Von Fiji nach Vanuatu – weiter westwärts

19.8.-6.9.2024

Wir schreiben heute den 19. August 2024. Morgen reisen unsere Freunde Ursi und Martin aus unserem Heimatdorf wieder zurück in die Schweiz. Gut haben wir noch helfende Hände an Bord, denn es ist noch eine wichtige Sache zu erledigen: endlich kriegen wir unsere Rettungsinsel zurück auf die Lupina. Sie ist während unseres Segeltörns durch die Yasawa Inseln vom amerikanischen Segelschiff Diva von Neuseeland nach Fiji gebracht worden.

Mit vereinten Kräften wird die 38kg schwere Rettungsinsel in ihren Korb an der Heck-Reling bugsiert und festgezurrt.
Dann, am nächsten Morgen, heisst es leider Abschied nehmen von Martin und Ursi. Sie haben sich als perfekte Crew auf der Lupina ausgezeichnet und dabei richtige See Beine gekriegt.

Es ist wieder Ruhe eingekehrt auf der Lupina. Das Wetterfenster ist noch ungünstig für die rund 470 Seemeilen lange Strecke nach Vanuatu. Das gibt uns Zeit und Musse, noch ein paar Tage in der schönen Vuda Marina zu geniessen und die letzten Vorbereitungen in Ruhe zu treffen.

Nach dem Upgrade der Bordbatterien auf LiFePO4 (oder kurz «Lithium») Batterien funktioniert das Bugstrahlruder nicht mehr. Es zieht beim Anlaufen zu viel Strom, die Schutzregelung der Batterien wird aktiv und der Strom wird unterbrochen. Ich studiere hier die Kabelverbindungen im Stromschaltkasten mit dem Ziel, eine Verbindung zur konventionellen Starterbatterie zu schaffen. Ich finde da eine Möglichkeit, da mir aber das Material fehlt, belasse ich für den Moment alles so, wie es ist.
Es gibt weitere Kleinigkeiten zu erledigen: der Motorraum kriegt eine neue Beleuchtung.
Nebst den üblichen Einkäufen am Markt wird auch der «Keller» (Raum unter den Bodenbrettern) wieder mit Getränken gefüllt.
Am Abend ist «Brändi Dog Time»! Wir haben mit unseren Besuchern jeweils eifrig «Brändi Dog» (eine Art Eile mit Weile) gespielt. Das ziehen wir durch und spielen jetzt, wo wir auf den guten Wind warten, jeweils nach dem Nachtessen auch immer ein paar Partien.
Natürlich kommt beim Warten auch das Gesellschaftliche nicht zu kurz. Wir nutzen die Gelegenheit, um mit der einen oder anderen Crew (hier Jocelyne und Roland von der SY Croix de Sud) näher in Kontakt zu kommen.
Und dann ist da noch der Rollmechanismus (Furler genannt) des Genua Segels. Manchmal funktioniert er, manchmal nicht. Ich nutze die Zeit und baue die zwei Motoren aus. Ralf und Angi haben mir die benötigte Spezialzange, um die Sicherungsringe zu entfernen, mitgebracht.
Ein lokaler Elektriker revidiert uns die beiden Motoren in seiner open Air Werkstatt. Die Feuchtigkeit des Salzwassers, das in den Furler eingedrungen war, ist auch in die Motoren gelangt und hat dort zu Rost geführt. Dieser hat die freie Beweglichkeit der Bürsten der Elektromotoren verhindert und zum teilweisen Ausfall geführt.
Gegen Ende des Monates ist es so weit. Der Wind dreht in südöstliche Richtung – ideal für unsere Fahrt von Fiji nach Vanuatu. Die Strecke beträgt rund 470 Seemeilen. Sobald wir das Gebiet von Fiji verlassen, erwarten uns keine Hindernisse im Meer. Wir können die direkte Linie (rot) wählen. Wir planen konservativ mit 4 Tagen: Leinen los am Freitag, 30.8. gegen Mittag und Ankunft in Port Resolution auf der Insel Tanna (Vanuatu) am Dienstag 3.9. nach Tagesanbruch.
Letzter Sonnenuntergang in der Vuda Marina.
Wir freuen uns auf neue Abenteuer.
Am Tag der Abfahrt, 30. August 2024, legen wir zunächst an der Tankstelle an, um unseren Tank noch mit dem günstigen Treibstoff (der Liter kostet knapp 1 Franken) zu füllen.
Eine wunderschöne Tradition in Fiji: nach dem Ausklarieren und vor dem Verlassen des letzten Hafens wird ein Schiff mit einem gebundenen Blumenkranz an der Reeling und schönem Gesang (hier vorgetragen von der ganzen Marina-Crew) verabschiedet. Ein sehr emotionales Erlebnis.
Während der ersten 2 Stunden befinden wir uns noch in der Windabdeckung der Hauptinsel von Fiji und der Motor muss uns etwas helfen. Danach können wir die Segel setzen. Unter herrlichen Wetterbedingungen segeln wir in unsere erste Nacht hinein.
Wir erleben eine ruhige erste Nacht und machen dabei gute Fahrt. Der Eine auf Wache im Cockpit, die Andere friedlich träumend in der Koje.
Sonnenaufgang auf dem Meer. Da wir westwärts fahren, begrüsst uns jeweils die Sonne jeden Tag etwas später.
Wir machen deutlich mehr Fahrt als geplant. Schon nach der ersten Nacht und zu Beginn des 2. Tages auf See ändern wir unsere Ankunftszeit und beschliessen, unsere Geschwindigkeit so zu kontrollieren, dass wir bereits am Montag den 2. September, also schon nach 3 Tagen, unser Ziel erreichen. Kurz nach Sonnenaufgang kann Pia die Flagge von Vanuatu und die gelbe Quarantäne Fahne hissen.
Die letzten Seemeilen bis zur sicheren Ankerbucht werden noch etwas ruppig, die Wellen in Küstennähe schütteln uns noch einmal kräftig durch, dann haben wir es geschafft. Genau 72 Stunden nach der Abfahrt von Fiji rasselt die Kette und der Anker krallt sich im dunklen Sand fest.
Die Bucht von Port Resolution auf der Insel Tanna im Süden von Vanuatu empfängt uns bei besten Wetterverhältnissen.

