bucht von Pittwater.
Es wird ein wunderschöner Segeltag entlang der Küste. Unter Schmetterlingsegeln erreichen wir die Einfahrt zur Bucht bereits kurz vor 18 Uhr und können sogar bis kurz vor die Marina, wo wir eine Boje reserviert haben, mit den Segeln weiterfahren. Eine super spannende Fahrt, denn es findet gerade eine Abendregatta statt. Um zur Boje zu gelangen, durchfahren wir Regattastrecke und sind zum Teil parallel dazu. Richtig interessant! – so macht Segeln Spass.
Hatten wir bisher meist relativ wenig Boote um uns herum, liegen hier in Pittwater Tausende von Yachten! Freies Ankern ist fast nicht möglich und stark reguliert. Wir liegen an einer Boje des Königlichen Motorboot Clubs (Royal Motor Yacht Club). In der Marina des Clubs liegen auch wirklich schöne, sehr gut gepflegte Motoryachten. Segelschiffe sind eher Exoten, ausländische die gar den Atlantik und den Pazifik überquert haben praktisch keine. Die Lupina ist also etwas Besonderes 😉
Eine Besonderheit der Yacht-Clubs hier: einen sinnvollen Anlegesteg für Dinghis gibt es nicht. Dafür wird ein Boot-Taxi angeboten, das uns gratis an Land und wieder aufs Boot bringt. Falls mal jemand nach Arbeitsschluss um 17:30 Uhr zurück aufs Boot will, dem werden diese Ruderboote zur Verfügung gestellt.
Es ist definitiv zu kalt zum Baden, nachts fällt das Thermometer zurzeit bis auf 15 Grad runter. Schwimmen im Meer ist also im Moment nicht angesagt. Es gibt auch andere Gründe, wieso man fast niemanden im Wasser sieht: Quallen (Bild, diese sind aber nicht giftig) und Haifische (vor allem Bullenhaie), die auf Nahrungssuche weit in die Bucht hineinkommen. Unser Badeleiter bleibt oben.
Statt im Meer zu Baden besuchen wir die Holzboot-Ausstellung, die jedes Jahr in der Royal Motor Yacht Club Marina stattfindet. Es hat wunderschöne, sehr gut gepflegte Boote dabei. Die «Duyfken» ist ein Nachbau des ersten europäischen Schiffes, welches Australien angesteuert hat. Müsste sie vielleicht mal neue Segel haben?

Die letzten paar Tage waren wir mit kleineren Unterhaltsarbeiten und Organisieren von grösseren Arbeiten beschäftigt. Uns ist nämlich schon länger der Plotter (Computer für die Navigation) im Cockpit ausgestiegen. Wir haben ihn nun schon zweimal reparieren lassen, aber nun hat er sein Lebensende erreicht. Ein neues Ersatzgerät, welches das Alte eins zu eins ersetzen würde, gibt es nicht. Wir müssen in ein neues System investieren. Hier in Australien gibt es zum Glück ausgebildete Fachleute, die uns beraten und dann auch das System installieren und in Betrieb nehmen können. Aber bevor wir dieses Kapitel beginnen, machen wir nun erstmal Weihnachtsferien in der Schweiz.

Heute, Freitag 8. November 2024, reisen wir nun für ein paar Wochen in die Schweiz um nach fast einem Jahr Abwesenheit unsere Familien und Freunde wieder einmal zu sehen, und wir freuen uns sehr auf die Weihnachtstage mit den Grosskindern. Bei diesem Besuch wartet auch etwas ganz Besonderes auf uns: im Dezember (das genaue Datum ist leider bei Redaktionsschluss noch nicht festgelegt, wird aber rechtzeitig in der lokalen Presse publiziert) dürfen wir auf Einladung des Vereins Dorf Plus im Vereinslokal des Gemeindehauses einen Vortrag abhalten und den interessierten Besuchern unser Seglerleben näherbringen. Wir hoffen natürlich, du bist auch dabei!

