Ocho Rios – unser Rückzugsort

Am Freitag, 20.3.2020, verlassen wir mit unserer Lupina die Marina Errol Flynn in Port Antonio und segeln weiter der Nordküste Jamaikas entlang Richtung Westen. Wieder haben wir in kurzer Zeit neue Freunde kennengelernt (das Amerikanische/Schwedische Ehepaar Teri und Tom und das Französische Ehepaar Sylvie und Alain, beides Langfahrtsegler wie wir, die nun auch ihre weiteren Segelpläne über den Haufen geworfen sehen), und das Abschiednehmen fällt uns nicht immer leicht. Kaum sind wir aber auf dem offenen Meer, eine kräftige Briese im Gesicht und von den Wellen erfasst, schweifen unsere Gedanken bereits dem nächsten Ziel entgegen. Wir sind überrascht über den hohen Wellengang, der uns auf dem offenen Meer empfängt. Es hatte zwar in den vergangenen Tagen ein konstant kräftiger Wind von Nordosten geweht und die See entsprechend aufgebaut, aber mit bis zu vier Meter Wellen haben wir nicht gerechnet. Macht nichts – mit aufgeblähten Segeln neigt sich die Lupina willig zur Seite, nimmt Fahrt auf und pflügt ihre gerade Bahn in Richtung Oracabessa, unser Tagesziel, welches wir nach acht Stunden erreichen.

Ankerbucht von Oracabessa an der Nordostküste von Jamaica, durch ein vorgelagertes Riff sehr gut geschützt vor den Wellen. Ausser ein paar traditionellen Fischerbooten (einzig die Ruder sind ersetzt durch Aussenbordmotoren) liegen nur wenige andere Schiffe in der kleinen Bucht
Oracabessa ist unter anderem auch in der Taucherszene beliebt – in normalen Zeiten. Jetzt ist alles geschlossen und, ausser Bewachungspersonal, menschenleer
Mitten zwischen Strandhäusern liegt ein zerschelltes Flugzeug – was ist da wohl passiert? Die Antwort liefert uns bald der Strandname und dann Wikipedia: James Bond. Jamaika hat schon beim ersten James Bond Film (Dr. No, 1962) als Drehort gedient. Die Küste im Norden ist besonders schön und wild. Hier stieg Ursula Andress in ihrem sagenhaft betörenden weissen Bikini aus dem türkisfarbenen Meer und setzte die Messlatte für alle künftigen JB Girls gleich zu Beginn sehr hoch. Für viele weitere 007 Filme diente diese Gegend hier als Drehort, und es finden sich überall Spuren davon

Wir verbringen zwei Nächte vor Anker in Oracabessa. Dass die Behörden aufmerksam kontrollieren, was vor ihrer Küste passiert, finden wir in Ordnung. Die zuvorkommenden Beamten der Küstenwache kontrollieren schon kurz nach unserer Ankunft unseren Status und die Dokumente. Sie wünschen uns einen angenehmen Aufenthalt und dann eine gute Weiterfahrt. Diese führt uns dann am Sonntag ein paar Meilen der Küste entlang nach Ocho Rios.

Die Bucht von Ocho Rios wird primär von Kreuzfahrtschiffen angefahren, insbesondere aufgrund der «Dunn’s River Falls» und anderen Touristen-Attraktionen, wie der «Craftmarket» (Einheimische Handarbeit oder Merchandise), Rafting auf dem «White River», unweit von Ocho Rios entfernt. Jährlich besuchen fast eine halbe Million Touristen den Ort
Unsere Ankerbucht in Ocho Rios: für die nächsten Tage/Wochen unser Ankerplatz – ganz für uns alleine! Normalerweise liegen hier mehrere Kreuzfahrtschiffe am Pier (ausserhalb des linken Bildrands) die Hotels sind gefüllt und der Strand von sonnenhungrigen Menschen geflutet. Jetzt ist alles menschenleer – ideal für uns in der aktuellen Situation

