Maupiha’a – die fast vergessene Insel in Französisch-Polynesien

Maupiha’a liegt rund 105 Seemeilen westlich von Maupiti. Ein Zwischenhalt hier verkürzt die Segelstrecke zu den Cook Inseln (unser nächstes Ziel) und macht es ein wenig leichter, ein dafür passendes Wetterfenster zu finden. Es ist die am westlichsten gelegene Insel in Französisch-Polynesien, welche mit unserem Schiff angelaufen werden kann.

Das Atoll Maupiha’a wurde 1998 durch Zyklon Martin komplett zerstört. 75% der Bäume und anderen Vegetation sowie alle Häuser bis auf eines wurden von den Flutwellen weggerissen. Alle Leute konnten rechtzeitig durch das Militär evakuiert werden und zum Glück gab es keine Opfer zu beklagen. Ein Teil der über Jahrhunderte von Wind und Meer angehäuften Insel wurde weggespült, so dass heute nur noch etwa die Hälfte des Riffes von Motus umsäumt ist. Im Nordwesten gibt es eine Einfahrt, die unter Seefahrern als sehr gefährlich eingestuft wird. Der Pass, der «Boys zu Männern macht»!
So präsentiert sich die Passdurchfahrt auf unserer Seekarte. Die mit einem roten Punkt und weissem Kreuz versehenen Seezeichen wurden beim Zyklon weggefegt und sind nicht mehr vorhanden. Links und rechts vom Pass lauern scharfe Korallenbänke (grün eingezeichnet), die bis knapp unter die Wasseroberfläche ragen. Der Pass verläuft zwar ziemlich gerade, ist aber sehr eng (rund 20 Meter breit). Wer die Durchfahrt begonnen hat, muss durch. Ein Wendemanöver wäre fast ein sicherer Crash. Es braucht einen zuverlässigen Motor, viel Mut und gute Nerven.
Wir wagen es! So präsentiert sich die Einfahrt in Realität. Die weissen Schaumkronen links und rechts signalisieren das Aussenriff. Der Einfahrtsbereich im offenen Meer ist sehr turbulent. Es gibt viele Verwirbelungen, Unter- und Überströme und es ist unmöglich, hier das Boot auf geradem Kurs zu halten. In solchen Verhältnissen ein Schiff in die nur 20 Meter breite Fahrrinne des Passes (Bildmitte) zu manövrieren ist nicht ganz einfach, aber machbar. Einmal im Pass drin wird die Strömung regelmässig. Mit rund etwa 4-5 Knoten auslaufend ist sie zwar stark, aber unser Motor schafft das. Im Schneckentempo (1-2 Knoten Fahrt über Grund) schiebt er unsere Lupina langsam aber sicher durch die engste Stelle. Nach knapp 500 Metern sind wir durch.
Drinnen am Ankerplatz (es sind noch 3 andere Boote da), zufrieden und auch etwas stolz auf die sichere Ankunft, feiern wir unseren Erfolg mit einem Ankertrunk und lassen den Tag bei einem herrlichen Sonnenuntergang zu Ende gehen.

Nach der vollständigen Zerstörung des Atolls 1998 hat sich die Vegetation in den vergangenen 25 Jahren erstaunlich gut erholt. Von den damaligen Bewohnern wollte niemand mehr zurück. Deshalb wurde von der Regierung ein Programm gestartet, das einige wenige neue Familien motiviert hat, ein Abenteuer zu starten und sich der Copra Ernte zu verpflichten. Für ihren mutigen Entscheid erhalten sie pro Jahr einen fixen Geldbetrag. Die Familien arbeiten in einer Kooperation zusammen. Dabei arbeitet zwar jeder für sich, aber der Transport aufs Schiff, das nur kommt, wenn 40 Tonnen Copra geerntet sind, wird gemeinsam erledigt. Es gibt ein Satelliten-Telefon (früher ein Funkgerät) auf der Insel, damit wird die Kommunikation mit der Aussenwelt aufrecht erhalten. Ansonsten sind die Einwohner komplett auf sich selber gestellt. Heute leben 9 Personen auf dem rund 7km langen Motu. Sie versorgen sich von Maupiti aus und sind dabei auf die Unterstützung von Fischern und Seglern angewiesen. Ein Versorgungsschiff gibt es keines.