Eigentlich ist Port Resolution kein Einklarierungshafen. Wir müssten zum Einklarieren mit dem Schiff auf die andere Seite der Insel zum Hauptort Lenaka segeln. Dort sind aber die Ankerbedingungen und der Schutz vor Wellen deutlich schlechter. Wenn man sich vorgängig bei den Behörden meldet und entsprechend um eine Bewilligung bittet, erhält man die Erlaubnis, in Port Resolution anzulanden. In einer rund zweistündigen Autofahrt begeben sich dann die Beamten von Zoll, Immigration und Gesundheitsamt nach Port Resolution. Fahrtkosten und Zeit müssen von der einklarierenden Yacht getragen werden.

Wir haben die Bewilligung, um in Port Resolution einklarieren zu dürfen, und haben nun auch noch Glück: von den 8 Yachten, die bei unserer Ankunft vor Anker liegen (Bild), müssen 5 ebenfalls noch einklariert werden. Die Kosten für die Beamten und ihre Fahrt (total rund 50 CHF) können somit auf 6 Schiffe verteilt werden.
«Yacht Club» von Port Resolution, wo uns die Behörden erwarten.
Open Air Büro der sehr freundlichen, zuvorkommenden und unbürokratischen Beamten.

Vanuatu, früher Neue Hebriden genannt, ist eine Gruppe von über 80 vulkanischen Inseln im Westpazifik. Weil Vanuatu im Vergleich zu anderen pazifischen Inselreichen das Interesse der Europäer erst viel später weckte, bedeutete die Begegnung mit dem modernen Zeitalter einen grossen Sprung für die Inseln. Auf Vanuatu wird die melanesische Kultur nach wie vor sehr gepflegt. Es lässt sich nicht genau sagen, woher die ersten Einwohner stammen, aber man nimmt an, dass die Melanesier vor Tausenden von Jahren aus Afrika hierher kamen. Sie breiteten sich von Papua bis Neukaledonien und Vanuatu über den Westpazifik aus (eben die Region, die heute Melanesien genannt wird).