Unseren Ankerplatz müssen wir aber erkämpfen. Kaum haben wir geankert, informiert uns die Marine Polizei über Funk, dass wir hier nicht bleiben können. Der Hafen sei geschlossen, und wir müssen wieder weg. Wir versuchen zu erklären, dass wir bereits seit über drei Wochen auf Jamaica sind und offiziell einklariert haben bis zum 30. Mai. Barsch erwidert die unfreundliche Stimme am anderen Ende des Funkverkehres, dass er so entschieden habe und wir hätten uns an seine Anweisung zu halten. Dann bricht der Funk einseitig ab. Mehrere Versuche, das Gespräch über Funk neu aufzunehmen, fruchten nichts. Die Marine Polizei beantwortet unsere Aufrufe nicht mehr. Da es schon kurz vor Sonnenuntergang ist, entscheiden wir, einfach mal zu bleiben und abzuwarten, was passiert. Es passiert nichts.

Am anderen Morgen hat Pia die glorreiche Idee, wir könnten doch dort, wo wir einklariert haben, um Unterstützung bitten. Köbi glaubt zwar nicht daran (ist ja nicht seine Idee 😉), schreibt dann aber doch nach dem Frühstück ein E-Mail an die Marina Errol Flynn, die uns bei der Ankunft Anfangs März einklariert hat, und bittet um Hilfe. Unglaublich, was dann passierte: umgehend kommt die E-Mail Antwort, die Marina werde die lokale Zoll- in Immigrationsbehörde anrufen. Kaum gelesen kommt das nächste Mail rein mit der Information, dass die Behörden in Port Antonio die Anordnung der Marine Polizei von Ocho Rios nicht verstehen. Sie werden dort anrufen und die Situation klären. Keine fünf Minuten später kommt das Einsatzboot der Marine Polizei mit Blaulicht auf uns zu geprescht. Aus sicherer Distanz von rund 10 Metern und geschützt durch weisse Gesichtsmasken und Maschinengewehren im Anschlag rufen sie uns etwas von Quarantäne zu. Wir rufen zurück, dass wir schon über drei Wochen in Jamaica sind und die Quarantäne Zeit schon lange hinter uns haben. Dazu wedeln wir mit den erhaltenen Dokumenten, um unsere Worte zu bekräftigen. Kurze Diskussion auf dem Polizeiboot. Langsam kommt es näher. Einer der Beamten ist etwas freundlicher und beginnt ein normales Gespräch mit uns. Na also, geht doch! Er fragt uns nach den Dokumenten, die wir ihm der Reihe nach übergeben: Bestätigung des Gesundheitsministeriums, Bestätigung der Immigration, und Cruising Erlaubnis der Zollbehörden. Der Beamte nickt zustimmend. Wieder eine kurze Diskussion unter den drei Beamten und dann der Entscheid: OK, ihr dürft bleiben – Welcome to Ocho Rios – geniesst unsere Stadt! Ihr dürft euch frei bewegen.