Bei unserem ersten Landgang besuchen wir Marcelo und seine Familie (Frau und 1 Tochter). Er ist der Leiter der Kooperation. Er teilt den Familien den Bereich der Insel zu, für den sie verantwortlich sind und wo sie ihre Hütte aufstellen können. Seine Frau verwaltet das Satellitentelefon. Wir bitten ihn um Erlaubnis, vor seinem Teil des Motus vor Anker liegen zu dürfen. Gütig lächelnd willigt er sofort ein. Er ist sehr positiv auf Segler eingestellt. Erst kürzlich wurde er von einem Segler von Maupiti, wo er wegen einer Krankheit einige Wochen medizinische Hilfe benötigt hat, nach Maupiha’a zurück gebracht.
Auf Erkundungsfahrt mit dem Dinghi
Am südöstlichen Ende der Hauptinsel.
Auf unserem Landgang am Südostende der Insel begegnen wir Pièrre. Er hat unsere Ankunft mit dem Dinghi schon von weitem gesehen und ist uns gefolgt, um uns auf traditionelle Weise zu begrüssen: mit einer Kokosnuss. Er erklärt uns viel über die Vegetation der Insel und lädt uns für die nächsten Tage zu seinem Haus, das sich etwa in der Mitte der langgezogenen Insel befindet, ein.
Am nächsten Tag landen wir unser Dinghi etwa in der Mitte der Hauptinsel und machen uns zu Fuss auf die Suche nach Pièrre. Erstaunlicherweise verläuft über die ganze Länge der Insel ein etwas über 5km langer Weg. Dieser würde nach der Verwüstung 1998 wieder erstellt und dient dazu, die einzelnen Familien miteinander zu verbinden und die Copra Ernte zentral zu sammeln.
Auf unserem Weg kommen wir an einigen verlassenen, leeren Hütten vorbei. Aber dort, wo jemand wohnt, da sieht es immer sehr ordentlich und herausgeputzt aus. Bei der Hütte von Isabela sieht es besonders aufgeräumt aus. Sogar die Kokosnussschalen sind fein säuberlich zum Vortrocknen aufgehäuft.
Nach gut einer halben Stunde sehr kurzweiligem Fussmarsch gelangen wir zur Hütte von Pièrre. Er hatte uns am Tag vorher versprochen, er wolle uns einen Fisch zubereiten. Mit hängenden Ohren gesteht er uns nun, dass er mit dem Fischen nicht erfolgreich war. Gleichzeitig kehrt ein Strahlen zurück auf sein Gesicht: «ich habe etwas viel Besseres für euch!», meint er. Er greift in einen alten Jutesack und zieht zwei riesige Kokoskrabben hervor.
Auch Pia will sich das Tier aus der Nähe anschauen. Die beiden Zangen sind immer unterschiedlich stark ausgebaut. Mit der Kleineren hält die Krabbe eine Kokosnuss fest, mit der Anderen, der Stärkeren, bricht sie die Schalen auf. Kommt ein unachtsamer Menschenfinger in diese starke Zange, wird dieser unweigerlich zerquetscht und zermalmt. Also aufpassen!
Nach einem gezielten Messerstich zwischen die Augen mitten ins Herz wandern die beiden Krabben ins heisse Wasser (Meerwasser).
An einem anderen Tag besuchen wir Norma und Harry. Beide sind in Maupiti aufgewachsen. Da sei es ihnen nun «zu lärmig und hektisch» geworden.
Schaut euch den Sandboden an! Da liegt kein Blatt, rein gar nichts herum.
Auch hinter dem Haus sieht es bei den beiden Auswanderern gut aufgeräumt aus.
Auf der Insel gibt es 3 Motorfahrzeuge: einen funktionierenden Traktor der Kooperative und 2 Autos, die schon längst nicht mehr benutzt werde. Dieser Land-Rover gehört Harry. Er hat ihn von Maupiti mitgenommen. Nach einiger Zeit sei aber bei der Kupplung etwas kaputt gegangen, wie er uns erklärt, und seither steht er. Falls also ein geschickter Land-Rover Spezialist mitliest – hier ist der perfekte Arbeitsplatz!
Toilette mit wunderschöner Aussicht
Harry sammelt Mützen, die er von Seglern erhält. Darunter sehen wir eine von einem Schiff, das wir auch gut kennen. Wir machen ein Foto und schicken es später, sobald wir wieder Internet haben, an die Crew des Schweizer Schiffes Tanai III
Natürlich werden wir auch von Norma und ihren wunderbaren Kochkünsten verwöhnt. Pia tauscht intensiv Rezepte aus mit ihr.

Wir sind nun fast eineinhalb Jahre in Französisch-Polynesien unterwegs. Unheimlich wie die Zeit vergeht. Französisch-Polynesien erstreckt sich über eine Fläche von 5,5 Millionen km2, die gleiche Grösse wie Westeuropa. Die vier Archipele, die wir besucht haben, sind weit voneinander entfernt und von der Natur her sehr unterschiedlich: die Marquesas mit ihren wilden Bergen und engen Tälern, die flachen Atolle der Tuamotus, die Gesellschaftsinseln mit ihren üppigen, aber oft steilen Hängen und ganz am Anfang Gambier, eine spezielle Mischung zwischen den Marquesas und den Tuamotus.

Überall, wo wir uns bewegt haben, sind wir auf nette, fröhliche und ausserordentlich gastfreundliche Menschen gestossen. Instinktiv haben wir gefühlt: hier bist du sicher. Seit wir in Französisch-Polynesien angekommen sind, war unser Boot nie mehr abgeschlossen. Einzige Ausnahme: Tahiti. Veranlassung dazu waren hier aber eher die vielen anderen Segler (von denen schon mal einer etwas von unserem Schiff brauchen könnte) als die Einheimischen. Maupiha’a ist nun definitiv der letzte Stopp in Französisch-Polynesien. Nun treibt uns der Wind weiter westwärts. Wir dürfen schöne Erinnerungen an wunderbare Menschen mitnehmen.

Die Menschen machen den Unterschied aus. Schon eine geschenkte Zigarre reicht, um jemanden glücklich zu machen.
Viel Zeit für Gespräche
«Nana!» – «au revoire» – «auf Wiedersehen»

Am 25. Mai 2023, sobald wir gutes Sonnenlicht haben, um die Hindernisse bei der Ausfahrt gut sehen zu können, lichten wir den Anker, winken unseren neuen Freunden ein letztes Mal zu und nehmen Kurs auf Richtung Cook Islands. Wie gelingt und die Ausfahrt durch den Pass, diesmal mit der Strömung? Was erwartet uns am Ziel – können wir da anlegen? Mehr davon im nächsten Bericht. Es bleibt spannend – folge der Lupina im Kielwasser!

Absprung aus Französisch-Polynesien