Am Montag, 2. Oktober 2023, haben wir Nelly zum Flughafen von Nadi begleitet und sie verabschiedet. Jetzt ist die Pause für den Schreiberling zu Ende und ich muss wieder in die Tasten greifen. Ich beginne mit etwas, was wir bisher unterlassen haben, nämlich etwas Information über den faszinierenden Archipel von Fiji.
Fiji (auf Deutsch oft auch Fidschi geschrieben) ist ein Archipel von über 300 Inseln – angefangen von kleinen Korallen-Atollen bis hin zu grossen vulkanischen Inseln. Nur etwa 100 dieser Inseln sind bewohnt, während der Rest für Fischer als Stützpunkt dient oder für landwirtschaftliche Zwecke genutzt wird. Die beiden Hauptinseln heissen Viti Levu (meist einfach Fiji genannt) und Vanua Levu. Die internationale Datumsgrenze verläuft durch den östlichen Bereich von Vanua Levu und wer, wie wir in diesem Bereich herumsegelt, der hüpft immer wieder hin und her zwischen gestern und heute. Die Menschen hier pflegen den traditionellen Lebensstil mit Stolz und Ehre. Unbedachte Verhaltensweisen von Seglern haben in der Vergangenheit immer wieder zu Problemen und Ärgernissen geführt, weshalb es heute sehr strikte Auflagen und eine strenge Kontrolle bei der Vergabe von Cruising-Genehmigungen gibt.
Fidji wurde rund 5’000 v. Chr. zuerst von den aus Südostasien kommenden Melanesiern besiedelt, und um 1’500 v. Chr. kamen Polynesier aus dem Osten dazu. Lange war es für die Europäischen Entdecker wegen der unberechenbaren, gefährlichen Riffe ein gemiedenes Gebiet. Erst im frühen 19. Jahrhundert begannen nebst Missionaren und Spekulanten Europäische Händler auf ihrer Suche nach Sandelholz die Inseln zu besiedeln. Um dem Missbrauch durch Fremde (diese hetzten die sonst friedlichen Einwohner gegeneinander auf) Einhalt zu gebieten, entschieden sich die Chiefs der Inseln schliesslich dazu, sich unter den Schutz Grossbritanniens zu stellen. 1874 wurde Fiji britische Kronkolonie. Aufgrund mangelnder Arbeitskräfte holten die Briten in den folgenden Jahrzehnten indische Arbeiter nach Fiji, die auf den Zuckerrohrplantagen wertvolle Dienste leisteten.
Nach 2 Tagen im Norden drehen wir um und segeln wieder gegen Süden. Schon bei der Vorbeifahrt haben wir eine schöne Bucht mit einem Dorf gesehen. Malakati auf der Insel Nacula. Kaum haben wir in der breiten, flachen Bucht den Anker eingefahren, werden wir vom Schiff Sybo angefunkt. Sybille und Bo (deshalb der Schiffname) verfolgen uns schon länger im Blog und haben uns erstmals in Suva getroffen. Sie haben uns im Schiffstracking System (AIS) gesehen und teilen uns mit, dass sie auch in die Bucht von Malakati kommen. Wir freuen uns riesig, das sympathische deutsch-dänische Seglerpaar wieder zu sehen.
Am nächsten Tag heben wir frühmorgens den Anker und nehmen die rund 46 Seemeilen zurück in die Vuda Marina unter den Kiel. Der Wind ist uns gut gesinnt und auch die Sonne hilft uns, einen sicheren Weg durch die verschiedenen Riffe zu finden. Es ist der 18. Oktober, wir sind gut im Zeitplan für unsere nächste grosse Fahrt nach Neuseeland. Das Essen für unterwegs liegt bereits vorgekocht im Tiefkühler. Neuseeland ist sehr streng was die Einfuhr von Lebensmitteln anbelangt. Deshalb haben wir begonnen, unsere Vorräte aufzubrauchen. Wir wollen nichts an Bord haben, das uns beim Einklarieren Probleme machen könnte. Kopfschmerzen bereitet uns aber das Unterwasserschiff. Unser Antifouling ist schon alt und nicht mehr das Beste. Wir kriegen es kaum noch sauber. Auch in diesem Punkt ist Neuseeland sehr streng. In den Richtlinien wird verlangt, dass es absolut frei sein muss von Lebewesen und Bewuchs, so dass keine invasiven Arten eingeschleppt werden. Es wird empfohlen, das Schiff vor der Abreise nach Neuseeland auszuwassern und mit Hochdruckreiniger zu waschen.