Lupina wartet in guter Gesellschaft (nicht erkennbar, sie ist umringt von vielen schönen Booten) an einer Boje in der gut geschützten Bucht von Pittwater, bis es kurz vor Ende Jahr wieder weiter geht.

Bis wir wieder zum Schiff zurückkehren, macht der Schreiberling wieder Pause. Im nächsten Bericht wollen wir euch dann schöne Bilder vom Neujahrsfeuerwerk von Sydney präsentieren. Mitte Januar 2025 sollen wir dann auch die neuen Bordinstrumente erhalten. Ob alles klappt?

Es bleibt spannend! Folge der Lupina im Kielwasser!

Von Vanuatu nach Australien

8.-15.10.2024

Erster Tag auf See

Um 10:45 Uhr lokale Zeit heben wir in Luganville auf Vanuatu den Anker und los geht es nach Australien. Zielhafen sind Gold Coast oder das südlichere Coffs Harbour, unsere erste Präferenz.

Die Wind Verhältnisse am Ankerplatz sind gut, und wir können gleich die Segel setzen. In ruhiger Fahrt, manchmal kurz stärker angestossen von einer Böe, segeln wir dem Second Channel entlang westwärts. Nach rund einer Stunde haben wir das offene Meer erreicht. Keine weiteren Engpässe mehr. Der Tiefenmesser fällt schnell ins Bodenlose. Nachdem sich auch die Windrichtung stabilisiert hat (auf der Leeseite einer Insel hat es immer noch Turbulenzen), können wir Kurs zum ersten Wegpunkt aufnehmen und entsprechend die Segel ausrichten.

Das Meer ist flach und wir machen schnelle Fahrt.
Wir sind beide freudige gespannt, was diese Überfahrt uns alles bringen wird.
Im Verlaufe des Nachmittages wird die See ungemütlich krabbelig, die Wellen immer höher. Auch der Wind hat zugenommen bis auf 20 Knoten quer auf das Schiff. Immer wieder werfen uns die spitzen Wellen auf die Seite. Es ist nicht mehr angenehm.

Pia, der es bis zu diesem Zeitpunkt sehr gut ging, wird immer ruhiger. Konzentriert schaut sie zum Horizont. Ich weiss, was das bedeutet! Kurz darauf geht sie runter und legt sich flach hin. Eigentlich wäre nun Essenszeit, aber das winkt sie vehement ab. Ich geniesse eines der vorgekochten Menüs (Cho Men Nudeln) alleine. Pia ist nun definitiv ausser Gefecht. Mir bleibt nichts anderes übrig, als ihre Schicht der Wache (1. Nachthälfte) auch zu übernehmen. Ich bin froh, lässt mich die Seekrankheit in Ruhe. Noch bevor die Nacht anbricht, rollen wir die bereits kräftig gereffte Genua ganz ein, reduzieren unser Tempo, das für die immer dümmer werdenden Wellen eh zu schnell war, und fahren mit 6-7 Knoten in die Nacht. Wir haben Glück, der Wind verharrt in seiner Richtung und auch die Stärke bleibt meist unter 20 Knoten. So bleibt uns, ausser dem heftigen Geschaukel, eine unruhige Nacht erspart.

Gegen Morgen nehmen die Wellen in der Höhe leicht ab, und sie werden regelmässiger. Es wird angenehm. Nach den ersten 24 Stunden haben wir ein ETMAL (über 24 Stunden gefahrene Distanz) von 160 Seemeilen erreicht. Wir rechnen bei einer Distanzfahrt mit einem ETMAL von 144 Seemeilen, was einer Geschwindigkeit von 6 Knoten entspricht. Wir sind also sehr gut unterwegs!