Mehr als 150 Jahre nach der Erstentdeckung 1606 wurde das Gebiet von Vanuatu durch James Cook kartographiert und «Neue Hebriden» genannt, obschon die Inselgruppe nur wenig Ähnlichkeiten hatte mit den heimatlichen Hebriden. Wie auch in anderen Teilen des Pazifiks folgten Walfänger, Missionare, Sandelholz- und Sklavenhändler, jedoch gelang es diesen nie, die melanesische Kultur hier in Vanuatu auszurotten. Die Einheimischen machten oft kurzen Prozess mit unbeliebten Eindringlingen und steckten sie in den Kochtopf. Ab 1906 setzte eine Besiedelung durch Briten und Franzosen ein, was zur Folge hatte, dass es auf den Inseln zwei Arten von Gesetzen gab, zwei Schulsysteme und auch zwei Sprachen. Neben der offiziellen Landessprache «Bislama» spricht daher heute fast jeder auch Englisch oder Französisch.

Diese alte Kultur vereint mit der einmaligen, weitestgehend unberührten Natur übt eine magische Wirkung auf uns aus. Ein Entdeckungsgang durch das Dorf von Port Resolution lässt uns eine Zeitreise von 100 bis 150 Jahren machen. Elektrizität oder Wasserversorgung in den Häusern gibt es noch nicht.
Das Leben findet in einfachsten Verhältnissen statt. Aber überall, wo wir hinschauen, blicken wir in lachende und fröhliche Gesichter.
Johnson, der Bruder von Stanley, dem Leiter des Yacht Clubs (sämtliche Geldeinnahmen gehören dem Dorf), winkt uns zu sich und eines seiner Grosskinder reicht Pia eine grosse Papaya. Geschenke Überreichen ist eine Respektbezeugung. Zum Glück haben wir eine lange Schnur in unserem Rucksack, die wir gerne der Familie überlassen.
Einbaum mit Ausleger. Mit diesen zu hundert Prozent aus Naturprodukten gefertigten Booten rudern die Fischer seit hunderten von Jahren täglich auf das Meer hinaus. Das Boot selbst ist schlank und tief geschnitten, so dass die Männer beim Einholen des Netzes gut darin stehen können.
Familien Waschtag an einem Süsswasserteich.
Die Frau hütet ihre Grosskinder und besorgt die Wäsche für den ganzen Clan.
Port Resolution liegt auf einer Landzunge ganz im Osten der Insel Tanna. Die Verbindungsstrasse zum Rest der Insel ist in einem erbärmlichen Zustand und wird bei starken Regenfällen (was hier oft vorkommt) immer wieder unpassierbar. Ohne gutes 4×4 Offroad-Fahrzeug ist auch bei trockenem Wetter kein Durchkommen.

Die Hauptattraktion auf der Insel Tanna ist der aktive Vulkan Yasur. Hier kann man direkt auf dem Rand des 361 Meter hohen Kraters umherwandern und in den zischenden, blubbernden und manchmal heftig fauchenden Abgrund hinabschauen. Nirgends auf der Welt kommt man so nahe an einen aktiven Vulkan heran.