Jetzt sind wir bereit für Neuseeland. Es fehlt nur noch das günstige Wetterfenster. Über Vanuatu zieht gerade der erste Zyklon auf, und bei Neuseeland dominieren starke Winde und hohe Wellen. Es vergeht ein Tag nach dem anderen. Obwohl wir intensiv die Wetterkarten konsultieren – es wird nicht besser. Im Gegenteil! Das Wetter um Neuseeland wird immer schlechter und es zeichnet sich ab, dass sich dort ein Tief festsetzen wird. Langsam läuft uns die Zeit davon. Wir möchten gegen Mitte November in die Schweiz reisen und die Festtage mit unseren Familien verbringen. Unter Zeitdruck nach Neuseeland zu segeln, das müssen wir vermeiden. Irgendeinmal meint Pia, wir könnten ja mal die Marina fragen, ob sie noch einen «Pit» (Zyklon-Grube) hätten für unser Schiff. Machen wir – und haben Glück: es hat genau noch 2 Plätze frei! Wir überlegen nicht lange und packen die Gelegenheit beim Schopf: wir segeln NICHT nach Neuseeland – wassern das Schiff hier auf Fiji aus und fliegen von hier in die Schweiz.
Jetzt heisst es: umplanen. Wir wollten einige Unterhaltsarbeiten in Neuseeland erledigen lassen. Ich habe mich schon auf erfahrene Facharbeiter gefreut. Nun heisst es, die Arbeiten, die anstehen, hier zu organisieren oder selber zu machen. Zum Glück können uns die Marina und andere Segler gute Tipps geben. Einer der Tipps betrifft den Schutz des Schiffes vor der brutalen Sonne. Am Anker bewegt sich das Schiff dauernd, an Land aber nicht. Die Sonne brennt da gnadenlos immer auf dieselben Stellen. Es braucht einen zusätzlichen Sonnenschutz um das Teak-Deck und heikle Schiffsaufbauten einigermassen zu schützen.
Am 3. November wird die Lupina ausgewassert und in eine Zyklon Grube gestellt. Bis dahin gibt es noch einiges zu tun: Flüge reservieren, Service an Wassermacher und Motor, Generator wieder zum Laufen bringen, Segel runternehmen und inspizieren, und, und, und …
Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser!
Galapagos – Gambier (Französisch-Polynesien): 3’000 Seemeilen durch einen der einsamsten Ozeane der Welt. Hier führen keine Transportwege durch, Frachtschiffe werden wir bald keine mehr zu sehen bekommen. Andere Segler sind zurzeit nicht unterwegs, in Galapagos haben wir jedenfalls kein einziges Schiff gesehen, das nach Gambier segelt. Wir sind auf uns alleine gestellt, niemand kann uns zu Hilfe kommen, wenn uns mitten unterwegs etwas passieren sollte, nicht mal ein Flugzeug. Die Distanzen sind zu gross. 3’000 Seemeilen – es wird die längste Strecke unserer Segelreise sein.
Seit Tagen bereiten wir uns auf die lange Reise vor: das Rigg wird gründlich inspiziert, 2 Wanten noch etwas nachgezogen, Unterwasserschiff geputzt, Motor gewartet, Wasserversorgung geprüft, etc. Pia sorgt dafür, dass wir für gut 30 Tage Proviant haben. Wir rechnen mit 20-25 Tagen Überfahrt, aber etwas Reserve ist immer gut!