Zweiter Tag auf See

Nach einem Tag hat sich die Bordroutine eingependelt. Eines von uns sitzt immer im Cockpit, beobachtet Wind und Wellen und schaut, ob sich kein Schiff in unsere Nähe verirrt. In diesen Gegenden wäre das eher ein besonderes Ereignis. Das Andere ist meist unten am Dösen, Lesen, oder Spiele Machen. Da Pia auch am 2. Tag unter der Seekrankheit leidet (der Magen hat sich zwar mittlerweile ans Schaukeln gewohnt, nun sind aber Kopfschmerzen und Schwindel dazu gekommen), verbringe ich die meiste Zeit auf Wache. Macht aber nichts, auch da kann ich ab und zu ein Nickerchen machen oder etwas lesen. Ich kann mich gut ausruhen.

Die Fahrt durch den Tag verläuft relativ ereignislos: der Wind hat auf angenehme 15 Knoten nachgelassen, kommt nach wie vor quer aufs Schiff und verleiht ihm so eine stabile Schräglage. Wir haben mittlerweile die Fock gesetzt (dieses Vorsegel ist deutlich kleiner als die Genua und lässt sich bei viel Wind ruhiger segeln) und es wird immer angenehmer.

Kurz vor dem Eindunkeln ein kurzer Aufreger. Ein Tölpel (so heissen sie tatsächlich) wird seinem Namen gerecht. Er will unbedingt auf unserem Windgenerator ausruhen. Wir scheuchen ihn immer wieder weg. Er ist hartnäckiger als wir, und versucht es so lange, bis es ihm die Flügel stutzt. Schade für den schönen Vogel. Pia ist wieder einigermassen auf dem Damm (bis auf die heftigen Kopfschmerzen. Diesmal kann sie auch ihre Schicht machen und ich übernehme dann ab Mitternacht.

Auch diese Nachtfahrt verläuft ansonsten ereignislos, und wird durch einen wunderbar farbigen Sonnenaufgang abgeschlossen.

Unser heutiges ETMAL: 168 Seemeilen.

Dritter Tag auf See

Spannung ist angesagt. Heute durchfahren wir das erste von 3 Riffen. Es liegt nördlich von Neu Kaledonien und reicht teilweise knapp über die Wasseroberfläche. Es gibt eine Passage (Grand Passage, grüner Bereich), durch welche die Querung sicher ist.

So ist es dann auch: unser Tiefenmesser, der bis 140m tief messen kann, bleibt arbeitslos, und wir sehen weit und breit kein Anzeichen des Riffes, da die Passage mehrere Kilometer breit ist. In der Passage und danach: herrliches Segeln, da die Wellen sehr flach geworden sind. Wir sind immer noch schnell unterwegs.

Erstaunlicherweise hat sich Pia immer noch nicht erholt. Die Übelkeit ist zwar weg, aber heftige Kopfschmerzen und Schwindel plagen sie nach wie vor.

Der Skipper ist also immer noch gleichzeitig auch Smutje (Koch) und löst Pia eine Stunde früher ab auf der Wache in der Nacht zum 4. Tag. ETMAL: 160nm

Vierter Tag auf See

Der Tag beginnt mit einer sehr konfusen See. Irgendjemand muss den Wellen mal beibringen, dass sie nur aus einer Richtung kommen sollen.

Wir nähern uns dem 2. Riff auf unserer Fahrt, der «Banc de Landsdowne» (roter Kreis im Bild weiter oben). Auf der Seekarte sieht es zwar überall sehr tief aus, wenn man aber rein zoomt, erkennt man plötzlich Punktmarkierungen mit Angaben wie «12m» oder «Störung». Also irgendetwas ist da. Wir machen einen weiten Bogen um solche Stellen und halten immer ein Auge auf dem Tiefenmesser. Der bleibt die ganze Zeit im Endlosen.