Eingang zum Vulkan Yasur Nationalpark
Skulptur aus Lavagestein am Wegrand zum Krater
Mit dem 4×4 Offroad-Truck fahren wir bis auf rund 300 Meter zum Kraterrand, die restlichen rund 50 Höhenmeter absolvieren wir zu Fuss auf gut ausgebautem Pfad. Führer Philipp sorgt für unsere Sicherheit. Er hat es einfach heute: wie schon im Truck sind wir auch hier die einzigen Touristen.
Oben auf dem Kraterrand eröffnet sich ostwärts ein herrlicher Ausblick über den darunter liegenden, sattgrünen Urwald. Weit im Hintergrund das Meer, über das wir vor einigen Tagen von Fiji her gesegelt sind.
Drehen wir uns um, eröffnet sich uns der tiefe Schlund des Vulkanes. Aus der Tiefe heraus steigen mächtige Wolken, manchmal braune aus dem heissen Lavaschlund, dann weisse Wasserdampfschwaden oder bläuliche Schwefelwolken aus einem der Nebenkrater.
Es raucht und qualmt, zischt, pfeift, faucht und brüllt aus der Tiefe. Ab und zu vibriert der Boden, und mit einem lauten Donnergrollen kommt es zu kleinen Eruptionen, bei denen dicke Rauchwolken und glühende Lavafetzen aus den feurigen Kaminen geschleudert werden. Ein tolles Spektakel im Gegenlicht der untergehenden Sonne!
Fast anderthalb Stunden lang streifen unsere Augen vom Kraterrand aus in die Tiefe, die aus dem Erdinnern kommt. Es ist Abend und die Sonne ist mittlerweile untergegangen. Je dunkler es am Himmel wird, umso spektakulärer leuchten die aktiven Kamine, du vom Kratergrund nochmals über 300 Meter in die Tiefe reichen.

Weil bei Grenzübertritten meist strikte Regeln bezüglich erlaubter Nahrungsmittel herrschen, versuchen wir, beim Einklarieren in ein neues Land so gut wie möglich nichts dabei zu haben, was Probleme machen könnte. Dazu zählt in der Regel auch frisches Gemüse. Also hatten wir nur wenig davon an Bord, als wir Fiji verlassen haben. Auch das wenige Vanuatu Bargeld, das wir in Fiji auftreiben konnten, geht langsam zur Neige und wir brauchen dringend Nachschub. Beides, frisches Gemüse und Bancomat, gibt es im Hauptort der Insel, in Lenaka.

Wir reservieren uns im Port Resolution Yacht Club für den Mittwochmorgen einen Platz im 4×4 Truck, der täglich meist um 7 Uhr von Port Resolution in den 50 Kilometer entfernten Hauptort fährt. Die Fahrt dauert rund 2 Stunden.
Die ersten fast 10 Kilometer führen über die sich in traurigem Zustand befindende Naturstrasse. Die restlichen 40 Kilometer der Strecke sind geteert, oder, wie hier auf dem Bild, betoniert. Dieser Teil der Strasse ist in sehr gutem Zustand, da noch sehr neu. Sie ist in den letzten Jahren durch ein chinesisches Generalunternehmen gebaut worden und soll schlussendlich bis Port Resolution verlängert werden. Insgeheim wünschen wir uns, dass das nie stattfindet und dass das fast unberührte Stück Natur bis Port Resolution noch lange so bleibt, wie es ist.
Marktplatz in Lenaka mit viel feinem, lokal produziertem Gemüse, das sich sehr farbenprächtig präsentiert. Erstaunlicherweise finden sich fast keine Früchte: ausser Bananen und ein paar Pampelmusen finden wir nichts Fruchtiges.
Die Köchin der Lupina kann aus dem Vollen schöpfen.
Uns fällt auf: die Frauen in Vanuatu tragen gerne bunte Kleider, sehr oft in den Farben der National-Flagge: rot, gelb, grün und schwarz.
Idylle an der Bushaltestelle: Frauen warten nach ihrem Einkauf auf dem Markt auf den Bus oder Truck, der sie wieder zurück in ihr Dorf fährt.

Im Moment weht ein starker Wind aus Südosten über die Inseln. Er soll bis und mit Sonntag anhalten und dann am Montag deutlich nachlassen. Spätestens dann wollen wir weiter nordwärts zu den Inseln Erromango und Efate mit der Hauptstadt Port Vila. In Erromango gab es die letzten Menschenfresser, aber «diese Zeiten sind schon lange vorbei», wurde uns versichert. Hoffen wir, es stimmt auch so!

Aussicht über das Ankerfeld in der Bucht von Port Resolution (Lupina ist das 3. Boot von links). Bald geht es weiter.

Es bleibt spannend! Folge der Lupina im Kielwasser!