Du bist noch nie gesegelt und kannst dir nicht vorstellen, wie das ist, so eine lange Überfahrt? Stell dir vor, du dürftest für die nächsten 3 Wochen in deiner Wohnung nur etwa 25 Quadratmeter nutzen, also etwa die Küche und das Wohnzimmer. Fernseher, Telefon – funktioniert nicht. Du zusammen mit einem/r Partner/in. Rausgehen kannst du nicht. Besuch und Kontakt zu anderen Leuten gibt es nicht. Du musst Strom und Wasser sparen. OK, du hast viel zum Lesen und diverse Spiele, um dir die Zeit zu vertreiben. Das ist die Ausgangssituation. Und jetzt geht es los: deine Wohnung wird auf einen Rütteltisch gestellt und wird fortan hin und her geschaukelt, gerollt, von oben nach unten und wieder hochgehoben und in alle Lagen schief gestellt. Zudem sitzt jemand auf deinem Dach und macht dauern Lärm und vom Keller tönt es wie in einer Waschmaschine. Essen hast du genügend, aber es fällt dir dauernd vom Teller. Auch Bier und Wein hast du wie im Schlaraffenland, aber du rührst keinen Tropfen davon an. Kannst du dir das vorstellen? 3 Wochen lang! Perfekt, dann bist du dabei!
Am 27.12.2021 ist es soweit. Wir sind Beide etwas aufgeregt (ich etwas mehr als Pia), haben nur kurz geschlafen vor lauter Reisefieber. Am Morgen noch das ordentliche Frühstück, dann alles lose Gut am Schiff noch sorgfältig festgezurrt oder verstaut. Um 10 Uhr muss ich fürs Ausklarieren mit unseren Pässen zum Agenten. Zu Fuss geht’s zur Immigration und in wenigen Minuten sind die Stempel im Pass. Der Agent hat alles perfekt vorbereitet, ich selber muss kein einziges Formular ausfüllen.
Tag 1: Am Anfang heisst es, aus dem Ankerfeld hinaus um die Riffe herum aufs offene Wasser hinauszuzufahren. Dazu brauchen wir den Motor. Aber kurz danach können wir bereits den Kurs nach Gambier absetzen. Segel hoch – Motor aus – wir sind unterwegs! Nachdem wir an Santa Cruz vorbei sind, dreht der Wind aber in westliche Richtung, und wir müssen eine leichte Kursänderung vornehmen, die uns nördlich der kleinen Vulkaninsel Tortuga vorbeibringt. Macht nichts, geht auch.
Tag 2: Ein herrlicher Segel Tag: Die Wellen sind zwar noch etwas nervös im Inselgebiet, aber je weiter wir davon wegkommen, desto flacher wird die See. Die Nacht verläuft ruhig, obwohl zeitweise der Wind sehr schwach wird (weniger als 5 Knoten auf das Schiff). Zum Glück ist das Meer flach und die Segel schlagen nicht – so geht’s trotzdem unter Tuch weiter. Tagsüber nimmt der Wind zu (meist zwischen 8-10 Knoten) und wir machen schöne Fahrt. Am späteren Nachmittag geraten wir mitten in eine riesige Gruppe von Delphinen, die gerade am Jagen ist. Es spritzt, hüpft und quietscht um uns – aber keines der Tiere scheint an uns Interesse zu zeigen.
Tag 3: Nach einer wiederum ruhigen Nacht werden wir beim Frühstück durch eine Gruppe Buckelwale begrüsst, die vor uns durch Richtung Norden ziehen. Tagsüber legt dann der Wind leicht zu auf 10-13 Knoten in einem Winkel von 45-50° auf das Schiff. Ideal! Und der Pazifik zeigt sich von seiner braven Seite, die Wellen bleiben angenehm flach. Die Lupina kommt so richtig in Fahrt und wir erreichen ein ETMAL (= Seemeilen innerhalb 24 Stunden) von sehr guten 162 Meilen.
Tag 4: Eine sternenklare Nacht. In meiner Schicht ab Mitternacht beschäftige ich mich mit dem Beobachten der Sternenbildern, die ich bereits kenne, und dem Bestimmen von ein paar Neuen. Der abnehmende Mond geht erst spät auf. In der Dunkelheit ist gut das viele Leuchtplankton ersichtlich, welches durch Wasserbewegungen zum Leuchten angeregt wird. Der Wasserwirbel von Ruder und Rumpf unserer Lupina hinterlässt einen wahren Feuerschweif im Kielwasser.