Nach ein paar Stunden sind wir durch und können wieder etwas entspannen auf der Wache. Herrlichstes Segeln dann am Nachmittag, flaches Meer und guter Wind.
Das ändert sich am Abend schlagartig. Kurz vor dem Eindunkeln nimmt der Wind deutlich zu, kurz danach die Wellen. Unser kardanisch aufgehängter Kochherd/Ofen schaukelt bis zum Anschlag …
… und unsere Schiffsglocke baumelt heftig hin und her. Wer sich fragt, ob diese denn nicht dauernd bimmelt bei so schaukliger Fahrt? Nein – kein Ton! Grund: das Pendel bewegt sich im gleichen Rhythmus wie die Glocke und schlägt daher nie an.

Um es etwas spannender zu machen kommt diesmal auch Regen dazu. Um Mitternacht sind es dann 25-30kn, die heftig an den Segeln zerren. Unglaublich, was die aushalten müssen. Und erst noch der Autopilot, der bei der aufgewühlten See die Lupina schnurgerade auf Kurs hält. Ab und zu schleudert ihn eine grosse Welle etwas aus dem Ruder, schnell aber kaum spürbar korrigiert unser elektronischer Steuermann. Wir sind beide froh, als die Nacht vorbei ist und wir wieder sehen, was um uns herum passiert. Obwohl wir, um Material und Mensch zu schonen, die Segel stark gerefft hatten, liegt unser ETMAL nach den vierten 24 Stunden auf See bei 161 Seemeilen. Pia hat es geholfen: sie ist wieder auf dem Damm.

Fünfter Tag auf See

Anfänglich ist die See noch bockig und die Wellen der vergangenen Nacht werfen uns umher wie ein Rodeo Pferd seinen Reiter. Da der Wind etwas nachgelassen und stabil aus Südost weht, beruhigt sich das Meer und es wird wieder ein herrlicher Segel Tag. Auch Pia geht es wieder deutlich besser und sie kann ihre Schichten im Cockpit wieder übernehmen (bei guten Segelbedingungen kann man sich dabei gut erholen).

Wir queren das letzte Riff, die Nova Banc (gelber Bereich auf dem Bild weiter oben) südlich der Chesterfield Inseln, bei besten Verhältnissen. Von nun verläuft unsere Route bis an die Küste von Australien ohne weitere Hindernisse. Wir sind auf direkter Linie nach Coffs Harbour, das südlich des 30. Breitengrades liegt. Das ist wichtig für den Versicherungsschutz, denn nördlich davon sind Sturmschäden während der Zyklonzeit (1. November – 30. April) am Boot nicht gedeckt. Anfänglich hat alles gut ausgesehen, nun wird die Wetterlage vor Coffs immer etwas verworrener. Je nach Wettermodellen, die wir über SSB (Kurzwellen Funk) anfragen, oder die ich vom Seglerkollegen Beat der SY Kianga übermittelt erhalte, herrscht bei unserer vorgesehenen Annäherungszeit Sturm von Norden, gar kein Wind oder Gegenwind aus Süden. Kurz: eine sehr unsichere Wetterlage.

Eine dicke Wolkenbank über der untergehenden Sonne deutet einen Wetterwechsel an.

Der Wind scheint uns bei der Entscheidung helfen zu wollen: er dreht im Verlaufe der ersten Nachthälfte soweit nach Süden, dass wir mehr westwärts ausweichen müssen und praktisch genau Kurs nach Gold Coast fahren müssen. In der Nacht dann zum folgenden Tag lässt der Wind zuerst stark nach. Die Segel schlagen während fast einer Stunde lang immer wieder, weil sie nicht mit genügend Wind gefüllt sind. Dann nimmt er um ein paar Knoten zu und es wird eine herrliche Nachtfahrt. ETMAL 167 Seemeilen

Sechster Tag auf See

Wir halten immer noch Kurs auf Gold Coast, hoffen aber, die Wettersituation in Coffs ändert sich noch. Es wird ein wunderbarer Segel Tag.
Die Lupina gleitet mit rhythmischem Rauschen schnell und elegant Richtung Australien. Sie scheint sich darauf zu freuen. Auch Delphine werden durch diese Freude angesteckt. Fast eine Stunde lang springen und tauchen sie um uns herum. Ein schönes Tier!