Aus lauter Aufregung haben wir verpasst, das abrauschende Polizeiboot, immer noch stolz mit drehendem Blaulicht bewaffnet, zu fotografieren. Dafür stellvertretend ein Schiff der Küstenwache, die uns bisher immer sehr zuvorkommend behandelt hat
Touristenviertel in der Nähe des Landesteges für Kreuzfahrtschiffe. Sonst wohl ein Gewimmel wie in einem Bienenhaus, wenn alle Geschäfte und die schönen Bars offen haben, nun idyllisch und ruhig
Abendstimmung vom Ankerplatz aus: Hotels und Strände sind menschenleer. Nur die auch am Tag brennende Beleuchtung der Fussgängerzone versucht jetzt, uns etwas Betrieb am Strand vorzugaukeln
Es ist zwar fast alles geschlossen, das was wir aber brauchen, finden wir. Sogar etwas mehr! In der Nähe unseres Dinghi-Steges haben wir eine offene Eisdiele gefunden. Die feine Glacé lockt uns fast jeden Tag einmal dorthin an Land 😉
Wir haben uns zwar freiwillig eine Isolation auferlegt, was aber nicht heisst, untätig zu sein. Jeden Tag unternehmen wir mindestens eine Aktion. Hier fahren wir mit dem Dinghi aufs Riff hinaus, um die Gegend zu erkunden und dort etwas zu schnorcheln
Das Wasser ist hier glasklar, 28 Grad warm und einfach fantastisch zum Schnorcheln
Anderer Tag – andere Aktion: eine Wanderung zu Wasserfällen (es hat hier unzählige davon!) im Tropenwald
Vor diesem riesigen Wurzelwerk eines Tropenbaumes wirkt Pia winzig klein
Shaw Park Waterfall
Immer wieder schön: ein erfrischendes Bad im kühlen Nass
Auf dem Weg zum Lebensmittelladen. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort – man kann Menschenansammlungen durchaus vermeiden. Hier in Jamaika gelten übrigens die gleichen Massnahmen, wie auch in der Schweiz. Zusätzlich gilt von abends 20 Uhr bis morgens 6 Uhr ein Ausgehverbot
Köbi jammert ab und zu schon ein wenig 😉: es hätte ein paar superschöne und geschichtsträchtige Bars und Pubs hier. Nun ist halt alles zu, auch dieses „Rastarant“
Fahrbarer Untersatz Marke Eigenbau, gesehen auf der Strasse. Und ja, er fährt tatsächlich! Treibstoff befindet sich in der weissen Plastikflasche, gesteuert wird über einen einfachen Seilzug und Holzscheibe. Wieso der Fahrer noch das Preisschild am Hut trägt, haben wir nicht herausfinden können 😊
Lupina ganz alleine vor dem verlassenen Ocho Rios Bay Beach
Wie ob sie es geahnt hätte: wie lange geht das wohl so weiter? Was bringt uns die Zukunft?
Uns wird es nicht langweilig. Während unseres Aufenthaltes in Port Antonio haben wir uns einige Ersatzteile für das Schiff bestellt, die wir hier auf der Insel nicht finden konnten. Das Paket ist nun aus Schweden über Deutschland und Amerika in Jamaika eingetroffen, und wir konnten es mit einem Mietauto in der Marina in Port Antonio abholen. Nun wartet Arbeit auf Köbi, und bald können wir wieder ein paar Zeilen auf der «to do» Liste streichen
Einige der erhaltenen Teile sind Opferanoden, welche unser Schiff vor Korrosionsschäden schützen. Gerne hätten wir diese gewechselt, als das Schiff aus dem Wasser war. Da die Teile dann aber noch nicht geliefert waren, macht Köbi dies nun mit der mobilen Tauchausrüstung im Wasser
Pia putzt und entrostet die weisse Kunststoffhülle unseres Schiffes
Zwischendurch ruhen wir uns auch aus 😉
Oder wir halten uns fit mit «noodeling» (dieses blaue Dinge heisst auf Englisch «Noodle» – und eignet sich sehr gut für Wassergymnastik)
Sonstige Kunststücke (eine Challenge der Turnenden Familie aus Wölflinswil – super Idee, finden wir und mitmachen ist natürlich Ehrensache)
Am 7. April dann Köbi’s 60. Geburtstag!! 😊😊
Nach unserer ursprünglichen Planung würden wir nun diese Woche weitersegeln westwärts in Richtung Cayman Inseln. Das ist im Moment nicht möglich, weil auch dort die Grenzen geschlossen sind. So werden wir auf unserer Reise etwas eingebremst. Wir bleiben vorläufig noch ein paar Tage in Ocho Rios und segeln dann langsam weiter der Jamaikanischen Nordküste entlang nach Montego Bay und dann Negril. Das heisst für uns vorläufig: weiter relaxen und wunderbare Sundowner geniessen
Abendstimmung auf der Lupina

Bleib der Lupina im Kielwasser