Tag 5: Heute ist Silvester. Natürlich ist für den Jahreswechsel auch eine Flasche «Schampus» an Bord. Wir wissen nur nicht, wann öffnen und anstossen. Wir meinen, wir könnten das Kredenzen des edlen Saftes unterteilen: ein erstes Mal, wenn unsere Familien und Freunde zu Hause in der Schweiz feiern, und ein zweites Mal, wenn es bei uns soweit ist. Aber hier sind wir nicht sicher, welche Zeit gilt, wo wir gerade sind. Ist es noch Galapagos Zeit, oder schon eine Stunde später. Pia kommt mit der salomonischen Lösung: wir Verschieben den Genuss der Flasche auf unsere Ankunft in Gambier. Der Skipper will aufmaulen, aber ihm ist nicht entgangen, dass das Meer sehr ruppig geworden ist und der Wind mit 20-23 Knoten auf das Schiff doch kräftig ist. Da kann immer etwas passieren, oder es müssen Segel neu gestellt werden. Da braucht es einen klaren Kopf. Und so wird der Wunsch der Skipperin zum Befehl 😉. Ein guter Entscheid! Denn noch vor Einbruch der Dunkelheit bläst der Wind noch etwas stärker und wir können die Genua nicht weiter reffen. Das Schiff rollt und krängt in den 2 Meter hohen Wellen sehr unangenehm. Wir rollen die Genua ein und setzen stattdessen das viel kleinere Fock Segel. Nun ist es deutlich besser und wir verlieren trotzdem nicht viel an Fahrt, machen immer noch knapp über 7 Knoten im Schnitt.
Tag 6: Neujahr! Hurra, wir haben es am Vortag nicht mal bemerkt und erst als wir das Logbuch nachtragen, sehen wir es: am frühen Abend des 31.12.2021 haben wir mit der Lupina bisher 15’000 Seemeilen zurückgelegt. Nicht viel, aber ordentliche und zum Teil recht anspruchsvolle Strecken. Wenn wir noch unsere Fussmeilen dazu nehmen würden, dann wären wir bei den «Meilenfressern» vorne mit dabei 😊. Wir machen auch am heutigen Tag trotz reduzierten Segeln sehr gute Fahrt und erreichen auf dieser Reise einen neuen ETMAL Bestwert von 177.2 Seemeilen. Erklärung «Meilenfresser»: Langfahrtensegler, die ihre Zeit hauptsächlich mit Segeln verbringen und weniger Interesse haben an Land und Leuten. Sie umrunden den Globus zum Beispiel in durchschnittlich 2-3 Jahren (Quelle: Köbipedia)
Tag 7: Ein toller Segel Tag! Die Wellen sind moderat, der Wind genau richtig und wir kommen sehr gut voran.
Tag 8: Auch dieser Tag verläuft entspannt und bei herrlichen Verhältnissen. Gegen Abend nehmen Wind und Wellen zu, aber wir können die ganze Zeit unter vollen Segeln laufen. Wir machen ein tolles ETMAL von 181.8 Seemeilen.
Tag 9: In der Nacht hat der Wind etwas abgenommen und nach hinten (achterlich) gedreht. Tagsüber bleibt es stark bewölkt, und der Wind nimmt nicht wieder zu. Die Genua wird von hinten durch das Grosssegel vom Wind abgedeckt und flattert in solchen Situationen heftig. Mit dem Spi-Baum spannen wir die Genua nach aussen, so bleibt das Tuch besser gestreckt und flattert nicht.
Grosser Schreck am Abend. Da heute die Sonne nicht scheint (Solarpaneelen) und der Wind schwach ist (Windgenerator), wollen wir den Dieselgenerator starten. Aber der macht keinen Wank! Die Startautomatik läuft zwar ganz normal durch das Prozedere durch, aber der Anlasser dreht nicht, macht keinen Wank, kein Geräusch. Ich schliesse schnell auf einen Kabelbruch, quetsche mich in den engen Motorraum und mach mich auf die Suche. Alles ist normal und das Voltmeter zeigt nirgends ein gebrochenes Kabel. Über Mail (Satellit) frage ich 3 mir gut bekannte Mechaniker an, ob ich den Anlasser direkt von der Batterie mit Strom versorgen kann, ohne einen Folgeschaden zu erzeugen. «Das geht» ist die rasche Antwort. Noch während ich mir ein Kabel bastle, kommt mir in den Sinn, dass ich als Kind Chauffeure und Bauern gesehen habe, die ihren Anlasser mit einem Hammer traktiert haben, wenn er nicht wollte. Ich versuch’s mit leichtem Klopfen auf den Magnetschalter – und siehe da: er läuft wieder!!