Am Abend (wie kann es anders sein, immer wenn es in die Nacht geht!) nimmt der Wind schlagartig zu. Innerhalb weniger als 15 Minuten von gemächlichen 12 Knoten auf 20-25 Knoten. Und er bleibt dort fast die ganze Nacht. Wieder stark gerefft und bei gedrosseltem Tempo lassen wir uns durch die Nacht rollen und schütteln. Wer sagt denn, Segeln sei entspannend und bequem? Egal, auch diese Nacht geht zu Ende. Ab jetzt lässt der Wind nach und beginnt, wie vorhergesagt, von Südosten nach Nordosten zu drehen. Jetzt kommt für uns der Wind weiter achterlich, was die Stabilität des Schiffes nicht unbedingt verbessert. Der zwar abnehmende aber immer noch heftige Schwell der Nacht schüttelt uns in den siebten Tag. ETMAL 156 Seemeilen

Siebter Tag auf See

Die Wettersituation vor Coffs Harbour verdeutlicht sich. Es zeichnet sich ab, dass am Tag unserer Ankunft der Wind zusammenfallen würde und wir rund 36 Stunden motoren müssten. Das wollen wir nicht. Die Entscheidung ist gefallen, wir bleiben auf Kurs nach Gold Coast.

Die Tatsache, dass wir nun das näher gelegenen Gold Coast ansteuern und die schneller als geplante Fahrt haben Konsequenzen. Wir müssen die Essensvorräte, die nicht nach Australien eingeführt werden, einen Tag schneller auffuttern. Die Australier haben sehr strickte Auflagen, die auch kontrolliert und umgesetzt werden. Na gut, dann opfere ich mich halt und putze (nur leicht unterstützt von Pia) den restlichen Vorrat weg. Viel war aber nicht mehr vorhanden, Pia hatte das vorgängig sehr gut geplant.

Leider fällt dann auf der Fahrt nach Gold Coast der Wind rund 80 Seemeilen (etwa 12 Stunden Fahrt) vor dem Ziel aus. Als unsere Geschwindigkeit unter 2 Knoten fällt, rollen wir etwas widerwillig die Segel ein und starten den Motor. Um Mitternacht flackert dann kur noch einmal etwas Wind auf, was mich zum erneuten Setzen der Segel motiviert. Aber 2 Stunden später ist definitiv nur noch Flaute. Früh morgens bei Sonnenaufgang sehen wir Land. Die Lichter der Hochhäuser liessen sich schon von viel weiter draussen erkennen.

Kriegen wir da Unterstützung für die Navigation? Genau an der Stelle, wo grosse Schiffe ihren Lotsen aufnehmen, der dem Kapitän den sicheren Weg weist, da landet diese Möve auf unserer GPS-Antenne und macht es sich für die nächste Stunde gemütlich.
Die Möve verteidigt ihren Platz vehement. Ihre Kolleginnen und Kollegen müssen sich auf den viel instabileren Seilen ausbalancieren.
Anfahrt von Gold Coast. Weit im Hintergrund die imposante Skyline.
Nun ist es höchste Zeit die Gastlandflagge und den Quarantänewimpel zu hissen.

Genau nach 6 Tagen und 20 Stunden, um 07:45 Uhr Lokalzeit, wird Australien am 15. Oktober 2024 festgemacht an der Lupina. Dank leerem Kühlschrank und ausgeräumten Vorrats-Schapps verläuft auch die Inspektion der Biosecurity (die Behörde, welche kontrolliert, dass keine unliebsamen Lebewesen und Pflanzen in das Land gebracht werden) sehr speditiv und äusserst freundlich. Noch alle Fragen und Formulare der Zollbehörde durchgegangen, und schon sind wir legal in Australien willkommen. «Gday Mate!»

Es bleibt spannend! Folge der Lupina im Kielwasser!