Tag 10: Mit dem «reparierten» Generator (ich muss das unterwegs in der Folge noch mehrere Male machen) haben wir in der Nacht 2 Stunden lang Strom produziert und dabei gleichzeitig mit dem Wassermacher (der auch Strom braucht) Trinkwasser ergänzt. Es läuft perfekt! Wir sind weiterhin schnell unterwegs und die Moral der Crew ist unverändert gut. Der Wind nimmt tagsüber leicht zu, ist aber mit rund 17 Knoten auf das Schiff immer noch im Grünen Bereich. Was uns eher zu schaffen macht ist die nervöse Welle, die sich gegen Abend eingestellt hat und immer höher wird. Immer häufiger wirft sie Lupina aus ihrem schnellen Trott und bringt uns heftig zum Rollen. So heftig, dass der Spi-Baum droht, in die Wellen zu tauchen. Sicherheitshalber reduzieren wir die Genua, was das Ende des Baumes noch oben und nach vorne bringt.
Tag 11: Die Nachtfahrt ist recht ruppig. Die gut 3 Meter hohen Wellen bringen uns immer wieder ins Schlingern und Rollen. Aber mittlerweile ist alles auf der Lupina so verstaut, dass es kaum mehr scheppert und poltert. Die meiste Zeit steuern wir mit dem Autopiloten «auf Kurs», das heisst, auf dem kürzesten Weg nach Gambier. Wenn in der Nacht der Wind sich stark verändert, zum Beispiel zu weit von der Seite kommt, oder zu weit von hinten, beginnt die ausgebaumte Genua zu flattern und zu schlagen. Um das Segel dem Wind anzupassen, müssten wir an Deck gehen. Das machen wir in der Dunkelheit nicht, sondern stellen den Autopiloten auf «Steuerung nach Wind» ein. Dieser steuert den Kurs des Schiffes dann so, dass der Wind immer mit dem gleichen Winkel auf das Schiff kommt. Verändert sich also die Windrichtung, dann verändert sich auch der Kurs. Dies ist besonders am heutigen Tag sehr hilfreich, da wir mehrere solche Windveränderungen durchmachen.
Tag 12: Heute werden wir durch einen heftigen Squall in den Tag empfangen. Ein Squall ist eine Regenfront, die vom Wind übers Meer getrieben wird. Tagsüber sieht man sie gut, in der Nacht hilft das Radar. Wenn ein Squall vorbeizieht, steigt der Wind zuerst für ein paar Minuten markant an. Heute Morgen von 15 Knoten auf rund 40 Knoten. Wir haben ihn sehen kommen und das Grosssegel deutlich gerefft und dann den Wind abgeritten. «Abreiten» heisst in diesem Fall, wir ändern den Kurs so, dass der Wind fast von hinten kommt. So bleibt das Schiff schön aufrecht und die Windkraft verteilt sich gut auf die Segel. Nach ein paar Minuten beginnt es bei einem Squall dann heftig zu regnen, gleichzeitig fällt der Wind zusammen. Ist dann der ganze Spuk vorbei, nimmt der Wind wieder zu auf die ursprüngliche Stärke. Obwohl wir am heutigen Tag mehrere Squalls abwettern müssen, bleibt die Lupina schnell: wieder ein hohes ETMAL von 181 Seemeilen.
Tag 13: Nach einer ereignislosen Nacht überrascht uns beim Morgenessen ein AIS Signal. Kurz darauf ein zweites und nach ein paar Minuten insgesamt 6 AIS Signale. So viele Schiffe so weit draussen im Niemandsland?
Wir werden neugierig, schauen uns die Informationen im Computer an. Alles Schiffe mit komischen Bezeichnungen, meist irgendwelche Zahlenkombinationen. Obwohl wir bei einem dieser Punkte in einer Distanz von nur einer halben Meile vorbeifahren, sehen wir kein Schiff! Wir nehmen unser Fernglas schauen genauer hin, und sehen immer noch nichts. Was kann das sein? U-Boote auf einer Manöverfahrt? Eines der Signale ist Koreanisch oder Chinesisch angeschrieben. Ich versuche, sie per VHF Funk aufzurufen, erhalte aber keine Rückmeldung. Ein Indiz mehr, dass es eine militärische Übung sein könnte. Wir erfahren es nicht. Ich mach einen Eintrag im Logbuch und weiter geht die Fahrt – ohne Torpedo Beschuss 😊. Wir erreichen heute, fast genau 13 Tage nach der Abfahrt, 2’000 Meilen. Zwei Drittel der Strecke geschafft!
Tag 14: Endlich werden die Temperaturen etwas wärmer. Bisher war es in der Nacht immer 20, 21 Grad. Jetzt sind es doch immerhin 24 Grad und die Nachtwache ist so sehr angenehm. Mittlerweile ist der Sonnenaufgang um 7 Uhr 40 (Bordzeit) also schon mehr als anderthalb Stunden später als noch in Galapagos. Das bedeutet auch, dass die Sonne später untergeht. Nun ist es bis 9 Uhr abends hell. Gegen Abend kommen wir wieder an vielen AIS Punkten vorbei. Diesmal aber sehen wir zumindest ein Schiff. Es ist deutlich als Fischerschiff zu erkennen. Aber wo sind die 3 Begleitboote, die zwar auf dem Bildschirm zu erkennen sind, nicht aber auf dem Wasser? Uns dämmert es! Die U-Boote vom Vortag dürften mit AIS bestückte Bojen der Fischer sein. Damit markieren sie ihre Netze und könne sie dann später per GPS wieder orten. Wir kriegen Gänsehaut beim Gedanken, dass wir gestern mitten durch so ein Feld von Netzen durchgefahren sind. Wir haben von vielen Schiffen gelesen, dass sie unterwegs in einem Netz hängen geblieben sind. Offenbar hatten wir einen guten Schutzengel 😉
Tag 15: Die Tage beginnen sich zu gleichen. Auf der Lupina ist längst Routine eingekehrt. Jeder Handgriff sitzt und wir lösen uns ohne festen Plan gegenseitig beim Wache Schieben im Cockpit ab. Wir schlafen viel und fühlen uns sehr gut. So könnte es noch lange weiter gehen. Erwähnenswert vielleicht: die Häufigkeit der Squalls und die Intensität des Regens scheint zuzunehmen, je weiter wir westwärts kommen. Unsere Lupina freut sich über die Frischwasserduschen
Tag 16: Der heutige Tag beginnt mit einem wunderschönen Sternenhimmel. Der Mond geht kurz nach Mitternacht unter und gibt ein prächtiges Funkeln und Glitzern am Sternenhimmel preis. Leider dauert es nicht lange. Bis zum Morgengrauen überfahren uns 5 grössere Squalls. Die Kleinen zählen wir schon gar nicht mehr. Und dann stellt der Wind ab. Nicht ganz, aber auf eine Stärke, bei der die Segel nicht mehr stehen und bei den heftigen Wellen (2-3 Meter hoch) laut und nervig schlagen. Wir rollen das Grossegel komplett weg, erhalten dadurch etwas mehr Druck in die Genua und kriegen so das Flattern der Segel in Griff. Den ganzen Tag und die kommende Nacht schleicht die Lupina wie halb lahm ihrem Ziel entgegen.
Tag 17: Nach Mitternacht nimmt der Wind zu, wir setzen das Gross wieder, es steht. Ab jetzt geht es recht zügig voran. Ab und zu setzen wir den Autopiloten auf Windsteuerung, aber meist können wir direkt der Route folgen. Der Himmel ist zu. Ab und an ein heftiger Regenschauer, aber wir machen wieder gute Fahrt, das ist die Hauptsache. Es scheint, dass wir dem Schwachwind entronnen sind. Das Ziel fliegt näher. Es wird Zeit, dass wir uns mit der Ankunft zu beschäftigen beginnen. Wenn der Wind so bleibt, können wir in 2 Tagen am Ziel sein.
Tag 18: Wir rechnen hin und her und sind sicher, dass wir es am nächsten Tag schaffen können. Um Mitternacht trennen uns nur noch 280 Seemeilen von Gambier. Durch die Zeitverschiebung werden uns noch 3 Stunden geschenkt. Also volle Pulle weiter! Der Wind ist gut und wir kommen den ganzen Tag über sehr gut voran. Bereits am Vormittag nehmen wir Tempo raus und rollen das Grosssegel komplett weg. Wir sind bester Laune. Einzig über den Namen «Pazifik» müsste man sich mal unterhalten. Sooo friedlich und still ist er bei Weitem nicht. Auch heute wieder schüttelt und rüttelt er uns heftig durch. Von hinten wälzt sich eine rund 4 Meter hohe, gemächliche Passatwind Welle unter uns hinweg. Diese alleine wäre ok. Aber darüber gelagert kommt eine kleinere Welle von Norden. Und die bringt uns immer wieder stark ins Rollen, stellt uns quer zur Passatwelle oder klatscht sich voll an die Breitseite. In der Dunkelheit der Nacht keine Chance, das auszusteuern. Eine dieser hochschwappenden Wellen reisst einen Teil der Halterung des Rettungsringes ab. Nichts Schlimmes. Die Halterung besteht aus einem Stoffstreifen, der mit Klettverschluss an der Reling fixiert ist. Der Stoff ist vom brutalen UV-Licht der Sonne spröde geworden uns ist gerissen. Wir fixieren den Rettungsring provisorisch mit einer dünnen Leine. Ein Job für Pia’s To-Do Liste.
Tag 19: Schon kurz nach Sonnenaufgang lösen sich die Umrisse der höchsten Berge von Gambier aus dem Dunst. «Laaaaand in Siiiiiicht» rufe ich inbrünstig und voller Begeisterung in den Schiffbauch hinunter, wo sich Pia nach ihrer Wache immer noch im Tiefschlaf befindet. Ich habe sie noch selten so schnell aus dem Lee-Bett hüpfen sehen. Gemeinsam geniessen wir im Cockpit den wunderbaren Moment.
Wir haben es geschafft!! Aber halt – noch nicht ganz! Nun folgt der Teil, der schon vielen Seefahrern vor uns zum Verhängnis wurde: nach einer langen Fahrt über den Ozean die sichere Einfahrt in das mit Korallenköpfen bespickte Atoll zu finden. Zum Glück hat man heute GPS und Satelliten Bilder. Noch sind wir unter Segel. Erst kurz vor der Einfahrt starten wir den Motor, rollen die Genua weg und lassen uns in der Brandung der wallenden Meereswogen durch den Pass im Riff ins Atoll tragen. Der Weg ist gut markiert und wir finden unseren Ankerplatz zügig und ohne Probleme. Und welch eine schöne Ankunft: beim Einfahren werden wir von allen Seiten durch Crews bereits hier liegender Yachten beglückwünscht und willkommen geheissen. Wir sind überrascht und stark berührt. So haben wir das noch nie erlebt. Was für eine schöne Geste. Es befinden sich 16 Boote vor Anker. Unglaublich, aber 3 davon sind Schweizer Boote (aber mehr dazu im nächsten Bericht). Am Freitag, 14. Januar 2022, genau 18 Tage und 1.5 Stunden nachdem wir den Anker in Galapagos gehoben hatten, gräbt er sich nun wieder fest in den Meeresgrund ein. Motor aus und eine innige Umarmung der Crew: wir haben es geschafft!!
Statistik: – Totale Distanz durchs Wasser: 2’953 Seemeilen – Reisedauer: 18 Tage 1.5 Stunden – Durchschnittliche Geschwindigkeit: 6.8 Seemeilen/Stunde – Durchschnittliches ETMAL: 163.5 Seemeilen/Tag – Minimales ETMAL: 114.8 Seemeilen am 28.12.2021 – Bestes ETMAL: 181.8 Seemeilen am 3.1.2022
Wie das Einklarieren verläuft, wen wir alles bereits an unserem ersten Tag antreffen und wie es uns weiter ergeht auf Gambier, davon erzählen wir im nächsten Bericht. Nun müssen wir uns zuerst mal auf die Suche nach einem Internet und WiFi Signal machen 😉
Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser